Sozialgericht Freiburg:
Beschluss vom 23. Juni 2008
Aktenzeichen: S 6 SO 2234/08 ER

(SG Freiburg: Beschluss v. 23.06.2008, Az.: S 6 SO 2234/08 ER)

1. a) Für die Rechtmäßigkeit einer Überleitungsanzeige nach § 93 SGB XII ist nicht Voraussetzung, dass die ursprüngliche Leistungsbewilligung, deretwegen Ansprüche des Leistungsempfängers gegen Dritte übergeleitet werden, rechtmäßig war.

b) Sie ist auch dann noch möglich, wenn die ursprüngliche Leistungsbewilligung wi-derrufen ist, solange der Erstattungsanspruch noch nicht erfüllt wurde

2. a) Eine Überleitung von Ansprüchen des Leistungsempfängers gegen Dritte kann auch wegen darlehensweise erbrachter Sozialhilfeleistungen erfolgen.

b) Sie ist auch dann noch möglich, wenn die Darlehenssumme gegenüber dem Leis-tungsempfänger bereits bestandskräftig zurückgefordert wurde, solange dieser Rück-forderungsanspruch noch nicht erfüllt wurde.

Tenor

Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 16.6.2008 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 2.4.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.5.2008 wird insoweit angeordnet, als darin ein Betrag von mehr als 28.470,54 Euro übergeleitet wird.Im Übrigen werden die Anträge abgelehnt.Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller ein Zwanzigstel seiner notwendigen außergerichtlichen Kosten dem Grunde nach zu erstatten.

Gründe

I. 1.

Die Beteiligten streiten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes darum, ob die Antragsgegnerin berechtigt ist, vom Antragsteller einen Betrag von 7799,40 Euro zuzüglich Zinsen zu verlangen und einen Anspruch des Antragstellers gegen die Miterbin und die weiteren Miterben der Erbengemeinschaft nach der am 27.4.1970 verstorbenen Frau E. B., bestehend aus dem Antragsteller, Herrn Th. S., Herrn P. S., Herrn Wo. S. und Frau Wa. S. (respektive deren Rechtsnachfolgerinnen oder Rechtsnachfolgern) auf Auszahlung eines bei der Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts D. hinterlegten Geldbetrages auf sich überzuleiten.

Der Antragsteller bezog bereits in den 1990er Jahren Sozialhilfeleistungen von der Antragsgegnerin. In der Zeit ab dem 1.1.2000 beruhte die Hilfegewährung auf dem Bescheid der Antragsgegnerin vom 11.7.2000. Mit diesem Bescheid, teilweise in der Fassung abändernder Folgebescheide, gewährte die Antragsgegnerin dem Antragsteller in der Zeit ab 1.1.2000 Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz als Darlehen, weil er einen Anspruch auf Herausgabe eines Teils des beim Amtsgericht D. hinterlegten Erlöses einer Teilungsversteigerung habe.

Diesen Anspruch leitete die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 12.1.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.3.2000 auf sich über. Während des dagegen vom Antragsteller angestrengten Klageverfahrens vor dem Verwaltungsgericht Freiburg (Az. 4 K 1040/00) nahm die Antragsgegnerin die Überleitung zurück, woraufhin der Antragsteller die dortige Klage für erledigt erklärte. Mit Beschluss vom 6.6.2002 stellte das Verwaltungsgericht Freiburg das Verfahren ein und erlegte der Antragsgegnerin die Kosten auf. Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht aus, der im dortigen Verfahren angegriffen gewesene Überleitungsbescheid sei wohl wegen fehlender Bestimmtheit rechtswidrig gewesen, nachdem weder der übergeleitete Anspruch genauer bezeichnet noch der Drittschuldner aufgeführt gewesen sei. Zudem bestünden erhebliche Zweifel daran, ob die Überleitung wirksam gegenüber dem Drittschuldner, also den Miterben, angezeigt worden sei.

Mit bestandskräftigem Bescheid vom 13.7.2000 forderte die Antragsgegnerin vom Antragsteller die in der Zeit vom 1.1.1996 bis zum 31.12.1999 zu Unrecht erbrachten Sozialhilfeleistungen in Höhe von 28 341,58 DM (= 14 490,82 Euro) zurück. Mit nach Klagerücknahme hiergegen ebenfalls bestandskräftigem Bescheid vom 23.7.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.11.2002 forderte die Antragsgegnerin vom Antragsteller erbrachte Sozialhilfeleistungen für die Zeit vom 1.1.2000 bis zum 30.6.2002 in Höhe von 6180,52 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 412,78 Euro zurück.

In der Folgezeit wandte sich der Antragsteller gegen mindestens ein Auskunftsersuchen der Antragsgegnerin an die Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts D., mit dem die Antragsgegnerin den Stand des dortigen Verfahrens erfragte. Deswegen war unter anderem vor dem Verwaltungsgericht Freiburg das dort unter dem Aktenzeichen 4 K 1562/07 geführte Klageverfahren anhängig, welches das Verwaltungsgericht nach Klagerücknahme mit Beschluss vom 16.8.2007 einstellte.2.

