Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. Mai 2005
Aktenzeichen: 33 W (pat) 206/03

(BPatG: Beschluss v. 10.05.2005, Az.: 33 W (pat) 206/03)

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 36 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 24. Juni 2003 aufgehoben, soweit die Anmeldung für die Dienstleistung Werbungzurückgewiesen worden ist.

2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I Am 17. April 2002 ist beim Deutschen Patent- und Markenamt die Wortmarke FINANZDOC für folgende Dienstleistungen angemeldet worden:

Unternehmensverwaltung, Geschäftsführung, Büroarbeiten und Werbung; Versicherungswesen, Finanzwesen, Geldgeschäfte und Immobilienwesen.

Mit Beschluss vom 24. Juni 2003 hat die Markenstelle für Klasse 36 durch eine Beamtin des gehobenen Dienstes die Anmeldung nach §§ 37, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen. Nach Auffassung der Markenstelle setzt sich die angemeldete Marke in sprachüblicher Weise aus den Bestandteilen "FINANZ" ("Finanz- und Geldwesen") und "DOC" ("Document") zusammen und stellt für die beanspruchten Dienstleistungen eine beschreibende Angabe im Sinne von "Finanzdokument / Zertifikat" dar. Derartige Dokumente bzw. Zertifikate seien als beweisende Urkunden in jeder Finanz- und Unternehmensverwaltung, besonders auf dem Gebiet des Versicherungs- und Immobilienwesens wichtig. Sie werde ohne weiteres als eindeutig beschreibende Sachaussage verstanden, so dass ihr die erforderliche Unterscheidungskraft fehle.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Anmelders, mit der er sinngemäß beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben.

Zur Begründung führt er aus, dass die angemeldete Marke nicht Eingang in die deutsche Umgangssprache gefunden habe. Sie könne zudem in höchst unterschiedlicher Form verstanden werden und sei insoweit interpretationsbedürftig, mithin unterscheidungskräftig. So sei nicht nur die im angefochtenen Beschluss aufgeführte Bedeutung "Finanzdokument/-zertifikat" möglich, sondern im Hinblick auf die Bedeutung von "DOC" als englische Bezeichnung "Doctor" etwa auch "Finanzarzt", womit eine Unterstützung auf dem Gebiet der Finanzanlagen / finanzielle Beratung symbolisiert werde. Auf dem betroffenen Dienstleistungsbereich sei die Wortbildung als ungewöhnlich anzusehen. Auch eine Recherche im Internet und in Nachschlagewerken zeige, dass es sich bei der Bezeichnung "FINANZDOC" um eine Neukreation des Anmelders handele. Insofern unterscheide sie sich von Bezeichnungen wie etwa "Finanzkauf". Die Markenstelle habe fälschlich eine zergliedernde Betrachtung zu Grunde gelegt. Es müsse vielmehr die konkrete Wortneuschöpfung betrachtet werden, hinsichtlich derer nicht von einem Mangel jeglicher Unterscheidungskraft ausgegangen werden könne. Ergänzend verweist der Anmelder auf die Voreintragung der Bezeichnung "Finanz-Arzt" durch das Deutsche Patent- und Markenamt.

Dem Anmelder sind Kopien einer Senatsrecherche übersandt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II Die Beschwerde ist nur teilweise begründet.

1. Hinsichtlich der Dienstleistungen "Unternehmensverwaltung, Geschäftsführung, Büroarbeiten; Versicherungswesen, Finanzwesen, Geldgeschäfte und Immobilienwesen" geht der Senat mit der Markenstelle vom Vorliegen des Eintragungshindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG aus.

