Bundespatentgericht:
Beschluss vom 30. September 2002
Aktenzeichen: 30 W (pat) 31/02

(BPatG: Beschluss v. 30.09.2002, Az.: 30 W (pat) 31/02)

Tenor

Die Beschwerden der Widersprechenden werden zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Marke TILUDOR ist am 1. Juli 1996 ua für "Pharmazeutische Erzeugnisse" in das Register eingetragen worden. Die Veröffentlichung der Eintragung erfolgte am 30. September 1996.

Widerspruch erhoben haben ua die Inhaberin der am 24. März 1959 für "Arzneimittel, nämlich ein Herz- und Kreislaufmittel" eingetragenen Marke 723 328 GILUCOR und die Inhaberin der am 31. Oktober 1995 für "Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse" eingetragenen Marke 395 01 979 TILIDOL.

Die Benutzung der Widerspruchsmarke GILUCOR ist bereits im Verfahren vor dem Patentamt bestritten worden. Die Widersprechende I hat Unterlagen zur Glaubhaftmachung der Benutzung vorgelegt.

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat in dem angefochtenen Beschluß die Verwechslungsgefahr zwischen den jeweiligen Vergleichsmarken verneint und ua diese Widersprüche zurückgewiesen. Ein Auseinanderhalten der Marken TILUDOR und GILUCOR sei wegen der abweichenden Konsonanten am Anfang sowohl der Gesamtwörter wie deren Schlußsilben und des Hinweises von "cor" auf "Herz" am Ende der Widerspruchsmarke gewährleistet. Die Marken TILUDOR und TILIDOL seien im Hinblick auf die Abweichungen in der Vokalfolge und im Schlußkonsonanten ausreichend unterscheidbar.

Mit den Beschwerden wird geltend gemacht, der nach der Warenlage erforderliche Abstand der Marken werde nicht eingehalten, so daß Verwechslungsgefahr bestehe.

Die Widersprechenden I und II beantragen sinngemäß, den Beschluß des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. September 2001 insoweit aufzuheben, als die Widersprüche aus den Marken 723 328 GILUCOR und 395 01 979 TILIDOL zurückgewiesen worden sind und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Eine Äußerung der Markeninhaberin im Beschwerdeverfahren ist nicht zu den Akten gelangt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluß sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerden der Widersprechenden sind zulässig, in der Sache aber nicht begründet. Es besteht auch nach Auffassung des Senats keine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG. Die Widersprüche sind deshalb von der Markenstelle gemäß §§ 42 Abs 2 Nr 1, 43 Abs 2 Satz 2 MarkenG zu Recht zurückgewiesen worden.

Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr erfolgt durch Gewichtung von in Wechselbeziehung zueinanderstehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, so daß ein geringer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen hohen Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st Rspr zB EuGH MarkenR 1999, 20 - Canon; BGH MarkenR 1999, 297 - HONKA; BGH MarkenR 2001, 204, 205 - REVIAN/EVIAN).

1. Widerspruch aus der Marke 723 328 GILUCOR.

Der Senat geht bei seiner Entscheidung von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und damit von einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke GILUCOR aus. Auch wenn die Schlußsilbe "COR" (cor = lateinisch Herz) einen allgemein erkennbaren, deutlich beschreibenden Bezug beinhaltet und im Zusammenhang mit den Herzund Kreislaufmitteln ein Indikationshinweis ist, erscheint die Gesamtmarke hinreichend phantasievoll gebildet. Allerdings wirkt sich der Bedeutungsgehalt in der Endsilbe verwechslungsmindernd aus. "Cor" stellt nicht nur für Fachleute, sondern auch für Endverbraucher im Zusammenhang mit Herz- und Kreislaufmitteln einen verständlichen Hinweis auf "Herz" dar, schon wegen seiner häufigen Verwendung auf dem Gebiet der Herzerkrankungen. Solche Sinnanklänge führen zwar nicht zum Ausschluß der Verwechslungsgefahr (iSv BGH GRUR 1992, 130 ff - BALL/Bally, im Grundsatz bestätigt in BGH MarkenR 2000, 130, 132 - comtes/ComTel), erleichtern aber in gewissem Umfang die Unterscheidbarkeit der Zeichen.

