Bundespatentgericht:
Urteil vom 13. August 2002
Aktenzeichen: 3 Ni 66/00

(BPatG: Urteil v. 13.08.2002, Az.: 3 Ni 66/00)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat in der vorliegenden Gerichtsentscheidung ein europäisches Patent für nichtig erklärt, weil es nicht patentfähig ist. Das Patent betrifft eine Kombination von Hepatitis-C-Virus (HCV)-Epitopsequenzen zur Anwendung in Immunoassays für Anti-HCV-Antikörper. Die Klägerin hatte geltend gemacht, dass das Patent nicht ausführbar und nicht neu sei. Das Gericht stellte fest, dass die Entgegenhaltung D 4 neuheitsschädlich sei, da sie bereits eine ähnliche Kombination von HCV-Antigenen beschreibt. Der Patentinhaber kann auch keine Priorität für das Patentanspruch in Anspruch nehmen. Daher wird das Patent mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Urteil v. 13.08.2002, Az: 3 Ni 66/00


Tenor

Das europäische Patent 0 450 931 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 3. April 1991 angemeldeten und ua mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland in der Verfahrenssprache Englisch erteilten europäischen Patents 0 450 931 (Streitpatent), für das die Priorität der amerikanischen Patentanmeldung 504352 vom 4. April 1990 in Anspruch genommen worden ist.

Das Streitpatent, das vom Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer 691 20 138 geführt wird und Kombinationen von Hepatitis-C-Virus(HCV)-Antigenen zur Anwendung in Immunoassays für Anti-HCV-Antikörper betrifft, umfasst 10 Patentansprüche. Patentanspruch 1 lautet in deutscher Übersetzung:

"Kombination von Hepatitis-C-Virus-(HCV)-Epitopsequenzen in einem oder mehreren Polypeptid(en), hergestellt durch chemische Synthese oder rekombinante Expression, immobilisiert auf der Oberfläche einer festen Matrix, mit der Eignung zum Nachweis von HCV in einem Immunoassay, umfassend:

(a) eine erste Epitopsequenz aus der C-Domäne des HCV-Polyproteins;

(b) eine zweite Epitopsequenz aus einer zweiten Domäne des HCV-Polyproteins, wobei die Domäne:

(i) die NS3-Domäne des HCV-Polyproteins;

(ii) die NS4-Domäne des HCV-Polyproteins; oder

(iii) die NS5-Domäne des HCV-Polyproteins ist; und

(c) eine dritte Epitopsequenz aus einer dritten Domäne des HCV-Polyproteins, wobei die Domäne:

(i) die NS3-Domäne des HCV-Polyproteins;

(ii) die NS4-Domäne des HCV-Polyproteins; oder

(iii) die NS5-Domäne des HCV-Polyproteins ist;

wobei die dritte Domäne sich von der zweiten unterscheidet; mit der Maßgabe, dass die Kombination nicht das Peptid p1 mit C 100-3, das Peptid p35 mit C 100-3 oder das Peptid p99 mit C 100-3 ist."

Patentanspruch 9, der ein Verfahren zum Nachweis von Antikörpern gegen das HC-Virus betrifft, lautet:

"Verfahren zum Nachweis von Antikörpern gegen das Hepatitis-C-Virus (HCV) in einer Körperkomponente eines Säugers, der vermutlich die Antikörper enthält, wobei man die Körperkomponente mit der Kombination nach einem der Ansprüche 1 bis 8 unter Bedingungen in Kontakt bringt, die eine Antikörper-Antigen-Reaktion erlauben, und die Anwesenheit von Immunkomplexen aus den Antikörpern und den Polypeptid-Epitopsequenzen nachweist."

Der ein Kit betreffende Patentanspruch 10 lautet:

"Kit zur Durchführung eines Assays zum Nachweis von Antikörpern gegen das Hepatitis-C-Antigen (HCV) in einer Körperkomponente eines Säugers, der vermutlich die Antikörper enthält, umfassend in abgepackter Kombination:

(a) die Kombination aus HCV-Epitopsequenzen nach einem der Ansprüche 1 bis 9;

(b) Standard-Kontrollreagentien; und

(c) Anweisungen zur Durchführung des Assays."

