Bundespatentgericht:
Beschluss vom 3. Juli 2003
Aktenzeichen: 23 W (pat) 312/02

(BPatG: Beschluss v. 03.07.2003, Az.: 23 W (pat) 312/02)

Tenor

Das Patent wird mit folgenden Unterlagen in beschränktem Umfang aufrechterhalten:

Ein Anspruch, Beschreibungsseiten 1, 1a und 2, diese Unterlagen überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 3. Juli 2003, Beschreibung aus der Patentschrift ab Spalte 1, Zeile 66 nach Bezugszeichen 20 bis zum Ende (Spalte 3 Zeile 47) und Zeichnung gemäß Patentschrift (Figur 1).

Bezeichnung: Verfahren zur Herstellung einer elektrischen Verbindung.

Gründe

I Die Prüfungsstelle für Klasse H 01 R des Deutschen Patent- und Markenamts hat auf die am 29. Dezember 2000 eingereichte Patentanmeldung das am 4. April 2002 veröffentlichte Patent mit der Bezeichnung "Verfahren zur Herstellung einer elektrischen Verbindung und Vorrichtung mit einer elektrischen Verbindung" (Streitpatent) erteilt. Die Einsprechende hat mit Schriftsatz vom 4. Juni 2002 Einspruch erhoben und beantragt, das Patent zu widerrufen. Zur Begründung ist im Einspruchsschriftsatz ausgeführt, dass der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 im Hinblick auf den aus der Entgegenhaltung - deutsche Offenlegungsschrift 196 50 296 [= D1]

bekannten Stand der Technik nicht neu sei, zumindest aber nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Die Einsprechende hat ferner auf die bereits im Prüfungsverfahren berücksichtigte Entgegenhaltung - deutsche Offenlegungsschrift 198 23 623 [= D2]

verwiesen. Darüber hinaus sind vom Senat in der mündlichen Verhandlung die beiden Druckschriften - englischsprachiges Abstract zur japanischen Offenlegungsschrift 60-132351 [= D3] und - US-Patentschrift 5 134 247 [= D4]

in das Verfahren eingeführt worden.

Die Patentinhaberin hat in der mündlichen Verhandlung zur beschränkten Aufrechterhaltung des Streitpatents einen neuen (einzigen) Patentanspruch mit angepasster Beschreibungseinleitung vorgelegt und die Auffassung vertreten, dass der Gegenstand des neugefassten Anspruchs durch den nachgewiesenen Stand der Technik nicht patenthindernd getroffen sei.

Die Einsprechende stellt den Antrag, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin stellt den Antrag, das Patent mit folgenden Unterlagen in beschränktem Umfang aufrechtzuerhalten:

Ein Anspruch, Beschreibungsseiten 1, 1a und 2, diese Unterlagen überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 3. Juli 2003, Beschreibung aus der Patentschrift ab Spalte 1, Zeile 66 nach Bezugszeichen 20 bis zum Ende (Spalte 3 Zeile 47) und Zeichnung gemäß Patentschrift (Figur 1).

Der geltende (einzige) Patentanspruch lautet:

"Verfahren zur Herstellung einer elektrischen Verbindung zwischen einer ersten Kontaktfläche (10) und einer zweiten Kontaktfläche (20),

- wobei mittels einer Drahtbondeinrichtung zwischen den Kontaktflächen (10,20) ein erster Kontaktdraht (2) angeordnet wird,

- wobei der erste Kontaktdraht (2) zunächst mit der ersten Kontaktfläche (10) und anschließend mit der zweiten Kontaktfläche (20) kontaktiert wird, und - wobei mittels der Drahtbondeinrichtung ein zweiter Kontaktdraht (3) zwischen der ersten Kontaktfläche (10) und der zweiten Kontaktfläche (20) vorgesehen wird, dadurch gekennzeichnet,

- dass ein Ball-Wedge-Bondverfahren für den ersten Kontaktdraht (2) und den zweiten Kontaktdraht (3) Verwendung findet und - dass der zweite Kontaktdraht (3) auf der Wedge-Seite oberhalb des ersten Kontaktdrahtes (2) derart angeordnet ist, dass der Drahtaustritt der Kontaktdrähte (2,3) aus einem Bump-Wedge-Stapel (1,5,7) parallel zueinander erfolgt."

