Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 6. Februar 2015
Aktenzeichen: 6 U 209/13

(OLG Köln: Urteil v. 06.02.2015, Az.: 6 U 209/13)

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerinnen wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das am 20.11.2013 verkündete Urteil der 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 28 O 467/12 - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt,

a) an die Klägerin zu 2. einen Betrag von 800,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.10.2012 zu zahlen,

b) an die Klägerin zu 3. einen Betrag 1.200,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.10.2012 zu zahlen,

c) an die Klägerin zu 4. einen Betrag von 1.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.10.2012 zu zahlen.

d) an die Klägerinnen zu 1. bis 4. zu gleichen Teilen einen Betrag von 1.200,40 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.10.2012 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerinnen 1/5 und der Beklagte 4/5 zu tragen.

III. Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts, soweit es nicht abgeändert worden ist, sind vorläufig vollstreckbar. Die der Vollstreckung ausgesetzte Partei darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i. H.v. 110 % des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die die Vollstreckung betreibende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit i. H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerinnen begehren Schadensersatz sowie die Erstattung von Abmahnkosten wegen eines nach ihrer Darstellung über den Internetanschluss des Beklagten erfolgten Angebots zum illegalen Download von MP3-Dateien.

Die Klägerinnen verfügen als Tonträgerhersteller über ausschließliche Verwertungsrechte an zahlreichen Musikaufnahmen. Nach den Ermittlungen der von ihnen beauftragten Firma Q N GmbH wurden am 18.11.2007 um 19:51:51 Uhr unter der IP-Adresse 80.XXX.XX.199 mittels der Tauschbörsensoftware "Bear-Share" insgesamt 809 Audiodateien zum kostenlosen Herunterladen angeboten. In einem auf Strafanzeige der Klägerinnen hin eingeleiteten Ermittlungsverfahren teilte die Deutsche Telekom AG als zuständiger Internetprovider der Staatsanwaltschaft Kleve mit, dass die ermittelte IP-Adresse zum fraglichen Zeitpunkt dem Internetanschluss des Beklagten zugewiesen gewesen sei. Hiervon erhielten die Klägerinnen durch eine Nachricht der Staatsanwaltschaft vom 25.03.2008 Kenntnis. Über die individuelle Benutzerkennung der "Bear-Share"-Software konnten weitere Aktivitäten innerhalb der Tauschbörse am 04.12.2007, 21:43 Uhr, 11.12.2007, 19:16 Uhr und 19.12.2007, 16:14 Uhr ermittelt werden.

Der Beklagte war im November und Dezember 2007 Inhaber eines WLAN-Internetzugangs mit einem durch eine WPA2-Verschlüsselung gesicherten Router. An den Internetzugang war ein Rechner angebunden, der von dem Beklagten, seiner Ehefrau sowie den damals 17 und 15 Jahre alten Kindern benutzt wurde.

Die Klägerinnen mahnten den Beklagten mit Anwaltsschreiben vom 08.05.2008 ab. Zur Abgeltung von Ersatzansprüchen schlugen sie ihm eine pauschale Zahlung von 6.000,00 € vor. Der Beklagte gab eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, wies Zahlungsansprüche jedoch zurück.

Am 23.12.2011 haben die Klägerinnen einen Mahnbescheid gegen den Beklagten über 2.380,80 € Kostenerstattung sowie insgesamt 3.000,00 € Lizenzschadensersatz beantragt. Der Mahnbescheid ist am 20.03.2012 erlassen worden. Gegen den ihm am 27.03.2012 zugestellten Mahnbescheid hat der Beklagte am 29.03.2012 Widerspruch eingelegt. Nachdem die Klägerinnen am 11.10.2012 die zweite Hälfte des Gerichtskostenvorschusses eingezahlt haben, ist die Sache am 17.10.2012 an das Landgericht Köln abgegeben worden und dort am 25.10.2012 eingegangen. Die Klägerinnen haben vorgetragen, ihnen stünden Leistungsschutzrechte an ca. 80 % der Audiodateien zu, was sie für 108 Titel näher dargelegt haben. Die Klägerinnen haben Erstattung von Abmahnkosten in Höhe 2.380,80 € nebst Zinsen aus einen Gegenstandswert von 200.000,00 € verlangt. Außerdem haben drei der Klägerinnen Schadensersatz nebst Zinsen wegen des öffentlichen Zugänglichmachens von insgesamt fünfzehn Musikaufnahmen verlangt, wobei sie für jeden Titel einen Lizenzschaden von 200,00 € veranschlagt haben, insgesamt 3.000,00 €; die Klägerin zu 2. hat für vier Titel 600,00 € verlangt, die Klägerin zu 3. für sechs Titel 1.200,00 € und die Klägerin zu 4. für fünf Titel ebenfalls 1.200,00 €.