Mit Bescheid vom 13.3.2008 forderte die Antragsgegnerin die in der Zeit vom 1.7.2002 bis zum 31.12.2004 darlehensweise erbrachten Sozialhilfeleistungen in Höhe von 7799,40 Euro zuzüglich Zinsen für die Zeit ab 1.1.2005 bis vorläufig 31.3.2008 in Höhe von 1902,32 Euro vom Antragsteller zurück. Der Antragsteller habe diesen Betrag mit Verfügbarkeit des beim Amtsgericht D. hinterlegten Erbteilserlöses zu zahlen. Zur Begründung schreibt die Antragsgegnerin, gemäß Bewilligungsbescheid vom 11.7.2000 sei das Darlehen verzinslich und mit Auszahlung des Erbes zu tilgen. Hinzu kämen bestandskräftige Rückforderungen auf Grund des Bescheides vom 23.7.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.11.2002 in Höhe von 6180,52 Euro. In Höhe der Summe dieser Beträge von insgesamt 15 882,24 Euro werde die Antragsgegnerin den Auszahlungsanspruch des Antragstellers mit gesondertem Bescheid auf sich überleiten.

Am 20.3.2008 hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht Freiburg einen Eilantrag mit einstweiliger Anordnung gestellt, mit dem er sich dagegen wendet, dass die Antragsgegnerin den Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 6.6.2002 im Verfahren mit dem Aktenzeichen 4 K 1040/00 vorsätzlich und mit krimineller Energie verletze. Das Sozialamt solle verurteilt werden, den Beschluss einzuhalten und nicht einfach nach Gutsherrenart  ein Urteil eines deutschen Gerichts zu ignorieren.

Das Verwaltungsgericht hat den Rechtsstreit nach Anhörung des Antragstellers und nach Hinweis darauf, dass der Beschluss vom 6.6.2002 keinen vollstreckungsfähigen Inhalt habe, mit Beschluss vom 14.4.2008 zuständigkeitshalber an das Sozialgericht Freiburg verwiesen (Az. des Verwaltungsgerichts: 5 K 543/08). Nach Eintritt der Rechtskraft des Verweisungsbeschlusses hat das Verwaltungsgericht den Antrag mit den dort angefallenen Vorgängen an das Sozialgericht Freiburg übersandt, wo der Antrag am 6.5.2008 eingegangen ist.

Mit Schreiben vom 26.3.2008 erhob der Antragsteller am 31.3.2008 gegen den Bescheid vom 13.3.2008 Widerspruch. Es gehe nicht hervor, in welcher Höhe de facto insgesamt die Forderung im Einzelnen bestehe. Eine Erbengemeinschaft S./F. sei nicht bekannt. Es sei bekannt, dass die Antragsgegnerin permanent kriminell gegen das BDSG verstoße und Auskünfte erschleiche und dass die Antragsgegnerin am 6.6.2002 einen spektakulären Prozess verloren habe.

Diesen Widerspruch wies die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 8.4.2008 zurück. Der Antragsteller habe bereits detaillierte Forderungsaufstellungen erhalten, und zwar in den Schreiben vom 16.2.2007, 23.7.2002 und 13.3.2008. Einwände gegen die dem Bescheid beigefügte Forderungsaufstellung habe er nicht erhoben. Der korrekte Name der Erbengemeinschaft laute S./F. Es habe sich um einen Schreibfehler gehandelt. Das abgeschlossene Verfahren beim Verwaltungsgericht Freiburg 4 K 1040/00 habe mit der Darlehensrückforderung im Bescheid vom 13.3.2008 nichts zu tun. Der Widerspruchsbescheid trägt das Aktenzeiten Wd-SozR-149/200/- Batt/tr.

Gegen den Widerspruchsbescheid vom 10.04.2007 Aktenzeichen Wd-SozR-149/2008 / Batt/tr hat der Antragsteller am 9.5.2008 Klage zum Sozialgericht Freiburg erhoben. Das Klageverfahren hierüber wird beim Sozialgericht Freiburg unter dem Aktenzeichen S 6 SO 2404/08 geführt.3.

Bei der Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts D. waren als Erlös einer Teilungsversteigerung insgesamt 184 174,02 Euro zu Gunsten der Beteiligten der Erbengemeinschaft S./F. zum Aktenzeichen 170 HL 213/00 hinterlegt. Die den übrigen Beteiligten zustehenden Beträge sind zwischenzeitlich ausgezahlt. Von dem dem Antragsteller zustehenden Teilbetrag in Höhe von 47 083,34 Euro (die Bezeichnung 57.083,34 Euro im Bescheid der Verwaltungsabteilung des Amtsgerichts D. vom 29.4.2008 dürfte auf einem Schreibfehler beruhen) ist wiederum ein Teilbetrag in Höhe von 16 760,48 Euro an den Antragsteller ausgezahlt. Den Restbetrag in Höhe von 30 322,86 Euro behält die Hinterlegungsstelle bis zum Nachweis der Bestandskraft des Überleitungsbescheides zurück (Bescheid der Verwaltungsabteilung des Amtsgerichts D. vom 29.4.2008, Bl. 305 ff. der Akte der Antragsgegnerin).

