Bundespatentgericht:
Beschluss vom 2. August 2007
Aktenzeichen: 15 W (pat) 11/04

(BPatG: Beschluss v. 02.08.2007, Az.: 15 W (pat) 11/04)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I Auf die am 3. Februar 1997 eingereichte Patentanmeldung 197 03 744.5-52 hat das Deutsche Patent und Markenamt das Patent 197 03 744 mit der Bezeichnung "Sonde zum Messen von flüchtigen Bestandteilen in einer wässrigen Lösung" erteilt. Veröffentlichungstag der Patenterteilung ist der 27. Januar 2000.

Gegen das Patent ist Einspruch erhoben worden.

Der Einspruch wurde u. a. auf folgende Entgegenhaltungen gestützt:

Unitronic Prospekt "Figaro Gas Sensors", April 1995 (E1)

DE 31 26 648 C2 (E3)

DE 36 11 596 C2 (E4)

Nach Prüfung des Einspruchs wurde das Patent mit Beschluss der Patentabteilung 52 vom 28. Oktober 2003 widerrufen.

Dem Beschluss lagen die Patentansprüche 1 bis 6 gemäß DE 197 03 744 C2 mit folgendem Wortlaut zugrunde:

"1. Sonde zum Messen von flüchtigen Bestandteilen in einer wäßrigen Lösung, wie der Bestimmung der Alkoholkonzentration einer wäßrigen Lösung, mit einem Sondenkörper und hierin angeordneter Membran und Gassensor, der auf die durch die Membran permeierenden Gase anspricht, wobei zwischen Membran und Sensor eine mit Luft gefüllte Meßkammer gebildet ist, dadurch gekennzeichnet, daß der Sondenkörper (1) ein von der vorderen Stirnseite durchgehendes Lumen aufweist, und nahe der vorderen Stirnseite eine flache quer zum Lumen (11) verlaufend angeordnete Pervaporationsmembran das Lumen nach außen hin abtrennt und innerhalb des Lumens benachbart der Membran unter Ausbildung der Meßkammer (9) der Sensor (8) angeordnet ist und auf der der Membran abgewandten Seite des Sensors (8) ein innerer Körper (2) in das Lumen (11) von der rückwärtigen Stirnseite des Sondenkörpers (1) eingeführt ist, der zumindest den Sensor (8) positioniert und der eine Durchgangsbohrung (20) mit bezüglich der Größe definierter Auslaßöffnung (23) für den Austausch der in der Meßkammer enthaltenen Luft und Gase mit der Atmosphäre aufweist.

2. Sonde nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß der Sondenkörper (1) an seinem vorderen stirnseitigen Ende (12) durch Ausbildung einer Stirnwand eine gegenüber dem Lumen (11) verkleinerte Eintrittsbohrung (17) aufweist und die Pervaporationsmembran auf der Innenseite der Stirnwand gegebenenfalls unter Zwischenlage eines Dichtringes die Eintrittsbohrung (17) abdeckend angeordnet ist.

3. Sonde nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß zwischen Pervaporationsmembran (6) und Sensor (8) ein Dichtring (5) angeordnet ist.

4. Sonde nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß der Sondenkörper (1) und der innere Körper (2) als Zylinderkörper ausgebildet sind.

5. Sonde nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, daß der Sondenkörper (1) zweiteilig ausgebildet ist, dergestalt, daß der die vordere Stirnseite umfassende Bereich als auf den Sondenkörper (1) aufsetzbare und fixierbare Stirnkappe (7) ausgebildet ist und die Pervaporationsmembran (6) auf der vorderen Stirnseite (12) des Sondenkörpers (1) außen angeordnet und mittels der Schraubkappe (7) gegebenenfalls unter Zwischenlage eines Dichtringes fixiert ist und der Sensor (8) innerhalb des Sondenkörpers (1) angeordnet ist.

6. Sonde nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, daß als Pervaporationsmembran eine Membran auf Basis von Polyetherimid mit einer selektiven Schicht auf Basis von Polyoctalmethylsiloctan eingesetzt ist, deren stoffspezifische Trennwirkung in bezug Ethanol ausgelegt ist."

Der Widerruf des Patents wurde damit begründet, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gegenüber der DE 31 26 648 C2 (E3) nicht neu sei.

