Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 28. März 2012
Aktenzeichen: VI-U (Kart) 20/11

(OLG Düsseldorf: Urteil v. 28.03.2012, Az.: VI-U (Kart) 20/11)

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 7.9.2011 verkündete Urteil der I. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Dortmund (10 O 158/10 - Kart) wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Be- trages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicher- heit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Die Beschwer der Klägerin und der Streitwert für das Berufungsverfahren werden auf jeweils 30.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin ist - wie sie selbst behauptet - eine auf dem Gebiet der ganzen Bundesrepublik Deutschland tätige Lieferantin für Rohlinge, aus denen individuelle Kfz-Kennzeichen geprägt werden. Sie ist darüber hinaus - eigenen Angaben nach - auch an einigen Standorten von Kfz-Zulassungsstellen in der Bundesrepublik Deutschland als Schilderprägeunternehmen tätig. In M. betreibt sie ein Schilderprägeunternehmen seit Juli 2010 auf dem Grundstück R.-Str. .., nachdem sie ihre Geschäftseröffnung bereits im April 2010 angekündigt hat.

Das dem Grundstück R.-Str. .. gegenüberliegende Grundstück mit der Adresse R.-Str. .. ist Eigentum des Beklagten. Auf das Grundstück führen von der R.-Str. aus drei Einfahrten, die sich etwa in der Mitte und jeweils an der nördlichen und an der südlichen Grenze des Grundstücks befinden. Von der mittleren Zufahrt aus gemessen, befinden sich die beiden anderen Zufahrten jeweils in etwa einem Abstand von 20 bzw. 30 Metern.

Der Beklagte hat die Gebäude auf seinem Grundstück vermietet. Zu den Mietern gehört die Stadt M., die dort ihre Kfz-Zulassungsstelle eingerichtet hat. Außerdem hat er Gebäude an den TÜV und an die Firma U. AG vermietet. Zwischen der Fa. U. AG und dem Beklagten wurde eine Vereinbarung getroffen, aufgrund derer der Beklagte verpflichtet wurde, es in Zukunft zu unterlassen, der Fa. U. AG bzw. deren Mietern Konkurrenz auf dem Markt der Schilderpräger zu machen und Räumlichkeiten bzw. Teilflächen auf seinem Grundstück an solche Mieter zu vermieten, die dem Gewerbe der Schilderpräger nachgehen wollen. Die Klägerin gehört nicht zu den Mietern der Gebäude auf dem betreffenden Grundstück des Beklagten, und es ist nicht vorgetragen, dass sie in absehbarer Zeit plane, bei dem Beklagten einen Teil eines Gebäudes auf dem Grundstück des Beklagten in der R.-Str. .. zu mieten. Die Fa. U. AG hat die von ihr angemieteten Gebäude an eine Reihe von Untermietern weiter vermietet. Zu diesen gehört derzeit auch die C. K. GmbH, die dort ein Schilderprägeunternehmen betreibt. Zuvor war über einige Zeit die B. Verwaltungs-GmbH (im folgenden B.) Untermieterin der Fa. U. in den betreffenden Räumlichkeiten. Sie war auch die Betreiberin des Schilderprägeunternehmens, das nunmehr von der Fa. K. betrieben wird. Es ist von der Klägerin unbestritten geblieben, dass der Beklagte weder zur Fa. C. K. GmbH noch zu Herrn K. persönlich irgendeine vertragliche Beziehung unterhält.

Um von der Kfz-Zulassungsstelle auf dem direkten Weg zu den Räumlichkeiten der Klägerin zu gelangen, in denen sie ihr Schilderprägeunternehmen betreibt, muss man die mittlere Einfahrt zum Grundstück des Beklagten nutzen. Außerhalb des Grundstücks des Beklagten gibt es - abgesehen von der Schilderprägeunternehmung der Beklagten - auch noch wenigstens zwei weitere Schilderprägeunternehmen. Etwa Anfang April 2010 errichtete der Beklagte einen Bauzaun vor der mittleren der drei Zufahrten auf das Grundstück. Nachdem der Bauzaun im Juni 2010 entfernt worden war, ist vor die mittlere Zufahrt auf das Grundstück des Beklagten ein festes Tor gebaut worden. Dieses Tor ist tagsüber während der Öffnungszeiten der Kfz-Zulassungsstelle verschlossen. Die Zufahrt auf das Grundstück des Beklagten ist während dieser Zeit allerdings stets durch die nördliche oder die südliche Zufahrt ganztägig möglich gewesen und weiterhin möglich. Auf jedem Flügel des Tores sind mittlerweile große Hinweistafeln (u.a. auf die Feuerwehrzufahrt) angebracht. Diese Tafeln nehmen die Sicht von dem Gebäude, in dem sich die Kfz-Zulassungsstelle befindet, auf das Ladenlokal mit der Prägestelle der Klägerin und die dort befindlichen Hinweisschilder, mit denen die Klägerin auf ihren Prägebetrieb aufmerksam macht.

