Landgericht Bonn:
Beschluss vom 7. Dezember 2009
Aktenzeichen: 31 T 579/09

(LG Bonn: Beschluss v. 07.12.2009, Az.: 31 T 579/09)

Die Festsetzung eines Ordnungsgeldes nach § 335 Abs. 3 HGB setzt eigenes Verschulden des Offenlegungspflichtigen voraus. Das verschulden Dritter kann nicht in entsprechender Anwendung der §§ 278 BGB, 152 Abs. 1 Satz 3 AO zugerechnet werden.

Tenor

Der Beschwerdeführerin wird die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist gewährt.

Auf die sofortige Beschwerde wird die unter dem 09.10.2008 getroffene Ordnungsgeldentscheidung einschließlich der Festsetzung von Zustellungskosten aufgehoben.

Die außergerichtliche Kosten der Beschwerdeführerin, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren, werden der Staatskasse auferlegt.

Gründe

I.

Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Festsetzung eines Ordnungsgeldes von 2.500,00 Euro wegen verspäteter Einreichung der Jahresabschlussunterlagen 2006 bei dem Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers. Das Bundesamt für Justiz hat der Beschwerdeführerin die Verhängung des Ordnungsgeldes mit Verfügung vom 18.03.2008, zugestellt am 22.03.2008, angedroht.

Das Bundesamt für Justiz hat durch die angefochtene Entscheidung vom 09.10.2008 das bezeichnete Ordnungsgeld festgesetzt.

Gegen die ihr am 01.11.2008 zugestellte Entscheidung hat die Beschwerdeführerin am 07.04.2009 sofortige Beschwerde eingelegt.

II.

Die gemäß §§ 335 Abs. 4, Abs. 5 S. 1 und 4 HGB statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig. Zwar hat die Beschwerdeführerin die sofortige Beschwerde nicht innerhalb der 2-wöchigen Beschwerdefrist eingereicht. Auf ihren Antrag war ihr jedoch die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, nachdem die Beschwerdeführerin entsprechend den nachfolgenden Ausführungen zur Begründetheit der sofortigen Beschwerde glaubhaft gemacht hat, dass ihre Liquidatorin von der angefochtenen Entscheidung unverschuldet erst nach dem Schreiben ihres Insolvenzverwalters vom 03.04.2009 erfahren hat.

Die Voraussetzungen der Festsetzung eines Ordnungsgeldes nach § 335 Abs. 2 Satz 4 HGB lagen nicht vor. Die Festsetzung des Ordnungsgeldes hat - wie andere Ordnungsgelder, insbesondere diejenigen nach § 890 Abs. 1 ZPO auch - strafähnliche Wirkung für den Betroffenen und setzt daher nach dem Verfassungsrechtssatz "nulla poena sine culpa" ein Verschulden an der Pflichtverletzung und im Rahmen des § 335 Abs. 3 HGB insbesondere auch an der Versäumung der Nachfrist voraus. Dies gilt auch für juristische Personen (vgl. BVerfGE 20, 323, 332; 58, 159; 84, 82; LG Bonn, Beschl. v. 22.0.2008 - 11 T 28/07, Report Flitsch, BB, 2008, 1168; Zöller, ZPO, 24. Aufl., § 890 Rn. 5; Stollenwerk/Kurpat, BB 2009, 150, 152 m.w.N.). Die Beschwerdeführerin hat vorliegend jedoch jedenfalls die Nachfrist unverschuldet versäumt. Denn sie hat durch Vorlage der eidesstattlichen Versicherungen ihrer Liquidatorin K vom 21.10.2009, C vom 05.11.2009, M vom 04.11.2009 und F vom 30.10.2009 glaubhaft gemacht, dass ihre Liquidatorin ohne eigenes Verschulden keine Kenntnis von der Verfügung des Bundesamtes für Justiz vom 18.03.2008 und der darin gemäß § 335 Abs. 3 Satz 1 HGB gesetzten Nachfrist gehabt hat. Aus den vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen und weiteren Schreiben geht hervor, dass der Insolvenzverwalter die Liquidatorin bereits im Jahr 2005 angewiesen hat, sämtliche die Beschwerdeführerin betreffende Post unmittelbar an ihn weiter zu leiten. Dieser Aufforderung kam die Beschwerdeführerin nach. Zwar war das vorliegende Schreiben an die durch die Geschäftsführung vertretene Beschwerdeführerin gerichtet. Gleichwohl trifft diese bzw. ihre Liquidatorin kein Verschulden. Zum einen konnte die Mitarbeiterin C des Autohauses K & I GmbH & Co, die das Schreiben an den Insolvenzverwalter weiterleitete, unverschuldet davon ausgehen, dass das Schreiben in Unkenntnis des Insolvenzverfahrens verschickt worden war und deshalb tatsächlich an den Insolvenzverwalter gerichtet sein sollte, weil die Beschwerdeführerin keine Geschäftstätigkeit mehr entfaltete und mit einem an die Organe der Gesellschaft gerichteten Schreiben nicht gerechnet werden musste. Zum anderen muss sich die Beschwerdeführerin ein etwaiges Verschulden der C nicht zurechnen lassen. Eine Zurechnung fremden Verschuldens in entsprechender Anwendung des § 278 BGB bzw. des § 152 Abs. 1 Satz 3 AO kommt nicht in Betracht. Denn angesichts des repressiven Charakters des Ordnungsgeldes setzt dessen Festsetzung eigenes Verschulden des Schuldners voraus. Die juristische Person ist also solche nicht handlungsfähig. Wird sie für schuldhaftes Handeln im strafrechtlichen Sinne in Anspruch genommen, so kann nur die Schuld der für sie verantwortlich handelnden Personen, insbesondere der für sie handelnden Organe maßgebend sein (vgl. BVerfGE, 20, 323, 332; Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschl. v. 28.09.2000 - 6 W 22/00, OLGR Schleswig 2001, 235-236; Zöller, aaO; Baumbach/Hefermehl, UWG, 21. Aufl., Rn. 584 Einleitung UWG; Teplitzky, UWG, 7. Aufl., Rn. 26 zu Kap. 57, jeweils m.w.N.).

Der Beschwerdeführerin ist auch keine mangelhafte Organisation der Postkontrolle vorzuwerfen. Da das Insolvenzverfahren zur Zeit der Zustellung bereits mehrere Jahre andauerte und die Gesellschaft in dieser Zeit keinen Geschäftsbetrieb unterhielt, sie zudem keine Kenntnis von der Einleitung des Ordnungsgeldverfahrens hatte, hatte sie keinen Anlass, Frau C dahin zu instruieren, dass ihr an die Geschäftsführung gerichtete Schreiben vorgelegt werden müssten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 335 Abs. 5 S. 7 HGB.

Eine weitere Beschwerde gegen diesen Beschluss ist nicht zulässig (§ 335 Abs. 5 S. 6 HGB).

Wert des Beschwerdegegenstandes: 2.500,00 Euro.






LG Bonn:
Beschluss v. 07.12.2009
Az: 31 T 579/09


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