Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 18. Januar 2002
Aktenzeichen: 6 U 136/01

(OLG Köln: Urteil v. 18.01.2002, Az.: 6 U 136/01)

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 03.05.2001 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 O 931/00 - teilweise geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

I.

Unter Abweisung der weitergehenden Klage wird die Beklagte ver-urteilt,

1.

es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwider-handlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,- DM, ersatzweise Ordnungshaft oder der Ordnungshaft bis zu sechs Mo-naten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken Mobiltelefone ihrer Prepaid-Pakete "XTRA PAC" in TV-Werbespots wie nachstehend wiedergegeben zu bewerben:

pp.

2.

der Klägerin Auskunft über den Umfang ihrer Handlungen gemäß der vorstehenden Ziffer 1. beginnend mit dem 01.07.2000 zu ertei-len, insbesondere durch Angabe der Verwendungsfälle und Ver-wendungszeitpunkte.

II.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den durch Handlungen gemäß Ziffer I.1. seit dem 01.07.2000 ent-standenen und noch entstehenden Schaden zu ersetzen.

III.

Die weitergehende Berufung der Beklagten und die Anschlussbe-rufung der Klägerin werden zurückgewiesen.

IV.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 3/4 und die Beklagte zu 1/4.

V.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, soweit nicht der in Ziffer II. titulierte Schadenersatzfeststellungsanspruch in Rede steht. Die Beklagte darf die gegen sie gerichtete Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Voll-streckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheitsleistung beträgt hinsichtlich des titulierten Unterlassungsanspruchs 100.000 Euro und hinsichtlich des titulierten Auskunftsanspruchs sowie des Kostenerstattungsanspruchs jeweils 7.500,- Euro.

Die Klägerin darf eine gegen sie gerichtete Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 22.500,- DM Euro abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

VI.

Beiden Parteien wird gestattet, die Sicherheitsleistung auch durch unwiderrufliche, unbefristete, unbedingte und selbstschuldnerische Bürgschaft eines in der Bundesrepublik Deutschland als Zoll- und Steuerbürge zugelassenen Kreditinstituts zu erbringen.

VII.

Der Wert der Beschwer der Parteien übersteigt 60.000,- DM.

Tatbestand

Die Klägerin, die V.I. GmbH & Co. oHG, ist einer der vier Mobilnetzfunkbetreiber in der Bundesrepublik Deutschland. Außerdem bietet sie Telekommunikations- und Internetdienstleistungen an. Die Beklagte, die Firma D.M. Deutsche Te. MobilNet GmbH, ist eine Tochtergesellschaft der Deutschen Te. AG. Sie ist innerhalb des Konzerns für den Bereich Mobilfunk zuständig.

Der Verkehr begegnet Angeboten, in denen der Erwerb eines Mobiltelefons in Kombination mit Leistungen eines Providers in Aussicht gestellt wird, heute im wesentlichen noch in zwei Formen: Zum einen in der Verknüpfung aus einem dem Interessenten in aller Regel extrem preisgünstig, wenn nicht sogar ohne Zahlung eines Entgeltes angebotenen Handy mit einem sog. "klassischen Kartenvertrag", der ihn über längere Zeit, meist über die Dauer von zwei Jahren, bindet und ihn mit monatlich wiederkehrenden Grundgebühren belastet. Im Rahmen dieser sog. "klassischen" Kartenverträge gibt es bei der Ausgestaltung der einzelnen Vertragsmodalitäten bei den verschiedenen Anbietern wiederum zahlreiche Varianten. So stehen z.B. einer niedrigen Grundgebühr relativ hohe Preise für die geführten Telefongespräche gegenüber und umgekehrt. Zum anderen gibt es neben den vorumschriebenen "klassischen" Angeboten seit Anfang des Jahres 2000 solche, bei denen der angesprochene Verkehr im Rahmen eines sog. "SIMLOCK-Angebots" ein Handy gemeinsam mit der Karte eines bestimmten Providers erwerben kann. Diese sog. Prepaid-Pakete bestehen aus einem Mobiltelefon, das zu einem günstigen, weit unter dem Einkaufspreis des jeweiligen Mobilfunkanbieters liegenden Preis im Markt abgegeben wird, und der Prepaid-Karte. Diese Karrte weist in aller Regel ein Startguthaben auf und kann immer wieder aufgeladen werden. Mit Rücksicht darauf, dass die Mobilfunkgeräte weit unter Einstandspreis abgegeben werden, versehen die Anbieter solcher SIMLOCK-Angebote die Mobilfunkgeräte mit einem SIMLOCK, der die Nutzung des Geräts nur in Verbindung mit der dazugehörenden Prepaid-Karte zulässt. Das geschieht in der Erwartung, dass der Käufer eines solchen Handys nach dem Abtelefonieren des Startguthabens die Telefonkarte immer wieder auflädt und im Netz des Telefonanbieters zumindest zwei Jahre lang zu Gesprächsgebühren telefoniert, die weit über denen des klassischen Kartenvertrages liegen. Will der Kunde vor Ablauf der wie auch im Streitfall meist zweijährigen Bindungsfrist zu einem anderen Provider wechseln, gestattet die Beklagte ihm dies nur gegen Zahlung eines Betrages von 195,- DM.

