Landgericht Köln:
Urteil vom 3. November 2010
Aktenzeichen: 91 O 156/09

(LG Köln: Urteil v. 03.11.2010, Az.: 91 O 156/09)

Tenor

Die in der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten am 17.08.2009 vorschlagsgemäß gefassten Beschlüsse zu den Tagesordnungspunkten 2.) - 4.) mit nachfolgendem Wortlaut werden für nichtig erklärt:

2. Verwendung des BilanzgewinnsVorstand und Aufsichtsrat schlagen vor, den Bilanzgewinn des Geschäftjahres 2008 in Höhe von € 455.750,36 in die anderen Gewinnrücklagen einzustellen.

3. Beschlussfassung über die Entlastung

a) des Vorstandes

b) des Aufsichtsrates

für das Geschäftsjahr 2008. Vorstand und Aufsichtsrat schlagen vor, die Entlastung zu erteilen.

4. Neuwahlen zum Aufsichtsrat

Mit Ablauf der ordentlichen Hauptversammlung scheiden durch Amtsablauf die Herren Dr. Q, C und R aus dem Aufsichtsrat aus.

Der Aufsichtsrat schlägt vor, Herrn Dr. Q, Rechtsanwalt und Steuerberater, Köln bis zum Ablauf der Hauptversammlung, die über die Entlastung für das Geschäftsjahr 2013 beschließt, wiederzuwählen.

Aus dem Aktionärskreis ist vorgeschlagen, Herrn E und T bis zum Ablauf der Hauptversammlung, die über die Entlastung für das Geschäftsjahr 2013 beschließt, in den Aufsichtsrat zu wählen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von 70.000,00 € vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klägerin und die Streithelferin sind Minderheitsaktionäre der Beklagten, deren Mehrheitsaktionär die Firma S2 eG mit 99,59 % des Aktienbesitzes ist. Am 16.07.2009 veröffentlichte die Beklagte im elektronischen Bundesanzeiger die Einladung zu einer Hauptversammlung am 17.08.2009 und teilte die Tagesordnung und Vorschläge zur Beschlussfassung, u.a. auch zu den streitgegenständlichen Tagesordnungspunkten, mit. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage K 1 (Blatt 1 f. des Anlagenhefters) Bezug genommen. Den zu veröffentlichenden Text hatte der Vorstand der Beklagten am 09.07.2009 bei dem elektronischen Bundesanzeiger zur Veröffentlichung eingereicht.

In der Hauptversammlung vom 17.08.2009 war die Klägerin durch ihren Geschäftsführer Y vertreten. Ferner war der Zeuge N anwesend, der die Klägerin mit Fremdbesitzkarten in der Hauptversammlung vertreten sollte. Ausweislich des Schreibens der Z vom 16.06.2010 (Blatt 48 des Anlagenhefters) bezog sich die auf Herrn N ausgestellte Eintrittskarte auf 319 Stück Aktien der Klägerin.

In der Hauptversammlung wurden u.a. die streitgegenständlichen Hauptversammlungsbeschlüsse gefasst. Ausweislich des von dem Aufsichtsratsvorsitzenden Dr. Q verfassten privatschriftlichen Protokolls meldeten die Streithelferin sowie der Zeuge N zu den streitgegenständlichen Beschlüssen Widerspruch an. Ein Widerspruch des Geschäftsführers der Klägerin persönlich ist in dem vorgenannten Protokoll nicht vermerkt. Die Klägerin behauptet, auch ihr Geschäftsführer habe gegen die genannten Hauptversammlungsbeschlüsse Widerspruch zu Protokoll erklärt. Sie ist der Auffassung, im übrigen genüge bereits der Widerspruch des Herrn N für ihre Anfechtungsbefugnis gemäß § 245 Nr. 1 AktG.

Die angefochtenen Beschlüsse zur Thesaurierung des Bilanzgewinns, zur Entlastung des Vorstands und des Aufsichtsrates sowie zu den Neuwahlen des Aufsichtsrates hält die Klägerin für rechtswidrig. Die Einladungsfrist sei nicht eingehalten. Auch seien die Bedingungen der Teilnahme und für die Ausübung des Stimmrechts entgegen § 121 Abs. 3 AktG unzutreffend in der Einladung angegeben. Zudem fehle ein Hinweis nach § 125 Abs. 1 S. 2 AktG, das eine Vertretung der Aktionäre,insbesondere durch eine Aktionärschutzvereinigung, möglich sei.