Die Klägerin hat behauptet, der Bauzaun auf der mittleren Zufahrt zum Grundstück des Beklagten sei durch diesen genau zu der Zeit errichtet worden, als bekannt geworden sei, dass sie auf der gegenüberliegenden Straßenseite eine Schilderprägewerkstatt einrichten werde. Sie hält die Errichtung des Zaunes, der später dann abgebaut wurde und durch ein festverankertes Tor ersetzt worden ist, für eine von ihrem Konkurrenten K. GmbH veranlasste wettbewerbswidrige Behinderung zu ihren Lasten. Der Beklagte habe als "willfähriges Werkzeug" der Unternehmensgruppen U. und K. gehandelt, mit denen er - so die Behauptung der Klägerin - in einem Vertragsgeflecht verbunden sei. Außerdem übe er (der Beklagte) als Eigentümer des Grundstücks die Verfügungsmacht über den Zugang zur behördlichen Zulassungsstelle aus und sei daher dafür verantwortlich, dass durch die Schließung des Tores der Zugang für Schilderprägekunden zugunsten der K. GmbH beeinflusst werde.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung von Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, den Zugang zu dem Grundstück M., R.-Str. .. auf der Straßenseite gegenüber dem Grundstück R.-Str. .. während der Öffnungszeiten der auf dem Grundstück ansässigen Kfz-Zulassungsstelle der Stadt M. für Besucher der Zulassungsstelle zu vereiteln, insbesondere indem die Zufahrt durch ein Tor geschlossen oder ein Bauzaun aufgestellt wird, so dass Zulassungsinteressenten an einem direkten Fußgängerverkehr zwischen Zulassungsstelle und dem in der R.-Str. .. ansässigen Schilderprägeunternehmen der Klägerin gehindert werden.

Der Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung, dass er gar nicht der richtige Adressat des Begehrens der Klägerin sei. Er sei nicht durch ein Vertragsgeflecht mit einer "U./K.-Gruppe", von deren Existenz er im Übrigen auch nichts wisse, verbunden. Er sei auch kein "willfähriges Werkzeug" einer solchen Unternehmensgruppe.

Der Beklagte hat die Errichtung des Tores auf der mittleren Zufahrt damit erklärt, dass das Grundstück vor Beeinträchtigungen, z.B. durch das Abstellen schrottreifer Autos im Zusammenhang mit einem Gebrauchtwagenhandel, der sich in der Nähe befinde, geschützt werden müsse. Der Umstand, dass das Tor regelmäßig um 16.00 Uhr wieder geöffnet würde, sei darin begründet, dass einer seiner Mieter, der eine Systemgastronomie betreibe, darum gebeten habe. Die Hinweisschilder am Tor (u.a. auf die Feuerwehrzufahrt) seien erforderlich geworden, weil die mittlere Zufahrt in der Zeit bis 16.00 Uhr nicht als Feuerwehrzufahrt genutzt werden könne. Die Errichtung des Bauzaunes sei von Anfang an nur als Provisorium gedacht worden. Anlass seien beabsichtigte Kanalisationsarbeiten gewesen. Nach dem Abbau des Bauzaunes habe man bemerkt, dass sich als positiver Nebeneffekt eine Verringerung der Störungen des Grundstücks eingestellt habe, so dass dies der Anlass gewesen sei, das feste Tor einzubauen.