Mit dem als Storyboard im Urteilstenor wiedergegebenen TV-Werbespot bewarb die Beklagte im November 2000 ihr Prepaid-Paket "XTRA PAC" mit einem Mobilfunktelefon "A. 302 SIMLOCK HANDY". Außerdem warb die Beklagte in einem weiteren, zur gleichen Zeit veröffentlichten TV-Werbespot für ihre XTRA-PACs, indem sie ein solches XTRA-PAC mit einem N. 3210 SIMLOCK HANDY und einem Startguthaben von 25,- DM anbot. Wegen der genauen Ausgestaltung dieser Werbung wird auf das im nachfolgenden erstinstanzlichen Klageantrag der Klägerin wiedergegebene Storyboard verwiesen.

Die Klägerin hat beide Werbungen als irreführend beanstandet. Sie hat hierzu unter Hinweis auf das Urteil des Senats vom 10.11.2000 in der Sache 6 U 147/00 (veröffentlicht in OLGR Köln 2001, 131 ff. und MMR 2001, 235 f.) die Auffassung vertreten, die angesprochenen Verkehrskreise würden nicht hinreichend darüber aufgeklärt, dass die beworbenen SIMLOCK HANDYS lediglich mit der "XTRA-Card" der Beklagten in deren Netz funktionierten und der Käufer über einen Zeitraum von zwei Jahren nicht in einem Mobilfunknetz eines anderen Anbieters telefonieren könne, wolle er sein Handy nicht gegen Zahlung eines Betrages von 195,- DM freischalten lassen. Der sie treffenden Aufklärungspflicht habe die Beklagte auch nicht dadurch entsprochen, dass sie in den Werbespots den Begriff "SIMLOCK HANDY" verwende. Das folge daraus, dass breite Verkehrskreise sich unter diesem Fachbegriff nichts vorstellen könnten. Das wisse die Beklagte auch. Denn unstreitig weise sie zum Beispiel auf ihren Internet-Seiten darauf hin, dass ihre mit einem SIMLOCK versehenen Mobilfunktelefone nur mit der "XTRA-Card" funktionierten und dass die Zahlung von 195,- DM fällig werde, falls der Kunde vor Ablauf von 24 Monaten mit einer Telefonkarte eines anderen Anbieters telefonieren möchte.

Die Klägerin hat beantragt,

I.

die Beklagte unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken

1.

Mobilfunktelefone ihrer Prepaid-Pakete "XTRA-PAC" ohne Erläuterung des Begriffs "SIMLOCK" als "SIMLOCK HANDY" zu bewerben, insbesondere gemäß Werbespots nachstehend wiedergegebenen Inhalts:

und/oder

2.

hilfsweise,

die Beklagte unter gleichzeitiger Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verurteilen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken Mobiltelefone ihrer Prepaid-Pakete "XTRA-PAC" in Werbespots, wie vorstehend bereits wiedergegeben, zu bewerben,

3.

äußerst hilfsweise,

die Beklagte unter gleichzeitiger Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, Mobilfunktelefone ihrer Prepaid-Pakete "XTRA-PAC" in TV-Spots wie vorstehend unter Ziffer 1. wiedergegeben zu bewerben.