Nachdem die Antragsgegnerin erfahren hatte, dass die Auszahlung des beim Amtsgericht D. hinterlegten Betrages in Kürze bevorstehe, leitete sie mit Bescheiden vom 2.4.2008 gegenüber dem Antragsgegner und den weiteren Miterbinnen und Miterben den Anspruch des Antragstellers als Miterbe gegen die Erbengemeinschaft S./F. auf Auszahlung seines Anteils von 47 083 Euro aus dem beim Amtsgericht D. zum Aktenzeichen 170 HL 0213/00 hinterlegten Betrages in Höhe von 30 322,86 Euro zur Deckung des in dieser Höhe für die Zeit von 1.1.1996 bis 31.12.2004 entstandenen Aufwandes aus der an ihn geleisteten Sozialhilfe auf sich über. Der Antragsteller sei Erbe nach Frau E. B. geworden. Aus dem Verkauf einer genauer bezeichneten Immobilie sei ein Erlös von 94 166,68 Euro erzielt worden, der beim Amtsgericht D. hinterlegt sei und von dem ihm 47 083 Euro zustünden. Ab Erteilung des Erbscheins vom 12.12.1995 habe der Antragsteller über nicht geschütztes Vermögen verfügt, welches er für den sozialhilferechtlichen Bedarf hätte einsetzen müssen. Bei zeitnaher Erbauseinandersetzung wäre die Gewährung der Sozialhilfe in Höhe von 28 470,54 Euro nicht erforderlich gewesen. Eine Anhörung habe unterbleiben müssen, da Gefahr im Verzug bestehe, falls die Zahlung des hinterlegten Anteils an den Antragsteller anstatt an die Antragsgegnerin erfolge. Widerspruch und Anfechtungsklage hätten keine aufschiebende Wirkung. Bei dem zu dem Betrag von 30 322,86 Euro fehlenden Betrag (= 1852,32 Euro) handelt es sich um Zinsen.

Gegen den an ihn gerichteten Bescheid legte der Antragsteller am 21.4.2008 Widerspruch ein. Er wisse selbst nicht genau, welche Vergütung ihm aus dem Zwangsversteigerungserlös de facto zustehe. Das SA habe keinen Zugriff auf ungeschütztes Vermögen. Das Amt habe aus dem Beschluss des Verw.Ger.FR vom 6.6.2002 gelernt, dass es die übrigen Miterben unterrichten müsse. Die Bekanntgabe von Sozialdaten des Antragstellers gegenüber diesen Personen verstoße aber gegen das BDSG. Durch die Ausschlagung der Anhörung werde er per amtlicher Behauptung offenbar als Terrorist eingestuft. Der Antragsteller sieht sich in der weiteren Begründung als Opfer von Amtspsychoterror und amtlichem Narzißmus, die er als Neuauflage der Wannseekonferenz, Vollendung des Werks Roland Freislers und Nachahmung der Stasi ansieht.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13.5.2008 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch des Antragstellers zurück. Die Antragsgegnerin habe im Rahmen ihres Ermessens entschieden, dass zur Verwirklichung des Nachrangs der Sozialhilfe eine Überleitung des Anspruchs erforderlich sei. Gesichtspunkte, die gegen eine solche Überleitung sprächen, seien nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich. Die Überleitungsanzeige sei inhaltlich und formell korrekt. Eine Prüfung, ob und in welcher Höhe die übergeleitete Forderung bestehe, finde nicht statt. Hinsichtlich der unterbliebenen Anhörung werde auf den Ausgangsbescheid verwiesen. Der Wegfall der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage ergebe sich unmittelbar aus dem Gesetz.

Mit Schriftsatz vom 12.6.2008, beim Sozialgericht Freiburg eingegangen am 16.6.2008, hat der Antragsteller sich unter anderem gegen Überleitungsanzeigen durch die Antragsgegnerin gewandt. Dem Schriftsatz war der Widerspruchsbescheid der Antragsgegnerin vom 13.5.2008 in Kopie beigefügt.4.

Der Antragsteller ist zusammenfassend der Auffassung, die Antragsgegnerin habe rechtswidrig durch kollusives Zusammenwirken mit einer Miterbin und Gerichten und Behörden in Sachsen seinen Anspruch aus der Teilungsversteigerung verkürzt und sich dadurch bereichert. Die gestellten Forderungen seien falsch. Die einstweilige Anordnung beziehe sich auf die Auszahlung an das Sozialamt Freiburg in Höhe von 30.322,86 EUR.

Der Antragsteller beantragt wörtlich:

1.Mir meinen Rechtsschutzanspruch zu gewähren

2.Die Beklagte zu verurteilen ihre Forderungen gefälligst klarer zu definieren und nicht per Vernebelungstaktik einfach einmal platt Pseudosummen rückzufordern.

3.Jegliche Überleitungsanzeigen seitens der Beklagten zu unterlassen und stelle den Antrag an das Sozialgericht zu überprüfen ob derlei Rückforderungsorgien überhaupt forensisch durchsetzbar sind und jahrelanger Psychoterror hinzunehmen ist€€!!

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist sie auf die Widerspruchsbescheide.