Der Beklagte hat gegen die Forderungen der Klägerinnen die Einrede der Verjährung erhoben und deren Aktivlegitimation bestritten. Außerdem hat er seine Passivlegitimation bestritten. Es müsse sich um einen Ermittlungsfehler handeln, IP-Adresse und individuelle Benutzerkennung der Software seien nicht ordnungsgemäß zugeordnet worden. Er habe selbst keine Rechtsverletzung begangen. Anhaltspunkte für mögliche Rechtsverletzungen durch seine Familienangehörige habe es nicht gegeben, er könne solche jedoch auch nicht ausschließen. Die Kinder, die im Gegensatz zu ihm an allen streitgegenständlichen Zeitpunkten zu Hause gewesen seien, seien vor der erstmaligen Internetnutzung und in regelmäßigen Abständen danach belehrt worden. Ihnen sei lediglich eine Nutzung für bestimmte Zwecke gestattet und andere Nutzungen untersagt gewesen. Die Schadensersatzforderung sei übersetzt. Er bestreite, dass die Abmahnkosten bereits gezahlt seien.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Ehefrau des Beklagten als Zeugin; die Kinder des Beklagten haben von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 30.10.2013 Bezug genommen. Mit Urteil vom 20.11.2013, auf das gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO inhaltlich Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, der Beklagte hafte nicht nach § 97 UrhG, da nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon auszugehen sei, dass die Rechtsverletzungen nicht von ihm oder seiner Ehefrau, sondern von einem der Kinder oder beiden Kindern begangen worden seien. Mangels Verletzung der elterlichen Aufsichtspflicht hafte der Beklagte auch nicht nach § 832 BGB. Damit komme eine Haftung als Störer ebenfalls nicht in Betracht.

Gegen diese Entscheidung wenden sich die Klägerinnen mit ihrer Berufung. Sie tragen vor, dass das Landgericht zu Unrecht die Haftung des Beklagten als Täter verneint habe. Die Tatsachengrundlage sei rechtsfehlerhaft auf das Anspruchsbegehren angewandt worden. Für die Verantwortlichkeit des Beklagten als Inhaber des Anschlusses spreche eine tatsächliche Vermutung, die durch den streitigen Vortrag zur Mitnutzung durch Dritte nicht ausgeräumt sei. Weder aus der Darstellung des Beklagten noch aus der Aussage der Zeugin T2 ergebe sich, wann und wie die Kinder den Rechtsbruch unbemerkt begangen haben könnten. Aber selbst wenn eine unmittelbare Haftung des Beklagten als Täter ausgeschlossen wäre, hafte dieser nach § 832 BGB, da er auch auf der Grundlage der Aussage der Zeugin T2 schuldhaft seine elterlichen Aufsichtspflichten vernachlässigt habe. Die Zeugin habe gerade nicht bestätigt, dass sie oder der Beklagte die Kinder über die Rechtswidrigkeit der Internettauschbörsen belehrt und ihnen eine Teilnahme daran verboten hätten. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Klägerinnen wird auf die Berufungsbegründung vom 20.01.2014 und die Schriftsätze vom 10.06.2014, 25.08.2014 und 25.11.2014 nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Klägerinnen beantragen, unter Aufhebung des am 20.11.2013 verkündeten Urteils des Landgerichts Köln den Beklagten zu verurteilen,

1. an sie zu gleichen Teilen einen Betrag in Höhe von € 2.380,80 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. a) an die Berufungsklägerin zu 2. € 800,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit

b) an die Berufungsklägerin zu 3. € 1.200,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit

c) an die Berufungsklägerin zu 4. € 1.000,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit

zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung seines Vorbringens aus erster Instanz. Der Beklagte ist insbesondere der Ansicht, dass aufgrund der Mitbenutzung des Internetanschlusses durch seine Familienangehörigen die Täterschaftsvermutung entkräftet sei. Er müsse nicht innerhalb der Familie aufklären, wer den etwaigen Rechtsbruch begangen habe. Der Beklagte verweigert seine Zustimmung zu einer seiner Ansicht nach durch die Klägerin zu 2. im Berufungsverfahren erklärten Klageänderung und verweist bezüglich der Klägerin zu 4. auf die Kostentragungspfllicht bei Teilklagerücknahme. Wegen der weiteren Einzelheiten seines Vorbringens wird auf die Berufungserwiderung vom 31.03.2014 und die Schriftsätze vom 12.06.2014 und 18.07.2014 Bezug genommen.

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung vom 18.06.2014 rechtliche Hinweise erteilt. Außerdem hat er Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen von der G und T2. Auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 18.06.2014 und 16.01.2015 wird Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist weitgehend begründet. Nur hinsichtlich eines Teilbetrages der Abmahnkosten hat das Rechtsmittel der Klägerinnen keinen Erfolg.

1. Den Klägerinnen zu 2. bis 4. stehen die von ihnen geltend gemachten Schadensersatzansprüche aus § 97 UrhG zu. Ob die Vorschrift in ihrer alten Fassung greift oder mangels Übergangsvorschrift die zum 01.09.2008 geänderte Fassung des § 97 Abs. 2 UrhG anzuwenden ist (vgl. Czychowski, GRUR-RR 2008, 265, 268), kann dahinstehen, weil sich die Änderung des § 97 Abs. 1 S. 1 UrhG a.F. wegen ihrer redaktionellen Natur nicht auswirkt (vgl. Wandtke/Bullinger - v. Wolff, UrhG, 3. Aufl., § 97 Rn. 3).