Mit Urteil vom 7.9.2011 (10 O 158/10 - Kart) hat das Landgericht Dortmund die Klage als unbegründet abgewiesen. Die Klägerin könne unter keinen der von ihr benannten Rechtsgründe das begehrte Unterlassen von dem Beklagten verlangen. § 20 Abs. 1 GWB komme nicht zur Anwendung, weil - unabhängig von allen weiteren Einzelfragen - der Beklagte gar nicht in unmittelbarer Konkurrenz zur Klägerin tätig wesen sei und daher nicht Adressat des Anspruchs sei. Der Beklagte habe sein Eigentumsrecht an dem Grundstück ferner keineswegs dazu ausgenutzt, die Nachfrager nach Kfz-Zulassungsschildern zum Betrieb der K.-Gruppe zu leiten. Im Gegensatz zu einer öffentlichrechtlichen Körperschaft sei der Beklagte als Privatperson nicht zu einer Rücksichtnahme auf Konkurrenzbetriebe seines Mieters (hier: der Fa. K. als Untermieterin) verpflichtet. Der Beklagte sei auch nicht gehalten, der Klägerin für ihre tatsächlichen oder potenziellen Kunden einen möglichst kurzen Weg zur Zulassungsstelle zu eröffnen, denn es seien jedenfalls zwei Zugänge für den Verkehr geöffnet, die keinen erheblichen Umweg bedeuten würden.

Ein solcher Anspruch ergebe sich auch nicht aus § 1004 BGB in Verbindung mit § 823 BGB [gemeint: § 830 BGB] oder aus §§ 823 Abs. 1, 830 BGB unter dem Gesichtspunkt eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 19.10.2011 zugestellte Urteil zunächst Berufung beim OLG Hamm und wenige Tage später Berufung beim Kartellsenat des OLG Düsseldorf eingelegt.

Das OLG Hamm hat sich mit Beschluss vom 7.12.2012 für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit auf Antrag der Klägerin an den Senat verwiesen.

Die Klägerin wiederholt im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen und

beantragt,

unter Abänderung des Urteils des LG Dortmund vom 7.9.2011 (Az: 10 O 158/10 - Kart) den Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung von Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, den Zugang zu dem Grundstück M., R.-Str. .. auf der Straßenseite gegenüber dem Grundstück R.-Str. .. während der Öffnungszeiten der auf dem Grundstück ansässigen Kfz-Zulassungsstelle der Stadt M. für Besucher der Zulassungsstelle zu vereiteln, insbesondere indem die Zufahrt durch ein Tor geschlossen oder ein Bauzaun aufgestellt wird, so dass Zulassungsinteressenten an einem direkten Fußgängerverkehr zwischen Zulassungsstelle und dem in der R.-Str. .. ansässigen Schilderprägeunternehmen der Klägerin gehindert werden.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Insbesondere vertritt er die Auffassung, dass die Berufung bereits unzulässig sei, weil der Streitgegenstand nicht ausreichend individualisiert worden sei. Es handele sich in Wirklichkeit um eine unzulässige Klagehäufung.

Hinsichtlich der Unbegründetheit der von der Klägerin begehrten Ansprüche tritt er der Argumentation des Landgerichts bei und hebt insbesondere heraus, dass sich aus dem Umstand, dass es an der R.-Str. in M. seit Jahren weitere Schilderprägeunternehmen gebe, ergebe, dass der räumliche relevante Markt auch den Betrieb der Klägerin mit umfasse und schon daher § 20 Abs. 1 GWB als Anspruchsgrundlage keine Anwendung fände.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf das Urteil des LG Dortmund, die vorgelegten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und die in der Gerichtsakte befindlichen Protokolle verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

1.

Die Berufung ist zulässig.

Dem steht nicht entgegen, dass seitens des Prozessbevollmächtigten der Klägerin dieselbe Berufung mehrfach eingereicht worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist dies grundsätzlich möglich, weil auch die mehrfache Vornahme einer derartigen Prozesshandlung nichts daran ändert, dass nur ein Rechtsmittel vorliegt (BGHZ 45, 380, 383). Dass die Berufungen bei verschiedenen Gerichten eingelegt worden sind, ist unschädlich, wenn im Anschluss daran eine der Berufungen an das andere Gericht verwiesen worden ist (BGH BB 2006, 577). So liegt der Sachverhalt hier, denn auf Antrag der Klägerin hat sich das OLG Hamm durch Beschluss vom 7.12.2012 (Az: I-11 U 97/11) für unzuständig erklärt und die Berufung an den Senat verwiesen.

2. Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Das LG Dortmund hat zu Recht entschieden, dass der Klägerin aus keinem Rechtsgrund der begehrte Unterlassungsanspruch zusteht.

a) Ein Unterlassungsanspruch aus §§ 33 Abs. 3, Abs. 1, 20 Abs. 1 GWB besteht nicht.

Nach der letztgenannten Vorschrift ist es einem marktbeherrschenden Unternehmen verboten, ein anderes Unternehmen in einem Geschäftsverkehr, der gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich ist, unbillig zu verhindern (oder - was vorliegend allerdings von vornherein nicht in Betracht kommt - ohne sachlich gerechtfertigten Grund unterschiedlich zu behandeln). Im Streitfall fällt dem Beklagten eine unbillige Behinderung der Klägerin nicht zur Last.

aa) Es fehlt bereits an einer tatbestandsmäßigen Wettbewerbsbehinderung im Sinne von § 20 Abs. 1 GWB.

Der Streitfall zeichnet sich durch die Besonderheit aus, dass der Beklagte eine marktbeherrschende Stellung auf dem Angebotsmarkt für die Vermietung von Gewerberaum, der sich zum Betrieb einer Schilderprägestelle eignet, besitzt, während die streitbefangene Beeinträchtigung ausschließlich den nachgelagerten Schilderprägemarkt betrifft. Denn nur auf den dortigen Anbieterwettbewerb wirkt es sich aus, dass die mittlere Grundstückszufahrt während der Öffnungszeiten der Kfz-Zulassungsstelle geschlossen wird und den Nachfragern eines Kfz-Kennzeichens infolgedessen nicht mehr der kürzeste Weg von der Zulassungsstelle zum Schilderprägebetrieb der Klägerin zur Verfügung steht. In einem solchen Fall kommt eine kartellrechtswidrige Behinderung nur unter besonderen Bedingungen in Betracht, die vorliegend nicht erfüllt sind.

(1)Betrachtet man das Schließen der mittleren Grundstückszufahrt als ein Verhalten des Beklagten auf dem von ihm beherrschten Vermietungsmarkt, weil es die näheren Umstände gestaltet, unter denen der Fa. K. die Mieträume zum Betrieb eines Schilderprägebetriebs zur Verfügung gestellt werden, handelt es sich um eine sog. Drittmarktbehinderung. Sie unterfällt nach höchstrichterlicher Ansicht nur dann dem Verbotstatbestand des § 20 Abs. 1 GWB, wenn das behinderte Unternehmen (hier: die Klägerin) ebenfalls auf dem beherrschten Markt (hier: dem Vermietungsmarkt) tätig ist (vgl. BGH, WuW/E DE-R 1283, 1284 f - Der Oberhammer m.w.N.). Das ist vorliegend nicht der Fall.

(2)

Ordnet man das Verschließen der mittleren Zufahrt nicht dem beherrschten Vermietungsmarkt zu, sondern wertet es als ein - von der Fa. K. gesteuertes - Verhalten auf dem Schilderprägemarkt, kann die Wettbewerbsbehinderung der Klägerin nur dann zugerechnet werden, wenn zwischen der durch die Marktbeherrschung begründeten Normadressatenschaft auf der einen Seite und dem in Rede stehenden behindernden Verhalten auf der anderen Seite ein hinreichender Zusammenhang besteht. Das folgt aus dem Schutzzweck des § 20 Abs. 1 GWB, einen funktionierenden Wettbewerb unter Ausgleich der unterschiedlichen wirtschaftlichen Stärke der auf einem Markt handelnden Unternehmen zu schützen und zu erhalten (BGH, WuW/E DE-R 839 - Privater Pflegedienst). Würde es ausreichen, dass das Verhalten eines marktbeherrschenden Unternehmens für ein anderes Unternehmen, das nicht ebenfalls auf jenem vermachteten Markt tätig ist, objektiv eine Behinderung darstellt, würde § 20 Abs. 1 GWB seine Rechtsfolgen bereits an die bloße Innehabung und nicht - wie es für die genannte Rechtsnorm erforderlich ist - an die Ausübung seiner wirtschaftlichen Macht anknüpfen. Erforderlich ist dementsprechend eine Verknüpfung zwischen der durch die Marktmacht eines Unternehmens eingetretene verminderte Steuerungsfunktion des Wettbewerbs auf einem Markt und der Vornahme der Behinderung auf diesem Markt.