II.

ihr - der Klägerin - Auskunft über den Umfang ihrer Handlungen gemäß Ziffer I. seit dem 01.07.2000 zu erteilen, insbesondere durch Angabe der Verwendungsfälle, Verwendungszeitpunkte und Adressaten,

III.

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr - der Klägerin - den durch Handlungen gemäß Ziffer I. seit dem 01.07.2000 entstandenen und noch entstehenden Schaden zu ersetzen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Klage als zu weitgehend und insoweit namentlich gerügt, dass sich das Unterlassungsbegehren der Klägerin nicht nur auf die konkrete TV-Werbung beschränke. Auf keinen Fall habe die Klägerin Anspruch auf Erläuterung des Begriffs "SIMLOCK HANDY". Ihre Werbung führe den angesprochenen Verkehr auch nicht in die Irre. Ein durchschnittlich informierter und verständiger Verbraucher kenne den Bedeutungsgehalt des Wortbegriffs "SIMLOCK HANDY" und wisse daher, dass das beworbene Handy nur mit der "XTRA-CARD" funktioniere.

Durch das angefochtene Urteil, auf das wegen der Einzelheiten verwiesen wird (Blatt 83 ff. d.A.), hat das Landgericht die Beklagte dem ersten Hilfsantrag der Klägerin folgend zur Unterlassung und zur Auskunftserteilung verurteilt. Außerdem hat es die grundsätzliche Schadensersatzverpflichtung der Beklagten festgestellt. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es im wesentlichen ausgeführt, der mit dem ersten Hilfsantrag geltend gemachte Unterlassungsanspruch der Klägerin sei aus § 3 UWG begründet, weil die streitbefangenen Werbespots geeignet seien, einen nicht unerheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise über die tatsächlich eintretende Kundenbindung in die Irre zu führen. Aus der TV-Werbung der Beklagten erschließe sich dem potentiellen Interessenten nicht, dass er faktisch zwei Jahre an die Beklagte gebunden sei und vor Ablauf von 24 Monaten nur dann zu einem günstigeren Anbieter von Telefondienstleistungen wechseln könne, wenn er einen Betrag von 195,-- DM an die Beklagte zahle. Aus dem bereits erwähnten Urteil des Senats vom 10.11.2000 folge, dass in dem Verschweigen einer solchen wesentlichen Information zugleich eine Irreführung des Verkehrs liege, weil den Werbenden eine entsprechende Aufklärungspflicht treffe. Im übrigen bestehe die Gefahr, dass die Beklagte auch außerhalb des Mediums "Fernsehen", zum Beispiel im Radio, im Internet oder in ähnlichen Medien werbe. Deshalb könne die Klägerin von der Beklagten im Wege der zulässigen Verallgemeinerung auch verlangen, dass diese die streitgegenständliche Werbung auch in anderen Medien unterlasse. Auch die geltend gemachten Annexansprüche seien begründet. Dagegen habe die Klägerin keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte den Begriff "SIMLOCK HANDY" erläutere. Vielmehr sei es Sache der Beklagten, den Verbraucher in geeigneter Form, ggf. auch ohne Erläuterung des Begriffs "SIMLOCK HANDY", über die faktische zweijährige Bindung aufzuklären.

Gegen das ihr am 18.06.2001 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 18.07.2001 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 20.09.2001 mit einem am 06.09.2001 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz begründet. Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und behauptet, ein durchschnittlich informierter und durchschnittlich verständiger Verbraucher wisse, dass bereits seit Beginn des Jahres 2000 keine Prepaid-Angebote ohne SIMLOCK HANDY im Markt angeboten würden. Ein solcher verständiger Verbraucher komme auch nicht auf den Gedanken, das im beworbenen "XTRA PAC" enthaltenen HANDY sei sogleich auch mit der SIM-Karte eines anderen Anbieters zu benutzen. Im übrigen sei bei der Frage nach dem von der Werbung ausgehenden Irreführungspotential im Rahmen der notwendigen Interessenabwägung auch zu berücksichtigen, dass Streitgegenstand ausschließlich eine Fernseh-Werbung der Beklagten sei, in deren Rahmen eine vollständige Aufklärung des Verbrauchers anders als in anderen Medien nicht gelingen könne und vom angesprochenen Verkehr auch nicht erwartet werde.