Gegen diesen Beschluss haben die Patentinhaber Beschwerde eingelegt. In der mündlichen Verhandlung haben sie neue Patentansprüche 1 bis 6 eingereicht. Der neue Patentanspruch 1 lautet dabei folgendermaßen:

"1. Sonde zum Messen von flüchtigen Bestandteilen in einer wäßrigen Lösung, wie der Bestimmung der Alkoholkonzentration einer wäßrigen Lösung, mit einem Sondenkörper und hierin angeordneter Membran und Halbleitergassensor, der auf die durch die Membran permeierenden Gase anspricht, wobei zwischen Membran und Sensor eine mit Luft gefüllte Meßkammer gebildet ist, wobei der Sondenkörper ein von der vorderen Stirnseite durchgehendes Lumen aufweist, und nahe der vorderen Stirnseite zur rückwärtigen Stirnseite eine flache quer zum Lumen verlaufend angeordnete Pervaporationsmembran das Lumen nach außen hin abtrennt und innerhalb des Lumens benachbart der Membran unter Ausbildung der Meßkammer der Sensor angeordnet ist und auf der der Membran abgewandten Seite des Sensors ein innerer Körper in das Lumen von der rückwärtigen Stirnseite des Sondenkörpers eingeführt ist, der zumindest den Sensor positioniert und das Lumen an der rückwärtigen Stirnseite des Sondenkörpers verschließt, dadurch gekennzeichnet, daß der innere Körper (2) eine von der Meßkammer (9) nach außen führende Durchgangsbohrung (20) mit bezüglich der Größe definierter Auslaßöffnung (23) für den Austausch der in der Meßkammer enthaltenen Luft und Gase mit der Atmosphäre aufweist."

An diesen Anspruch 1 schließen sich Ansprüche 2 bis 5, die mit den erteilten Patentansprüchen 2 bis 5 übereinstimmen, sowie Anspruch 6 an, der gegenüber dem erteilten Anspruch 6 dahingehend geändert ist, dass die Angabe "Polyoctalmethylsiloctan" ersetzt ist durch den Begriff "Polyoctylmethylsiloxan".

Die Patentinhaber halten den Gegenstand des Patentanspruchs 1 für patentfähig. Insbesondere führt ihr Vertreter zur Begründung der Beschwerde aus, wesentlich für die patentierte Erfindung sei die Festlegung der Öffnung zum Austausch von Gasen mit der Atmosphäre. Die Neuheit sei weder durch die E3 noch durch die E4 vorweg genommen, denn die E3 beschreibe ein geschlossenes System und in der E4 werde mit einem Pellistor und nicht wie beim Patent mit einem Halbleitergassensor gemessen. Insbesondere stelle sich damit der Messmechanismus in der E4 ganz anders dar, denn ein Pellistor arbeite auf der Grundlage einer chemischen Reaktion mit hohem Sauerstoffbedarf, so dass dort keine Auslassöffnung, sondern lediglich eine Zufuhröffnung vorhanden sei. Demgegenüber finde bei einem Halbleitersensor keine Oxidation statt. Außerdem werde bei der E4 der über die Membran in die Messkammer diffundierende Alkohol vollständig oxidiert, so dass sich ohnehin kein Diffusionsgleichgewicht mit der Atmosphäre einstellen könne. Gegen einen Austausch des Pellistors gegen einen Halbleitergassensor spreche auch, dass in der E4, Sp. 2 Zn. 23 bis 27 Halbleitersensoren als nachteilig beschrieben seien. Außerdem sei der Sauerstoffgehalt in der Messkammer bei der Messsonde gemäß E4 derart hoch, dass mit einem Halbleitersensor, der nicht auf eine Sauerstoffzufuhr von außen angewiesen sei, überhaupt nicht zuverlässig gemessen werden könne. Im Übrigen sei die große Zeitdauer zwischen der Veröffentlichung der E4 und dem Anmeldetag des Streitpatents ein Beweisanzeichen für erfinderische Tätigkeit.

Der Vertreter der Patentinhaber stellt den Antrag, den Beschluss des Patentamts aufzuheben und das Patent mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:

Patentansprüche 1 bis 6, Beschreibung Spalten 1 bis 4, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung, 2 Seiten Zeichnungen wie Patentschrift.