An einer solchen notwendigen Verknüpfung fehlt es im Entscheidungsfall. Es ist weder von der Klägerin dargelegt worden noch sonst zu erkennen, inwieweit das Schließen der mittleren Grundstückszufahrt durch eine marktbeherrschende Stellung erst ermöglicht oder zumindest begünstigt worden sein soll. Dass der Beklagte auf dem örtlichen Vermietungsmarkt über eine marktbeherrschende Stellung verfügt, ist für das in Rede stehende Verschließen der mittleren Grundstückszufahrt ebenso wenig von Belang wie die beherrschende Stellung, die die Fa. K. auf dem örtlichen Schilderprägemarkt besitzt. Dem Beklagten ist das streitbefangene Verhalten ausschließlich aufgrund seiner Stellung als Eigentümer des Grundstücks "R.-Str. .." - und nicht als marktbeherrschender Vermieter - möglich. Nichts spricht dafür, dass die Fa. K. den Beklagten aufgrund ihrer beherrschenden Stellung auf dem örtlichen Schilderprägemarkt zum Schließen der mittleren Grundstückszufahrt veranlassen konnte.

(bb) Ein Kartellverstoß des Beklagten scheidet überdies aus, weil das beanstandete Schließen der mittleren Grundstückszufahrt keine unbillige Behinderung der Beklagten in einem Geschäftsverkehr, der gleichartigen Unternehmen üblicherweise eröffnet ist, darstellt.

(1)

Die Feststellung der Unbilligkeit erfolgt nach ständiger Rechtsprechung aufgrund einer umfassenden Abwägung der Interessen der Beteiligten unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des GWB (BGH v. 14.7.1998, KZR 1/97, WuW/E DE-R 201 - Schilderpräger im Landratsamt; BGH v. 8.5.2007, KZR 9/06, WuW/E DE-R 1984 - Autohof-Genossenschaft II). Insoweit ist auf Seiten der Klägerin zu berücksichtigen, dass sie ein Interesse daran hat, den Besuchern der Kfz-Zulassungsstelle einen optimalen Zugang zu ihren Geschäftsbetrieb zu ermöglichen, indem die mittlere Zufahrt als der kürzeste Zugang zu ihrem Ladenlokal geöffnet wird. Diesem Interesse kommt allerdings kein erhebliches Gewicht zu, weil in mittelbarer Nähe zu der gesperrten mittleren Zufahrt zwei weitere Zufahrten an den Grundstücksenden bestehen, die von den Besuchern der Kfz-Zulassungsstelle genutzt werden können, wobei die näher gelegene der beiden Zufahrten für die potentiellen Kunden der Klägerin lediglich einen Umweg von insgesamt 40 m (je Weg 20 m) bedeuten würde. Auf Seiten des Beklagten besteht das Interesse, als Eigentümer mit seinem Grundstück nach Belieben zu verfahren (§ 903 BGB). Dieses Eigentümerrecht unterliegt nach der Rechtsprechung des BGH allerdings Einschränkungen insoweit, als ein marktbeherrschender Vermieter - unabhängig davon, ob er öffentlich- oder privatrechtlich organisiert ist - bei der Vermietung der Räumlichkeiten Belange des Gemeinwohls zu berücksichtigen hat und z.B. Nachfrager bevorzugen muss, die in der zu betreibenden Schilderprägestelle in erster Linie schwer zu vermittelnde Personen beschäftigen. Darüber hinaus wird die Vertragsfreiheit des Vermieters insoweit eingeschränkt, als er die Mieträume im Rahmen einer diskriminierungsfreien Ausschreibung längstens für eine Zeit von fünf Jahren vermieten darf. Ausschlaggebend ist jedoch, dass ein privater Vermieter nicht gehalten ist, den Konkurrenten seines Mieters Gelegenheit zu geben, auf sein Angebot hinzuweisen und damit tendenziell das Geschäft seines Mieters zu beeinträchtigen (vgl. u.a. BGH, WuW/E DE-R 1724 Rn. 14 - Hinweis auf konkurierende Schilderpräger; BGH v. 8.4.2003, KZR 39/99, WuW/E DE-R 1099, 1100 f. - Konkurrenzschutz für Schilderpräger; BGH v. 24.9.2002, KZR 4/01, WuW/E DE-R 1003, 1005 - Kommunaler Schilderprägedienst; OLG Karlsruhe, WRP 1995, 857, 859 - Schilderverkauf im Bürgeramt; OLG Saarbrücken, v. 3.5.2007, 8 U 253/06, WuW/E DE-R 2025, 2027 f. - Mietvertrag mit Schilderprägern). Dahinter steht das berechtigte Interesse des Beklagten, seinen Rücksichtnahmepflichten aus dem Mietvertrag über die als Schilderprägebetrieb genutzten Räumlichkeiten nachzukommen und den Mietern einen Wettbewerbsschutz zu gewähren.