Die Beklagte beantragt deshalb,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Auch die Klägerin wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und ist der Auffassung, das Landgericht habe die von der Werbung der Beklagten ausgehende Irreführungsgefahr im Sinne des § 3 UWG richtig beurteilt und sich dabei zutreffenderweise an den Inhalt der Entscheidung des Senats vom 10.11.2000 orientiert. Der Verbraucher entnehme dem Begriff "SIMLOCK HANDY" keinen konkreten Bedeutungsgehalt. Insbesondere verstehe er diesen Hinweis nicht dahin, dass mit dem Kauf eines entsprechenden Mobilfunkgeräts eine zeitliche Bindung von zwei Jahren an den Netzbetreiber einhergehe, und dass er nur gegen Zahlung eines Betrages von 195,-- DM vorzeitig aus dieser faktischen Bindung entlassen werde. Diese Kundenbindung gebe die Beklagte auch nicht durch die Verwendung des Begriffs "HANDY mit SIM-LOCK" oder "SIMLOCK-HANDY" hinreichend zu erkennen. Die langfristige Bindung sei von wichtigem Einfluss für die Entscheidung des Verbrauchers, das Angebot der Beklagten wahrzunehmen oder von ihm Abstand zu nehmen. Deshalb treffe die Beklagte die Pflicht, den potentiellen Kunden auch über die Bindung aufzuklären, und zwar durch die Erläuterung des Begriffs "SIMLOCK-HANDY". Darauf habe sie - die Klägerin - Anspruch.

Im Wege der Anschlussberufung beantragt die Klägerin deshalb,

das angefochtene Urteil teilweise zu ändern und die Beklagte entsprechend dem in erster Instanz gestellten Hauptantrag zur Unterlassung zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Anschlussberufung der Klägerin zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst sämtlichen Anlagen verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Gründe

Die zulässige Berufung der Beklagten hat zum überwiegenden Teil auch in der Sache Erfolg (A.). Demgegenüber gibt die unselbständige Anschlussberufung der Klägerin keinen Anlass zur Änderung der angefochtenen Entscheidung. Sie war daher zurückzuweisen (B.).

Berufung der Beklagten

Die Berufung der Beklagten ist zum überwiegenden Teil erfolgreich. Denn der mit der Klage angegriffene Werbespot der Beklagten für ihre XTRA-PACs mit einem N. 3210 SIMLOCK HANDY und 25,- DM Startguthaben ist entgegen der vom Landgericht mitgetragenen Auffassung der Klägerin nicht irreführend und deshalb wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden. Daraus folgt zugleich, dass der Klägerin auch die insoweit geltend gemachten Annexansprüche in Form des Auskunfts- und Schadenersatzfeststellungsbegehrens nicht zustehen (I.). Dagegen führt die Beklagte relevante Teile des angesprochenen Verkehrs in die Irre (§ 3 UWG), weil sie ihr XTRA-PAC mit dem A. 302 SIMLOCK HANDY in der konkreten Verletzungsform ausdrücklich und prominent hervorgehoben mit den Worten "ohne Mindestvertragslaufzeit" bewirbt. Der daraus folgende Unterlassungsanspruch der Klägerin bleibt allerdings hinter dem geltend gemachten Unterlassungsbegehren zurück. Denn zum einen hat die Klägerin nur Anspruch auf Unterlassung der konkreten TV-Werbung. Zum anderen ist für die Beurteilung des TV-Werbespots der Beklagten als irreführend und daher wettbewerbswidrig von entscheidender Bedeutung, dass die Beklagte ausdrücklich und prominent hervorgehoben auf die fehlende "Mindestvertragslaufzeit" hingewiesen hat, während das Unterlassungsbegehren der Klägerin nach ihren ausdrücklichen Erklärungen insbesondere auch im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat weitergefasst war (II.).

