Bundespatentgericht:
Beschluss vom 6. Juli 2000
Aktenzeichen: 25 W (pat) 109/99

(BPatG: Beschluss v. 06.07.2000, Az.: 25 W (pat) 109/99)

Tenor

Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Bezeichnung Caroist nach Teillöschung des Warenverzeichnisses vor dem Deutschen Patent- und Markenamt noch für "Arzneimittel; Präparate zur Gewichtsreduktion für medizinische Zwecke, nämlich Schlankheitsmittel als Tagesration für Übergewichtige entsprechend § 14 a Verordnung über diätetische Lebensmittel; Präparate zur Gewichtsreduktion für nichtmedizinische Zwecke, soweit in Klasse 29 enthalten, nämlich Schlankheitsmittel als Tagesration für Übergewichtige entsprechend § 14 a Verordnung über diätetische Lebensmittel; Präparate zur Gewichtsreduktion für nichtmedizinische Zwecke, soweit in Klasse 30 enthalten, nämlich Schlankheitsmittel als Tagesration für Übergewichtige entsprechend § 14 a Verordnung über diätetische Lebensmittel" eingetragen. Die Veröffentlichung der Eintragung erfolgte am 30. Dezember 1995.

Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der am 18. August 1995 für "Arzneimittel, chemische Erzeugnisse für Heilzwecke und Gesundheitspflege" eingetragenen Marke 2 910 429 CAPO, deren Widerspruchsverfahren am 9. Dezember 1998 abgeschlossen wurde. Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat im Beschwerdeverfahren die Benutzung der Widerspruchsmarke nicht mehr bestritten.

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat in dem angefochtenen Beschluß eine Verwechslungsgefahr zwischen den Marken bejaht und die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet. Ausgehend von der nach der maßgeblichen Registerlage erheblichen Ähnlichkeit der Waren, einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und der Berücksichtigung von Laien als Verkehrsbeteiligte könnten wegen der starken klanglichen Annäherungen der Markenwörter Verwechslungen nicht mit ausreichender Sicherheit ausgeschlossen werden.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke mit dem sinngemäßen Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und den Widerspruch zurückzuweisen.

In klanglicher Hinsicht unterschieden sich die jeweils zweisilbigen Wörter "Caro" und "CAPO" hinreichend. Während die jüngere Marke in der Wortmitte mit dem "r" einen runden, rollenden Klang aufweise, enthalte die Widerspruchsmarke den Sprenglaut "p", der den zweiten Wortteil beherrsche und die Widerspruchsmarke in zwei klare, abgehackte Silben trenne. Ebenso bestehe schon durch die unterschiedliche Verwendung von Groß- und Kleinbuchstaben keine schriftbildliche Verwechslungsgefahr. Begrifflich weise "Caro" auch für Laien als Figur- bzw Formangabe eine Bedeutung auf, während "CAPO" nur einem eingeschränkten Verbraucherkreis verständlich sei und im übrigen als Phantasiebezeichnung verstanden werde.

Der Widersprechenden hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluß sowie die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt, § 66 Abs 1 Satz 1, Abs 2 MarkenG.

In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg. Es besteht auch nach Auffassung des Senats Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG. Die Markenstelle hat deshalb zu Recht die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet.

Der Senat geht bei seiner Entscheidung mangels anderer Anhaltspunkte von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke aus.

Die Nichtbenutzungseinrede ist aus zutreffenden Gründen von der Markenstelle als unzulässig zurückgewiesen worden, wozu sich die Inhaberin der angegriffenen Marke nicht geäußert hat. Die Einrede könnte auch derzeit im Hinblick auf das erst am 9. Dezember 1998 abgeschlossene Widerspruchsverfahren der älteren Marke nicht wirksam erhoben werden (§§ 43 Abs 1, 26 Abs 5 MarkenG). Es ist deshalb für die Beurteilung der Warenähnlichkeit von der Registerlage auszugehen.