Die Klägerin macht geltend, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig, weil die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbart sei, dass ein Fachmann sie ausführen könne. Der Gegenstand des Streitpatents sei zudem weder neu, noch beruhe er auf erfinderischer Tätigkeit und sei im Hinblick auf den Patentanspruch 9 auch nicht gewerblich anwendbar. Schließlich sei das Streitpatent gegenüber dem Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung in unzulässiger Weise erweitert. Die Patentinhaberin nehme die Priorität der amerikanischen Patentanmeldung im übrigen zu unrecht in Anspruch, so dass maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Patentfähigkeit das Datum der Anmeldung des Streitpatents sei. Zur Begründung verweist die Klägerin auf die Anlagen D 1 bis D 17.

Die Klägerin beantragt, das europäische Patent 0 450 931 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise, dem Streitpatent die in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Fassungen der Patentansprüche nach einem der Hilfsanträge 1, 2, 3, 3a, 4 und 5 zugrunde zu legen.

Sie tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen und hält das Streitpatent unter Berufung auf die Anlagen B 1 bis B 17 für patentfähig.

Gründe

Die zulässige Klage erweist sich als begründet.

Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit führt zur Nichtigerklärung des Streitpatents mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland, Art II 6 Abs 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art 138 Abs 1 lit a EPÜ.

I 1. Das Streitpatent betrifft eine Kombination von HCV-Epitop-Sequenzen in einem oder mehreren Polypeptiden, die durch chemische Synthese oder rekombinante Expression hergestellt werden sowie ein Verfahren zum Nachweis von Antikörpern gegen HCV in einer Körperkomponente und ein Kit zur Durchführung eines Assays zum Nachweis von Antikörpern gegen HCV.

Spezifische Nachweis- und Screeningverfahren für den Nachweis einer Non A - NonB-Hepatitis (NANBH) bzw von entsprechend kontaminiertem Blut oder Blutprodukten haben große Bedeutung insbesondere für die Transfusionsmedizin. NANBH ist überwiegend für die Posttransfusionshepatitis verantwortlich und kann zu einer chronischen Leberschädigung führen. Sowohl die Behandlung von Patienten als auch die Vermeidung von Übertragung der NANBH erfordern zuverlässige diagnostische und prognostische Mittel zum Nachweis von Nucleinsäuren, Antigenen und Antikörpern, die mit dem NANBH-Virus im Zusammenhang stehen. Darüber hinaus besteht Bedarf an wirksamen Vakzinen und immuntherapeutischen Mitteln zur Vorbeugung und/oder Behandlung der Krankheit. Mit Hilfe rekombinanter Verfahren war es bereits gelungen, HCV-cDNA Sequenzen zu klonieren und entsprechende Polypeptide zu exprimieren, die ua auf ihre Eignung zum immunologischen Nachweis von anti-HCV-Antikörpern in Patientensera getestet wurden (vgl zB Anl. D 9: EP 318 216 A1).

2. Aufgabe des Streitpatents ist es, Kombinationen von HCV-Antigenen zu identifizieren, mit denen ein effizienterer Nachweis von HCV-Antikörpern als mit einem einzigen HCV-Polypeptid geführt werden kann.

3. Zur Lösung beschreibt Patentanspruch 1 1. eine Kombination von HCV-Epitopsequenzen 1.1. in einem Polypeptid oder 1.2. in mehreren Polypeptiden, 2. hergestellt durch 2.1. chemische Synthese oder 2.2. rekombinante Verfahren 3. immobilisiert auf der Oberfläche einer festen Matrix, 4. mit der Eignung zum Nachweis von HCV in einem Immunoassay, umfassend 5. eine erste Epitop-Sequenz aus der C-Domäne des HCV-Polyproteins, 6. eine zweite Epitop-Sequenz aus einer zweiten Domäne des HCV-Polyproteins, wobei die zweite Domäne 6.1. die NS3-Domäne des HCV-Polyproteins oder 6.2. die NS4-Domäne des HCV-Polyproteins oder 6.3. die NS5-Domäne des HCV-Polyproteins ist, und 7. eine dritte Epitop-Sequenz aus einer dritten Domäne des HCV-Polyproteins, wobei die dritte Domäne 7.1. die NS3-Domäne des HCV-Polyproteins oder 7.2. die NS4-Domäne des HCV-Polyproteins oder 7.3. die NS5-Domäne des HCV-Polyproteins ist, 8. wobei sich die dritte Domäne von der zweiten unterscheidet, 9. mit der Maßgabe, dass die Kombination nicht 9.1. das Peptid p1 mit C 100-3 oder 9.2. das Peptid p35 mit C 100-3 oder 9.3. das Peptid p99 mit C 100-3 ist.

