Landgericht Osnabrück:
Urteil vom 24. Juni 2011
Aktenzeichen: 15 O 548/10

(LG Osnabrück: Urteil v. 24.06.2011, Az.: 15 O 548/10)

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, geschäftlich handelnd Patienten zur Versorgung im Einzelfall einen bestimmten Hörgeräteakustiker zu empfehlen, ohne von dem Patienten darum gebeten worden zu sei, sofern für diese Empfehlung kein sachlicher Grund vorliegt.

2. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen das Unterlassungsgebot gemäß Ziffer 1. wird dem Beklagten ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.

3. Der Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger 208,65 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.11.2010 zu zahlen.

4. Die Widerklage wird abgewiesen.

5. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

6. Das Urteil ist hinsichtlich der der Kosten und Ziffer 3. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der zu vollstreckenden Forderung und im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 3.000,00 € vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin macht als "Wettbewerbsverein" gegen den Beklagten einen Unterlassungsanspruch nach dem UWG geltend.

Der Beklagte betreibt in Lingen eine Praxis als HNO-Arzt. Am 01.06.2010 suchte der Zeuge L. aus Ostfriesland als "Testpatient" die Praxis des Beklagten auf. Der Beklagte stellte bei der Untersuchung des Zeugen eine Schädigung der Hörleistung im Hochtonbereich fest und verordnete ein Hörgerät. Er erkundigte sich bei dem Zeugen L., ob er einen Hörgeräteakustiker kenne und woher er stamme. Herrn L. wurde die Praxis der Fa. H. GmbH, die sich im Erdgeschoss des Gebäudes mit der Praxis des Beklagten befand, genannt. Dort wurde der Zeuge L. auch durch den Beklagten angemeldet. Die näheren Umstände der Benennung der Fa. H. GmbH sind streitig.

Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe den Zeugen L. nach der Untersuchung und Mitteilung der Diagnose gefragt, ob er einen bestimmten Hörgeräteakustiker aufsuchen wolle und woher er komme. Herr L. habe erwidert, dass er aus Berumbur in Ostfriesland stamme und in nächster Zeit in die Gegend von Lingen umziehen wolle. Der Beklagte habe dem Zeugen L. daraufhin erklärt, dass "unten im Haus" eine absolut kompetente Hörakustikfirma sei, dort solle Herr L. gleich vorbeigehen. Er werde "unten" anrufen und Herrn L. anmelden. Als der Zeuge L. bei der Fa. H. GmbH erschienen sei, sei er bereits angemeldet gewesen. Der Kläger meint, der Beklagte habe entgegen § 34 Abs. 5 der Berufsordnung für Ärzte ohne sachlichen Grund die Fa. H. GmbH empfohlen. Damit habe er sich wettbewerbswidrig verhalten.

Die Klägerin hat Klage erhoben mit den Anträgen,

1. den Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, geschäftlich handelnd Patienten zur Versorgung mit Hörgeräten ohne hinreichenden Grund an bestimmte Hörgeräteakustikbetriebe zu verweisen,

2. für jeden Fall zukünftiger Zuwiderhandlung gegen das Unterlassungsgebot gem. Ziffer 1. dem Beklagten ein Ordnungsgeld in Höhe bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten anzudrohen,

3. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 208,65 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Sie hat den Klageantrag zu Ziffer 1. sodann nach einem Hinweis auf eine mögliche Unbestimmtheit geändert und beantragt nunmehr,

1. den Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, geschäftlich handelnd Patienten zur Versorgung im Einzelfall einen bestimmten Hörgeräteakustiker zu empfehlen, ohne von dem Patienten darum gebeten worden zu sein,

2. für jeden Fall zukünftiger Zuwiderhandlung gegen das Unterlassungsgebot gem. Ziffer 1. dem Beklagten ein Ordnungsgeld in Höhe bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten anzudrohen.

3. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 208,65 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

und mit der Widerklage,

die Klägerin zu verurteilen, den Beklagten und Widerkläger von der Zahlung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus der Kostenrechnung in Höhe von 523,48 € freizustellen.