Aufgeworfene Benutzungsfragen können dahinstehen. Auch bei einer Berücksichtigung der Waren der Widerspruchsmarke nach der Registerlage ist eine Verwechslungsgefahr nicht gegeben, selbst wenn von teils identischen, teils eng ähnlichen Waren ausgegangen wird, für die im Bereich der Arzneimittel eine Rezeptpflicht in den Warenverzeichnissen nicht festgeschrieben ist, auch in tatsächlicherHinsicht der Fachverkehr nicht im Vordergrund steht und damit die allgemeinen Verkehrskreise uneingeschränkt als angesprochene Verbraucher zu berücksichtigen sind. Auch insoweit ist allerdings davon auszugehen, daß grundsätzlich nicht auf einen sich nur flüchtig mit der Ware befassenden, sondern durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen ist, dessen Aufmerksamkeit je nach Art der Ware oder Dienstleistung unterschiedlich hoch sein kann (vgl BGH MarkenR 2000, 140, 144 - ATTACHÉ/-TISSERAND; BGH GRUR 1998, 942, 943 liSp - ALKA-SELTZER; EuGH MarkenR 1999, 236, 239 unter 24.-Lloyd/Loints) und der insbesondere allem, was mit der Gesundheit zusammenhängt, eine gesteigerte Aufmerksamkeit beizumessen pflegt (vgl BGH GRUR 1995, 50, 53 - Indorektal/Indohexal).

Den danach erforderlichen Abstand hält die angegriffene Marke selbst im Bereich identischer Waren noch ein. Zwar stimmen die Marken in der Vokalfolge überein und weisen an gleicher Wortstelle die Konsonanten "L-R" auf. In den Wortanfängen unterscheiden sich die Marken in klanglicher Hinsicht jedoch durch die abweichenden Anfangskonsonanten "T/G". Da Wortanfänge im allgemeinen aber stärker beachtet werden als die übrigen Markenteile, und hier auch die Betonung liegt, kommt ihnen hier besonderes Gewicht zu (vgl hierzu Althammer/Ströbele Markengesetz 6. Aufl § 9 Rdn 97 mwN). Weiter ist zu berücksichtigen, daß auch die Abweichungen in den Anfangskonsonanten der Schlußsilben (D/C) hervortreten. Diese Abweichungen führen trotz Berücksichtigung der Gemeinsamkeiten im Gesamteindruck zu einem zur Verneinung der Verwechslungsgefahr ausreichend verschiedenen Klangbild der Marken, weil zusätzlich der Sinngehalt von "cor" in der Widerspruchsmarke eine relevante Merkhilfe gibt.

Im schriftbildlichen Vergleich ist unter den genannten Umständen ein Auseinanderhalten der Marken in allen üblichen Wiedergabeformen aufgrund der geschilderten Abweichungen ebenfalls gewährleistet. Hierbei ist noch zu berücksichtigen, daß das Schriftbild der Marken erfahrungsgemäß sehr viel besser eine ruhige und auch wiederholte Wahrnehmung der Bezeichnung gestattet als das schnell verklingende gesprochene Wort, wodurch Markenabweichungen im Schriftbild eher auffallen.

2. Widerspruch aus der Marke 395 01 979 TILIDOL.

Der Senat geht bei seiner Entscheidung von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und damit von einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke TILIDOL aus, auch wenn die Schlußsilbe "DOL" (dolor = lateinisch Schmerz) einen beschreibenden Bezug beinhaltet und im Zusammenhang mit Schmerzmitteln ein Indikationshinweis ist. Allerdings trägt der Begriffsgehalt des Endbestandteils, der ein häufig vorkommender Markenteil ist (vgl Senatsentscheidung 30 W (pat) 183/00 - ZODOL/XEDOL, PAVIS PROMA Kliems CD-ROM), zur Unterscheidbarkeit der Marken bei.

Unter diesen Umständen ist, auch wenn wiederum von teils identischen, teils eng ähnlichen Waren ausgegangen wird, die Verwechslungsgefahr noch zu verneinen.

Zwar stimmen die Vergleichsmarken in der Abfolge der Konsonanten "T-L-D" überein. Indessen heben sich die Vergleichsmarken durch die abweichende Vokalfolge - "I-U-O" gegenüber "I-I-O" - insbesondere durch die Wiederholung des Vokals "I" und die durch "dol" gegebene Merkhilfe in der Widerspruchsmarke klanglich wie schriftbildlich so deutlich voneinander ab, daß insgesamt Verwechslungen nicht zu befürchten sind.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlaß, (§ 71 Abs 1 MarkenG).

Buchetmann Winter Voit Hu






BPatG:
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Az: 30 W (pat) 31/02


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