Die Klägerin beantragt,

wie erkannt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bestreitet die Anfechtungsbefugnis der Klägerin. Zwar habe der als Legitimationsaktionär anwesende Herr N Widerspruch zur Niederschrift der Hauptversammlung erklärt. Es müsse aber mit Nichtwissen bestritten werden, dass es sich bei den von Herrn N vertretenen Aktien um solche der Klägerin gehandelt habe. Abgesehen davon könne der Widerspruch des Herrn N die Anfechtungsbefugnis ohnehin nicht begründen.

Ein Verstoß gegen § 121 Abs. 3 AktG liege nicht vor, weil die Satzungsbestimmungen in der Einladungsbekanntmachung inhaltlich zutreffend wiedergegeben seien. Soweit der Text der Einladung fehlerhaft sei, seien diese Fehler offenkundig und deshalb ohne Relevanz. Dass in der Einladung oder in der Benachrichtigung nach § 125 Abs. 1 S. 2 AktG die Möglichkeit, sich durch einen Bevollmächtigten vertreten zu lassen, nicht ausdrücklich erwähnt sei, sei ebenfalls ohne Belang, weil sich dies schon aus § 134 Abs. 3 AktG ohne weiteres ergebe. Abgesehen davon hätten die Voraussetzungen des § 125 Abs. 1 S. 2 AktG nicht vorgelegen, weil in der vorangegangenen Hauptversammlung vom 26.06.2008 keine Kreditinstitute oder Vereinigungen von Aktionären Stimmrechte für Aktionäre ausgeübt hätten, die die Mitteilung im Sinne von § 125 Abs. 1 S. 1 AktG verlangt hätten. Dass in den Teilnahmebedingungen von einer Wertpapierbank statt wie richtig Wertpapiersammelbank die Rede gewesen sei, sei eine offensichtliche Unrichtigkeit, die für jedermann erkennbar gewesen sei.

Zwar sei es richtig, dass die Einladung gemäß § 123 AktG und § 18 Abs. 1 der Satzung zu spät veröffentlicht worden sei. Es sei richtig, dass die Einladung spätestens am 10.07.2009 hätte erfolgen müssen. Bereits am 09.07.2009 habe der Vorstand der Beklagten jedoch die Einladung zur Veröffentlichung beim elektronischen Bundesanzeiger eingereicht. Dies sei rechtzeitig gewesen. Die danach eingetretene Verspätung sei durch den elektronischen Bundesanzeiger zu vertreten und könne der Beklagten nicht angelastet werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.

E n t S c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die Klage ist begründet. Die angefochtenen Beschlüsse sind jedenfalls wegen Nichteinhaltung der Einladungsfrist für nichtig zu erklären, weshalb es auf die Frage einer Nichtigkeit nach § 121 Abs. 3 AktG i.V.m. § 241 AktG nicht ankommt. Ein wirksamer Bestätigungsbeschluss nach § 244 AktG liegt nicht vor.

Die Klägerin ist anfechtungsbefugt. Der Widerspruch zur Niederschrift durch den Zeugen N genügt hierfür. Denn wie sich aus der Bestätigung des Bankhauses Trinkaus vom 16.06.2010 (Anlage K 8, Blatt 48 des Anlagenhefters) ergibt, vertrat Herr N 319 Aktien der Klägerin. Es genügt für die Anfechtungsbefugnis des Aktionärs, wenn der für ihn in der Hauptversammlung erschienene Stellvertreter oder Legitimationsaktionär Widerspruch gegen einen von der Hauptversammlung gefassten Beschluss erklärt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Stellvertretung offen oder verdeckt ist. Auch im Fall der verdeckten Stellvertretung wird die Anfechtungsbefugnis der vertretenen Aktionäre begründet (vgl. Hüffer, AktG, 8. Auflage, § 245 Rdnr. 12).