Entsprechend der Hauptfunktion der Marke, dem Verbraucher oder Endabnehmer die Ursprungsidentität der durch die Marke gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu garantieren, ist unter Unterscheidungskraft im Sinne dieser Vorschrift die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung zu verstehen, Waren oder Dienstleistungen als von einem Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie somit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. EuGH GRUR 2002, 804 Nr. 35 Philips/Remington; GRUR 2004, 428 Nr. 30, 48 - Henkel). Die Unterscheidungskraft ist zum einen im Hinblick auf die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen zum anderen im Hinblick auf die beteiligten Verkehrskreise zu beurteilen, wobei auf den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist. Kann einer Wortmarke ein für die fraglichen Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden oder handelt es sich sonst um ein gebräuchliches Wort der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache, das vom Verkehr - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so ergibt sich daraus ein tatsächlicher Anhalt dafür, dass ihr jegliche Unterscheidungskraft fehlt (vgl. BGH GRUR 2003, 1050, 1051 - Cityservice).

Der Senat stimmt insoweit mit der Auffassung des Anmelders überein, als die angemeldete Bezeichnung "FINANZDOC" im Verkehr sowohl als "Finanzdoktor" als auch als "Finanzdokument" verstanden werden kann. So wird der durch amerikanische Filme und Literatur an vielfältige Anglizismen und englische Abkürzungen gewöhnte Verkehr (z.B. "Doc Holliday", "Is« was Doc€") das Wort "Doc" i.d.R. ohne weiteres als Kurzform für das Wort "Doctor" verstehen, das - ebenso wie sein deutsches Pendant "Doktor" - zwar eigentlich einen akademischen Titel bezeichnet, in der deutschen wie in der englischen Umgangssprache jedoch häufig für "Arzt/Mediziner" verwendet wird. Dabei konnte die ausgeschriebene (deutsche) Variante "Finanzdoktor" mehrfach belegt werden, was dafür spricht, dass der Verkehr auch die angemeldete Kurzform "FINANZDOC" in diesem Sinne versteht. So heißt es in verschiedenen Internetseiten:

www.ptaag.de/service/ausbildung/Junior_Berater_2.asp: "In Deutschland setzt sich, wie in anderen europäischen Ländern, parallel zum Steuerberater für Steuerprobleme, Rechtsberater für Rechtsprobleme, Hausarzt im Gesundheitsbereich, der unabhängige Berater, also der "Finanzdoktor" für die privaten Finanzen immer mehr durch. Eine entsprechende Gesetzgebung ist in Vorbereitung. Der Wirtschaftsberater ist also ein Beruf mit Zukunft, ..."

www.ptaag.de/philosophie/3.asp: Nach der individuellen Bestandsaufnahme durch den Finanzdoktor wird der Sollzustand ermittelt ...";

www.skfinanzservice.de/wir.htm: "Ähnlich dem Hausarzt, so sehen wir uns als "Finanzdoktor". Unser Kunde hat dadurch nicht nur finanzielle Vorteile ...";

www.wpoepsel.de/seiten/ueberuns/ueberuns1-2.htm: "Die Vorgehensweise des "Finanzdoktors" ist vergleichbar mit der des Hausarztes, Rechtsberaters oder des Steuerberaters." ... "Ein weiterer elementarer Punkt der Wirtschaftsberatung durch den Finanzdoktor stellt die Vermögenssicherung dar. In dem Dschungel von über 300 Versicherungsgesellschaften mit über 1000 Versicherungsangeboten sucht der Finanzdoktor jeweils die ...";

www.polymarket.de/das_unternehmen/wirkoennen.htm: "Jeder kann Vermögen bilden. Wir - als Ihr Finanzdoktor - haben sie: ...".

Angesichts dieser Beliebtheit der rein beschreibenden Verwendung von "Finanzdoktor" ist davon auszugehen, dass der Verkehr auch die angemeldete Marke "FINANDOC" ohne Weiteres als Kurzbezeichnung für einen um das finanzielle Wohlergehen des Kunden bemühten Wirtschafts- oder Finanzberater versteht, wenn sie ihm als Kennzeichnung von Dienstleistungen begegnet, die direkt oder indirekt der Sicherung und/oder Mehrung des Kundenvermögens dienen sollen, also "Unternehmensverwaltung, Geschäftsführung, Versicherungswesen, Finanzwesen, Geldgeschäfte und Immobilienwesen". Für diese Dienstleistungen stellt die angemeldete Marke nur eine beschreibende Bezeichnung der Art des Dienstleistungserbringers dar, so dass ihr insoweit die Eignung zur betrieblichen Herkunftsunterscheidung fehlt.