Der Vertreter der Einsprechenden stellt demgegenüber den Antrag, die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Vertreter der Einsprechenden räumt ein, dass die E4 den Gegenstand des Patentanspruchs zwar nicht neuheitsschädlich vorweg nehme. Er hält die patentierte Sonde jedoch nicht für erfinderisch. Insbesondere weist er darauf hin, dass bei der Messung mit einem Halbleitergassensor sehr wohl eine Oxidation stattfinde, wie aus der E1 hervorgehe. Insoweit sei es naheliegend, in der E4 den Pellistor durch einen Halbleitergassensor zu ersetzen. Außerdem diffundiere auch bei der Messsonde gemäß E4 Alkohol durch die Öffnungen in die Atmosphäre, weil am Pellistor keine vollständige Oxidation des gesamten Alkohols in der Messkammer stattfinde. Im Übrigen spiele es keine Rolle, dass in der E4 nicht zahlenmäßig eine Öffnung, sondern mehrere Öffnungen vorhanden seien, denn es komme auf die Gesamtöffnung an, die auch in der E4 definiert sei.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II Die zulässige Beschwerde der Patentinhaber gegen den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom 28. Oktober 2003 wird zurückgewiesen, weil sie nicht begründet ist (PatG § 79 Abs. 1). Das Patent war zu widerrufen, weil der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht patentfähig ist (PatG § 21 Abs. 1 S. 1).

a. Mit Gliederungspunkten versehen lautet der Patentanspruch 1:

M1 Sonde zum Messen von flüchtigen Bestandteilen in einer wässrigen Lösung, wie der Bestimmung der Alkoholkonzentration einer wässrigen Lösung, M2 mit einem Sondenkörper M3 und hierin angeordneter Membran M4 und Halbleitergassensor, der auf die durch die Membran permeierenden Gase anspricht, M5 wobei zwischen Membran und Sensor eine mit Luft gefüllte Messkammer gebildet ist, M6 wobei der Sondenkörper ein von der vorderen Stirnseite durchgehendes Lumen aufweist, M7 und nahe der vorderen Stirnseite zur rückwärtigen Stirnseite eine flache quer zum Lumen verlaufend angeordnete Pervaporationsmembran das Lumen nach außen hin abtrennt M8 und innerhalb des Lumens benachbart der Membran unter Ausbildung der Messkammer der Sensor angeordnet ist M9 und auf der der Membran abgewandten Seite des Sensors ein innerer Körper in das Lumen von der rückwärtigen Stirnseite des Sondenkörpers eingeführt ist, M10 der zumindest den Sensor positioniert M11 und das Lumen an der rückwärtigen Stirnseite des Sondenkörpers verschließt, dadurch gekennzeichnet, M12 daß der innere Körper (2) eine von der Messkammer (9) nach außen führende Durchgangsbohrung (20) mit bezüglich der Größe definierter Auslassöffnung (23) für den Austausch der in der Messkammer enthaltenen Luft und Gase mit der Atmosphäre aufweist.

b. Der Patentanspruch 1 ist formal zulässig, denn er findet seine Grundlage sowohl in der Patentschrift als auch in den am Anmeldetag eingereichten Unterlagen. Im Einzelnen sind die Merkmale offenbart in der Patentschrift im Patentanspruch 1 und in den Figuren 1 und 2 i. V. m. Sp. 3 Zn. 17 bis 38 und Zn. 59 bis 66 sowie in den am Anmeldetag eingereichten Unterlagen, dort Anspruch 1 und Figuren 1 und 2 i. V. m. Beschreibung, insbesondere S. 5, Z. 21 bis S. 6, Z. 3 und S. 6, Zn. 25 bis 31.

c. Dem Patent liegt die Aufgabe zugrunde, eine Sonde zur Bestimmung insbesondere von flüchtigen Bestandteilen in einer wässrigen Lösung, bevorzugt der Alkoholkonzentration einer wässrigen Lösung, zu schaffen, die eine höhere Messgenauigkeit ermöglicht und zugleich den Bau einer vereinfachten Messvorrichtung ermöglicht (antragsgemäße DE 197 03 744 C2, Sp. 1 Zn. 47 bis 52).

d. Als Fachmann kommt hier ein in der Entwicklung von Messsonden für chemische Substanzen in Flüssigkeiten tätiger diplomierter Physikochemiker mit mehrjähriger Berufserfahrung in Frage, der u. a. im Hinblick auf die Nachweisselektivität über ein fundiertes Wissen auf dem Gebiet der Membrantrennverfahren und der Diffusion und diffusionslimitierter Vorgänge verfügt.

e. Es kann dahinstehen, ob der Gegenstand des Patentanspruchs 1 neu ist, denn er beruht gegenüber dem in der DE 36 11 596 C2 (E4) beschriebenen Stand der Technik i. V. m. dem Wissen und Können des Fachmanns jedenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