Wegen des übrigen Vorbringens der Beteiligten im Gerichts- und Verwaltungsverfahren sowie wegen der Ergebnisse der Beweisaufnahme im Einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten der Antragsgegnerin über den Antragsteller sowie die ebenfalls beigezogene Akte des Verwaltungsgerichts Freiburg über das unter dem dortigen Aktenzeichen 4 K 1040/00 geführte abgeschlossene Verfahren verwiesen.II. 1.

Die Kammer kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit wie dem vorliegenden keine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist. Nach § 86b Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) entscheidet das Gericht über Anträge im einstweiligen Rechtsschutz durch Beschluss.

Die Anträge des Antragstellers sind nach § 123 SGG auszulegen. Nach dieser Vorschrift entscheidet das Gericht über die vom Kläger - analog vom Antragsteller - erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Aus dem gesamten Vortrag des Antragstellers ergibt sich, dass er materiell sowohl erreichen will, dass die im Bescheid der Antragsgegnerin vom 13.3.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8.4.2008 festgestellte Zahlungsforderung gegen ihn und die im Bescheid der Antragsgegnerin vom 2.4.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.5.2008 ausgesprochene Überleitung seines Anspruchs gegen die Erbengemeinschaft S./F. aufgehoben wird. Da im Rahmen eines Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes von extremen Ausnahmefällen abgesehen nur eine vorläufige Regelung erreicht werden kann, können seine Begehren sachdienlich nur so verstanden werden, dass diese Ziele zumindest vorläufig gesichert werden. Vor dem Hintergrund des im Sozialgerichtsgesetz für Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes enthaltenen Instrumentariums ist die Kammer der Überzeugung, dass zur Durchsetzung der vom Antragsteller materiell erhobenen Ansprüche folgende Anträge sachdienlich wären:

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

1.die aufschiebende Wirkung der vor dem Sozialgericht Freiburg unter dem Aktenzeichen S 6 SO 2404/08 anhängigen Klage des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 13.3.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8.4.2008 anzuordnen, hilfsweise diese aufschiebende Wirkung festzustellen und

2.die aufschiebende Wirkung der am 16.6.2008 zum Aktenzeichen S 6 SO 3055/08 des Sozialgerichts Freiburg erhobenen Klage des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 2.4.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.5.2008 anzuordnen,

hilfsweise

der Antragsgegnerin einstweilen zu untersagen, sich das bei der Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts D. zum Aktenzeichen 170 HL 0213/00 hinterlegte Geld ganz oder zum Teil auszahlen zu lassen und

der Hinterlegungsstelle bei dem Amtsgericht D. einstweilen zu untersagen, das dort zum Aktenzeichen 170 HL 0213/00 hinterlegte Geld ganz oder zum Teil an die Antragsgegnerin auszuzahlen.2.

Der Antragsteller hat mit seinen Begehren nur teilweise Erfolg.

Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag (1.) in den Fällen, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen, (2.) in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen, (3.) in den Fällen des § 86a Abs. 3 die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise wieder herstellen. Nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur kann das Gericht der Hauptsache in entsprechender Anwendung dieser Vorschrift außerdem auf Antrag durch deklaratorischen Beschluss aussprechen, dass eine Klage oder ein Widerspruch aufschiebende Wirkung hat, wenn dies zweifelhaft ist oder eine Behörde trotz aufschiebender Wirkung einen Verwaltungsakt vollzieht (Meyer-Ladewig/ Keller /Leitherer, SGG, § 86b Rn. 15). Bei der Frage, ob die aufschiebende Wirkung anzuordnen ist, soll sich das Gericht nach der Rechtsprechung der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit jedenfalls in den in § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG genannten Fällen an den in § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG niedergelegten Kriterien orientieren ( Meyer-Ladewig /Keller/Leitherer, SGG, § 86b Rn. 12c). Nach dieser Vorschrift soll die Aussetzung der Vollziehung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. In den übrigen Fällen soll sich das Gericht daran orientieren, ob der Erfolg oder der Misserfolg des Hauptsacherechtsbehelfs wahrscheinlicher ist; bei offenen Erfolgsaussichten hat es eine Folgenabwägung vorzunehmen ( Meyer-Ladewig /Keller/Leitherer, SGG, § 86b Rn. 12c-12e).

Nach § 86b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall des § 86b Abs. 1 SGG nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das Gericht der Hauptsache ist das Gericht des ersten Rechtszugs. Die §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939 und 945 ZPO gelten entsprechend. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO). Dabei sind die diesbezüglichen Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen. Die Erfolgsaussichten der Hauptsache sind daher in Ansehung des sich aus Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG) ergebenden Gebots der Sicherstellung einer menschenwürdigen Existenz sowie des grundrechtlich geschützten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz (vgl. Art. 19 Abs. 4 GG) unter Umständen nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Ist im Eilverfahren eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen eine Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragstellers vorzunehmen. Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (zu all dem LSG Baden-Württemberg, 15.8.2005 - L 7 SO 3804/05 ER-B, abrufbar unter www.sozialgerichtsbarkeit.de).3.

