Bundespatentgericht:
Beschluss vom 4. August 2010
Aktenzeichen: 9 W (pat) 395/05

(BPatG: Beschluss v. 04.08.2010, Az.: 9 W (pat) 395/05)

Tenor

Das Patent wird beschränkt aufrechterhalten mit Patentansprüchen 1 bis 4 gemäß 2. Hilfsantrag, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 4. August 2010, Beschreibung und Figuren gemäß Patentschrift.

Gründe

I.

Das Deutsche Patentund Markenamt hat nach Prüfung das am 13. Oktober 1998 unter Inanspruchnahme der japanischen Priorität P 9-279187 vom 13. Oktober 1997 angemeldete Patent mit der Bezeichnung

"Vorrichtung zur Regelung des Fahrzeugniveaus"

erteilt. Gegen das Patent richtet sich der Einspruch, in dem zur Begründung auf folgenden Stand der Technik Bezug genommen ist:

E1 DE3522851C2 E2 DE4129610A1 E 3 DE 196 27 894 A1.

Die Einsprechende meint, die Vorrichtung gemäß Patentanspruch 1 des Streitpatents sei neuheitsschädlich vorbekannt aus der E 2. Unabhängig davon sei sie nahegelegt durch eine fachmännische Zusammenschau der Druckschriften E 1 und E 2. Sie beantragt, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, das Patent aufrecht zu erhalten (Hauptantrag), hilfsweise das Patent beschränkt aufrecht zu erhalten mit Patentansprüchen 1 bis 6 gemäß 1. Hilfsantrag, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 4. August 2010, Beschreibung und Figuren gemäß Patentschrift, weiter hilfsweise das Patent beschränkt aufrecht zu erhalten mit Patentansprüchen 1 bis 4 gemäß 2. Hilfsantrag, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 4. August 2010, Beschreibung und Figuren gemäß Patentschrift.

Die Patentinhaberin vertritt die Auffassung, gegenüber dem in Betracht gezogenen Stand der Technik sei die verteidigte Niveauregelungsvorrichtung neu und auch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend.

Der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet:

Niveauregelungsvorrichtung für ein Fahrzeug mit: Aktuatoren (11a-11d), die zwischen dem Fahrzeugaufbau (10) und den jeweiligen Rädern (W1-W4) zur Veränderung der Fahrzeughöhe angeordnet sind, Sensoren (32a-32c) zur Erfassung der Ist-Fahrzeughöhe (Hf1, Hf2, Hr) an verschiedenen Positionen und einer Steuervorrichtung (30), welcher die Signale der Sensoren (32a-32c) zugeführt werden und welche die Aktuatoren (11a-11d) in Abhängigkeit der Sensorsignale derart ansteuert, dass Abweichungen der Ist-Fahrzeughöhe (Hf1, Hf2, Hr) von einer vorgegebenen Soll-Fahrzeughöhe (Hf*, Hr*) beseitigt werden, dadurch gekennzeichnet, dassdie Steuervorrichtung (30) die Fahrzeughöhe an allen Rädern (W1-W4) durch eine Ansteuerung der zugehörigen Aktuatoren (11a-11d) simultan verändert, wenn die Ist-Fahrzeughöhen (Hf1, Hf2, Hr) an allen Positionen um wenigstens einen vorgegebenen Betrag in dieselbe Richtung von den zugehörigen Soll-Fahrzeughöhen (Hf*, Hr*) abweichen.

Rückbezogene Patentansprüche 2 bis 6 sind diesem Patentanspruch 1 nachgeordnet.

Der geltenden Patentanspruch 1 gemäß 1.Hilfsantrag lautet (Unterschiede zum Patentanspruch 1 gem. Hauptantrag sind durchgestrichen bzw. hervorgehoben):