In der E4 wird eine Messsonde zur Bestimmung flüchtiger Bestandteile eines flüssigen Mediums, insbesondere für die Bestimmung von Alkoholen in Fermentationsprozessen, also in einer wässrigen Lösung, beschrieben (Titel, Anspruch 1 und Sp. 3 Zn. 50 bis 54), wie sie in M1 angegeben ist. Diese Sonde weist ein Gehäuse 4, also einen Sondenkörper gemäß M2, mit offensichtlich hierin angeordneter Membran 14 auf (Figur 1 i. V. m. Sp. 5 Zn. 4 bis 22) auf (M2, M3). Des Weiteren ist im Sondenkörper ein Pellistor 20 als Gassensor angeordnet, auf dessen Oberfläche die flüchtigen Bestandteile gelangen, deren Durchtritt die Membran erlaubt (Sp. 3 Zn. 28 bis 34), so dass aus der E4 das Merkmal M4 bekannt ist, mit dem Unterschied, dass ein Pellistor anstelle des patentgemäßen Halbleitergassensors verwendet wird. Wie aus der Figur 1 ersichtlich und aus der Beschreibung in Sp. 5 Zn. 22 bis 26 hervorgeht, ist zwischen der Membran 14 und dem Sensor 20 eine Messkammer (Messraum 18) vorhanden. Über Kanäle 10, 12 kann zwischen der Messkammer 18 und der umgebenden Atmosphäre ein ungehinderter Gasaustausch erfolgen, damit eine ausreichende Sauerstoffversorgung des Pellistors 20 sichergestellt ist (Sp. 5 Zn. 34 bis 41), was insgesamt nichts anderes bedeutet, als dass die Messkammer mit Luft gefüllt ist, wie es in M5 angegeben ist. In den Sondenkörper (Gehäuse 4) ist ein Innenkörper 8 eingepasst, der koaxial zum Sondenkörper angeordnet ist und sich in dessen Längsrichtung erstreckt (Figur 1 i. V. m. Sp. 5 Zn. 10 bis 13), wonach der Sondenkörper ein von der vorderen Stirnseite durchgehendes Lumen aufweisen muss, wie in M6 beschrieben. In dem in eine Messlösung einzutauchenden Abschnitt der Messsonde 2 ist der Sondenkörper 4 mit einer Membran 14 abgeschlossen, die gemäß Figur 1 nicht schlauchförmig (vgl. Streitpatentschrift Sp. 1 Z. 27), sondern leicht gewölbt ist, was insgesamt nichts anderes bedeutet, als dass nahe der vorderen Stirnseite zur rückwärtigen Stirnseite eine flache, quer zum Lumen verlaufend angeordnete Membran das Lumen nach außen hinabtrennt. Bis auf die fehlende Einschränkung auf eine Pervaporationsmembran entspricht dieser Sachverhalt dem Merkmal M7. Aus der Figur 1 erschließt sich i. V. m. Sp. 5 Zn. 22 bis 26, wonach in dem Messraum, der von der Membran 14 und der der Membran zugewandten Oberfläche des Innenkörpers 8 umschlossen wird, der Gassensor 20 angeordnet ist, dass innerhalb des Lumens benachbart der Membran unter Ausbildung der Messkammer der Sensor angeordnet ist, wie in M8 beschrieben. Im Zusammenhang damit erschließt sich auch wegen der am Innenkörper 8 befestigten Membran ohne Weiteres, dass im Hinblick auf die Stabilität der Membran beim Einführen des Innenkörpers dieser innere Körper in das Lumen von der rückwärtigen Stirnseite des Sondenkörpers eingeführt ist, so dass sich zwangsläufig auch M9 ergibt. Da der Pellistor 20 entweder direkt in einer Vertiefung des inneren Körpers 8 oder mittels eines Sockels an diesem befestigt sein kann, positioniert der innere Körper 8 zugleich den Sensor (M10). Wie aus der in Figur 2 gezeigten Querschnittsdarstellung der Messsonde i. V. m. Figur 1 erkennbar, verschließt der innere Körper 8 auch das Lumen an der rückwärtigen Stirnseite des Sondenkörpers, so dass auch M11 gegeben ist. Schließlich erstrecken sich über die gesamte Länge des Innenkörpers 8 Diffusionskanäle 10 und 12, die in die Messkammer 18 münden. Die Anzahl und die Abmessungen der Diffusionskanäle 10, 12 sind dabei so gewählt, dass - wie bereits zum Merkmal M5 ausgeführt - ein ungehinderter Gasaustausch zwischen der Messkammer 18 und der umgebenden Atmosphäre erfolgen kann und somit eine ausreichende Versorgung des Pellistors 20 mit dem für die Messreaktion benötigten Gas, insbesondere Sauerstoff, sichergestellt ist (Sp. 5 Zn. 28 bis 41). Daraus ergibt sich nichts anderes, als dass der innere Körper von der Messkammer nach außen führende Durchgangsbohrungen mit bezüglich der Größe definierten Ein- bzw. Auslassöffnungen für den Austausch der in der Messkammer enthaltenen Luft und Gase mit der Atmosphäre aufweist, wozu ohne Weiteres erkennbar auch eine einzige, geeignet dimensionierte Bohrung ausreicht, wie es im Gliederungspunkt M12 beschrieben ist.