Die in der Hauptversammlung gefassten Beschlüsse sind sämtlich rechtswidrig, weil die Einladungsfrist des § 123 Abs. 1, 2 AktG i.V.m. § 18 Abs. 1 der Satzung nicht eingehalten worden ist. Dies ist unstreitig. Denn die Veröffentlichung der Einladung am 16.07.2009 erfolgte auch nach Auffassung der Beklagten verspätet. Die Einladung hätte bereits am 10.07.2009 veröffentlicht werden müssen.

Die Entschuldigung der Beklagten, sie habe die Einladung am 09.07.2009, also einen Tag vor Ablauf der Ladungsfrist, zum elektronischen Bundesanzeiger gegeben, genügt nicht. Es ist Sache der Verwaltung für eine rechtzeitige Einladung sämtlicher Aktionäre Sorge zu tragen. Dazu gehört, dass die Verwaltung alles tun muss, um die Einladungsfristen einzuhalten. Bei der bekannten Arbeitsweise des elektronischen Bundesanzeigers, wie sie sich aus den "Informationen zur elektronischen Auftragsabwicklung im ebundesanzeiger" (Anlage K 3, Blatt 25 ff. des Anlagenhefts) ergibt, kann ein Kunde in der Regel nicht damit rechnen, dass Veröffentlichungsaufträge am nächsten Tag erledigt werden. Hierzu heißt es auf Seite 4 der vorgenannten Informationen, dass selbst bei Beauftragung der schnellstmöglichen Veröffentlichung - dass ein solcher Auftrag erfolgt wäre, ist bereits seitens der Beklagten nicht dargetan - nicht mit einer Veröffentlichung am nächsten Erscheinungstag, sondern erst am übernächsten Erscheinungstag gerechnet werden kann (vgl. Blatt 28 des Anlagenhefters). Bei dieser Sachlage genügte es selbstverständlich nicht, dass der Vorstand der Beklagten erst einen Tag vor Ablauf der Einladungsfrist den Veröffentlichungsauftrag erteilt hat, zumal dies noch ohne jeden Hinweis darauf erfolgte, dass die Veröffentlichung schnellstmöglich erfolgen solle.

Der Verstoß gegen die Einhaltung der Einladungsfrist ist auch relevant. Bei einem solchen Verstoß ist die Relevanz in der Regel zu bejahen (vgl. Hüffer, a.a.O., § 243 Rdnr. 15). Irgendwelche Gesichtspunkte, aus denen die Relevanz ausnahmsweise nicht vorliegen soll, hat die Beklagte nicht dargelegt.

Ein Bestätigungsbeschluss gemäß § 244 AktG liegt nicht vor. Zwar könnte durch einen wirksamen Bestätigungsbeschluss der lediglich zur Anfechtbarkeit führende Verstoß gegen § 123 AktG geheilt werden. Ein solcher Bestätigungsbeschluss liegt allerdings nicht vor. Dabei kann offenbleiben, ob die in der nachgängigen Hauptversammlung im Dezember 2009 gefassten Beschlüsse überhaupt Bestätigungsbeschlüsse im Sinne des § 244 AktG sind. Denn jedenfalls sind auch diese Beschlüsse nicht wirksam gefasst, sondern auf die Anfechtung der hiesigen Klägerin und der Streithelferin für nichtig erklärt. Insoweit verweist das Gericht auf ihr Urteil in dem Rechtsstreit 91 O 4/10 vom heutigen Tage, welches den Parteien bekannt ist.

Sind damit aufgrund des Verstoßes gegen § 123 AktG sämtliche in der Hauptversammlung vom 17.08.2009 gefassten Beschlüsse, mithin auch die streitgegenständlichen für nichtig zu erklären, kommt es auf weitere Anfechtungs- oder Nichtigkeitsgründe nicht mehr an. Insbesondere kann deshalb offen bleiben, ob die zahlreichen Fehler im Text der Einladung die Nichtigkeit sämtlicher Beschlüsse nach § 241 AktG begründen.

Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 91, 709 ZPO.

Streitwert: 50.000,00 Euro.






LG Köln:
Urteil v. 03.11.2010
Az: 91 O 156/09


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