Nach Patentanspruch 9 besteht die Lösung in einem Verfahren zum Nachweis von Antikörpern gegen das Hepatitis-C-Virus (HCV)

A. in einer Körperkomponente eines Säugers, der vermutlich die Antikörper enthält, B. wobei man die Körperkomponente unter Bedingungen, die eine Antikörper-Antigen-Reaktion erlauben, in Kontakt bringt, B. 1. mit einer Kombination nach einem der Ansprüche 1 bis 8 und C. die Anwesenheit von Immunkomplexen aus den Antikörpern und den Polypeptid-Epitop-Sequenzen nachweist.

Als weitere Lösung beschreibt Patentanspruch 10 ein Kit in abgepackter Kombination zur Durchführung eines Assaysa. zum Nachweis von Antikörpern gegen das Hepatitis-C-Antigen (HCV) b. in einer Körperkomponente eines Säugers, der vermutlich Antikörper enthält, umfassendc. die Kombination aus HCV-Epitop-Sequenzen nach einem der Ansprüche 1 bis 9, d. Standard-Kontrollreagentien unde. Anweisungen zur Durchführung des Assays.

II 1. Das Streitpatent in der erteilten Fassung erweist sich nicht als neu im Sinne des Art 54 EPÜ, weil ihm die von der Klägerin genannte Druckschrift D 4 EP 0 388 232 A1, als deren Inhaberin ebenfalls die Beklagte genannt ist, neuheitsschädlich entgegensteht.

Ob die aus dieser Entgegenhaltung abgeleitete Priorität vom 15. März 1990 und die damit verbundenen Prioritäten vom 17. März 1989 (betr die US-Anmeldung 325338), vom 20. April 1989 (betr die US-Anmeldung 341334) und vom 18. Mai 1989 (betr die US-Anmeldung 355002) für das Streitpatent zu Recht in Anspruch genommen worden sind, hängt davon ab, ob die genannte europäische Patentanmeldung als erste Anmeldung des Erfindungsgegenstandes gelten und der Gegenstand des Streitpatents daraus beansprucht werden kann, Art 87 EPÜ, Art 4 PVÜ. Dies erscheint im Hinblick auf die breite Fassung des Patentanspruchs 1 des Streitpatents und die in der Entgegenhaltung D 4 aufgeführten Beschränkungen des Erfindungsgegenstandes zumindest zweifelhaft. Möglich erschiene es allenfalls, der Beklagten die Priorität nur für einen Teil des Hauptanspruchs 1 zuzuerkennen. Letztlich braucht diese Frage nicht entschieden zu werden, denn die prioritätsbegründende europäische Patentanmeldung, die zwar gegenüber dem Streitpatent früher angemeldet, aber nachveröffentlicht worden ist, gehört zum Stand der Technik nach Art 54 Abs 3 EPÜ und steht dem Streitpatent neuheitsschädlich entgegen. Dass es sich im vorliegenden Fall um eine Selbstkollision handelt, vermag an der rechtlichen Beurteilung nichts zu ändern (vgl insoweit Schulte, PatG, 6. Aufl, § 3, Rdnr 42).