Hiernach können sich die Marken hinsichtlich der in beiden Warenverzeichnissen enthaltenen "Arzneimittel" auf identischen, im übrigen auf ähnlichen Waren begegnen, wobei nicht nur die von der jüngeren Marke insoweit beanspruchten Präparate zur Gewichtsreduktion für medizinische Zwecke, nämlich Schlankheitsmittel als Tagesration für Übergewichtige, sondern auch die weiteren, in die Klassen 29 und 30 einzuordnenden Präparate zur Gewichtsreduktion für nichtmedizinische Zwecke wegen ihrer Zweckbestimmung "für Übergewichtige" diätetische Lebensmittel im Sinne des 14 a Abs 1 DiätVO sind (vgl hierzu auch Zipfel, Rathke, Lebensmittelrecht, C 20 zu § 14 a DiätVO Rdn 9) und als diätetische Schlankheitsmittel engste Berührungspunkte zu Arzneimitteln aufweisen können. Sie werden ergänzend als zusätzlich unterstützende Maßnahme für die Therapie bei Patienten mit erhöhten Blutfettwerten, Gicht, Bluthochdruck, Herzerkrankungen und/oder Diabetes verwendet, insbesondere aber zu anderen Zwecken wie Fettreduktion und -austausch, Nucleinsäureverminderung, Natriumarmut (vgl Zipfel aaO Rdn 13) und können deshalb wegen ihrer Zweckbestimmung, aber auch hinsichtlich weiterer Überschneidungen bei den Herstellerbetrieben, den Vertriebswegen, Verkaufsstätten und den Abgabeformen und Aufmachungen der Produkte sowie ihrer stofflichen Beschaffenheit eine große Nähe zu Arzneimitteln aufweisen (vgl eingehend und mit weiteren Hinweisen BPatG MarkenR 2000, 103, 105 und 106 - Netto 62; PAVIS PROMA, Kliems, BPatG 30 W (pat) 29/99 VITACE ­ Mivitase; PAVIS PROMA, Kliems, BPatG 25 W (pat) 99/97 BIOGRAN = Biocarn; vgl auch zur Grauzone zwischen Lebensmitteln und Arzneimitteln und deren Abgrenzung VGH München NJW 1998, 845; BGH NJW-RR 1999, 1565, 1566 - Vitalkost; zur Abgrenzung "funktioneller Lebensmittel" von diätetischer Ernährung und von Arzneimitteln vgl auch Kiethe, Groeschke WRP 1999, 973, 975, 976).

Da für die vorliegend maßgeblichen Waren eine Rezeptpflicht in den Warenverzeichnissen nicht festgeschrieben ist und auch in tatsächlicher Hinsicht der Fachverkehr nicht im Vordergrund steht, sind die allgemeinen Verkehrskreise uneingeschränkt für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr zu berücksichtigen. Auch insoweit ist allerdings davon auszugehen, daß grundsätzlich nicht auf einen sich nur flüchtig mit der Ware befassenden, sondern durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen ist, dessen Aufmerksamkeit je nach Art der Ware oder Dienstleistung unterschiedlich hoch sein kann (vgl BGH MarkenR 2000, 140, 144 ATTACHÉ / TISSERAND; BGH GRUR 1998, 942, 943 li Spalte - ALKA-SELTZER; EuGH MarkenR 1999, 236, 239 unter 24. - Lloyd / Loints) und der insbesondere allem, was mit der Gesundheit zusammenhängt eine gesteigerte Aufmerksamkeit beizumessen pflegt (vgl BGH GRUR 1995, 50, 53 - Indorektal/Indohexal).

Unter Berücksichtigung dieser Umstände sind an den zur Vermeidung einer Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG von der jüngeren Marke einzuhaltenden Markenabstand auch hinsichtlich der nicht identischen Waren jedenfalls eher noch strenge Anforderungen zu stellen, die nach Auffassung des Senats in schriftbildlicher Hinsicht nicht eingehalten sind.