Soweit sich der Antragsteller materiell gegen die mit Bescheid vom 13.3.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8.4.2008 verfügte Rückforderung überzahlter Sozialhilfe wendet, ist sein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der hiergegen zum Aktenzeichen S 6 SO 2404/08 des Sozialgerichts Freiburg erhobenen Klage unzulässig. Denn diese Anfechtungsklage hat nach § 86a Abs. 1 SGG bereits kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung. Es liegt auch keiner der in § 86a Abs. 2 SGG genannten Ausnahmefälle vor. Insoweit fehlt dem Antragsteller das für alle Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit erforderliche Rechtsschutzbedürfnis.

Dies gilt auch insoweit, als der Antrag hilfsweise auf deklaratorische Feststellung der genannten Klage gerichtet ist. Auch insoweit hat der Antragsteller kein Rechtsschutzbedürfnis. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Rückforderungsbescheid vom 13.3.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8.4.2008 nicht beachtet.

Zwar hat die Antragsgegnerin den dem Antragsteller gegen die Erbengemeinschaft S./F. zustehenden Zahlungsanspruch auch hinsichtlich der erst in diesem Bescheid geltend gemachten Forderung auf sich übergeleitet. Hierin ist aber gerade keine Handlung zur Vollstreckung des Rückforderungsbescheides vom 13.3.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8.4.2008 zu sehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) zur Vorgängervorschrift von § 93 des Sozialgesetzbuches - Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII), dem im Wesentlichen inhaltsgleichen § 90 des bis zum 31.12.2004 geltenden Bundessozialhilfegesetzes (BSHG), bestehen die Regelungen zur Rückabwicklung zu Unrecht gewährter Leistungen in den §§ 45 und 50 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) und die Überleitungsvorschriften unabhängig von- und parallel zueinander (vgl. BVerwG, 4.6.1992 - 5 C 57/88, juris-Rn. 16). Der Betroffene muss lediglich - was gewährleistet ist - die Möglichkeit haben, eine doppelte Inanspruchnahme zu verhindern. Das Bundesverwaltungsgericht hat dazu ausgeführt:

Im Falle der Erstattung [&] entfiele der Rechtsgrund für die Überleitung; der Hilfeempfänger könnte die Rückübertragung der übergeleiteten Forderung geltend machen, in deren Folge der Drittschuldner nicht mehr an den Sozialhilfeträger leisten müßte. Und im Falle der Zahlung auf den übergeleiteten Anspruch könnte der Hilfeempfänger dem Erstattungsanspruch als Einrede entgegenhalten, daß der Sozialhilfeträger die Leistungen bereits (über den Drittschuldner) zurückerhalten hat. (BVerwG, a. a. O.).

Die Überleitung ist gerade unabhängig davon möglich, ob eine Erstattung von dem Leistungsempfänger verlangt werden kann oder nicht.4. a)

Soweit der Antragsteller materiell erreichen will, dass die Überleitung seines Anspruchs gegen die Erbengemeinschaft S./F. aufgehoben wird, hat er dagegen teilweise Erfolg.

Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der zum Aktenzeichen S 6 SO 3055/08 erhobenen Klage vom 16.6.2008 gegen den Bescheid vom 2.4.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.5.2008 ist zulässig und zum weit überwiegenden Teil unbegründet. Nur insoweit die Antragsgegnerin mit dem Bescheid vom 2.4.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.5.2008 Ansprüche des Antragstellers in Höhe von mehr als 28 470,54 Euro auf sich übergeleitet hat, ist der Antrag auch begründet.b)

Der Schriftsatz des Antragstellers vom 12.6.2008, beim Sozialgericht Freiburg eingegangen am 16.6.2008, ist als Klage gegen den Bescheid vom 2.4.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.5.2008 anzusehen. Zwar bezeichnet der Antragsteller den Schriftsatz nicht ausdrücklich als Klage. Es geht aber mit hinreichender Deutlichkeit aus dem Schreiben hervor, dass der Antragsteller eine gerichtliche Überprüfung der Überleitungsanzeige erreichen will. Dies ergibt sich insbesondere aus dem mit 3. bezeichneten Antrag des Antragstellers und der Tatsache, dass dem Schreiben der Widerspruchsbescheid der Antragsgegnerin vom 13.5.2008 in Kopie beigefügt war. Das Verfahren hierüber wird bei dem Sozialgericht unter dem Aktenzeichen S 6 SO 3055/08 geführt.

Diese Klage vom 16.6.2008 hat kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung. Denn die an sich in § 86a Abs. 1 SGG angeordnete aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage entfällt nach § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG in den dort nicht genannten, aber durch Bundesgesetz vorgeschriebenen Fällen. Sowohl die Vorschriften des bis zum 31.12.2004 geltenden Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) als auch die des seit 1.1.2005 geltenden Sozialgesetzbuches - Zwölftes Buch - Sozialhilfe (SGB XII) sehen vor, dass Widerspruch und Anfechtungsklage gegen den einen Anspruch überleitenden Verwaltungsakt keine aufschiebende Wirkung haben (§ 90 Abs. 3 BSHG/§ 93 Abs. 3 SGB XII).c)

Nach summarischer Prüfung bestehen nur hinsichtlich der Höhe der übergeleiteten Ansprüche des Antragstellers überwiegende Erfolgsaussichten für die Klage des Antragstellers vom 16.6.2008 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 2.4.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.5.2008.