Die Klägerin beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, Herr L. habe erklärt, sich in Lingen nicht auszukennen. Daraufhin sei ihm mitgeteilt worden, dass es in Lingen mehrere Hörgeräteakustiker gebe, unter anderem auch "unten ihm Hause". Dabei sei auch erwähnt worden, dass er diesen Hörgeräteakustiker als absolut kompetent einschätze. Erst nachdem L. sich für den Akustiker im Haus der Praxis entschieden habe, sei er dort auf Wunsch des Patienten angemeldet worden. Aufgrund der Angabe des Herrn L., nicht aus Lingen zu stammen und sich dort nicht auszukennen, sei aus Sicht des Beklagten davon auszugehen gewesen, dass der Zeuge L. um die Empfehlung eines Hörgeräteakustikers gebeten habe. Anders seien die Angaben des Zeugen nicht zu verstehen gewesen. Der Zeuge L. sei auch nicht an einen bestimmten Hörgeräteakustiker verwiesen worden. Ihm sei vielmehr die Wahlfreiheit gelassen worden. Soweit der Zeuge L. eine von dem Vortrag des Beklagten abweichende Aussage gemacht habe, könne die Entscheidung darauf nicht gestützt werden. Denn der Kläger habe den Bericht des Zeugen L. über den Besuch bei dem Beklagten nicht vorgelegt, obwohl sich der Kläger darauf berufen habe. Weiter sei zu berücksichtigen, dass der Zeuge L. mit falschen Angaben auf den Beklagten angesetzt worden sei, um ihn zu einem bestimmten Verhalten zu provozieren. Dies sei als sittenwidrig anzusehen, so dass die Aussage des Zeugen nicht verwertbar sei. Da die Klägerin den Zeugen über die Fa. D. auf den Beklagten angesetzt habe, stehe der Geltendmachung des Unterlassungsanspruch der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung nach § 242 BGB entgegen.

Mit der Widerklage macht der Beklagte einen Anspruch auf Erstattung seiner vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten geltend, weil er zu Unrecht abgemahnt worden sei.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die innerhalb der bis zum 10.06.2011 laufenden Erklärungsfrist eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung von Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der Sitzung vom 11.03.2011 Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet. Die Widerklage hat dagegen keinen Erfolg.

Gegen die Zulässigkeit der Klage mit dem zuletzt gestellten Unterlassungsantrag bestehen keine Bedenken. Der Antrag stellt auf ein hinreichend bestimmtes und von dem Beklagten zu unterlassendes Verhalten ab.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen den Beklagten gem. §§ 3, 4 Nr. 11, 8 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 1 i.V.m. § 34 Abs. 5, 31 Nds. BOÄ auch zu.

25Der Beklagte hat durch die Empfehlung des Hörgeräteakustikers im Haus der Praxis des Beklagten gegenüber dem Zeugen L. gegen § 34 Abs. 5 Nds.BOÄ verstoßen und sich damit wettbewerbswidrig im Sinne der §§ 3, 4 Nr. 11 UWG verhalten. Nach § 34 Abs. 5 NdsBOÄ ist es einem Arzt nicht gestattet, Patienten ohne hinreichenden Grund an bestimmte Apotheken, Geschäfte oder Anbieter von gesundheitlichen Leistungen zu verweisen. Eine Verweisung im Sinne dieser Vorschrift liegt nicht erst vor, wenn der Arzt eine den Patienten bindende Überweisung ausstellt. Die Vorschrift erfasst vielmehr auch bloße Empfehlungen an den Patienten. Denn die Vorschrift soll die unbeeinflusste Wahlfreiheit des Patienten in Bezug auf Anbieter gesundheitlicher Leistungen gewährleisten. Diese Wahlfreiheit ist bereits beeinträchtigt, wenn der Arzt dem Patienten von sich aus einen bestimmten Anbieter gesundheitlicher Leistungen nahelegt oder nur empfiehlt (vgl. BGH, I ZR 112/08, Urteil vom 13.01.2011, zitiert nach juris). Dies gilt allerdings nicht, wenn ein sachlicher Grund für die Empfehlung besteht. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Patient den Arzt um eine Empfehlung bittet. Denn es entspricht dem berechtigten Interesse des Patienten, von Ärzten ihres Vertrauens bei Bedarf Empfehlungen für Leistungserbringer zu erhalten (vgl. BGH aaO, Rdn. 28). Entgegen der Ansicht des Beklagten ist er von dem Zeugen L. jedoch nicht um eine Empfehlung eines Hörgeräteakustikers gebeten worden. Dies ergibt sich bereits aus den eigenen Angaben des Beklagten im Rahmen seiner Anhörung im Termin am 11.03.2011. Danach hat der Beklagte dem Zeugen L. den Hörgeräteakustiker im Haus der Praxis genannt und auch angeboten, dass er dort einen Termin für den Zeugen L. vereinbaren könne. Als Grund für diese Empfehlung hat der Beklagte angegeben, dass der Zeuge sich in Lingen nicht ausgekannt und keinen Akustiker gekannt habe. Allein daraus ergab sich für den Beklagten jedoch noch nicht, dass der Zeuge L. wünschte, dass der Beklagte ihm einen Hörgeräteakustiker empfiehlt. Allein die Tatsache, dass ein Patient ortsunkundig ist und die Frage, ob er einen Hörgeräteakustiker kennt, verneint, bedeutet noch nicht, dass der Patient um eine Empfehlung bittet. Dies gilt umso mehr, als auch nach der Aussage der Zeugin S. der Zeuge L. nicht von sich aus darauf zu sprechen gekommen ist, dass er nicht aus Lingen komme. Vielmehr hat nach der Aussage der Zeugin S. der Beklagte den Zeugen L. darauf angesprochen, nachdem die Zeugin S. ihn darauf hingewiesen hatte. Dann aber durfte der Beklagte allein aufgrund der Antworten des Zeugen L. nicht davon ausgehen, dass darin eine Bitte um die Empfehlung eines Hörgeräteakustikers lag. Von einer Bitte um eine Empfehlung kann nur ausgegangen werden, wenn diese von dem Patienten ausdrücklich geäußert wird oder sie sich unzweifelhaft aus einem von dem Patienten ausgehenden Verhalten ergibt. Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof in der oben zitierten Entscheidung auch ausgeführt, dass es einem Arzt nicht verwehrt ist, einen preiswerten Anbieter gesundheitlicher Leistungen zu empfehlen, wenn der Patient ausdrücklich eine möglichst kostengünstige Versorgung wünscht. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Beklagte in dem Gespräch mit dem Zeugen L. darauf hingewiesen hat, dass es mehrere Hörgeräteakustiker in Lingen gebe. Denn der Beklagte hat lediglich in Bezug auf den Hörgeräteakustiker im Haus der Praxis des Beklagten angegeben, dass diese von ihm als absolut kompetent eingeschätzt werde. Diese Praxis ist somit gegenüber anderen Praxen, bei denen weder der Standort noch eine Wertung hinsichtlich der Qualität abgegeben worden ist, erkennbar hervorgehoben und damit empfohlen worden. Unerheblich ist, dass dem Zeugen L. letztlich die Wahl gelassen worden ist, sich auch für einen anderen Hörgeräteakustiker zu entscheiden. Wie bereits oben ausgeführt worden ist, wird die Wahlfreiheit des Patienten bereits allein durch eine nicht erbetene Empfehlung beeinträchtigt.