Werbespot XTRA-PAC mit N. 3210 SIMLOCK HANDY und 25,- DM Startguthaben

Das Landgericht hat sich bei seiner Entscheidung den Hinweisen der Klägerin folgend ersichtlich von dem Inhalt der vorgenannten Entscheidung des Senats vom 10.11.2000 leiten lassen. Dieser Entscheidung lag indessen ein mit dem Streitfall nicht zu vergleichender Lebenssachverhalt zugrunde lag. Damals hatte nicht eine Telefongesellschaft, sondern ein Fachhändler wenige Monate nach der erstmaligen Markteinführung von Prepaid-Angeboten der vorliegenden Art ein bestimmtes Handy mit einem eher dezenten Hinweis auf eine einzugehende Partnerschaft mit der Firma D. beworben. Dagegen war der Preis für das angebotene Handy in Höhe von 88,- DM ebenso prominent hervorgehoben wie die Angaben, das Angebot beinhalte freies Telefonieren für 25,- DM, es falle keine Grundgebühr an und es entstehe auch keine Vertragsbindung. In diesem konkreten Fall hat der Senat angenommen, die Bewerbung des Mobiltelefons nebst Prepaid-Card mit dem Schlagwort "ohne Vertragsbindung" führe den Verkehr in die Irre, wenn in der Werbung nicht zugleich darauf hingewiesen werde, dass es sich dabei um ein SIMLOCK HANDY handelt, mit dem für einen vertraglich vereinbarten Zeitraum nur mit Telefonkarten eines einzigen Anbieters aktiv telefoniert werden kann, sofern der Kunde keine weitere Zahlung in Höhe von 200,- DM leistet. In einem solchen Fall, in dem an prominent hervorgehobener Stelle auf eine fehlende Vertragsbindung an sich zutreffend hingewiesen wird, in faktischer Hinsicht eine solche Bindung des Kunden an einen bestimmten Provider jedoch über lange Zeit andauert, solange der Kunde nicht willens und bereit ist, für die Aufhebung der vorprogrammierten Sperre einen Preis zu zahlen, der den Preis für das Handy um ein Mehrfaches übersteigt, hat der Senat den Werbenden als verpflichtet angesehen, den potentiellen Interessenten in geeigneter Weise darüber aufzuklären, dass das als günstig erscheinende Angebot auch einen dem Umworbenen nicht bekannten, für die Kaufentscheidung aber sehr bedeutenden Nachteil mit sich bringt, der ihn davon abhalten könnte, sogleich die Geschäftsräumlichkeiten des werbenden Fachhändlers vor Ort aufzusuchen und sich durch den Kauf des beworbenen Handys faktisch zwei Jahre an den Provider zu binden, ohne bei Abschluss des Geschäfts von dieser Bindung Kenntnis zu haben.

Im Streitfall liegen die Dinge anders. Der von der TV-Werbung der Beklagten angesprochene Verkehr, zu dem potentiell auch die Mitglieder des Senats zählen und was dieser deshalb aus eigener Sachkunde und Erfahrung zu beurteilen in der Lage sind, wird nicht irregeführt, sieht vielmehr, dass die Beklagte in einem relativ kurzen Fernsehspot ihre Telefonkarte "XTRA-PAC" ohne jedwede Preisangabe mit dem - sinngemäß wiedergegeben - Hinweis bewirbt, zu Weihnachten solle man sich doch ein aus einem SIMLOCK HANDY und einer TD1-Telefonkarte einschließlich 25,- DM Startguthaben bestehendes XTRA-PAC schenken (lassen), das Angebot gebe es im T-Punkt, bei allen T-Partner und im Fachhandel. Der von dieser TV-Werbung der Beklagten angesprochene Verkehr sieht, dass ihm hier eine Telefongesellschaft ein bestimmtes, aus Telefonkarte und Handy bestehendes Leistungspaket anbietet, und geht deshalb als selbstverständlich davon aus, dass er sich in irgendeiner Form an die Telefongesellschaft binden muss, wenn er einen T-Punkt, einen T-Partner oder den Fachhandel aufsucht und nach dem in der TV-Werbung erwähnten Handy nebst Telefonkarte fragt. Der Werbespot der Beklagten enthält keine Preisangabe und insbesondere keine Angabe, die dem Fernsehzuschauer in irgendeiner Form suggerieren könnte, gegen Zahlung eines bestimmten, gar nicht genannten Preises könne man ein aus Handy und Telefonkarte bestehendes XTRA-PAC erwerben, ohne in irgendeiner Form an den Anbieter dieser Leistung, einer Telefongesellschaft, gebunden zu sein. Bei einem durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher, auf den nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH WRP 2000, 289 "Lifting-Creme") und des Bundesgerichtshofs (vgl. unter anderem WRP 2000, 517, 519 = GRUR 2000 619, 621 "Orient-Teppichmuster") maßgeblich abzustellen ist, kommt anders als bei der Printwerbung, die der Senat in seiner vorgenannten Entscheidung vom 10.11.2000 auf ihre Irreführungseignung zu überprüfen hatte, erst gar nicht die Vorstellung auf, man könne ein Handy sowie die Telefonkarte incl. Startguthaben zu einem besonders günstigen Preis erwerben, ohne in irgendeiner Form für eine bestimmte Zeit an den Anbieter der Telefondienstleistung gebunden zu sein. In einem solchen Fall, in dem in einer Fernsehwerbung - und nur diese steht zur Beurteilung - dem Verbraucher ohne Preisangabe und ohne sonstige ihn in eine bestimmte Richtung konditionierende Hinweise an die Hand gegeben wird, er solle sich zu Weihnachten ein aus einer Telefoncard nebst Guthaben und einem SIMLOCK HANDY bestehendes XTRA-PAC schenken (lassen), besteht aus Sicht des Senats für den Werbenden im übrigen keine Veranlassung und insbesondere keine Pflicht, den Verbraucher bereits in der TV-Werbung im Detail über den genauen Inhalt der (faktischen) Bindung aufzuklären, mit der der Kunde rechnet, deren Einzelheiten er aber nicht kennt.