Soweit die Klägerinnen zu 2. und 4. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 18.06.2014 ihre Anträge gegenüber der ersten Instanz dahingehend abgeändert haben, dass die Klägerin zu 2. für vier streitgegenständlichen Titel 800,00 € statt 600,00 € verlangt und die Klägerin zu 4. für fünf streitgegenständlichen Titel 1.000,00 € statt 1.200,00 €, liegt die Berichtigung eines aufgrund der Klagebegründung - Forderung von 200,00 € Lizenzschaden für jeden Titel - erkennbaren Versehens vor und keine Klageänderung bzw. Teilklagerücknahme, § 264 Nr. 2 ZPO.

a) Der vom Beklagten erhobene Einwand der fehlenden Aktivlegitimation greift nicht. Die Klägerinnen zu 2. bis 4. sind in Bezug auf die fünfzehn dem Schadensersatzbegehren zugrunde gelegten, nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 UrhG schutzfähigen Musiktitel

die Klägerin zu 2 bezüglich Cascada / Everytime We Touch, Rihanna / Umbrella, Rihanna / Don´t Stop The Music und Christina Stürmer / Ohne Dich,

die Klägerin zu 3 bezüglich LaFee / Heul doch, Pur / Danke, Pur / Lena, Reamonn / Sunshine Baby, Reamonn / Supergirl und Reamonn / Waiting There For You

sowie die Klägerin zu 4 bezüglich Andrea Berg / Du Hast Mich Tausend Mal Belogen, Guano Apes / Open Your Eyes, Guano Apes / Lords Of The Boards, Silbermond / Das Beste und Silbermond / Ohne Dich)

unabhängig von etwa abgeleiteten ausschließlichen Nutzungsrechten der Urheber und ausübenden Künstler nach §§ 31, 15, 73, 78 Abs. 1 Nr. 1 UrhG jedenfalls gemäß § 85 Abs. 1 UrhG Inhaber des Tonträgerherstellerrechts. Nach den vorgelegten Ausdrucken der Katalogdatenbank "www.XXX-XXX.de" der Q2 GmbH sind die Klägerinnen zu 2. bis 4. als Lieferantinnen der die fraglichen Titel enthaltenden Musikalben ausgewiesen. Dies ist ein hinreichendes Indiz für ihre Rechtsinhaberschaft. Wie dem Senat aus vielen ähnlich gelagerten Verfahren bekannt ist, handelt es sich bei dem "Q2"-Medienkatalog um den zentralen Einkaufskatalog für den Einzelhandel, der auf die Richtigkeit der Daten großen Wert legt. Um die Indizwirkung der Einträge in der Katalogdatenbank zu entkräften, hätte der Beklagte über sein pauschales Bestreiten mit Nichtwissen hinaus nähere Anhaltspunkte aufzeigen müssen, aus denen sich im konkreten Fall Zweifel an der Richtigkeit der Eintragungen ergeben könnten. Dies hat er nicht getan.

b) Die streitbefangenen fünfzehn Musikaufnahmen sind über den Internetanschluss des Beklagten unbefugt öffentlich zugänglich gemacht worden.

aa) Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Audiodateien am 18.11.2007 um 19:51 Uhr im Internet unter der IP-Adresse 80.XXX.XX.199 verfügbar gemacht worden sind. Hierfür sprechen zunächst die von den Klägerinnen zur Akte gereichten Screenshots (Anlagekonvolut K1, Bl. 44 ff. GA), denen Angaben zu den in Rede stehenden Downloadangeboten zu entnehmen sind. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Zeuge von der G den von den Klägerinnen geschilderten und durch die Screenshots dokumentierten Ermittlungsvorgang glaubhaft bestätigt und weiter erläutert. Der Zeuge, der nicht mehr bei der Q N GmbH beschäftigt ist, hat nach Durchsicht der ihm von den Klägerinnen vor dem Termin am 16.01.2015 zur Verfügung gestellten Unterlagen zu den streitgegenständlichen Ermittlungen nachvollziehbar und überzeugend ausgeführt, dass unter seiner Aufsicht der als zuverlässig bekannten Ermittler N2 N3 die in der Klageschrift angegebenen Musikdateien eigenhändig ermittelt habe, indem sich dieser mit Hilfe des Programms "Bear-Share" anhand bestimmter Musiktitel IP-Adressen von Anbietern habe anzeigen lassen, bei der streitgegenständlichen IP-Adresse dann zwei Titel der Künstlergruppe Reamonn ("I need you" und "Waiting there for you") ausgewählt und heruntergeladen sowie schließlich nach Durchführung eines Hörvergleichs als mit der Originalaufnahme übereinstimmend festgestellt habe. Der Ermittler hat dabei nach den detaillierten Ausführungen des Zeugen Screenshots vom laufenden und beendeten Download sowie über das gesamte Musikdateiangebot angefertigt. Während des gesamten Vorgangs lief ein Paketfilterprogramm mit, das den Datenverkehr mit der IP-Adresse protokollierte. Weiterhin wurde ein sog. "TraceRoute" durchgeführt, der den Weg des Datenverkehrs zur IP-Adresse aufzeichnet. Einen Ausdruck der entsprechenden Datei hat der Zeuge auf Nachfrage des Beklagten im Termin vorgelegt; der Ausdruck ist als Anlage 1 zum Protokoll vom 16.01.2015 genommen worden. Schließlich wurde nach der Aussage des Zeugen noch ein Screenshot der "Who is" - Abfrage gefertigt um den Provider der IP-Adresse zu ermitteln.

Konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit der Ermittlungen wecken könnten, sind nicht ersichtlich und vom Beklagten auch nicht aufgezeigt.