2. In der Entgegenhaltung D 4 sind ua HCV-Diagnostika beschrieben, in denen als spezifische Reagenzien immunogene Polypeptide aus verschiedenen Domänen des HCV-Polyproteins vorgesehen sind, die mittels rekombinanter DNA-Technologie in geeignet transformierten Zellen hergestellt werden können. Dabei umfassen diagnostische Testkits zum Nachweis von HCV-Antikörpern ua antigene und damit per Definition ein HCV-Epitop enthaltende Polypeptide, die in HCV cDNA verschiedener bestimmter Klone kodiert sind (vgl D 4 zB S 5 Z 17 bis 22 iVm Anspr 18 u 19). In einer tabellarischen Zusammenstellung in der Beschreibung dieser Druckschrift sind darüber hinaus weitere, aus dem HCV-Polyprotein abgeleitete Polypeptide mit nachgewiesener Reaktivität gegenüber Sera von NANBH-Patienten aufgeführt (vgl aaO S 32 Tab). Dort als immunologisch besonders bevorzugt hervorgehobene Polypeptide weisen die Aminosäuresequenzen 1 bis 84, 9 bis 177, beide jeweils aus der C-Domäne, 1192 bis 1457 aus der NS3-Domäne, 1694 bis 1735 aus der NS4-Domäne sowie 1569 bis 1931 aus dem die NS3- und NS4-Domäne überlappenden Bereich des HCV-Polyproteins auf (vgl D 4 S 31 Z 47 bis 53 iVm S 32 Tab u S 34 Tab). Jedes dieser aus der Primärstruktur des HCV-Polyproteins abgeleiteten Polypeptide umfasst nach den immunologischen Grundkenntnissen definitionsgemäß wenigstens ein(e) Epitop (antigene Determinante), und experimentelle Arbeitsweisen zur Bestimmung immunologischer Wirkung zählen zum Grundwissen des Fachmanns (vgl hierzu auch D 4 S 11 Z 3 bis 17). In Hinblick auf die Beschreibung sollen die Epitope kombiniert sein in einem einzelnen rekombinanten Polypeptid oder in verschiedenen Polypeptiden, ua auch in trägergebundener Form (vgl aaO S 21 Z 15 bis 23), wobei in diesem Zusammenhang fünf besonders immunogene Polypeptide - es handelt sich mangels anderweitiger Offenbarung um die auf Seite 31 Zeilen 47 bis 53 der Anlage D 4 genannten - hervorgehoben sind (vgl aaO S 21 Z 37 bis 42).

Somit beschreibt die Entgegenhaltung ua eine überschaubar kleine Gruppe von Polypeptiden, deren Primärstrukturen aus der C-, NS3- und NS4-Domäne des HCV-Polyproteins abgeleitet sind, die, in trägergebundener Form, einzeln oder in Kombination, zum Nachweis von HCV in einem Immunoassay geeignet sind. Diese Kombination weist aufgrund ihrer Fähigkeit zur Bildung von Antigen/Antikörper-Komplexen auch zwangsläufig antigene Determinanten bzw. Epitope auf, die ausgezeichnet sind durch eine bestimmte Aufeinanderfolge (Sequenz) von wenigen Aminosäuren aus der Primärstruktur der betreffenden Polypeptide. Somit ist eine durch die allgemeinen Merkmale 1 bis 8 gemäß Patentanspruch 1 des Hauptantrags ausgestaltete Lehre durch die europäische Offenlegungsschrift 0 388 232 bereits neuheitsschädlich vorweggenommen. Eine besondere Bewertung des Merkmals "Epitopsequenz" erübrigt sich dabei insofern, als weder im Streitpatent noch in der Entgegenhaltung D 4 die konkrete Aminosäuresequenz eines Epitops identifiziert wurde.

Der Disclaimer gemäß den Merkmalen 9 bis 9.3 bewirkt demgegenüber keine Abgrenzung, weil durch ihn lediglich solche Kombinationen ausgenommen sind, die sich aus dem Polypeptid C 100-3 und jeweils einem der drei aus der C-Domäne abgeleiteten Polypeptiden mit konkreten Primärstrukturen 1 bis 75, 35 bis 75, sowie 99 bis 126 ergeben (vgl StrP S 2 Z 36 bis 40), die ersichtlich nicht identisch sind mit jenen der Polypeptide CA 279a oder CA290a (vgl D 4 S 32 Tab).

Das Argument der Beklagten, an keiner Stelle der genannten Druckschrift sei konkret auf die immunologische Bedeutung von Polypeptiden aus der C-Domäne in Kombination mit Polypeptiden aus den übrigen Domänen hingewiesen, und es fehlten hierzu auch experimentelle Wirkdaten, so dass der Fachmann Polypeptide aus der C-Domäne in Kombination mit Polypeptiden aus anderen Domänen als Komponente eines Immunoassays nicht in Betracht gezogen hätte (vgl hierzu auch Ss d Bekl v 11. Juli 2002, S 7 1.4), greift nach Auffassung des Senats nicht. Denn es handelt sich hier im Hinblick auf die in einem oder mehreren Polypeptiden und somit in chemischen Verbindungen zu kombinierenden Epitopsequenzen um ein Stoffpatent.