Hierbei ist zwar grundsätzlich bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr von den Marken in ihrer eingetragenen oder angemeldeten Form ausgehen (vgl BGH MarkenR 2000 140, 143 - ATTACHÉ / TISSERAND; GRUR 1996, 775, 777 - Sali Toft), da diese für die Bestimmung des verteidigten bzw beanspruchten Schutzbereichs maßgeblich ist. Entgegen der Ansicht der Inhaberin der angegriffenen Marke sind daneben nach allgemeiner Auffassung aber auch andere verkehrsübliche Wiedergabeformen zu berücksichtigen. Dies wird insbesondere bei Groß- und Kleinschreibung sowie für den Wechsel gebräuchlicher Schrifttypen angenommen, uU auch für handschriftliche Wiedergabe (vgl Althammer/Ströbele, Markengesetz, 5. Aufl, § 9 Rdn 65; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 1998, § 14 Rdn 345 mit weiteren Hinweisen auf die st Rspr). Danach erweisen sich die nur in der Wortmitte durch einen Buchstaben voneinander abweichenden Markenwörter insbesondere bei einer Wiedergabe in Großbuchstaben wie "CARO" und "CAPO" wegen der sehr ähnlichen Kontur des "P" und "R" im Gesamteindruck als nicht hinreichend verschieden. Auch wenn zu beachten ist, daß das Schriftbild der hier im übrigen relativ kurzen Markenwörter erfahrungsgemäß sehr viel besser eine ruhige oder auch wiederholte Wahrnehmung der Bezeichnung gestattet als das schnell verklingende gesprochene Wort und bei der Prüfung der markenrechtlichen Ähnlichkeit des maßgeblichen Gesamteindrucks der Marken insbesondere auch die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind (EuGH GRUR 1998, 387, 390 - Springende Raubkatze; MarkenR 1999, 236, 239 - Lloyd / Loints), so reicht ein derart geringfügiger Unterschied - wie er vorliegend in der Kontur nur eines, sich zudem im Wortinnern befindenden Buchstabens besteht - nicht für eine hinreichend sichere Unterscheidung der im übrigen identischen Wörter aus. Selbst Fachkreise pflegen im Bereich gleicher oder sehr ähnlicher Waren nicht mit so geringfügigen Zeichenunterschieden unterschiedlicher Hersteller zu rechnen (vgl BGH GRUR 1995, 50, 52 - Indorektal/ Indohexal). Hinzu kommt, daß sich jedenfalls dem Verbraucher nur selten die Möglichkeit bietet, verschiedene Marken unmittelbar miteinander zu vergleichen und er sich vielmehr auf das unvollkommene Bild verlassen muß, das er von diesen im Gedächtnis behalten hat (st Rspr, vgl BGH GRUR 1993, 972, 974 - Sana / Schosana; EuGH MarkenR 1999, 236, 239 - Lloyd / Loints).

Bei einem derart hochgradig ähnlichen Schriftbild vermögen auch begriffliche Unterschiede keine ausschlaggebende Unterscheidungshilfe zu geben, da die Markenwörter verlesen werden können und deshalb der Sinngehalt überhaupt nicht oder der falsche Begriff zum Bewußtsein kommt (vgl Althammer/Ströbele, MarkenG, 5. Aufl, § 9 Rdn 76). Es kann deshalb dahinstehen, ob vorliegend den maßgebenden Verkehrskreisen die Bedeutung einer oder beider Bezeichnungen hinreichend geläufig ist, um sich als Unterscheidungshilfe zu eignen (vgl hierzu BGH MarkenR 2000, 130, 132 - comtes/ComTel, GRUR 1992, 130, 132 - Bally / BALL).

Da sich die Marken bereits in schriftbildlicher Hinsicht als verwechselbar erweisen, kann die Frage einer klanglichen Verwechslungsgefahr dahingestellt bleiben. Allerdings erscheint die Annäherung der Wörter auch in dieser Hinsicht nicht unbedenklich, worauf bereits die Markenstelle in dem angefochtenen Beschluß mit beachtlichen Gründen hingewiesen hat.

Nach alledem war die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke zurückzuweisen.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlaß, § 71 Abs 1 MarkenG.

Kliems Knoll Engels Pü






BPatG:
Beschluss v. 06.07.2000
Az: 25 W (pat) 109/99


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