Niveauregelungsvorrichtung für ein Fahrzeug mit: Aktuatoren (11a-11d), die zwischen dem Fahrzeugaufbau (10) und den jeweiligen Rädern (W1-W4) zur simultanen oder nichtsimultanen Veränderung der Fahrzeughöhe an jedem Rad angeordnet sind, Sensoren (32a-32c) zur Erfassung der Ist-Fahrzeughöhe (Hf1, Hf2, Hr) an verschiedenen Positionen und einer Steuervorrichtung (30), welcher die Signale der Sensoren (32a-32c) zugeführt werden und welche die Aktuatoren (11a-11d) in Abhängigkeit der Sensorsignale derart ansteuert, dass Abweichungen der Ist-Fahrzeughöhe (Hf1, Hf2, Hr) von einer vorgegebenen Soll-Fahrzeughöhe (Hf*, Hr*) beseitigt werden, dadurch gekennzeichnet, dass wobeidie Steuervorrichtung (30) die Fahrzeughöhe an allen Rädern (W1-W4) durch eine Ansteuerung der zugehörigen Aktuatoren (11a-11d) dann und nur dann simultan verändert, wenn die Ist-Fahrzeughöhen (Hf1, Hf2, Hr) an allen Positionen um wenigstens einen vorgegebenen Betrag in dieselbe Richtung von den zugehörigen Soll-Fahrzeughöhen (Hf*, Hr*) abweichen, wobei der wenigstens eine vorgegebene Betrag (H1, H2) so groß ist, dass, so lange er unterschritten ist, eine nichtsimultane Änderung der Ist-Fahrzeughöhen erfolgt.

Rückbezogene Patentansprüche 2 bis 6 sind diesem Patentanspruch 1 nachgeordnet.

Der geltenden Patentanspruch 1 gemäß 2. Hilfsantrag lautet (Unterschiede zum Patentanspruch 1 gem. Hauptantrag sind durchgestrichen bzw. hervorgehoben):

Niveauregelungsvorrichtung für ein Fahrzeug mit: Aktuatoren (11a-11d), die zwischen dem Fahrzeugaufbau (10) und den jeweiligen Rädern (W1-W4) zur simultanen oder nichtsimultanen Veränderung der Fahrzeughöhe an jedem Rad angeordnet sind, Sensoren (32a-32c) zur Erfassung der Ist-Fahrzeughöhe (Hf1, Hf2, Hr) an verschiedenen Positionen und einer Steuervorrichtung (30), welcher die Signale der Sensoren (32a-32c) zugeführt werden und welche die Aktuatoren (11a-11d) in Abhängigkeit der Sensorsignale derart ansteuert, dass Abweichungen der Ist-Fahrzeughöhe (Hf1, Hf2, Hr) von einer vorgegebenen Soll-Fahrzeughöhe (Hf*, Hr*) beseitigt werden, dadurch gekennzeichnet, dass wobeidie Steuervorrichtung (30) die Fahrzeughöhe an allen Rädern (W1-W4) durch eine Ansteuerung der zugehörigen Aktuatoren (11a-11d) simultan verändert, wenn die Ist-Fahrzeughöhen (Hf1, Hf2, Hr) an allen Positionen um wenigstens einen vorgegebenen Betrag in dieselbe Richtung von den zugehörigen Soll-Fahrzeughöhen (Hf*, Hr*) abweichen, dadurch gekennzeichnet, dass die Niveauregelungsvorrichtung eine Fluid abgebende Pumpe (22) und einen das Fluid der Pumpe (22) aufnehmenden Speicher (25) aufweist, wobei die von der Pumpe abgegebene Fluidmenge und die Fluidmenge im Speicher (25) den Aktuatoren (11a - 11d) simultan zugeführt werden, wenn die Ist-Fahrzeughöhen (Hf1, Hf2, Hr) um wenigstens einen vorgegebenen Betrag kleiner sind als die zugehörigen Sollfahrzeughöhen (Hf*, Hr*), und dass die Steuervorrichtung (30) die simultane Zunahme der Fahrzeughöhe an allen Rädern (W1 - W4) während der Auffüllung des Speichers (25) durch die Pumpe (22) verhindert.

Rückbezogene Patentansprüche 2 bis 4 sind diesem Patentanspruch 1 nachgeordnet.

Außer den von der Einsprechenden genanten Entgegenhaltungen 1 bis 3 sind im Prüfungsverfahren vor der Patenterteilung noch folgende Druckschriften berücksichtigt worden:

E 4 JP 60-92 913 A (dargestellt in Abs. [0002] der Streitpatentschrift)

E 5 DE 36 44 942 C2 (dargestellt in Abs. [0003] der Streitpatentschrift).

II.

1.

