Bundespatentgericht:
Beschluss vom 27. September 2006
Aktenzeichen: 26 W (pat) 81/04

(BPatG: Beschluss v. 27.09.2006, Az.: 26 W (pat) 81/04)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat in seinem Beschluss vom 27. September 2006, Aktenzeichen 26 W (pat) 81/04, die Beschwerde der Anmelderin gegen den Beschluss der Markenstelle für Klasse 28 vom 21. April 2004 im Umfang der Versagung aufgehoben.

Das Gericht hat entschieden, dass die angemeldete Wortmarke "Adtruck" für die Waren "Spiele, Spielzeug, Spielfahrzeuge, Turn- und Sportartikel, soweit in Klasse 28 enthalten; Werbeartikel in Form von Spielfahrzeugen" weder das absolute Schutzhindernis der mangelnden Unterscheidungskraft noch den Schutzversagungsgrund des Fehlens eines Freihaltebedürfnisses erfüllt.

Die Markenstelle hatte die Anmeldung zunächst zurückgewiesen, da die Marke aus einer Angabe bestehe, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art und Beschaffenheit der Waren dienen könne und daher eine freihaltebedürftige Angabe sei. Das Gericht stellte jedoch fest, dass der Zeichenbestandteil "Ad" in Bezug auf die angemeldeten Waren nicht im Vordergrund stehe und dem Verkehr daher nicht unmittelbar das Verständnis von "advertisement/advertising" aufdränge. Der Zeichenteil "truck" sei zwar als Synonym für "Lastwagen" bekannt, jedoch sei die Kombination der beiden Bestandteile in sprachüblicher Weise zu einem sinnvollen Gesamtbegriff zusammengefügt, der lediglich darauf hinweise, dass es sich bei den Waren um Spielwaren in Form von "Werbetrucks" handle.

Das Gericht argumentierte weiter, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in der Regel so aufnehme, wie es ihm entgegentrete, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen. Insgesamt werde der Verkehr daher die angemeldete Marke als fantasievolle Verbindung der geläufigen englischen Silbe "Ad" mit der bekannten Warenbenennung "truck" verstehen und nicht als Kombination zweier eigenständiger Begriffe.

Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die angemeldete Marke hinreichend unterscheidungskräftig gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG sei. Es bestehe kein Freihaltebedürfnis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, da der Begriff "advertisement"/"advertising" in der Marke hinreichend verfremdet und nicht mehr erkennbar sei. Die Bezeichnung der betreffenden Waren mit der unverkürzten Wortfolge bleibe weiterhin möglich.

Aufgrund dieser Ausführungen hob das Bundespatentgericht den Beschluss der Markenstelle im Umfang der Versagung auf.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 27.09.2006, Az: 26 W (pat) 81/04


Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 28 vom 21. April 2004 im Umfang der Versagung aufgehoben.

Gründe

I Die für die Waren

"Spiele, Spielzeug, Spielfahrzeuge, Turn- und Sportartikel, soweit in Klasse 28 enthalten; Werbeartikel in Form von Spielfahrzeugen"

angemeldete Wortmarke Adtruckist von der Markenstelle für Klasse 28 des Deutschen Patent- und Markenamts durch eine Prüferin des gehobenen Dienstes für einen Teil der beanspruchten Waren, nämlich für

"Spielzeug, Spielfahrzeuge; Werbeartikel in Form von Spielfahrzeugen"

zurückgewiesen worden.

Zur Begründung hat sie ausgeführt, die angemeldete Marke bestehe ausschließlich aus einer Angabe, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art und Beschaffenheit der zurückgewiesenen Waren dienen könne und daher eine freihaltebedürftige Angabe im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG darstelle.

Die angemeldete Marke setze sich ohne Weiteres erkennbar aus den Bestandteilen "Ad" und "truck" zusammen. "Ad" stelle im Englischen eine gebräuchliche Abkürzung für "advertisement/advertising" (= Reklame, Werbung, Ankündigung, Anzeige) dar.

Zwar bestünden auch weitere Bedeutungsmöglichkeiten, jedoch sei eine solche Mehrdeutigkeit in Bezug auf die zurückgewiesenen Waren, welche einen eindeutigen Bezug zur Werbung hätten oder haben könnten, nicht von Belang. Auch das BPatG habe bereits in mehreren Entscheidungen Wortkombinationen mit dem Bestandteil "Ad" für nicht schutzfähig erachtet, z. B. "adcard", "Ad-Effect", "Ad-Insight".

Der weitere Bestandteil "truck" der angemeldeten Marke habe ebenfalls Eingang in die deutsche Sprache gefunden und werde als Synonym für "Lastwagen" verwendet.