Für die Richtigkeit der Ermittlungen und deren Nachweis sind nach der Aussage des Zeugen von der G vor allem die Aufzeichnungen des Paketfilterprogramms maßgeblich. Unrichtigkeiten sind dem Zeugen nicht aufgefallen. Dass der Zeuge von der G und kein anderer die Ermittlungen überwacht hat, ergibt sich aus der Systemlog-Datei. Einen Ausdruck dieser Datei hat der Zeuge im Termin vorgelegt; sie ist als Anlage 2 zum Protokoll vom 16.01.2015 genommen worden. Hinsichtlich des Inhalts dieser Datei bestehen keine Zweifel; auch dieser Beleg ist vom Zeugen erst auf Nachfrage des Beklagten spontan vorgelegt worden.

Soweit der Beklagte mit Nichtwissen bestreitet, dass die ermittelten Systemuhrzeiten mit der Atomuhr abgeglichen waren, hat der Zeugen von der G ausgeführt, dass auf den Rechnern ein spezielles Programm zur Zeitsynchronisierung installiert gewesen sei. Ausweislich der Icons unten rechts in der Fußleiste der vorgelegten Screenshots war dieses Programm bei den konkreten Ermittlungen aktiv (s. Bl. 49 GA). Dass in der Anlage K1 das Ende des Downloads der beiden Titel der Gruppe Reamonn mit 20:17:00 Uhr angegeben ist, bedeutet nach Aussage des Zeugen, dass zu diesem Zeitpunkt der Download vollständig abgeschlossen war. Die Zeitpunkte auf den weiteren Screenshots, die das gesamte Dateiangebot festhalten, beziehen sich nach seinen Angaben jeweils auf den Zeitpunkt, zu dem der Ermittler den Druckbefehl gegeben hat. Der genaue Zeitpunkt für den Beginn des Downloads wird nach der Aussage des Zeugen von der G in der sog. Systemlog-Datei festgehalten, die mithilfe des Paketfilterprogramms generiert wird. Aus dem vom Zeugen vorgelegten Ausdruck dieser Datei ergibt sich der Zeitpunkt 19:51:51, außerdem das Datum 18.11.2007, die IP-Adresse 80.XXX.XX.199, die Anzahl der aufgefundenen Audiodateien (809) sowie der Download der Musiktitel "I need you" und "Waiting there for you". Soweit der Zeuge von der G die Durchführung des Hörvergleichs durch den Ermittler weder anhand der ihm vorliegenden Unterlagen noch aus eigener Erinnerung bestätigen konnte, bestehen keine Anhaltspunkte für die Annahme, Herr N3 könnte von den allgemeinen Anweisungen und dem üblichen Vorgehen abgewichen sein.

bb) Der Senat ist davon überzeugt, dass die IP-Adresse 80.XXX.XX.199 am 18.11.2007 um 19:51 Uhr dem Internetanschluss des Beklagten zugewiesen war. Dies folgt aus der elektronisch erteilten Auskunft des Providers, der Deutsche Telekom AG. Dass bei der Zuordnung der IP-Adresse zum Internetanschluss des Beklagten Fehler unterlaufen sein könnten, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Vielmehr ist davon auszugehen, dass Anfragen der Staatsanwaltschaft bei der Deutschen Telekom AG seinerzeit grundsätzlich gewissenhaft und zuverlässig bearbeitet worden sind und die mit der Bearbeitung einer derartigen Anfrage befassten Personen in Anbetracht der ihnen bekannten strafprozessualen Konsequenzen für die Betroffenen bemüht waren, Fehlzuordnungen zu vermeiden.

c) Steht - wie hier - fest, dass ein geschütztes Werk von einer IP-Adresse aus zugänglich gemacht worden ist, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist, spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass diese Person für die Rechtsverletzung verantwortlich ist (BGH, GRUR 2010, 633, Rn. 12 - Sommer unseres Lebens; BGH GRUR 2013, 511, Rn. 33 - Morpheus). Diese tatsächliche Vermutung ist nach Ansicht des Senats (s. bereits GRUR-RR 2012, 329, 330) erst dann nicht mehr begründet, wenn Umstände feststehen, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs ergeben, also die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass allein ein Dritter die Rechtsverletzung begangen hat. Die einfache Behauptung dieser Möglichkeit genügt für die Entkräftung der tatsächlichen Vermutung nicht. Soweit der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 08.01.2014 (GRUR 204, 657 ff., Rn. 15 - BearShare) ausgeführt hat, "eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers [sei] sei nicht begründet, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung (auch) andere Personen den Anschluss benutzen konnten", was "insbesondere dann der Fall [sei], wenn der Internetanschluss zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung ... bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen" worden sei, lässt sich daraus nach Ansicht des Senats nicht ableiten, dass die Vermutung nur dann greift, wenn ausschließlich der Anschlussinhaber den Anschluss nutzt (so i.E. aber z.B. Falker, WRP 2014, 856; Neurauter, GRUR 2014, 660, 661; Zimmermann, MMR 2014, 368, 370). Der Bundesgerichtshof hat nämlich in der "Bear-Share"-Entscheidung ausdrücklich auf seine Ausführungen in der "Morpheus"-Entscheidung GRUR 2913, 511, Rn. 33 f. Bezug genommen, wo es heißt:

"Wird ein urheberrechtlich geschütztes Werk oder eine urheberrechtlich geschützte Leistung der Öffentlichkeit von einer IP-Adresse aus zugänglich gemacht, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist, spricht allerdings eine tatsächliche Vermutung dafür, dass diese Person für die Rechtsverletzung verantwortlich ist ...