Die Zuständigkeit des Bundespatentgerichts ist durch § 147 Abs. 3 Satz 1 PatG in den vom 1. Januar 2002 bis zum 30. Juni 2006 geltenden Fassungen begründet.

2.

Der Einspruch ist unbestritten zulässig. In der Sache hat er teilweise Erfolg, weil er zu einer beschränkten Aufrechterhaltung des Streitpatents geführt hat.

3.

Als Durchschnittsfachmann, an den sich die Lehre des Streitpatents wendet und der den Stand der Technik fachgerecht auswertet, legt der Senat einen Maschinenbauingenieur mit Hochschulabschluss zugrunde. Dieser ist als Fahrwerkskonstrukteur bei einem Fahrzeughersteller oder -zulieferer tätig und verfügt über mehrere Jahre Berufserfahrung auf dem Spezialgebiet der Niveauregelungsvorrichtungen.

4.

Zum Hauptantrag Die streitpatentgemäße Niveauregelungsvorrichtung für ein Fahrzeug ist unbestritten gewerblich anwendbar. Sie ist aber nicht mehr neu, denn eine Vorrichtung mit sämtlichen im Patentanspruch 1 enthaltenen Merkmalen ist am Prioritätstag des Streitpatents bereits aus der E 2 bekannt.

Die E 2 offenbart ein Niveauregelsystem für Kraftfahrzeuge mit allen Gattungsmerkmalen des Streitpatents. Als Aktuatoren sind hydraulische Schwingungsdämpfer 45 bis 48 vorgesehen, die zur Veränderung der Fahrzeughöhe angesteuert werden und zwischen dem Fahrzeugaufbau und den jeweiligen Rädern angeordnet sind, vgl. insb. Sp. 7 Z. 23 bis 28 sowie Anspruch 1. Wegsensoren 22 dienen zur Ermittlung der Aufbauhöhe, vgl. insb. Sp. 6 Z. 46 bis 50. Die Auswertung der Sensorsignale und die Ansteuerung der Aktuatoren zur Beseitigung einer Abweichungen der Ist-Fahrzeughöhe von einer vorgegebenen Soll-Fahrzeughöheerfolgt in einer 4-kanaligen elektrischen Schaltungsanordnung, also für jedes Rad einzeln, vgl. insb. Anspruch 1 und Sp. 3 Abs. 2. Die nachstehende Fig. 1 der E 2 zeigt den Signalweg des Regelsystems. Ausweislich des strichpunktiert umrandeten, zentralen Funktionsblocks 1 wird ein Fahrzeughöhen-Sollniveau sd durch einen Schaltkreis 12 vorgegeben. Die jeweilige Ist-Fahrzeughöhe sa wird im Schaltkreis 4 aus den Wegsensoren 22 ermittelt, vgl. insb. Sp. 4 Z. 11 bis 16. Durch Vergleich des Fahrzeughöhen-Sollniveaus sd mit der Ist-Fahrzeughöhe sa wird eine Regeldifferenz (Diff = sa - sd) ermittelt und einem Schwellwert-Schaltkreis 7 zugeführt, vgl. insb. Sp. 4 Z. 37 bis 41. Dieser verändert die Fahrzeughöhe an jedem Rad einzeln durch Ansteuerung der zugehörigen Aktuatoren, sobald ein positiver oder negativer Schwellenwert überschritten ist, vgl. insb. Sp. 4 Z. 41 bis 55.

Eine simultane Höhenverstellung ist bei diesem Niveauregelsystem weder ausdrücklich erwähnt noch ausgeschlossen. Der eingangs definierte Durchschnittsfachmann wird sie jedoch als eine selbstverständliche Wirkungsweise mitlesen für den Fall, dass in der Grundeinstellung des Systems eine gleichgerichtete, schwellenwertüberschreitende Regeldifferenz Diff an allen Rädern gleichzeitig festgestellt wird. Eine simultane Ansteuerung sämtlicher Aktuatoren ist dann die zwingende Folge bei dem vorbekannten Niveauregelsystem. Dieser Fall kann sich beispielsweise bei gleichmäßiger Zuladung oder Entladung eines Fahrzeuges an einer Laderampe ohne Weiteres ergeben. Ein Unterschied zur Wirkungsweise der streitpatentgemäßen Niveauregelungsvorrichtung besteht somit nicht.