Somit unterscheidet sich der Gegenstand des Patentanspruchs 1 von diesem Stand der Technik dadurch, dass anstelle des Pellistors ein Halbleitergassensor verwendet wird (M4) und dass speziell eine Pervaporationsmembran als für die flüchtigen Bestandteile durchlässige Membran verwendet wird (M7).

Diese Unterschiede können die Patentfähigkeit jedoch nicht begründen. Denn der Fachmann wird allein schon im Hinblick auf sein Ziel einer höheren Messgenauigkeit und einer vereinfachten und somit üblicherweise in eine Computer gestützte Messtechnik integrierbare und miniaturisierbare Halbleiter-Messvorrichtung aufgrund seines Wissens und Könnens in der in E4 beschriebenen Messsonde den bekanntlich integral oxidierbare Gase nachweisenden Pellistor durch einen selektiven Halbleitergassensor ersetzen. So stehen ihm zum Zeitpunkt der Anmeldung des Streitpatents handelsüblich eine große Vielfalt von Halbleitergassensoren für unterschiedlichste kommerzielle und industrielle Anwendungszwecke zur Verfügung, wie sich beispielsweise aus dem Prospekt "Figaro Gas Sensors", der Firma Unitronic GmbH vom April 1995 (E1) ergibt. Insbesondere erfährt er dort beispielsweise auf S. 4 über die Verfügbarkeit von Halbleitersensoren (Modell-Nummern TGS822 und TGS823) mit hoher Empfindlichkeit gegenüber Alkohol.

An dieser Feststellung ändert auch der Einwand der Patentinhaber nichts, wonach die nachteilige Schilderung von Halbleitergassensoren in der E4 selbst, dort in Sp. 2 Zn. 23 bis 27, den Fachmann vom Einsatz eines Halbleitergassensors in der dort beschriebenen Messsonde abhalten würde. Denn es mag zwar sein, dass zum Zeitpunkt der Anmeldung der E4 (Anmeldetag 7. April 1986) Halbleitergassensoren Nachteile wie etwa eine mangelhafte Linearität aufwiesen. Für den Zeitpunkt der Anmeldung des Streitpatents, also mehr als zehn Jahre später, trifft diese Einschätzung jedoch nicht mehr zu. Denn dem Fachmann ist die bekanntlich rasante technologische Entwicklung auf dem Gebiet der Halbleitersensoren bis zur regelmäßigen kommerziellen und industriellen Anwendung in dieser Zeit, wie die E1 aus dem Jahre 1995 zeigt, nicht verborgen geblieben, so dass zum Anmeldezeitpunkt des Streitpatents ein Vorurteil in der Fachwelt gegenüber dem Einsatz von Halbleitergassensoren in Messsonden nicht bestanden hat. Entgegen der Auffassung der Patentinhaber findet auf der Oberfläche des Halbleitersensors außerdem sehr wohl eine Oxidation der nachzuweisenden flüchtigen Substanzen statt, wie sich nach zutreffender Ausführung der Einsprechenden beispielsweise für den Nachweis von CO aus der E1 S. 2 unten ("Gas Detection Mechanism") ohne Zweifel ergibt. Denn dort ist in Figur 1-2 sogar das Reaktionsschema zwischen CO und dem auf der SnO2-Oberfläche eines Halbleiters adsorbierten Sauerstoff angegeben, so dass die in der E4 vorgesehene Sauerstoffzufuhr kein Hindernis beim Einsatz eines Halbleitergassensors darstellt und der Fachmann die Diffusionskanäle für den Zutritt von Sauerstoff zur Oberfläche eines Halbleitergassensors den Gasaustausch sogar nutzen kann, ohne dass er konstruktive Änderungen durchführen müsste. Der Vortrag der Patentinhaber, wonach bei der gemäß E4 hohen Sauerstoffkonzentration die Messung mit einem Gassensor auf Halbleiterbasis unzuverlässig oder sogar unmöglich sei, führt ebenfalls nicht von der naheliegenden Verwendung eines Halbleitergassensors in der E4 weg. Denn in der Streitpatentschrift selbst ist angegeben, dass die für die Erfindung einsetzbaren Halbleitergassensoren handelsüblich erhältlich sind und beispielsweise Halbleitergassensoren der Unitronic GmbH mit der Handelsbezeichnung "TGS 822" eingesetzt werden können, wie sie bereits seit 1995 dem Fachmann aus der E1 bekannt sind. Da in der Patentschrift selbst keine Maßnahmen erkennbar sind, die für den Fall einer von den Patentinhabern in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Messwertverfälschung aufgrund einer auch beim Patent wegen der Durchgangsbohrung 20 zwangsläufig vorliegenden hohen Sauerstoffzufuhr ergriffen werden müssten, ist somit nicht erwiesen, dass in der Messsonde gemäß E4 bei gleicher Sauerstoffzufuhr mit einem Halbleitergassensors nicht zuverlässig gemessen werden könnte.