Zunächst ist festzuhalten, dass die Antragsgegnerin durch die Aufhebung ihrer Überleitungsanzeige während des vor dem Verwaltungsgericht Freiburg geführten Verfahrens 4 K 1040/00 nicht daran gehindert ist, denselben Anspruch erneut auf sich überzuleiten. Anders als der Antragsteller meint, hat das Verwaltungsgericht in seinem Einstellungsbeschluss der Antragsgegnerin nicht untersagt, Überleitungen vorzunehmen. Auch ist nicht ersichtlich, dass die Antragsgegnerin sich wirksam verpflichtet hätte, auf eine Überleitung zu verzichten. Aus dem Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 6.6.2002 geht lediglich hervor, dass die damalige konkrete Überleitungsanzeige den Anforderungen an die Bestimmtheit wohl nicht genügt hätte, wenn das Gericht darüber hätte entscheiden müssen. Das Gericht hat dieses Ergebnis aber nur zur Bestimmung der Kostenquote herangezogen.

Seit Inkrafttreten des SGB XII richtet sich der Übergang von Ansprüchen auf den Träger der Sozialhilfe nach § 93 SGB XII.

Nach § 93 Abs. 1 Satz 1 SGB XII kann der Träger der Sozialhilfe, wenn eine leistungsberechtigte Person für die Zeit, für die Leistungen erbracht werden, einen Anspruch gegen einen anderen hat, durch schriftliche Anzeige an den anderen bewirken, dass dieser Anspruch bis zur Höhe seiner Aufwendungen auf ihn übergeht.

Diese Voraussetzungen für die Überleitung sind nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein gebotenen summarischen Prüfung dem Grunde nach gegeben.

Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller in der Zeit vom 1.1.1996 bis zum 31.12.2004 Leistungen der Sozialhilfe gewährt. Bereits bei Beginn dieses Zeitraums, nämlich seit Erteilung des Erbscheins vom 12.12.1995, stand fest, dass der Antragsteller einen Erbauseinandersetzungsanspruch gegen seine Miterbinnen und Miterben nach Frau B. hatte. Zwar mag der Anspruch damals nicht unmittelbar bezifferbar gewesen sein, weil der Wert der Nachlassgegenstände nicht endgültig feststand. Dies ändert jedoch nichts daran, dass der Anspruch in dieser Form bestand. Hätten die Miterbinnen und Miterben den Anspruch schon damals erfüllt, wäre die Erbringung von Sozialhilfeleistungen in Höhe von 28 470,54 Euro nicht erforderlich geworden.

Der Überleitung steht weder entgegen, dass die Leistungen für die Zeit ab 1.1.2000 mit Rücksicht auf den übergeleiteten Anspruch nur mehr darlehensweise erbracht worden sind, noch dass bereits für Teilzeiträume (1.1.1996-30.6.2002) bestandskräftige Rückforderungsbescheide bestehen, die ihrerseits zum Teil (1.1.1996-31.12.1999) auf einer bestandskräftigen Rücknahme der ursprünglichen Bewilligungsbescheide als rechtswidrig beruhen.

In der Kommentarliteratur zu § 93 SGB XII herrscht die Meinung vor, dass nur wegen endgültig beim Leistungsempfänger verbleibenden Leistungen eine Überleitung vorgenommen werden dürfe (Grube/ Wahrendorf , SGB XII, § 93 SGB XII Rn. 6; Hauck/Noftz- Falterbaum , K § 93 Rn. 20; Münder, in: LPK-SGB XII, § 93 Rn. 16). Deshalb sei eine Überleitung von Ansprüchen wegen darlehensweise gewährter Leistungen nur dann möglich, wenn der Leistungsempfänger das Darlehen nicht zurückzahle ( Münder, in: LPK-SGB XII, § 93 Rn. 16; Hauck/Noftz- Falterbaum , K § 93 Rn. 20; Schellhorn/ Schellhorn /Horn, SGB XII, § 93 SGB XII Rn. 28, der die Überleitung von Ansprüchen wegen darlehensweise gewährter Sozialhilfe jedoch nur für regelmäßig ermessensfehlerhaft hält). Hintergrund ist die Überlegung, dass eine Übersicherung des Trägers der Sozialhilfe vermieden werden soll.

In der Rechtsprechung der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit hat bislang soweit ersichtlich erst das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (LSG BE-BB, 16.8.2007 - L 23 B 150/07 SO ER, juris-Rn. 5) entschieden, dass die Gewährung von Sozialhilfe als Darlehen einer Überleitung nicht entgegenstehe, freilich in einem Fall, in dem die Rückzahlung des Darlehens wegen weiter bestehenden Bezuges von Leistungen nach dem SGB II unwahrscheinlich war.