Diese tatsächliche Vermutung ist im Streitfall jedoch entkräftet, da nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass allein ein Dritter und nicht auch der Anschlussinhaber den Internetzugang für die behauptete Rechtsverletzung genutzt hat."

Der Senat sieht daher im Gesamtkontext der Ausführungen des Bundesgerichtshofs durch die "BearShare"-Entscheidung keine inhaltliche Einschränkung der Art, dass nunmehr bei Familienansschlüssen generell keine tatsächliche Vermutung für die Täterschaft des Anschlussinhabers mehr besteht, auch wenn nicht verkannt wird, dass der Bundesgerichtshof in den Entscheidungen "Sommer unseres Lebens", "Morpheus" und "BearShare" dazu tendiert, den Anschlussinhabern Erleichterungen bei der Verteidigung gegen Inanspruchnahmen wegen Urheberrechtsverletzungen zu verschaffen.

Die gegen ihn sprechende Vermutung der Täterschaft hat der Beklagte nicht wiederlegt. Er hat nicht die ernsthafte Möglichkeit aufgezeigt, dass die Rechtsverletzung ohne sein Wissen erfolgt ist. Soweit der Beklagte in erster Instanz vorgetragen hatte, die Internetnutzung sei über zwei im Haushalt befindliche Computer allen Familienmitgliedern möglich gewesen (Bl. 166 f., 168 GA), steht aufgrund der Aussage der Zeugin T2 fest, dass die Familie im streitgegenständlichen Zeitraum zwar über zwei Rechner verfügte, von denen einer in den Zimmern der Kinder stand und der andere im Wohnzimmer, dass jedoch nur der Rechner im Wohnzimmer an das Internet angeschlossen war. Dies entspricht auch der letzten Darstellung des Beklagten in zweiter Instanz.

Der Internetrechner wurde von der ganzen Familie genutzt, eigene Benutzerkonten gab es nicht. Die Internetnutzung der Kinder war damals zeitlich auf jeweils eine halbe Stunde pro Tag begrenzt, das Zeitlimit wurde eingehalten. Die Zeugin T2 hatte die Kinder bei der Internetnutzung regelmäßig im Blick. Nach ihrer Aussage im Beweisaufnahmetermin vor dem Senat schaute sie beim Vorbeigehen immer mal wieder nach, was die Kinder gerade am Rechner machten, und sie ließ sich dies dann manchmal auch erklären.

Wie es ausgehend von dieser Sachlage geschehen konnte, dass der Familienrechner hinter seinem Rücken für illegales Filesharing genutzt wurde, hat der Beklagte nicht plausibel dargelegt. Soweit er zunächst vorgetragen hat, sowohl seine Ehefrau als auch seine beiden Kinder hätten damals selbstständigen Zugang zu seinem Internetanschluss gehabt und kämen als Täter der Rechtsverletzung in Betracht, steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme fest, dass die Zeugin T2 als Täterin ausscheidet. Die Richtigkeit ihre Aussage in erster Instanz, im November / Dezember 2007 noch keine Kenntnis von Internettauschbörsen gehabt zu haben, wurde und wird von keiner der Parteien in Zweifel gezogen. Der Senat ist nach erneuter Anhörung der Zeugin T2 ebenfalls davon überzeugt, dass diese kein Filesharing betrieben hat. Auf der Grundlage der Aussagen der Zeugin T2 hatten die Kinder keinen so selbständigen Zugang zum Internet, dass sie ernsthaft als Alleintäter des streitgegenständlichen Downloadangebotes mit 809 Titeln in Betracht kommen. Außerdem hat der Beklagte keine nachvollziehbare Erklärung dafür abgegeben, wie es den Kindern überhaupt hätte gelingen können, von ihm nicht entdeckt zu werden. Zu seiner eigenen konkreten Internetnutzung hat der Beklagte nichts vorgetragen. Er hat auch nicht vorgetragen, dass 2007 / 2008 auf dem mit dem Internet verbundenen Rechner keine Filesharing-Software installiert gewesen war und/oder dass die streitgegenständlichen geschützten Dateien nicht auf dem Rechner vorhanden gewesen waren. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 16.01.2015 hat er vielmehr angegeben, nach der Abmahnung durch die Klägerinnen den Rechner nicht untersucht zu haben, weil für ihn von Anfang an klar gewesen sei, dass niemand aus seiner Familie hier als Täter in Betracht komme. Dies steht indes nicht in Einklang mit seinem Antwortschreiben vom 16.05.2008 auf die Abmahnung vom 08.05.2008, in dem mitgeteilt wurde, dass der Beklagte sämtliche auf seinen Anschluss bestehenden Internetverbindungen getrennt habe, um die Sache zu prüfen. Warum bei nur einem an das Internet angeschlossenen Rechner mehrere Verbindungen getrennt werden mussten, bleibt ebenso unklar wie die Frage, warum der Beklagte die angekündigte Prüfung nicht vorgenommen hat. War dem Beklagten aber bekannt, dass sein Rechner und sein Anschluss für illegales Filesharing genutzt wurden, und ist er gegen diese Nutzung nicht eingeschritten, so haftet er für sie als Mittäter.