Ähnliches gilt für Büroarbeiten, wobei für diese Dienstleistungen jedoch der Bedeutungsgehalt eines Finanzdokuments im Vordergrund steht. Auch hierfür hat der Senat tatsächliche Anhaltspunkte gefunden, die auf ein entsprechendes Verkehrsverständnis hindeuten. So lässt sich im angloamerikanischen Sprachraum vielfach die ähnlich gebildete Wortfolge "finance doc" auffinden, die offensichtlich eine Kurzform für "finance document", also "Finanzdokument" darstellt, z.B.:

www.foi.nhs.uk/forum/index.php€ProjectID=001&TopickID=000073: "Finance info should be on a finance doc."

www.somersworth.com/document.html: (jeweils Tabellenüberschriften:) "Finance Docs ... Planning Docs. ... Other";

http://blogs.temb.com/davenottage/: "I signed the finance docs on October 14th.".

Bereits dies spricht dafür, dass die angemeldete Marke "FINANZDOC" in Zusammenhang mit Arbeiten, die den Umgang mit Papier- oder elektronischen Dokumenten einschließen, als "Finanzdokument" verstanden wird. Da Büroarbeiten zunehmend EDV-gestützt erledigt werden, was zumindest Grundkenntnisse der für entsprechende Arbeiten relevanten englischen EDV-Fachwörter bedingt, ist auch z.B. bei Schreibkräften oder Aktenverwaltern davon auszugehen, dass ihnen das Wort "document" ebenso wie die Kurzform "doc" als Bezeichnung für "Dokument" geläufig ist, zumal die englischen Begriffe auch hier den deutschen Pendants weitestgehend entsprechen.

Hinzu kommt, dass sich auf deutschsprachigen Internetseiten zwar nicht das angemeldete Wort identisch auffinden ließ, jedoch zeigt auch z.B. die Verwendung der fast identischen Form "Finanzdok." als offensichtliche Abkürzung von "Finanzdokument", dass der Verkehr die angemeldete Marke ebenfalls in diesem Sinne verstehen wird (vgl. http://help.sap.com/saphelp_46c/helpdata/de/93/744a...: (unter der Überschrift "Zuordnung von Finanzdokumenten zu Vertriebsbelegen"): Um sich eine Liste der Prüfungen anzeigen zu lassen, die das System zwischen dem Kundenauftrag und dem zugeordneten Finanzdokument durchgeführt hat, wählen Sie Finanzdok. im Fakturabild der Kopfdaten im Kundenauftrag").

Demnach wird der Verkehr auf dem Gebiet der Büroarbeiten, wenn ihm die angemeldete Bezeichnung als Kennzeichnung von Büroarbeiten entgegentritt, unschwer den Bedeutungsgehalt "Finanzdokument" erkennen. Die angemeldete Marke weist auch insoweit einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Gehalt über die Art der Dokumente auf, auf die sich die Dienstleistungen richten.