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II Der form- und fristgerecht erhobene Einspruch ist zulässig. Die Zuständigkeit des Bundespatentgerichts für die Entscheidung über den Einspruch ergibt sich aus § 147 Abs 3 Satz 1 Nr 1 PatG. Danach ist nicht das Patentamt, sondern das Patentgericht zuständig, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Einspruchsfrist nach dem 1. Januar 2002 zu laufen begonnen hat und der Einspruch vor dem 1. Januar 2005 eingelegt worden ist. Der Einspruch ist jedoch nur insoweit begründet, als er nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung zu einer beschränkten Aufrechterhaltung des Streitpatents führt.

1.) Der geltende (einzige) Patentanspruch ist zulässig, denn er umfasst die Merkmale der ursprünglichen bzw erteilten Ansprüche 1 bis 3; das Merkmal im Oberbegriff des Anspruchs, wonach die Anbringung eines zweiten Kontaktdrahtes (3) zwischen der ersten Kontaktfläche (10) und der zweiten Kontaktfläche (20) - ebenso wie die Anbringung des ersten Kontaktdrahtes (2) - mittels der Drahtbondeinrichtung erfolgt, ergibt sich aus der ursprünglichen Beschreibung, in der die in der Zeichnung dargestellte, erfindungsgemäß hergestellte elektrische Verbindung erläutert wird (Seite 2, letzter Absatz bis Seite 3, 1. Absatz, 2. Satz) bzw aus der entsprechenden Textstelle in der Streitpatentschrift (Spalte 1, Zeilen 57 bis 68). Der Zeichnung in Verbindung mit dieser Textstelle kann auch das Merkmal im kennzeichnenden Teil entnommen werden, wonach der zweite Kontaktdraht (3) auf der Wedge-Seite oberhalb des ersten Kontaktdrahtes (2) angeordnet ist. Schließlich findet sich auch das letzte Merkmal des Patentanspruchs, dass der Drahtaustritt der Kontaktdrähte (2,3) aus einem (gemeinsamen) Bump-Wedge-Stapel (1,5,7) parallel zueinander erfolgt, in den ursprünglichen Unterlagen (Seite 4, 2. Absatz, 1. Satz iVm der Zeichnung) bzw in der Streitpatentschrift (Spalte 2, Zeilen 33 bis 35).

2.) Nach den Angaben in der geltenden Beschreibung (Seite 1, 1. und 2. Absatz) wird im Oberbegriff des verteidigten Patentanspruchs von einem Verfahren zur Herstellung einer elektrischen Verbindung ausgegangen, wie es in jeder der beiden eingangs genanten Druckschriften D3 und D4 offenbart ist. So wird auch beim gattungsbildenden Stand der Technik gemäß der D3 eine elektrische Verbindung zwischen einer ersten (double bonding pad 1A) und einer zweiten Kontaktfläche (3) mittels einer Drahtbondeinrichtung hergestellt, indem ein erster und ein zweiter Kontaktdraht (2A,2B) mit den Kontaktflächen (1A,3) verbunden werden, wodurch ua die Verlässlichkeit der elektrischen Verbindung erhöht werden soll (vgl das gesamte Abstract iVm der Figur). Auch bei dem aus der gattungsbildenden Druckschrift D4 bekannten Verfahren wird eine Drahtbondeinrichtung dazu benutzt, um eine erste Kontaktfläche (power pin 327) und eine zweite Kontaktfläche (331) mit (mindestens) einem ersten und einem zweiten Kontaktdraht (bonding wires 317a) zu verbinden, so dass auch hohe Ströme abgeführt werden können (vgl die Figur 9 mit zugehöriger Beschreibung Spalte 5, letzter Absatz bis Spalte 6, 1. Absatz). Verfahren der in Rede stehenden Art sind, wie im Einspruchsschriftsatz (Seite 2, viertletzter Absatz) zutreffend wiedergegeben ist, unter der Bezeichnung "Doppelbonden" bekannt ("double bonding wire technique", siehe in D4 Sp 5 Z 58/59).

Wie die Patentinhaberin in der geltenden Beschreibung (Seite 1, 3. und 4. Absatz und Seite 1, letzter Absatz bis Seite 1a, 2. Absatz) dargelegt hat, werden für die elektrische Verbindung von Kontaktflächen hauptsächlich zwei Bonding-Methoden eingesetzt, nämlich das für niedrige leistungsmäßige Belastungen geeignete Ball-Wedge-Verfahren, wie es in der eingangs erwähnten Entgegenhaltung D2 beschrieben ist (vgl Figur 1a mit zugehöriger Beschreibung Spalte 3, Zeile 10 bis 41), und die übliche Aluminium-Dickdraht-Bond-Technik, welche bevorzugt bei hohen leistungsmäßigen Belastungen zum Einsatz kommt. Welche dieser beiden Bonding-Techniken beim gattungsbildenden Stand der Technik jeweils verwendet wird, geht aus den Druckschriften D3 und D4 nicht hervor.