Ist - wie hier nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und letztlich auch der eigenen Darstellung des Klägers im Termin am 16.01.2015 - nicht feststellbar, dass ein Dritter selbständigen Zugang zu dem Internet des Anschlussinhabers hatte und danach allein verantwortlich für die Rechtsverletzung sein kann, bleibt es bei der tatsächlichen Vermutung, dass der Anschlussinhaber für die Rechtsverletzung verantwortlich ist. Diese Vermutung ist hier nicht widerlegt.

d) Bei den mithin dem Beklagten anzulastenden Rechtsverletzungen handelte dieser auch schuldhaft. Entschuldigungsgründe sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Dem Beklagten war nach seinem Vorbringen im Schriftsatz vom 14.02.2013 die Thematik "Haftung bei illegalem Filesharing" bekannt.

e) Der Höhe nach haftet der Beklagte den Klägerinnen zu 2., 3. und 4. auf Ersatz des gesamten von ihnen geltend gemachten Schadens. Die Klägerinnen können nach der von ihnen gewählten Berechnungsmethode der Lizenzanalogie (vgl. § 97 Abs. 2 UrhG und zur Rechtslage vor der Urheberrechtsnovelle 2008 nur BGH, GRUR 1980, 227, 232 - Monumenta Germaniae Historica) einen nach § 287 Abs. 1 ZPO zu schätzenden Betrag von 200,00 € für jeden der insgesamt fünfzehn von ihnen in die Schadensberechnung einbezogenen Musiktitel verlangen. Der Ansatz eines fiktiven Lizenzentgelts von 200,00 EUR, der sich an verkehrsüblichen Entgeltsätzen auch für legale Downloadangebote im Internet orientiert und auf der Basis senatsbekannter Rahmenvereinbarungen der Tonträger-Branche von einem Betrag von 0,50 EUR pro Abruf sowie von mindestens 400 möglichen Abrufen durch unbekannte Tauschbörsenteilnehmer ausgeht, erachtet der Senat in ständiger Rechtsprechung bei Musikaufnahmen der streitbefangenen Art regelmäßig als angemessen (Senat, GRUR-RR 2014, 281 Rn. 30; MMR 2012, 387, 390 f.; Urteile vom 05.08.2013 - 6 U 10/13; vom 18.10.2013 - 6 U 93/13; vom 06.12.2013 - 6 U 96/13; vom 20.12.2013 - 6 U 205/12; vom 14.03.2014 - 6 U 201/12; im Ergebnis ebenso OLG Hamburg, Urteil vom 05.11.2013 - 5 U 222/10).

Hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte, die im Streitfall zu einem niedrigeren Ansatz führen könnten, sind weder dargetan noch ersichtlich. Ob die zuerkannten Schadensersatzbeträge auch angemessen wären, falls die Klägerinnen zu 2. bis 4. sich nicht auf die Geltendmachung fiktiver Lizenzvergütungen für eine vergleichsweise geringe Zahl von Musikdateien beschränkt hätten, kann dahinstehen.

2. Die Klägerinnen zu 1. bis 4. haben einen Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten in Höhe von 1.200,40 €. Der Anspruch folgt aus § 97a Abs. 1 Satz 2 UrhG a.F.. § 97a Abs. 3 Satz 1 UrhG in der mit Wirkung zum 09.10.2013 geänderten Fassung ist vorliegend nicht anwendbar, weil es für den Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Abmahnung ankommt (s. BGH, GRUR 2014, 657, Rn. 11 - BearShare).

Für die inhaltlich hinreichend bestimmte Abmahnung vom 08.05.2008 sind den Klägerinnen ersatzfähige Aufwendungen, auf der Basis des RVG in der bis August 2013 geltenden Fassung entstanden. Diese Kosten fallen, soweit sie berechtigt waren, dem Beklagten zur Last.

a) Die Abmahnung der Klägerinnen bringt zum Ausdruck, welches konkrete tatsächliche Verhalten Anlass der Beanstandung war. Die Klägerinnen haben darlegt, weshalb sie sich für berechtigt halten, den beanstandeten Verstoß zu verfolgen. Dass die Klägerinnen in der Abmahnung offen gelassen haben, an welchen der aufgelisteten Titel welche Klägerin Rechte innehabe, ist ohne Belang. Ob es grundsätzlich einer solchen Konkretisierung bedarf, um dem Abgemahnten vor Augen zu führen, welche Verletzungshandlungen ihm angelastet werden und welches Verhalten er künftig zu unterlassen hat, kann dahin gestellt bleiben. Sieht nämlich wie hier ein anwaltlich beratener Anschlussinhaber sich auf Grund der Abmahnung in der Lage, eine die Beanstandung ausräumende strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung abzugeben, spricht dies für eine hinreichende Spezifizierung der Abmahnung, und die Abmahnung dient unter Berücksichtigung von Treu und Glauben dann auch dem objektiven Interesse und mutmaßlichen Willen des Schuldners, eine kostenintensivere gerichtliche Auseinandersetzung über die von den Anspruchstellern geltend gemachte Unterlassungsansprüche zu vermeiden (vgl. Senat, WRP 2012, 1007; Urteile vom 05.08.2013 - 6 U 10/13; vom 06.12.2013 - 6 U 96/13; vom 20.12.2013 - 6 U 205/12; enger OLG Düsseldorf, MMR 2012, 253 in einem Prozesskostenhilfeverfahren).