In der Literatur herrscht weiter die Auffassung vor, dass weitere Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Überleitung sei, dass die ursprünglichen Leistungen rechtmäßig gewährt worden seien ( Münder, in: LPK-SGB XII, § 93 Rn. 14; Schellhorn/ Schellhorn /Horn, SGB XII, § 93 SGB XII Rn. 29). Sei eine Leistungsgewährung nach den §§ 44 ff. SGB X aufgehoben worden, bleibe für die Überleitungsvorschriften kein Raum mehr (Grube/ Wahrendorf , SGB XII, § 93 SGB XII Rn. 7), jedenfalls dann nicht, wenn keine Leistungen erbracht worden seien (Hauck/Noftz- Falterbaum , K § 93 Rn. 18). Sei eine Rückforderung einer rechtswidrig gewährten Leistung nach den §§ 45, 50 SGB X nicht möglich, dürfe aus systematischen Gründen auch eine Überleitung nicht erfolgen, um eine Umgehung dieser Vorschriften zu verhindern (Hauck/Noftz- Falterbaum , K § 93 Rn. 19, 12; Münder, in: LPK-SGB XII, § 93 Rn. 14 f.). Aber auch für die Fälle, dass eine Rückforderung möglich ist, wird ebenfalls zur Vermeidung einer Übersicherung die Möglichkeit der Überleitung verneint.

Demgegenüber hatte das Bundesverwaltungsgericht zur Vorgängervorschrift des § 90 BSHG entschieden, dass der Regelungszusammenhang nicht dazu zwinge, die Rechtmäßigkeit der Überleitung von der Rechtmäßigkeit der gewährten Hilfe abhängig zu machen. Hinsichtlich der Erstattung, also der Rückabwicklung rechtswidrig gewährter Leistungen, stellten die §§ 45, 50 SGB X zwar eine abschließende Regelung dar.

§ 90 BSHG ermöglicht jedoch keine solche Rückabwicklung, sondern die Inanspruchnahme Dritter, so daß mit seiner Anwendung bei rechtswidriger Sozialhilfegewährung keine Durchbrechung jener abschließenden Regelung verbunden wäre. Durchgreifende Bedenken dagegen, daß der Träger der Sozialhilfe von dem Unterhaltspflichtigen Zahlung verlangen könnte, obwohl auch der Unterhaltsberechtigte selbst zur Erstattung der Sozialhilfe verpflichtet wäre, beständen nur dann, wenn beide Ansprüche kumulativ durchgesetzt werden könnten. Im Falle der Erstattung aber entfiele der Rechtsgrund für die Überleitung; der Hilfeempfänger könnte die Rückübertragung der übergeleiteten Forderung geltend machen, in deren Folge der Drittschuldner nicht mehr an den Sozialhilfeträger leisten müßte. Und im Falle der Zahlung auf den übergeleiteten Anspruch könnte der Hilfeempfänger dem Erstattungsanspruch als Einrede entgegenhalten, daß der Sozialhilfeträger die Leistungen bereits (über den Drittschuldner) zurückerhalten hat. (BVerwG, 4.6.1992 - 5 C 57/88, juris-Rn. 16).

Rechtsprechung von Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit zu dieser Frage ist noch nicht ersichtlich.

Die Kammer schließt sich dieser Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts an. Bei konsequenter Anwendung dieser Rechtsprechung kommt es weder bei einer Darlehensgewährung - wie hier für die Zeit ab 1.1.2000 - noch bei einer Rückforderung wegen rechtswidrig gewährter Leistungen - wie hier für die Zeit vom 1.1.1996 bis zum 31.12.1999 - zu einer Übersicherung. Der Träger der Sozialhilfe kann danach zwar wählen, auf welchem Weg er einen Anspruch geltend macht. Es ist aber sichergestellt, dass derselbe Anspruch nicht zweimal befriedigt wird.

Den Kritikern dieser Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist allerdings zuzugeben, dass das Bundesverwaltungsgericht ganz offenbar nicht den Fall vor Augen hatte, dass eine rechtswidrig gewährte Leistung wegen Vertrauensschutzes oder wegen Ablaufs der Jahresfrist in § 45 Abs. 4 SGB X nicht mehr vom Leistungsempfänger zurückgefordert werden könnte, der Träger der Sozialhilfe aber dennoch einen Anspruch des Leistungsempfängers gegen einen Dritten zwar nicht dem Namen nach, aber zur materiellen Befriedigung seines Rückforderungsanspruchs gegen den Leistungsempfänger auf sich überleitet. In der Tat erscheint es inkonsequent, einerseits festzustellen, dass es bei der Überleitung nicht um einen Rückforderungsanspruch gehe, die in §§ 45, 50 SGB X abschließend geregelt seien, andererseits dem Träger der Sozialhilfe zu erlauben, doch sozusagen durch die Hintertür auf Vermögen des Leistungsempfängers zuzugreifen.