Die Patentinhaberin wendet dagegen ein, das Niveauregelsystem gemäß E 2 könne die Aktuatoren nicht simultan ansteuern, weil es die Längsund Querbeschleunigungen messe, um das übermäßige Wanken und Nicken eines Fahrzeuges zu verhindern. Dabei würden nur die Aktuatoren einer Fahrzeugseite angesteuert.

Außerdem werde der sogenannte Ruck berücksichtigt, was ebenfalls eine simultane Ansteuerung der Aktuatoren ausschließe.

Diese Argumente haben den Senat nicht überzeugt. Denn die von der Patentinhaberin in den Vordergrund ihrer Argumentation gestellten Überlegungen betreffen spezielle Details des Niveauregelsystems gemäß E 2 außerhalb der Grundeinstellung. Entsprechende Signalverarbeitungen sind in den Funktionsblöcken 2 und 3 der vorstehenden Fig. 1 aufgezeigt. Sobald gemäß Funktionsblock 2 ein Ruck Œ ermittelt wird, der einen vorgegebenen positiven oder negativen Schwellenwert ± Œ0 überschreitet, wird das Sollniveau sd um einen bestimmten Betrag "shift" verändert, vgl. insb. Sp. 4 Z. 56 bis Sp. 5 Z. 14. Der Einfluss des Rucks bewirkt eine Verschiebung des Sollniveaus sd und ist anschaulich dargestellt im Balkendiagramm B der nachstehenden Fig. 2, vgl. auch Sp. 5 Z. 58 bis 67.

Wie im Funktionsblock 3 der Fig. 1 aufgezeigt, werden bei dem Niveauregelsystem gemäß E 2 auch die Längsbeschleunigung al und die Querbeschleunigung aq ausgewertet, vgl. insb. Sp. 5 Z. 28 bis 39. Überschreitet die Längsund Querbeschleunigung einen Grenzwert ± a0, wird die Regelgeschwindigkeit des Schwellwert-Schaltkreises 7 erhöht. Dies ist durch die Verkleinerung des Druckhalten-Bereichs anschaulich dargestellt in Fig. 2, Balkendiagramm D.

Diese speziellen Details des Niveauregelsystems gemäß E 2 sind für den vorstehenden Neuheitsvergleich jedoch ohne Belang, denn der beruht auf der offenbarten Grundeinstellung des Niveauregelsystem gemäß E 2, die im Balkendiagramm A der Fig. 2 dargestellt ist. In dieser Grundeinstellung berücksichtigt das vorbekannte Niveauregelsystem weder einen Ruck noch eine Längsoder Querbeschleunigung, weil die entsprechenden Schwellenwerte nicht überschritten werden. Diese Situation ist unterhalb des Balkendiagramms A ausdrücklich so angegeben. In der Grundeinstellung und unter der in der Praxis nicht auszuschließenden Bedingung, dass die Ist-Fahrzeughöhen an allen Positionen um wenigstens einen vorgegebenen Betrag 1 in dieselbe Richtung von den zugehörigen Soll-Fahrzeughöhen abweichen, muss der Schwellwert-Schaltkreis 7 alle Aktuatoren simultan ansteuern. Nichts anderes offenbart die E 2 dem Durchschnittsfachmann.

Mithin ist die Vorrichtung gemäß Patentanspruch 1 nicht patentfähig.

Dieses Schicksal teilen die rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 6.

5. Zum Hilfsantrag 1 Die im geltenden Patentanspruch 1 gegenüber dem erteilten Patentanspruch vorgenommenen Änderungen sind unbestritten zulässig. Sie vermögen die Neuheit der beschränkt verteidigten Niveauregelungsvorrichtung gegenüber derjenigen gemäß der E 2 aber nicht herzustellen.

Hinsichtlich der in dem geltenden Patentanspruch 1 nach dem Hilfsantrag 1 wortgleichen Merkmale der beanspruchten Vorrichtung gelten die im vorstehenden Abschnitt 4) gemachten Ausführungen gleichermaßen. Dort wurde bereits nachgewiesen, dass eine Veränderung der Fahrzeughöhe an jedem Rad erfolgt, denn das Niveauregelsystem gemäß E 2 ist als Vier-Kanal-Regelsystem ausgebildet, vgl. insb. Anspruch 11 sowie Sp. 6 Z. 18 bis 21. Die Bedingung, unter der eine simultane Höhenänderung gemäß E2 dann und nur dann erfolgt, ist identisch wie beim Streitpatent und ebenfalls vorstehend erläutert. Folgerichtig offenbart die E 2 eine nichtsimultane Höhenveränderung dann, wenn die genannte Bedingung entfällt. Das ist insbesondere der Fall, wenn die Ist-Fahrzeughöhe beispielsweise nur an einem Rad oder nur auf einer Fahrzeugseite (Stichwort: Wanken) den vorgegebenen Schwellenwert überschreitet.