Nach den Angaben der Patentinhaberin in der geltenden Beschreibung soll zwar der Vorteil, den das "Doppelbonden", dh die Parallelschaltung von Bondverbindungen hinsichtlich der höheren Strombelastbarkeit bietet, beibehalten werden (Seite 2, vorletzter Absatz), gleichzeitig jedoch der Platzbedarf der zwei (bzw mehreren) Bondkontakte auf einer Kontaktfläche reduziert werden (Spalte 2, Absatz [0016]).

Dieses technische Problem wird durch die Merkmale des geltenden Patentanspruchs gelöst.

Zwar greift die Patentinhaberin dadurch, dass sie - ein Ball-Wedge-Verfahren für den ersten (2) und den zweiten Kontaktdraht (3) verwendet, auf eine Bonding-Methode zurück, bei der die Strombelastbarkeit jeder einzelnen elektrischen Verbindung im Gegensatz zur Aluminium-Dickdraht-Bond-Technik vergleichsweise niedrig ist. Dadurch jedoch, dass sie sich des Ball-Wedge-Verfahrens bedient, ist es entsprechend der weitergehenden Lehre des Patentanspruchs möglich,

- den zweiten Kontaktdraht (3) auf der Wedge-Seite oberhalb des ersten Kontaktdrahtes (2) derart anzuordnen, dass - der Drahtaustritt der Kontaktdrähte (2,3) aus dem so gebildeten Bump-Wedge-Stapel (1,5,7) parallel erfolgt.

Wie in der Beschreibung dargelegt ist, ermöglicht das Verfahren zur Herstellung einer elektrischen Verbindung gemäß dem geltenden Patentanspruch, dass bei der ersten Kontaktfläche (10) auch für mehrere Bondverbindungen lediglich der Platzbedarf für eine einzige Bondverbindung besteht (Spalte 2, Absatz [0016]), wodurch sich beispielsweise bei Anbaugeräten ein höherer Integrationsgrad erreichen lässt (Spalte 2, Zeile 60 bis 63). Weitere Vorteile des beanspruchten Verfahrens sind laut geltender Beschreibung darin zu sehen, dass durch die Ausbildung eines Bump-Wedge-Stapels (1,5,7) ein definierter Bonduntergrund für jeden Wedge geschaffen und durch jeden Bump die Bondbelastung zu dem darunter liegenden Wedge bzw. Bonduntergrund entkoppelt wird. Der direkte Übergang vom Bump in den Anschlussdraht ohne Querschnittsverringerung führt darüber hinaus zu einem definierten und reproduzierbaren Stromübergang; schließlich dient jeder Bump für den darunter liegenden Wedge als Sicherungsbump (Spalte 2, Zeile 1 bis 21).

3.) Das - zweifelsohne gewerblich anwendbare (§ 5 PatG) - Verfahren gemäß dem geltenden Patentanspruch ist gegenüber dem nachgewiesenen Stand der Technik neu (§ 3 PatG) und beruht diesem gegenüber auch auf einer erfinderischen Tätigkeit (§ 4 PatG) des zuständigen Durchschnittsfachmanns, der hier als ein mit der Herstellung elektrischer Verbindungen zwischen Kontaktflächen befasster, berufserfahrener Fachhochschulingenieur der Fachrichtung Elektrotechnik anzusehen ist.

a) Die Druckschriften D3 und D4, von denen jeweils im Oberbegriff des geltenden Patentanspruchs - wie dargelegt - ausgegangen wird, nehmen das beanspruchte Verfahren nicht vorweg. Denn selbst wenn der zuständige Fachmann bei der Durchsicht dieser beiden Entgegenhaltungen die Verwendung eines Ball-Wedge-Verfahrens als eine der möglichen Bonding-Methoden sozusagen in Gedanken mitliest, so ist doch weder beim Stand der Technik gemäß der D3 noch dem gemäß der D4 vorgesehen, den zweiten Kontaktdraht auf der Wedge-Seite oberhalb des ersten Kontaktdrahtes derart anzuordnen, dass der Drahtaustritt aus dem solchermaßen gebildeten Bump-Wedge-Stapel parallel erfolgt, wie dies insoweit der weitergehenden Lehre des geltenden Patentanspruchs entspricht. Vielmehr lehrt die D3, die Anschlussstellen der Kontaktdrähte (2A,2B) auf jeder der Kontaktflächen (1A,3) voneinander beabstandet anzubringen (vgl die Figur). Eine entsprechende, seitlich beabstandete Anordnung der Kontaktdrähte (317a,317b) auf den Kontaktflächen (327,331,329) ist auch beim Stand der Technik gemäß der Druckschrift D4 vorgesehen (vgl Figur 9).