Entgegen der Ansicht des Beklagten ergibt sich ein sachlicher Grund für die Empfehlung nicht daraus, dass der Zeuge L. ortsunkundig war. Aus der Tatsache, dass der Zeuge L. aus Ostfriesland zu einem HNO-Arzt in Lingen gefahren war, konnte der Beklagte gerade nicht schließen, dass es dem Zeugen L. auf eine wohnortnahe und bequeme Versorgung im Haus der Praxis des Beklagten ankam. Die Möglichkeit einer bequemen Versorgung allein rechtfertigt im Übrigen auch noch keine Empfehlung nach § 34 Abs.5 NdsBOÄ (vgl. BGH GRUR 2009, 977 ff).

Die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs durch den Kläger ist entgegen der Ansicht des Beklagten nicht treuwidrig im Sinne des § 242 BGB. Es ist grundsätzlich nicht unzulässig, durch Testbesuche wettbewerbswidrige Verhaltensweisen aufzudecken. Es ist anerkannt, dass der Anbieter von Waren oder Dienstleistungen verpflichtet ist, Testkäufe oder die testweise Inanspruchnahme von Dienstleistungen zu dulden, sofern die den Test durchführenden Personen sich wie normale Nachfrager verhalten (vgl. BGH GRUR 1991, 843 ff mwN). Dies gilt auch gegenüber Ärzten. Ein Rechtsmissbrauch, der die sich aus dem Testbesuch ergebenden Erkenntnisse unverwertbar macht, ist nur anzunehmen, wenn unlautere Mittel eingesetzt werden. Dass der Charakter des Testbesuchs verheimlicht wird, reicht dafür nicht aus, solange sich die Testperson nicht anders verhält als andere Personen in einer vergleichbaren Situation. Etwas anderes gilt jedoch, wenn mit verwerflichen Mitteln auf einen Wettbewerbsverstoß hingewirkt, insbesondere dieser provoziert wird. Davon kann hier jedoch auch nach dem Vortrag des Beklagten nicht ausgegangen werden. Wie bereits oben ausgeführt hat nicht der Zeuge L., sondern der Beklagte selbst den Wohnort des Zeugen und die Frage, ob dieser einen Hörgeräteakustiker kenne, angesprochen. Der Zeuge L. hat diese Fragen auch nicht unzutreffend beantwortet. Denn der Zeuge L. wohnte tatsächlich nicht in Lingen und kannte sich dort auch nicht aus.

Die Androhung von Ordnungsmitteln für den Fall des Verstoßes gegen das Unterlassungsgebot beruht auf § 890 ZPO.

Der Anspruch auf Erstattung der Kosten für die vorgerichtlich erfolgte Abmahnung ist gem. § 12 Abs. 1 S. 2 UWG begründet. Die geltend gemachten Kosten in Höhe von 208,65 € sind gem. § 287 ZPO nach Auffassung des Gerichts angemessen. Der zuerkannte Zinsanspruch ergibt sich aus den §§ 288 Abs. 1 S. 2, 291 BGB.

Die Widerklage ist unbegründet. Da der Klägerin der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zustand, steht dem Beklagten kein Anspruch auf Erstattung der zur Abwehr des Unterlassungsverlangens entstandenen Rechtsverfolgungskosten zu.

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.






LG Osnabrück:
Urteil v. 24.06.2011
Az: 15 O 548/10


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