Im Fall eines Stoffpatents ist der Patentgegenstand aber nicht auf eine bestimmte Anwendung eingeschränkt, und experimentelle Wirkdaten sind als Beleg für eine ursprünglich geltend gemachte und somit offenbarte Wirkungs- oder Anwendungsrichtung nachbringbar (vgl BGH GRUR 1966, 312 "Appetitzügler I"; 1970, 237 "Appetitzügler II"; 1972, 541 "Imidazoline"; 1996, 190 (A.II.2.a) "Polyferon"; sowie BPatGE 17, 192).

Darüber hinaus kommt es nicht darauf an, ob der Fachmann "ernsthaft erwogen" hätte, die bekannte Lehre im Bereich der Parameter des Streitpatents anzuwenden; denn in Übereinstimmung mit Entscheidungen des BGH besteht keine Abstufung in der Wertigkeit der Offenbarungsmittel bei derartigen Bereichsangaben, wobei diese für die eine Beschränkung zulassende Offenbarung entwickelten Grundsätze auch für die neuheitsschädliche Offenbarung zu gelten haben (vgl BPatG Mitt 1995, S 320 bis 322, bes Leitsatz iVm S 321 re Sp Abs 2 und dort zitierte Entscheidungen des BGH).

Auch dem Einwand der Beklagten, das sich aus der Unterkombination sämtlicher, in der Tabelle auf Seite 32 der Entgegenhaltung aufgeführter Polypeptide ergebende Kollektiv sei zu groß, als dass hieraus ohne weiteres auf die spezielle Kombination aus den Domänen C, NS3 und NS4 gemäß Streitpatent zu schließen sei (vgl hierzu auch Ss d Bekl v 11. Juli 2002, S 7 1.4, bes S 8 Z 1 bis 9), kann nicht beigetreten werden. Denn es bedurfte lediglich der Kombination von zB zwei der fünf gemäß der Anlage D 4 besonders bevorzugt herausgestellten Polypeptide, nämlich eines der beiden Polypeptide CA279a und CA290a aus der C-Domäne mit dem Polypeptid C100, das sowohl aus der Primärstruktur der NS3- als auch der NS4-Domäne abgeleitet ist, um die Merkmale 5 bis 8 sowie den Disclaimer 9 gemäß Patentanspruch 1 des Streitpatents zu erfüllen. Ein, wie die Beklagte ausführt, Ausschluss der C-Domäne von der Bereitstellung immunologisch nützlicher Polypeptid-Sonden ist in der Schrift D 4 damit keineswegs festzustellen (vgl D 4 S 31 Z 46 bis 53 iVm S 32 Tab u S 34 Tab).

Die europäische Offenlegungsschrift 0 388 232 steht somit der Lehre des Patentanspruchs 1 in der Fassung gemäß Hauptantrag neuheitsschädlich entgegen.

Entsprechendes gilt für die Patentansprüche 2 bis 4 in der Fassung gemäß Hauptantrag, unter die auch bereits eine Kombination aus einem der Polypeptide CA279a oder CA290a einerseits und dem Polypeptid C100 andererseits fällt.

Die darauf rückbezogenen Patentansprüche 5 bis 8, die echte Unteransprüche darstellen, enthalten lediglich solche Merkmale, die entweder direkt der Entgegenhaltung zu entnehmen sind (vgl aaO S 25 Z 5, S 14 Z 22 bis 24, S 14 Z 43,) oder, wie der Beschreibung des Streitpatents (vgl S 5 Z 9 bis 14 sowie Z 26 bis 39) sowie den Ausführungen der Beklagten (vgl B 8, S 5 bis 6, iVm B 9, S 8 le Abs bis S 9 Ende Abs 1) zu entnehmen ist, übliche und somit ohne weiteres mitzulesende Ausgestaltungen darstellen.

Ein bestandsfähiger Rest ist auch nicht in einem durch die Merkmale der Patentansprüche 1 bis 8 ausgestalteten und von diesen getragenen Verfahren zum Nachweis von Antikörpern gegen HCV gemäß Patentanspruch 9 oder in einem demgemäß ausgestalteten Kit zur Durchführung eines Immunoassays gegen HCV gemäß Patentanspruch 10 zu erkennen, so dass dem Antrag der Klägerin auf Nichtigerklärung des Streitpatents in vollem Umfang stattzugeben ist.