II. Werbung für das XTRA-PAC mit dem A. 302 SIMLOCK HANDY

Diese Werbung begegnete nach Auffassung des Senats dann keinen wettbewerbsrechtlichen Bedenken, wenn sie nicht den augenfälligen Zusatz

"ohne Mindestvertragslaufzeit"

enthielte. Denn dann sähe der angesprochene Verkehr, dass es sich um den TV-Spot einer Telefongesellschaft handele, die Telefondienstleistungen anbietet und die sich sicher nicht vornehmlich mit dem Verkauf von Handys befasst. Auch der Hinweis, ein monatlicher Grundpreis falle nicht an, macht aus Sicht des angesprochenen Verkehrs nur dann Sinn, wenn tatsächlich eine Bindung von gewisser Dauer entstehen soll. Der angegebene Preis von 149,- DM ist aus Sicht des angesprochenen Verkehrs weder so niedrig noch so hoch, dass er daraus den Schluss ziehen könnte, er sei entweder lange Zeit oder gar nicht gebunden. Diese Vorstellung des Verkehrs, er könne bei der Beklagten ein Handy A. 302 mit einer ein Startguthaben von 25,- DM ausweisenden XTRA-CARD zum Preis von 149,90 DM erwerben, dafür müsse er sich aber für eine gewisse Dauer, wenn auch ohne Zahlung eines monatlichen Grundpreises, an die Beklagte binden, konterkariert die Beklagte indes, indem sie in ihrem kurzen Werbespot in unmittelbarem Zusammenhang mit der Preisangabe und optisch hervorgehoben ausdrücklich angibt, eine Mindestvertragslaufzeit bestehe nicht. Die Worte

"ohne Mindestvertragslaufzeit"

versteht der Verbraucher nämlich wie "ohne Vertragsbindung" dahin, dass er entgegen seiner sonst vorherrschenden Vorstellung jedenfalls nicht in einer Form an den Anbieter gebunden ist, wie er das von den klassischen Kartenverträgen kennt. Er rechnet dann aufgrund der Angabe "ohne Mindestvertragslaufzeit" nicht damit, dass er zwar keine dem Abschluss eines "klassischen" Kartenvertrages entsprechende vertragliche Dauerbeziehung mit dem Provider eingeht, in faktischer Hinsicht aber in gleichwertiger Form an den Anbieter dieser Leistung gebunden ist, weil er vor Ablauf von zwei Jahren nur dann zu einer anderen Telefongesellschaft wechseln kann, wenn er an die Beklagte 195,- DM zahlt. Löst der Werbende - wie im Streitfall - durch eine bestimmte an sich richtige Aussage, hier die Wendung "ohne Mindestvertragslaufzeit", beim Verbraucher eine bestimmte Vorstellung aus, hier diejenige, dass er nämlich bei der Inanspruchnahme des Angebots der Beklagten jedenfalls nicht in dem Umfang gebunden ist, wie er das von den klassischen Kartenverträgen her kennt, dann muss die Beklagte redlicherweise dann auch darauf hinweisen, dass das im Angebot enthaltene Handy eine technische Vorrichtung enthält, die es unterbindet, dass sich der Kunde vor Ablauf von zwei Jahren den Angeboten eines Konkurrenzunternehmens der Beklagten zuwendet. Aus dem Begriff "SIM-LOCK" erhellt sich das dem angesprochenen Verkehr nicht. Das hat das Landgericht zutreffend gesehen und begründet. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat die diesbezüglichen Ausführungen des Landgerichts in Bezug, § 543 Abs. 1 ZPO a.F..