Schließlich hat auch der vorgegebene Schwellenwert bei dem Niveauregelsystem der E 2 bereits einen so großen Betrag, dass, solange dieser unterschritten ist, eine nichtsimultane Änderung der Ist-Fahrzeughöhen erfolgt. Das ist eine zwingende Folge des Vier-Kanal-Regelsystems für den Fall, dass der Schwellenwert an allen Positionen bis auf eine unterschritten ist. Wie bereits vorstehend erläutert, wird die Änderung der Ist-Fahrzeughöhen in diesem Fall nichtsimultan vorgenommen.

Mithin ist auch die Vorrichtung gemäß geltendem Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 nicht patentfähig.

Dieses Schicksal teilen wiederum die rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 6.

6. Zum Hilfsantrag 2 a) Die im geltenden Patentanspruch 1 gegenüber dem erteilten Patentanspruch vorgenommenen Änderungen sind unbestritten zulässig. Eine Beschränkung der streitpatentgemäßen Niveauregelvorrichtung ergibt sich im Wesentlichen durch die Zusammenfassung der Merkmale der erteilten Patentansprüche 1, 3 und 4 in den geltenden Patentanspruch 1. In den Anmeldungsunterlagen sind diese Merkmale offenbart in den Patentansprüchen 1, 4 und 6.

b) Die Niveauregelungsvorrichtung für ein Fahrzeug gemäß geltendem Patentanspruch 1 ist unbestritten gewerblich anwendbar und neu, denn eine Niveauregelvorrichtung mit sämtlichen im Patentanspruch 1 enthaltenen Merkmalen ist am Prioritätstag des Streitpatents nicht bekannt. Insbesondere zeigt der im Verfahren befindliche Stand der Technik keine Vorrangbedingung der Steuervorrichtung, die eine simultane Zunahme der Fahrzeughöhe an allen Fahrzeugrädern verhindert, während der Auffüllung des Speichers durch die Druckmittelpumpe.

Die nunmehr im Oberbegriff des geltenden Patentanspruchs 1 enthaltenen Merkmale sind in den Abschnitten 4) und 5) bereits als aus der E 2 bekannt nachgewiesen worden, insoweit gelten die vorstehenden Ausführungen unverändert weiter. Darüber hinaus verfügt das Niveauregelungssystem gemäß E 2 auch über eine Fluid abgebende Pumpe 32 und einen das Fluid der Pumpe 32 aufnehmenden Speicher 34, vgl. insb. Sp. 7 Z. 15 bis 19 i. V. m. Fig. 4. Außerdem zeigt die schematische Darstellung der Hydraulikkomponenten in Fig. 4, dass die technischen Voraussetzungen vorhanden sind, um die von der Pumpe 32 abgegebene Fluidmenge und die Fluidmenge im Speicher 34 bei entsprechender Schaltung der Magnetventile 36/37 und 41 bis 44 den Aktuatoren 45 bis 48 simultan zuführen zu können. Da in der zugehörigen Figurenbeschreibung Sp. 7 Z. 28 bis 42 zudem erwähnt ist, den Druckaufbau mit und ohne Speicher vorzunehmen, ist für den Durchschnittsfachmann ohne Weiteres ersichtlich, dass der Druckspeicher 34 und die Pumpe 32 auch gemeinsam zur Fahrzeuganhebung genutzt werden können. Insoweit offenbart bereits die E 2 eine simultane Zuführung des Fluides aus einem Druckmittelspeicher und einer Druckmittelpumpe zur Fahrzeuganhebung, wie nunmehr beansprucht ist.