Schließlich trägt auch nicht der Einwand, in der E4 könne sich für die nachzuweisende flüchtige Substanz entgegen der patentgemäßen Lehre kein Diffusionsgleichgewicht mit der Atmosphäre einstellen, weil auf dem Pellistor die gesamte flüchtige Substanz verbrannt werde und somit die dortigen Diffusionskanäle ausschließlich der Sauerstoffzufuhr dienten. Wie in der E4, Sp. 4 Zn. 9 bis 14, beschrieben ist, wird zwar eine quantitative Umsetzung an der Oberfläche des Pellistors sichergestellt. Ein Hinweis auf Maßnahmen zur Verhinderung der Diffusion von nachzuweisenden flüchtigen Bestandteilen über die Diffusionskanäle aus dem Volumen der Messkammer heraus findet sich dort aber nicht, so dass sich aufgrund des gleichen Gasaustausches mit der Atmosphäre naturgesetzmäßig auch das gleiche Diffusionsgleichgewicht wie beim Patent einstellen muss.

Der nunmehr verbleibende Unterschied einer Pervaporationsmembran kann schließlich auch nicht zur Patentfähigkeit beitragen. Denn dem Fachmann ist es geläufig, dass es lediglich zwei Arten von Trennmembranen gibt, nämlich Permeationsmembranen und Pervaporationsmembranen, woraus der Fachmann ohne unzumutbaren Aufwand einen für sein Anwendungsziel geeigneten Membrantyp auswählen wird. Im Übrigen ist von den Patentinhabern auch nichts dahingehend geltend gemacht worden, dass in der E4 die Verwendung einer Pervaporationsmembran ausgeschlossen wäre.

Ein Anhaltspunkt dafür, dass besondere technische Schwierigkeiten zu überwinden waren, um auf die Lösung des Streitpatents zu kommen, ist somit nicht zu sehen, sodass schließlich der Umstand, dass die Erfinder des Streitpatents elf Jahre nach Veröffentlichung der E4 zu der von ihnen vorgeschlagenen Lösung gelangt sind, für sich allein die erfinderische Tätigkeit nicht begründen kann (BGH GRUR 1963, 568-570 - Wimpernfärbestift).

f. Die Patentinhaber haben in der mündlichen Verhandlung auf die angekündigte Einreichung eines Hilfsantrages ausdrücklich verzichtet. Somit ergeben sich auch keine Anhaltspunkte für ein stillschweigendes Begehren einer weiter beschränkten Fassung. Infolgedessen haben die Patentinhaber die Aufrechterhaltung des Patents erkennbar nur im Umfang eines Anspruchssatzes beantragt, der zumindest einen nicht rechtsbeständigen Anspruch enthält. Deshalb war das Patent insgesamt zu widerrufen. Auf die übrigen Patentansprüche brauchte bei dieser Sachlage nicht gesondert eingegangen zu werden (BGH v. 27. Juni 2007 - X ZB 6/05, Informationsübermittlungsverfahren II; Fortführung von BGH v. 26. September 1996 - X ZB 18/95, GRUR 1997, 120, Elektrisches Speicherheizgerät).

Kahr Schwarz-Angele Egerer Maksymiw Na






BPatG:
Beschluss v. 02.08.2007
Az: 15 W (pat) 11/04


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