Hat die Klägerin demgemäss Anspruch darauf, dass die Beklagte die weitere konkrete TV-Werbung unterlässt, solange die Beklagte wie geschehen in der konkreten Verletzungsform prominent hervorgehoben auf eine mangelnde Mindestvertragslaufzeit hinweist, vermag sich der Senat allerdings nicht der Auffassung des Landgerichts anzuschließen, im Wege der zulässigen Verallgemeinerung könne die Klägerin Unterlassung der streitgegenständlichen Werbung auch in anderen Medien wie Radio, Internet etc. verlangen. Insoweit fehlt es nämlich bereits an der Erstbegehungsgefahr. Es ist nichts dafür ersichtlich und erst recht nicht von der darlegungspflichtigen Klägerin vorgetragen, dass die Beklagte beabsichtigen könnte, den streitgegenständlichen Fernsehwerbespot in ähnlicher Form z.B. auch im Internet zu veröffentlichen. Im Gegenteil: Auf Seite 8 der Klageschrift hat die Klägerin selbst mitgeteilt, im Internet weise die Beklagte bei ihren Werbeanzeigen für mit einem SIMLOCK versehene Mobiltelefone ausdrücklich auf die 24-monatige Bindung und darauf hin, dass der Kunde gegen Zahlung eines einmaligen Betrages von 195,- DM die Möglichkeit erhält, das Handy auch mit einer Telefonkarte eines anderen Providers nutzen zu können. Nähere Ausführungen hierzu sind indes entbehrlich, nachdem die Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich erklärt hat, sie beabsichtige nicht, außerhalb der TV-Werbung wie geschehen zu werben, und die Klägerin daraufhin sinngemäß erklärt hat, sie stelle das nicht in Abrede.

Auch die sich aus §§ 3, 13 Abs. 6 Ziffer 1 UWG in Verbindung mit § 242 BGB ergebenden Annexansprüche in Form der Auskunfts- und Schadensersatzfeststellung waren dementsprechend auf die TV-Werbung zu begrenzen. Daraus folgt zugleich, dass die Beklagte nicht gehalten ist, bei der von ihr zu erteilenden Auskunft neben der Angabe der Verwendungsfälle und der Verwendungszeitpunkte auch die "Adressaten" anzugeben, weil das bei auf TV-Spots begrenzten Ansprüche keinen Sinn macht.

Anschlussberufung der Klägerin

Die zulässige Anschlussberufung der Klägerin ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte in ihrer TV-Werbung den Begriff "SIMLOCK HANDY" erläutert. Das folgt schon daraus, dass die Beklagte in dem mit der Klage auch angegriffenen TV-Werbespot das HANDY N. 3210 als "SIMLOCK HANDY" bezeichnet hat, ohne dass mit ihrer Werbung eine Irreführung des Verkehrs verbunden wäre. Im übrigen wäre es in der Tat Sache der Beklagten, selbst darüber zu entscheiden, wie sie einer etwaigen Irreführung durch aufklärende Hinweise hinreichend begegnet. Das muss, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht zwangsläufig durch eine Erläuterung des Begriffs "SIMLOCK" oder SIMLOCK-HANDY" geschehen.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Sie trägt namentlich dem Umstand Rechnung, dass die Klägerin auch hinsichtlich des TV-Werbespots, dessen konkreter Inhalt nach Auffassung des Senats zu einer Irreführung des Verkehrs führt, teilweise unterlegen ist. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.






OLG Köln:
Urteil v. 18.01.2002
Az: 6 U 136/01


Link zum Urteil:
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