Auch die ein Verfahren zum Herstellen eines Halbleiterbauelements betreffende Entgegenhaltung D1 vermag die Neuheit des Gegenstandes des geltenden Anspruchs nicht in Frage zu stellen; denn entgegen der von der Einsprechenden im Einspruchsschriftsatz (Seite 2, letzter Absatz bis Seite 3, 1. Absatz) vertretenen Auffassung geht aus der D1 noch nicht einmal die Technik des "Doppelbondens" hervor, wie sie im Oberbegriff des Patentanspruchs beschrieben ist. Zwar könnte aus der in Figur 14 gezeigten Schnittdarstellung eines mit einer Nickel-Goldplattierungsschicht (69) durch Drähte (8) verbundenen Chips (2) auf den ersten Blick gefolgert werden, dass diese Drähte (8) paarweise mit Kontaktflächen auf dem Chip (2) verbunden sind. Aus den zugehörigen Figuren 15 und 16, welche die Anordnung perspektivisch bzw. von oben her zeigen, geht jedoch zweifelsfrei hervor, dass einige der Drähte (8) zwar mit einem gemeinsamen Erdungsring (70a) verbunden sind, ansonsten jedoch auf dem Chip (2) an völlig unterschiedlichen Anschlussorten enden.

Die ein Verfahren und eine Kontaktstelle zur Herstellung einer elektrischen Verbindung betreffende Entgegenhaltung D2 befasst sich zwar, wie eingangs bereits erörtert, mit dem Ball-Wedge-Verfahren (Figur 1a, Spalte 3, Zeile 10 bis 41), das auch beim beanspruchten Verfahren zum Einsatz kommt; die Methode des "Doppelbondens" jedoch, auf die im Oberbegriff des Patentanspruchs abgestellt ist, wird auch bei diesem Stand der Technik nicht erwähnt. Somit steht auch diese Entgegenhaltung dem Gegenstand des geltenden Anspruchs nicht neuheitsschädlich entgegen.

b) Die beiden gattungsbildenden Druckschriften D3 und D4 vermögen dem hier zuständigen Fachmann das im geltenden Patentanspruch angegebene Verfahren weder für sich, noch in einer Zusammenschau mit dem übrigen, im Verfahren befindlichen Stand der Technik nahe zu legen. Denn in keiner dieser Entgegenhaltungen findet sich ein Hinweis darauf, dass es von Vorteil sein könnte, bei zwei durch "Doppelbonden" verbundenen Kontaktflächen die Bonddrähte auf einer der Kontaktflächen zwecks Bildung eines Bump-Wedge-Stapels übereinander anzuordnen, wie dies insoweit der Lehre des geltenden Patentanspruchs entspricht, um auf diese Weise den Platzbedarf der Kontaktierung zu reduzieren.

Eine Anregung, das Verfahren nach dem gattungsbildenden Stand der Technik in diese Richtung weiterzuentwickeln, erhält der Fachmann aber auch nicht bei Einbeziehung des übrigen, im Verfahren befindlichen Standes der Technik. Denn weder in D1 noch in der D2 ist offenbart - wie schon bei der Neuheitsdiskussion erörtert wurde - zwei Kontaktflächen mit mehr als nur einem Kontaktdraht zu verbinden, so dass sich das dem beanspruchten Verfahren zugrunde liegende technische Problem der Platzersparnis bei diesem Stand der Technik nicht stellt. Von daher vermögen auch diese beiden letztgenannten Entgegenhaltungen den zuständigen Fachmann nicht dazu veranlassen, das gattungsgemäße Verfahren im Sinne der Lehre des geltenden Patentbegehrens weiterzubilden.

Der Gegenstand des geltenden (einzigen) Patentanspruchs ist nach alledem patentfähig.

4.) Die geltende Beschreibung in Verbindung mit der Zeichnung erfüllt die an sie zu stellenden Anforderungen hinsichtlich der Wiedergabe des maßgeblichen Standes der Technik, von dem die Erfindung ausgeht, sowie hinsichtlich der Erläuterung des beanspruchten Verfahrens zur Herstellung einer elektrischen Verbindung.

Dr. Meinel Dr. Gottschalk Knoll Dr. Häußler Be






BPatG:
Beschluss v. 03.07.2003
Az: 23 W (pat) 312/02


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