3. Inwieweit dem Patentanspruch 9 des Streitpatents darüber hinaus der Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit unter dem Gesichtspunkt der mangelnden gewerblichen Anwendbarkeit im Sinne des Art 52 Abs 1 EPÜ entgegensteht, braucht angesichts der Nichtigerklärung des Streitpatents in vollem Umfang nicht entschieden zu werden.

Entsprechendes gilt auch für die seitens der Klägerin geltend gemachten Nichtigkeitsgründe der mangelnden Ausführbarkeit sowie der unzulässigen Erweiterung gegenüber dem Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung.

III Auch die von der Beklagten hilfsweise verteidigten Fassungen der Patentansprüche nach den Hilfsanträgen 1, 2, 3, 3a, 4 und 5 erweisen sich als nicht bestandsfähig.

1. Die gemäß Hilfsantrag 1 verteidigte Fassung der Patentansprüche unterscheidet sich von der Fassung nach Hauptantrag - abgesehen von der Korrektur eines offensichtlichen Fehlers im Rückbezug des Patentanspruchs 10 - dadurch, dass in den Patentanspruch 1 der Passus "und dass die Epitopsequenz der C-Domäne nicht das Polypeptid CA279a mit den Aminosäuren 1 bis 84 der Figur 1 oder das Polypeptid CA290a mit den Aminosäuren 9 bis 177 der Figur 1 ist." aufgenommen ist.

Der so geänderte Patentanspruch 1 führt nach Auffassung des Senats nicht dazu, die Neuheit des Gegenstands des Streitpatents gegenüber der Lehre der Entgegenhaltung D 4 herzustellen.

Ein Disclaimer derart, dass vom Gegenstand des Streitpatents solche Kombinationen ausgenommen sind, welche die beiden Polypeptide der Klone CA279a und CA290a mit der Aminosäuresequenz 1 bis 84 bzw 9 bis 177, jeweils bezogen auf die Figur 1, enthalten, reicht nicht aus. Denn die Lehre der genannten Druckschrift geht bezüglich der C-Domäne über die beiden Polypeptide der Klone CA279a und CA290a hinaus.

Aus der europäischen Offenlegungsschrift sind vielmehr auch solche Kombinationen von Epitopsequenzen enthaltenden, immunologisch nützlichen Polypeptiden zu entnehmen, die aus der C-Domäne abgeleitet sind und von jenen der Klone CA279a und CA290a verschiedene Aminosäuresequenzen als Bestandteil in einem oder mehreren Polypeptiden umfassen (vgl aaO S 14 Z 48 bis S 16 Z 6). Hierzu zählen ua auch solche (Poly)Peptide, die eine aus der Figur 17 der Entgegenhaltung entnehmbare, konkrete Aminosäuresequenz aufweisen, und - ebenso wie die an dieser Stelle der Beschreibung mit aufgeführten beiden Polypeptide der Klone CA279a und CA290a mit den Aminosäuren 1 bis 84 bzw 9 bis 177 - aus der C-Domäne abgeleitet sind, wobei die C-Domäne etwa von Aminosäure 1 bis etwa Aminosäure 120 reicht (vgl aaO S 15 Z 30 bis 34, sowie S 34 Tab). Diese Lehre der Druckschrift D 4 erstreckt sich zugleich auf die Kombination solcher Polypeptide aus der C-Domäne mit Polypeptiden, die aus anderen Domänen des HCV-Polyproteins und somit, wie zB C100, auch aus den Domänen NS3 und NS4 abgeleitet sind (vgl aaO S 16 Z 4 bis 6, bes den Passus "...and may find use as described herein", iVm S 21 Z 9 bis 13, Z 15 bis 18, Z 37 bis 42, sowie S 31 Z 46 bis S 32 Z 29).

Dabei ist unbeachtlich, ob, wie die Beklagte erklärt, diese auf Seite 15 der Entgegenhaltung durch die Aminosäurenummern bezeichneten Peptide lediglich aus einer Computeranalyse hervorgegangen seien und in Hinblick auf fehlende Wirkungsangaben keinerlei spezifische Auswahl darstellten, zumal - wie bereits in den Gründen des Hauptantrags ausgeführt - es nicht darauf ankommt, ob der Fachmann "ernsthaft erwogen" hätte, die bekannte Lehre im Bereich der Parameter des Streitpatents anzuwenden (vgl BPatG, Mitt 95, 320).