Soweit der Anmelder geltend machen will, dass sich aus den o.g. Begriffsinhalten "Finanzdoktor" und "Finanzdokument" eine Mehrdeutigkeit ergibt, kann hieraus die Unterscheidungskraft nicht hergeleitet werden. Denn zum einen wird aus dem konkreten Zusammenhang, in dem die Bezeichnung jeweils für bestimmte Dienstleistungen verwendet wird, deutlich, welcher Bedeutungsgehalt im Einzelfall im Vordergrund steht (vgl. a. BPatG GRUR 2000, 330 - Ziffer 128). Zum anderen kann die bloße Mehrdeutigkeit im Sinne von unterschiedlichen, jeweils aber beschreibenden Bedeutungen, im Lichte der jüngeren höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht mehr als die Unterscheidungskraft begründend angesehen werden. Denn jedenfalls unter Anwendung des Art. 7 Abs. 1 c) GMV, der dem § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entspricht, hat der Europäische Gerichtshof festgestellt, dass ein Wortzeichen nach dieser Bestimmung von der Eintragung ausgeschlossen werden kann, wenn es in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal der in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen bezeichnet (EuGH GRUR 2004, 146 - Doublemint). Zwar geht es hier um die Frage der Unterscheidungskraft i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Da aber bei beiden Tatbeständen des § 8 Abs. 2 Nr. 1 u. 2 MarkenG im Ansatz gleichermaßen auf das Verkehrsverständnis abzustellen ist, d.h. ob die beteiligten Verkehrskreise das Zeichen in Zusammenhang mit den beanspruchten Waren oder Dienstleistungen als beschreibende Angabe auffassen, vermag der Senat insoweit keinen durchgreifenden Unterschied zwischen den beiden Eintragungshindernissen zu sehen. Die Grundsätze zur Auswirkung einer Mehrdeutigkeit können daher auch auf die Prüfung der Unterscheidungskraft übertragen werden.

Die Beschwerde war damit teilweise zurückzuweisen.

2. Im Übrigen, nämlich hinsichtlich der Dienstleistung "Werbung" hält der Senat die angemeldete Marke für hinreichend unterscheidungskräftig und nicht rein beschreibend. Absolute Schutzhindernisse gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG stehen der Eintragung der Anmeldemarke gemäß §§ 33 Abs. 2, 41 MarkenG insoweit nicht entgegen.

So sind zunächst keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte ersichtlich, die die Annahme eines Freihaltungsbedürfnisses i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG rechtfertigen können. Nach dieser Vorschrift sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung, der geographischen Herkunft, der Zeit der Herstellung der Waren oder der Erbringung der Dienstleistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können.

Soweit für die angemeldete Marke die Bedeutung "Finanzdoktor" in Betracht kommt, wirkt die Bezeichnung "FINANZDOC" als Kennzeichnung von Werbedienstleistungen zwar einerseits, als bezeichne sich ihr Erbringer als "Finanzdoktor", insoweit handelt es sich aber gerade nicht um die (sachlichbeschreibende) Bezeichnung eines Werbetreibenden, also einer Werbeagentur o.Ä. Allenfalls wird ein solcher Finanzdoktor Werbung für seinen eigenen Betrieb machen, was aber gerade keine Erbringung einer Dienstleistung für einen Dritten ist.

Auch soweit der Bedeutungsgehalt "Finanzdokument" in Betracht kommt, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die angemeldete Marke vom Verkehr ohne Weiteres als beschreibende Angabe von Werbedienstleistungen aufgefasst wird.

Insbesondere erscheint es abwegig, dass Finanzdokumente, die zudem häufig vertrauliche Informationen enthalten, Gegenstand irgendeiner Vermarktung sind.

Nach Auffassung des Senats weist die angemeldete Marke auch die erforderliche Unterscheidungskraft auf (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG). Nachdem die angemeldete Bezeichnung für "Werbung" keinen im Vordergrund stehenden beschreibenden Bedeutungsgehalt aufweist (s.o.) und es sich auch sonst nicht um ein gebräuchliches Wort der deutschen Alltagssprache handelt, ist nicht erkennbar, dass sie für Werbung nicht als betrieblicher Herkunftshinweis dienen kann. Hierfür hat der Senat jedenfalls keine tatsächlichen Anhaltspunkte auffinden können.

Der Beschwerde war damit teilweise stattzugeben.

Winkler Dr. Hock Kätker Cl






BPatG:
Beschluss v. 10.05.2005
Az: 33 W (pat) 206/03


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/fe95db5071d6/BPatG_Beschluss_vom_10-Mai-2005_Az_33-W-pat-206-03




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share