Für die Kammer kann dies jedoch nicht dazu führen, dass die Rechtmäßigkeit der Leistungsgewährung Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Überleitung von Ansprüchen sind. Denn sonst würden Leistungsempfänger, die rechtswidrig Leistungen bezogen haben, gegenüber Leistungsempfängern rechtmäßiger Leistungen ohne nachvollziehbaren Grund privilegiert. Innerhalb der Grenzen seines Anwendungsbereichs (Zeitidentität, Kausalität der Nichterfüllung des Anspruchs für die Sozialhilfeleistung) erlaubt § 93 SGB XII daher materiell eine Durchbrechung der Schutzvorschriften der §§ 45, 50 SGB X, die von dem Sinn und Zweck der Vorschrift, den Nachrang der Sozialhilfe wiederherzustellen, gedeckt ist. Allenfalls im Rahmen des durch die Vorschrift eröffneten Ermessens kann der durch §§ 45, 50 SGB X gewährte Vertrauensschutz Berücksichtigung finden. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor.d)

Die Antragsgegnerin hat allerdings einen zu hohen Anspruch auf sich übergeleitet.

Soweit die Antragsgegnerin Ansprüche des Antragstellers auch wegen Zinsen auf darlehensweise erbrachte Sozialhilfeleistungen auf sich übergeleitet hat, ist dies von § 93 SGB XII nicht gedeckt. Denn diese Vorschrift erlaubt nur die Überleitung bis zur Höhe der Aufwendungen des Trägers der Sozialhilfe. Die Zinsen, die dem Träger der Sozialhilfe zustehen mögen, gehören jedoch nicht zu seinen Aufwendungen. Diese beschränken sich vielmehr auf die Höhe der tatsächlich erbrachten Leistungen in Höhe von 28 470,54 Euro.e)

Das ihr zustehende Ermessen, ob die Ansprüche des Antragstellers übergeleitet werden sollen (vgl. Kunkel, in: Klinger/Kunkel/Peters/Fuchs, Sozialhilferecht, Rn. 478), hat die Antragsgegnerin dagegen rechtsfehlerfrei ausgeübt.

Auch ansonsten begegnet der Bescheid keinen verfahrensrechtlichen Bedenken. Im Rahmen der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung erscheint das Unterlassen der an sich gebotenen Anhörung nach § 24 Abs. 2 Nr. 1 SGB X gerechtfertigt, weil bei einem weiteren Zuwarten der überzuleitende Anspruch vor einer Zugriffsmöglichkeit der Antragsgegnerin wahrscheinlich befriedigt worden wäre. Gegenüber dem Antragsteller ist die Anhörung zudem im Widerspruchsverfahren nachgeholt worden.

Ein widerrechtliches Bekanntmachen von Sozialdaten ist - abgesehen davon, dass es auf die Rechtmäßigkeit des Bescheides wohl keinen Einfluss haben dürfte - ebenfalls nicht ersichtlich.f)

Soweit der Antragsteller schließlich den Erlass einer einstweiligen Anordnung dahin begehrt, der Antragsgegnerin zu untersagen, auf die übergeleiteten Ansprüche zuzugreifen, ist der Antrag unzulässig. Denn eine einstweilige Anordnung kann nach § 86b Abs. 2 SGG nur getroffen werden, wenn ein Fall des § 86b Abs. 1 SGG nicht vorliegt. Das ist hier aber - ungeachtet der nur geringen Erfolgsquote des Antragstellers - der Fall.5.

Die Kostenentscheidung beruht insgesamt auf einer analogen Anwendung von § 193 SGG.

Zwar liegt hier eine objektive Antragshäufung vor, bei der es für die Frage der Kostenfreiheit nach der Rechtsprechung des Bundessozialgericht für jeden Anspruch gesondert auf das Vorliegen der kostenrechtlichen Privilegierung ankommt (vgl. BSG, 26.7.2006 - B 3 KR 6/06 B, SozR 4-1500 § 197a Nr 4).

Der Antragsteller ist jedoch für beide von ihm geltend gemachten Ansprüche kostenrechtlich privilegiert.

Gemäß § 183 SGG ist das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nach § 197a Abs. 1 SGG werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben, wenn in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen gehört.

Soweit der Antragsteller sich gegen die im Bescheid der Antragsgegnerin vom 13.3.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8.4.2008 wendet, ist er in seiner Eigenschaft als (früherer) Leistungsempfänger analog einem Kläger an dem Verfahren beteiligt und daher nach § 183 Satz 1 SGG privilegiert.

Dies gilt auch insoweit, als sich der Antragsteller gegen die Überleitung seiner Ansprüche gegen Dritte im Bescheid der Antragsgegnerin vom 2.4.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.5.2008 wendet. Denn die Überleitung erfolgt ihrerseits zur Sicherung einer Rückforderung von Leistungen, die der Antragsteller selbst zuvor empfangen hatte. Auch in dieser Beziehung wirkt die Eigenschaft als (früherer) Leistungsempfänger nach.

Da der Antragsteller mit seinen Begehren im Wesentlichen unterliegt, erscheint es der Kammer billig, der Antragsgegnerin die Tragung von einem Zwanzigstel der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers aufzuerlegen. Die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin sind ohnehin nicht erstattungsfähig (§ 193 Abs. 4 SGG analog).






SG Freiburg:
Beschluss v. 23.06.2008
Az: S 6 SO 2234/08 ER


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/01170444471f/SG-Freiburg_Beschluss_vom_23-Juni-2008_Az_S-6-SO-2234-08-ER




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share