Im Unterschied zum Beanspruchten ist eine Vorrangschaltung der Speicherladung während der Druckaufbau-Phase in E 2 nicht offenbart. Die Entgegenhaltung weist lediglich darauf hin, dass der Speicher gleichzeitig während der Druckabbau-Phase geladen werden kann, vgl. insb. Sp. 7 Z. 39 bis 42.

Eine gattungsähnliche Niveauregelungsvorrichtung für ein Fahrzeug offenbart die E 1, vgl. insb. nachstehende Fig. 2 A sowie die zugehörige Beschreibung. Zwischendem Fahrzeugaufbau B und den jeweiligen Rädern sind pneumatische Aktuatoren FS1 bzw. FS2 an den Vorderrädern FA und RS1 bzw RS2 an den Hinterrädern FB zur Veränderung der Fahrzeughöhe angeordnet, vgl. insb. Sp. 4 Z. 62 bis 66. Sensoren 22F und 22R sind zur Erfassung der Ist-Fahrzeughöhe N, L oder H an verschiedenen Positionen angeordnet, vgl. insb. Sp. 6 Z. 35 bis 43 und Z. 53 bis 58. Einer Steuervorrichtung 25 werden die Signale der Sensoren 22F und 22R zugeführt und die Steuervorrichtung 25 steuert die Aktuatoren in Abhängigkeit der Sensorsignale an, vgl. insb. Sp. 6 Z. 43 bis 47 sowie die Beschreibung der Wirkungsweise ab Sp. 8 Z. 2. Dabei erfolgt die Ansteuerung derart, dass Abweichungen der Ist-Fahrzeughöhe von einer vorgegebenen Soll-Fahrzeughöhe, die durch einen Wählschalter 31 vorgegeben werden können, beseitigt werden, vgl. insb. Anspruch 1.

Es ist auch eine simultane Veränderung der Fahrzeughöhe an allen Rädern durch gleichzeitige pneumatische Ansteuerung der zugehörigen Aktuatoren vorgesehen und zwar, sobald die Steuerung 25 ein entsprechendes Steuersignal erzeugt, um Magnetventile 21 sowie 14 und 15 zu öffnen. In diesem Fall gelangt Druckluft vom Druckluftspeicher 20 zu den Aktuatoren FS1 bzw. FS2 an den Vorderrädern FA und RS1 bzw. RS2 an den Hinterrädern FB, so dass ein simultanes Anheben des Fahrzeugkörpers gestartet wird, vgl. insb. Sp. 8 Z. 31 bis 39. Als Voraussetzung für diesen Fall sind in der E 1 mehrere Schritte genannt, vgl. insb. Sp. 8 Z. 5 bis 30 i. V. m. Fig. 3. Zunächst muss der Höhenwahlschalter 31 eingeschaltet (S1), der Hoch-Betrieb ausgewählt (S2), die Betriebsart "Große Höhe" gesetzt (S3), der Höhenwahlschalter 31 länger als 3 sec eingeschaltet (S4) und weniger als 60 sec verstrichen sein (S5). Erst wenn diese fünf Bedingungen oder Schritte erfüllt sind, wird die simultane Höheneinstellung in einem sechsten Schritt (S6) in Gang gesetzt.

Die vorstehend angegebenen fünf Schritte bis zur simultanen Veränderung der Fahrzeughöhe unterscheiden die bekannte Höhensteuerung von der beanspruchten, bei dem ein entsprechendes Steuersignal unter lediglich der Bedingung erzeugt wird, dass die sensierten Ist-Fahrzeughöhen an allen Positionen um wenigstens einen vorgegebenen Betrag in dieselbe Richtung von den zugehörigen Soll-Fahrzeughöhen abweichen. Abgesehen davon ist der erläuternden Beschreibung Sp. 6 Z. 3 bis 34 bezüglich der Druckerzeugungsanlage eine simultane Zuführung von Fluid aus dem Speicher 20 und dem Kompressor 11 ausdrücklich nicht zu entnehmen, wenngleich dies durch die in Fig. 2A dargestellte Leitungsverbindung 13 sowie die Druckbeaufschlagung zeigende Pfeile zumindest technisch möglich scheint. Einen Hinweis auf eine wie auch immer geartete Vorrangschaltung der Speicherladung vor einer simultanen Zunahme der Fahrzeughöhe an allen Rädern enthält die E 1 nicht.