Auf dieser Linie liegt es, dass der marktbeherrschende private Vermieter ebenso wenig verpflichtet ist, dem Konkurrenten seines Mieters (oder Untermieters) den kürzesten Zugang zu seinem Geschäftsbetrieb zur Verfügung zu stellen. Denn auch darin läge eine Unterstützungshandlung, die dem Konkurrenzbetrieb nützt und das Geschäft des Mieters beeinträchtigt.

Dass ohne eine Öffnung der mittleren Grundstückszufahrt der Wettbewerb auf dem örtlichen Schilderprägemarkt vollständig oder jedenfalls weitestgehend ausgeschlossen wird, ist auszuschließen. Es kann bei einem Umweg von lediglich 40 m, die die potentiellen Kunden der Klägerin zurückzulegen haben, nicht die Rede davon sein, dass die Schilderprägestelle der Klägerin vom Wettbewerb ausgeschlossen wird. Die Behauptung der Klägerin, der Umweg sei nicht leicht zu erkennen bzw. unübersichtlich, ist - worauf der Senat im Verhandlungstermin hingewiesen hat - ohne jede Substanz und aus diesem Grund prozessual unbeachtlich (§ 138 Abs. 1 und 2 ZPO).

b) Das Landgericht Dortmund hat zu Recht entschieden, dass die Klägerin den eingeklagten Unterlassungsanspruch auch nicht aus § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 4 Nr. 10 UWG herleiten kann. Insoweit gelten dieselben Beurteilungskriterien wie bei der Abwägung nach § 20 Abs. 1 GWB (vgl. dazu BGH WRP 2004, 896 - Kölner Zeitungskrieg; BGH WuW/E BGH 2547, 2549 - Kölner Schallplattenkrieg; ferner s. Lübbert, in Handbuch des Kartellrechts, 2. Aufl., § 27 RdNr. 26 ff.).

c) Ebenfalls zu Recht hat das Landgericht entschieden, dass die Klage gleichermaßen nicht aus § 823 Abs. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gerechtfertigt ist. Die vorstehend vorgenommene Interessenabwägung führt zu dem Ergebnis, dass es jedenfalls an der Rechtswidrigkeit des Betriebseingriffs fehlt.

d) Schließlich geht die in der Berufung noch einmal betonte Auffassung der Klägerin fehl, der Beklagte sei als Mittäter eines rechtswidrigen Verhaltens ihres Konkurrenten, der K. GmbH, zum Unterlassen der beanstandeten Handlung verpflichtet. Stellt das Schließen der mittleren Grundstückszufahrt - wie dargelegt - eine dem Beklagten gestattete Ausübung seiner Eigentümerrechte dar, wird das Verhalten nicht deshalb unstatthaft und kartellrechtswidrig, weil die Fa. K. es dem Beklagten gegenüber angeregt haben sollte.

e) Erfolgversprechend erscheint lediglich der Standpunkt der Klägerin, dass die auf dem Tor der mittleren Grundstückszufahrt angebrachten großen Hinweisschilder nicht durch ein ausreichend berechtigtes Interesse des Beklagten gerechtfertigt und deshalb zu entfernen sind. Insoweit bedarf es allerdings keiner abschließenden Beurteilung. Denn das Klagebegehren ist - worauf der Senat im Verhandlungstermin hingewiesen hat - nicht auf eine Beseitigung der Hinweisschilder gerichtet.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Für die Zulassung der Revision bestand kein Anlass (§ 543 Abs. 2 ZPO), denn die Entscheidung basiert auf der Anwendung gefestigter Grundsätze der Rechtsprechung des BGH.






OLG Düsseldorf:
Urteil v. 28.03.2012
Az: VI-U (Kart) 20/11


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