Die Wirksamkeit der Abmahnung wird auch nicht dadurch berührt, dass der Beklagte eine Bevollmächtigung des Rechtsanwalts der Klägerinnen zur Abmahnung bestritten hat. Der Nachweis einer Vollmacht ist keine Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Abmahnung (BGH GRUR 2012, 1120, Rn. 15 - Vollmachtsnachweis), und ein etwaiges vollmachtloses Vorgehen haben die Klägerinnen jedenfalls nachfolgend dadurch genehmigt, dass sie die vorliegende Klage auf Erstattung von Abmahnkosten erhoben haben.

b) Die Abmahnung war im Kern sachlich berechtigt. Wie sich aus den o.a. Erwägungen zu den Schadensersatzbegehren und der durch die Rechtsverletzungen indizierten Wiederholungsgefahr ergibt, standen den Klägerinnen jedenfalls für einen Teil der in der Abmahnung erwähnten Audiodateien die von ihnen geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung der öffentlichen Zugänglichmachung zu. Dabei erstreckte sich ihr jeweiliger Unterlassungsanspruch nicht nur auf die am Abend des 18.11.2007 zum Download angebotenen Dateien, sondern auch auf kerngleiche Verstöße durch Verfügbarmachung weiterer zu ihren Gunsten geschützter Musiktitel (vgl. für Lichtbilder BGH, GRUR 2013, 1235, Rn. 17 ff. - Restwertbörse II).

c) Berechtigt war die Abmahnung jedoch nicht in vollem Umfang, sondern nur zum Teil. Dies führt der Höhe nach zu einer Reduzierung des von den Klägerinnen geltend gemachten Aufwendungsersatzanspruchs. Die Klägerinnen haben in der Abmahnung bezüglich der dort angeführten 809 Musiktitel eigene Rechte suggeriert, ohne - wie im vorliegenden Prozess - darauf hinzuweisen, dass rund 20 % des vorgefundenen Gesamtangebots nicht ihrem Repertoire zuzuordnen ist. Im Prozess selbst haben sie bei bestrittener Aktivlegitimation für 108 Musiktitel ihre Rechte näher konkretisiert. Soweit sich aus den Auszügen der "Q2"-Datenbank möglicherweise noch weitere Titel ergeben könnten, die den Screenshots zum Download-Angebot zugeordnet werden könnten, fehlt es an einem substantiierten Parteivortrag.

Der Umfang der vor Gericht schlüssig dargelegten Rechtsverletzungen des Beklagten zum Nachteil der Klägerinnen bleibt damit deutlich hinter der Zahl der in der Abmahnung behaupteten Rechtsverletzungen zurück. Der Gegenstandswert des berechtigten Teils der Abmahnung ist folglich nicht mit 200.000,00 €, sondern auch unter Würdigung des wirtschaftlichen Interesses der Klägerinnen an der Unterbindung künftiger kerngleicher Rechtsverletzungen mit 100.000,00 € zu bemessen. Die erstattungsfähigen Abmahnkosten sind sodann entsprechend dem Verhältnis des Gegenstandswerts des berechtigten Teils zu dem von den Klägerinnen angegebenen Gegenstandswert der gesamten Abmahnung zu bestimmen (vgl. BGH, GRUR 2010, 744, Rn. 52 - Sondernewsletter; GRUR 2012, 949, Rn. 49 - Missbräuchliche Vertragsstrafe). Von der 1,3-Geschäftsgebühr aus 200.000,00 € in Höhe von 2.360,80 € entfällt demnach nur ein Teilbetrag von 50 % = 1.180,40 € € auf den berechtigten Teil der Abmahnung, woraus sich zuzüglich der pauschalen Kommunikationsauslagen von 20,00 € ein Betrag von 1.200,40 € errechnet, der den Klägerinnen zu gleichen Teilen zusteht.

Ob die Klägerinnen die Rechtsanwaltskosten bereits beglichen haben, kann dahinstehen. Da der Beklagte die Erstattung der Abmahnkosten endgültig und ernsthaft verweigert, hat sich der aus § 257 BGB folgende Freistellungsanspruch der Klägerinnen entsprechend § 250 Satz 2 BGB in einen Zahlungsanspruch umgewandelt.

3. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB. Die Rechtshängigkeit ist mit Eingang der Akten beim Empfangsgericht begründet worden (vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, 30. Aufl., § 696 Rn. 5). Eine rückbezogene Rechtshängigkeit gemäß § 696 Abs. 3 ZPO liegt nicht vor. Die Sache ist nicht "alsbald" in das Streitverfahren abgegeben worden. Nach Erlass des Mahnbescheides vom 20.03.2012 und Einlegung des Widerspruchs am 29.03.2012 haben die Klägerinnen den weiteren Kostenvorschuss am 11.10.2012 eingezahlt, so dass die Akte erst am 17.10.2012 an das Landgericht weitergeleitet worden und dort am 25.10.2012 eingegangen ist.

4. Die Ansprüche der Klägerinnen auf Schadensersatz und Erstattung von Abmahnkosten sind nicht verjährt. Der dreijährige Verjährungsfrist, § 195 BGB, § 102 Satz 1 UrhG a.F., begann nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB Ende des Jahres 2008. Die Rechtsverletzung war zwar bereits am 18.11.2007 eingetreten, die Klägerinnen haben jedoch erst durch die Nachricht der Staatsanwaltschaft Kleve vom 25.03.2008 Kenntnis von der Person des Beklagten erhalten. Grob fahrlässige Unkenntnis hinsichtlich der Providerauskunft der Deutschen Telekom AG ist den Klägerinnen nicht vorzuwerfen. Die Klägerinnen hatten bereits mit der Strafanzeige vom 19.11.2007 für den Fall einer Durchsuchung oder Vernehmung des Verdächtigen Antrag auf Akteneinsicht und ansonsten die Übersendung einer Abschrift der Providerauskunft beantragt.