Die prioritätsältere, jedoch nicht vorveröffentlichte E 3 offenbart ein niveaugeregeltes Achsaggregat für ein Fahrzeug, vgl. insb. Anspruch 1 i. V. m. nachstehender Fig. 1, in welcher ein Fahrzeug beispielhaft dargestellt ist. Zur Niveauregelung lediglichder Hinterachse sind zwischen dem Fahrzeugaufbau und der hinteren Starrachse 4 Luftfederaggregate 5, 6 als Aktuatoren, angeordnet, mit denen eine Veränderung der Fahrzeughöhe erfolgt, vgl. insb. Sp. 3 Z. 37 bis 43. Die Vorderachse bzw. die Vorderräder selbst sind ausdrücklich von der Niveauregelung ausgenommen, deren Federung wird über passive Federaggregate vorgenommen, Sp. 3 Z. 34 bis 36 i. V. m. Fig. 1. Abgesehen davon, dass die vorbekannte Niveauregelung lediglich an der Hinterachse wirkt und ausdrücklich nicht an allen Rädern, soll die Ansteuerung der Aktuatoren auch bewusst nicht simultan erfolgen, wie dies streitpatentgemäß der Fall ist. Eine simultane Verstellung der Aktuatoren ist in der E 3 sogar als nachteilig beschrieben und soll deshalb ausdrücklich vermieden werden, vgl. insb. Sp. 1 Z. 66 bis Sp. 2 Z. 14. Da eine simultane Höhenverstellung nicht beschrieben ist, offenbart die E 3 dafür selbstverständlich auch keine Bedingung, wie sie im geltenden Patentanspruch 1 enthalten ist.

Die Niveauregelungsvorrichtung gemäß E 4 und das Verfahren zur Änderung der Höhenlage eines über Hydraulikzylinder abgestützten Fahrzeugteils gemäß E 5 sind in der Streitpatentschrift Abs. [0002] und [0003] zutreffend dargestellt. Weder die Vorrichtung noch das Verfahren offenbaren eine simultane Ansteuerung der Aktuatoren, sondern eine Ansteuerung in einer bestimmten, vorgegebenen Reihenfolge. Damit unterscheiden sie sich bereits grundsätzlich vom nunmehr Beanspruchten. Da eine simultane Ansteuerung nicht offenbart ist, können diese Entgegenhaltungen selbstverständlich auch keine Vorrangschaltung der Speicherladung vor einer simultanen Zunahme der Fahrzeughöhe an allen Rädern vermitteln.

c) Die Niveauregelungsvorrichtung nach dem geltenden Patentanspruch 1 des Hilfsantrags 2 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit, denn sie ist durch den zu berücksichtigenden Stand der Technik weder angeregt noch ergibt sie sich für den eingangs definierten Durchschnittsfachmann ohne Weiteres.

Die E 3 hat aufgrund ihres Zeitranges bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit außer Betracht zu bleiben, PatG § 4 Satz 2.

Aus keiner der zu berücksichtigenden Entgegenhaltungen E 1, E 2, E 4 oder E 5 ist eine Vorrangbedingung der Steuervorrichtung bekannt, die eine simultane Zunahme der Fahrzeughöhe an allen Fahrzeugrädern während der Auffüllung des Speichers durch die Druckmittelpumpe verhindert. Daher kann sich dieses Merkmal bzw. diese Wirkungsweise für einen Fachmann folgerichtig auch nicht bei einer beliebigen Zusammenschau einzelner oder mehrer Entgegenhaltungen quasi aus dem Nichts einstellen. Vor diesem Hintergrund konnte den Senat das Argument der Einsprechenden, eine Zusammenschau der E 1 mit E 2 führe zum Beanspruchten, nicht überzeugen.

Es ist auch nicht ersichtlich, dass und wodurch sich das in Rede stehende Merkmal für den Fachmann ohne Weiteres ergeben könnte. Einen entsprechenden Nachweis hat auch die fachkundige Einsprechende nicht erbracht.

Mithin ist die Niveauregelungsvorrichtung des geltenden Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 patentfähig.

Gleiches gilt für die in den geltenden, rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 4 enthaltenen Weiterbildungen dieser Vorrichtung.

Pontzen Bork Bülskämper Paetzold Ko






BPatG:
Beschluss v. 04.08.2010
Az: 9 W (pat) 395/05


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