Die Bestandteile "Ad" und "truck" seien in sprachüblicher Weise zu einem sinnvollen Gesamtbegriff zusammengefügt, dem lediglich zu entnehmen sei, dass es sich bei den so gekennzeichneten Waren um Spielwaren in Form von "Werbetrucks" handle. Nicht nur Lastwagen an sich seien inzwischen als "rollende Werbeflächen" üblicher Teil des Straßenbildes. Auch sei es sehr verbreitet, Lastwagen als detailgetreue Modelle zum Spielen und Sammeln herzustellen, zu verkaufen oder als Werbegeschenke zu verteilen.

Die von der Anmelderin angeführte Entscheidung "Babydry" (vgl. EuGH Mitt. 2001, 513, 516) könne keine Schutzfähigkeit begründen, da die dortige Marke nicht den eindeutig beschreibenden Charakter aufweise, der bei der angemeldeten Marke "Adtruck" vorliege.

Die Voreintragung der Marke "ADTRUCKS" in Großbritannien rechtfertige ebenfalls keine andere Beurteilung, da zwar eine Indizwirkung ausländischer Eintragungen in Bezug auf das Freihaltebedürfnis anzuerkennen sei, das Deutsche Patent- und Markenamt aber nicht zur Eintragung verpflichten könne, sofern nach dessen Auffassung - wie vorliegend - ein glatt beschreibender Markeninhalt bestehe.

Hiergegen wendet sich die Anmelderin mit der Beschwerde, mit der sie die Aufhebung des Beschlusses begehrt. Sie vertritt die Auffassung, bei der Beurteilung der Schutzfähigkeit dürfte die angemeldete Marke weder zergliedert betrachtet, noch dürften weitere Bestandteile hinzugedacht werden. Letzteres bedeute im vorliegenden Fall, dass die Marke zu "Trucks for advertisement" erweitert werden müsste, um die beanspruchten Waren unmittelbar zu beschreiben. Bei der Bezeichnung "Adtruck" handle es sich um eine deutliche Abwandlung einer beschreibenden Angabe durch eine ungewöhnliche Zusammensetzung zu einem Wort unter Verwendung des Kürzels "Ad". Der Bestandteil "Ad" trete in Analogie zu Begriffen wie "admission" oder "adjustment" bei denen "Ad" nicht als Kurzwort für "Werbung" erscheine, als übliche englische Wortsilbe auf, weshalb ein englischer Fantasiebegriff vorliege.

Darüber hinaus seien zahlreiche Marken mit dem Bestandteil "Ad" vom Deutschen Patent- und Markenamt eingetragen worden wie etwa "adevents", "ADFILE", "ADCONNECT" etc. Im Übrigen spreche auch die Voreintragung in Großbritannien gegen ein Freihaltebedürfnis der angemeldeten Marke.

II Die zulässige Beschwerde ist begründet. Der Eintragung der angemeldeten Marke für die beanspruchten Waren steht weder das absolute Schutzhindernis der mangelnden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG noch der Schutzversagungsgrund des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen.

Unterscheidungskraft i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die zur Eintragung bestimmten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden. Insbesondere fehlt einer Wortmarke diese Eignung, wenn ihr entweder ein im Hinblick auf die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen im Vordergrund stehender Begriffsgehalt zugeordnet werden kann oder es sich um ein gebräuchliches Wort der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache handelt, das vom Verkehr stets nur als solches und nicht als individuelles Kennzeichnungsmittel verstanden wird (st. Rspr., vgl. BGH GRUR 2003, 1050 - Cityservice; EuGH GRUR 2004, 680, 681 - BIOMILD; EuGH GRUR 2004, 674, 678 - Postkantoor). Die Unterscheidungskraft ist dabei zum Einen im Hinblick auf die Waren und Dienstleistungen, für die sie angemeldet worden ist (vgl. st. Rspr. EuGH GRUR 2003, 514, 517 - Linde, Winward, Rado; GRUR 2004, 674, 675 - Postkantoor), und zum Anderen im Hinblick auf die Anschauung der beteiligten Verkehrskreise zu beurteilen, die sich aus den normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchern dieser Waren (oder Empfänger der Dienstleistungen) zusammensetzen (vgl. st. Rspr.; EuGH GRUR 2004, 943, 944 - SAT2).