Die danach eigentlich am 31.12.2011 eintretende Verjährung ist durch die Einleitung des Mahnverfahrens am 23.12.2011 gehemmt worden. Dass eine "alsbaldige" Abgabe der Streitsache i.S.d. § 696 Abs. 3 ZPO unterblieben ist, berührt die Hemmung nicht (s. Palandt-Ellenberger, a.a.O., § 204 Rn. 18).

Nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 ZPO wird die Verjährung durch Zustellung des Mahnbescheides im Mahnverfahren gehemmt. Der Mahnbescheid wurde am 23.12.2011 beantragt, am 20.03.2012 erlassen und am 27.03.2012 zugestellt. Nach § 167 ZPO wirkt die Zustellung auf den Zeitpunkt der Antragseinreichung zurück, sofern sie demnächst erfolgt. Dabei ist die Dauer der Verzögerung gleichgültig, wenn sie nicht vom Antragsteller zu vertreten ist (s. Palandt-Ellenberger, BGB, 74. Aufl., § 204 Rn. 18, 7). Dass die Verzögerung von den Klägerinnen zu vertreten ist, ist nicht feststellbar. Aus ihrem Antwortschreiben vom 19.01.2012 auf eine tags zuvor erhaltene Beanstandung des Mahngerichts vom 11.01.2012 ergibt sich, dass sie lediglich die ihren Anträgen zugrunde liegenden Sachzusammenhänge verdeutlicht haben.

Die durch den Mahnantrag ausgelöste Hemmung endete gemäß § 204 Abs. 2 BGB sechs Monate nach der letzten Verfahrenshandlung der Parteien, hier mit dem Widerspruch des Beklagten vom 29.03.2012, der den Klägerinnen unter dem 17.04.2012 mitgeteilt worden ist. Entscheidend für den Beginn der Frist des § 204 Abs. 2 S. 1 BGB ist der Zeitpunkt des Wirksamwerdens der letzten Verfahrenshandlung, d.h. hier des Eingangs des Widerspruchs beim Amtsgericht am 29.03.2012. Die 6-Monatsfrist lief mithin am 29.09.2012 ab. Zuzüglich der noch verbliebenen acht Tage zwischen dem Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides vom 23.12.2011 und dem Ende der eigentlichen Verjährungsfrist am 31.12.2011 errechnet sich als Fristende zunächst der 07.10.2012. Erst zwei Tage später, am 09.10.2012, ging der - nach § 204 Abs. 2 S. 3 BGB die Hemmung erneut auslösende - Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens bei Gericht ein. Diese Differenz von zwei Tagen wird allerdings durch eine zuvor eingetretene weitere Hemmung von mindestens 14 Tagen ausgeglichen. Nach § 203 Satz 1 BGB ist die Verjährung nämlich auch gehemmt, solange zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände schweben, bis der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert. Für eine Verhandlung im Sinne dieser Vorschrift genügt jeder Meinungsaustausch über die Angelegenheit zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichteten, sofern nicht sofort und eindeutig jeder Ersatz abgelehnt wird. Verhandlungen schweben deshalb bereits dann, wenn der in Anspruch Genommene Erklärungen abgibt, die die Gegenseite berechtigterweise annehmen lassen, er werde sich auf eine Erörterung über die Berechtigung des Anspruchs einlassen. Nicht erforderlich ist, dass dabei eine Vergleichsbereitschaft oder eine Bereitschaft zum Entgegenkommen signalisiert wird (s. Palandt-Ellenberger, BGB, 74. Aufl., § 203 Rn. 2 m.w.N.). Hier hat der Beklagte auf die Abmahnung der Klägerinnen vom 08.05.2008 hin mit Anwaltsschriftsatz vom 16.05.2008 eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben, jedoch den geforderten Pauschalbetrag von 6.000,00 € nicht gezahlt, sondern eine wirksame Bevollmächtigung angezweifelt und angekündigt, er werde nach Vorlage der Vollmachtsurkunde innerhalb von zwei Wochen auf das "restliche Vorbringen" erwidern. Der Beklagte hatte sich daher aus Sicht der Klägerinnen jedenfalls für einen Zeitraum von zwei Wochen nach dem 16.05.2008 zu Verhandlungen über die in der Abmahnung geltend gemachten und durch die Unterlassungserklärung noch nicht befriedigten Ansprüche bereit erklärt.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Senat hat die Revision wegen der mit der Sache aufgeworfenen grundsätzlichen Fragen und im Interesse der Rechtsvereinheitlichung durch Entwicklung höchstrichterlicher Leitlinien zugelassen, § 543 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO. Insbesondere die Fragen zur Reichweite der gegen den Inhaber eines Internetanschlusses sprechenden tatsächlichen Vermutung in den Fällen, in denen Familienangehörige den Anschluss mit nutzten, ist in einer Vielzahl ähnlich gelagerter Fälle zu beurteilen.






OLG Köln:
Urteil v. 06.02.2015
Az: 6 U 209/13


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