Es ist davon auszugehen, dass der englische Zeichenbestandteil "truck" in seiner (beschreibenden) Bedeutung i. S. v. "Laster" oder "Lastwagen" breiten deutschen Verkehrskreisen geläufig ist; für den Zeichenteil "Ad" trifft dies aber nicht gleichermaßen zu. Zwar kommt diesem Bestandteil unter anderem als Kurzform für "advertisement"/"advertising" in der Übersetzung die Bedeutung "Werbung" bzw. "Werbeanzeige" zu (vgl. Langenscheidts Handwörterbuch Englisch-Deutsch, S. 36 re. Spalte). Dieser Sinngehalt steht aber in der vorliegenden Marke für die beteiligten Verkehrskreise nicht im Vordergrund. Die Marke spricht ein breites Publikum und nicht etwa nur Fachkreise auf dem Werbesektor an; allein in Bezug auf letztere wurde vom Bundespatentgericht in mehreren Entscheidungen ein Verständnis des Zeichenteils "Ad" als Verkürzung von "advertisement"/"advertising" - auch aufgrund bereits bestehender ähnlicher Begriffe - angenommen und festgestellt, dass im Bereich von Werbung und Marketing die Bedeutung von "ad" als Kurzwort für "advertisement"/"advertising" am nächsten liegt (vgl. BPatG PAVIS PROMA 24 W (pat) 46/01 - Ad-Insight; 33 W (pat) 172/00 - adcard; 24 W (pat) 44/01 - Ad-Effect).

Auf dem Spielwarensektor, dem die vorliegenden Waren überwiegend angehören, drängt sich der beschreibende Sinngehalt hingegen nicht unmittelbar auf. Dies gilt auch für die Ware "Werbeartikel in Form von Spielfahrzeugen", die zwar den Werbe- und Marketingsektor tangiert, aber ebenfalls ein breites Publikum anspricht, das nicht über eine gewisse Fachkunde im Bereich Werbung verfügt und mit den einschlägigen fremdsprachlichen Fachausdrücken (und deren Abkürzungen) in der Regel nicht vertraut ist.

Es gilt zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in der Regel so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 8 Rdnr. 90, 91 m. w. N. zur st. Rspr. des BGH). Ein beschreibender Aussagegehalt der Marke muss deshalb so deutlich und unmissverständlich hervortreten, dass er für den unbefangenen Durchschnittsverbraucher unmittelbar und ohne weiteres Nachdenken erkennbar ist (vgl. EuGH GRUR Int. 2001, 756, 758 - EASYBANK; GRUR Int. 2001, 835, 837 - EuroHealth).

Den deutschen Verkehrskreisen wird sich bei unbefangener Aufnahme des Begriffs "Adtruck" in seiner Gesamtheit deshalb nicht primär das gedanklich eher fernliegende Verständnis von "Ad" als Abkürzung von "advertisement/advertising" aufdrängen, zumal aufgrund auch hierzulande bekannter Wörter aus dem englischen Grundwortschatz wie etwa "admiral", "adventure", "adult" der Zeichenteil "Ad" als eine im Englischen übliche Wortsilbe ohne bestimmte Bedeutung geläufig ist. Insgesamt wird der Verkehr der angemeldeten Marke daher eine fantasievolle Verbindung der geläufigen englischen Silbe "Ad" mit der für (Spielzeug-)Laster bekannten Warenbenennung "truck" entnehmen und nicht die Kombination zweier eigenständiger Begriffe, zumal auch nicht etwa durch eine Binnengroßschreibung oder Abtrennung durch einen Bindestrich der Eindruck vermittelt wird, dem Zeichenteil "Ad" käme ein über eine Vorsilbe hinausgehender eigenständiger Wortcharakter zu. Die Marke ist damit hinreichend unterscheidungskräftig gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.

Aus den dargelegten Gründen bestehen auch keine hinreichenden Anhaltspunkte für ein Interesse der Allgemeinheit, die angemeldete Marke als beschreibende Angabe für Merkmale der beanspruchten Waren anzusehen und gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG von der Eintragung in das Markenregister auszuschließen. Insbesondere erscheint der Begriff "advertisement"/"advertising" in der angemeldeten Kombination "Adtruck" hinreichend verfremdet und deshalb in seinem (möglichen) beschreibenden Gehalt für die beteiligten Verkehrskreise in Bezug auf die angemeldeten Waren - für sich gesehen, aber auch in der Wortzusammensetzung - nicht mehr erkennbar. An einer von einer Sachaussage abweichenden Verfremdung bzw. Verkürzung besteht indes kein Freihaltebedürfnis in Bezug auf die Mitbewerber, zumal die Bezeichnung der betreffenden Waren mit der unverkürzten Wortfolge "Advertisement truck", "Truck for advertisement" o. ä. unbenommen bleibt.

Der angefochtene Beschluss war somit aufzuheben.






BPatG:
Beschluss v. 27.09.2006
Az: 26 W (pat) 81/04


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/27a9120445cd/BPatG_Beschluss_vom_27-September-2006_Az_26-W-pat-81-04




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share