Der Wortlaut des aufgenommenen Passus lässt aber auch eine andere Auslegung dahingehend zu, dass weder das Polypeptid CA279a mit den Aminosäuren 1 bis 84 noch das Polypeptid CA290a mit den Aminosäuren 9 bis 177 identisch ist mit einem Epitop bzw mit einer Epitopsequenz der C-Domäne. Für diesen Fall wird durch den aufgenommenen Passus im Patentanspruch letztlich nur zum Ausdruck gebracht, dass eine antigene Determinante, also ein Epitop, aus der C-Domäne nicht aus sämtlichen der Aminosäuren 1 bis 84 bzw 9 bis 177 bestehen soll, was der Fachmann aufgrund der üblichen Definition eines Epitops mit etwa 5 bis 10 Aminosäuren ohnehin nicht ernsthaft in Frage stellen würde.

Eine andere Bewertung ergibt sich auch dann nicht, wenn man den diesbezüglichen Ausführungen der Beklagten folgte und unter Epitopsequenz die Aufeinanderfolge mehrerer Epitope auf der Aminosäuresequenz der C-Domäne verstünde. Im übrigen könnte das Polypeptid CA290a mit den Aminosäuren 9 bis 177 diese Maßgabe allein schon deshalb nicht erfüllen, weil die C-Domäne nur bis etwa Aminosäure 120 reicht (vgl StrP S 4 Z 14).

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist daher gegenüber der europäischen Offenlegungsschrift 0 388 232 nicht mehr neu, die Fassung der Patentansprüche gemäß Hilfsantrag 1 daher nicht bestandsfähig.

2. Gemäß Hilfsantrag 2 verteidigt die Beklagte das Streitpatent mit einer Fassung bestehend aus einem geänderten Patentanspruch 1 sowie den Patentansprüchen 2 bis 7 in Form der bis auf den angepassten Rückbezug im Wortlaut unveränderten Patentansprüchen 5 bis 10 gemäß Hauptantrag.

Der Patentanspruch 1 unterscheidet sich vom Hauptantrag durch geänderte Merkmale 5, 6.1 und 7.2 folgenden Wortlauts:

5. eine erste Epitopsequenz aus der C-Domäne des HCV-Polyproteins, wobei die Epitopsequenz in der cDNA Sequenz des Clons C22 kodiert ist;

6.1 eine zweite Epitopsequenz aus der NS3-Domäne des HCV-Polyproteins, wobei die Epitopsequenz in der cDNA Sequenz des Clons c33c kodiert ist;

7.2 eine dritte Epitopsequenz aus der NS4-Domäne des HCV-Polyproteins, wobei die Epitopsequenz in der cDNA Sequenz des Clons c100 kodiert ist.

Das Merkmal 8 ist aufgrund dieser Änderungen überflüssig.

Nach Auffassung des Senats bewirken auch diese gegenüber dem Hauptantrag vorgenommenen Änderungen keine Abgrenzung des Gegenstands des Streitpatents gegenüber der Anlage D 4.

Der Ausdruck "Klon C22" kommt im Streitpatent in dieser Form zwar nicht vor. Jedoch ist unter der cDNA Sequenz des Klons C22 die für das C22 Antigen kodierende, klonierte cDNA Sequenz zu verstehen (vgl StrP S 4 Z 29 bis 30 iVm S 8 Beisp 4 sowie S 4 Z 56 bis 58). Ausweislich der Beschreibung der Streitpatentschrift umfasst das C22 Antigen somit die Aminosäuren 1 bis 122 der Fig 1 (vgl aaO S 8 Z 49 iVm S 4 Z 13 bis 14), so dass durch diese Formulierung wiederum die gesamte C-Domäne des HCV-Polyproteins einbezogen ist. Damit sind die Merkmale 5 des Patentanspruchs 1 von Haupt- und 2. Hilfsantrag, trotz unterschiedlicher Wortwahl, sachlich identisch und bezeichnen den gleichen Teilgegenstand.

Was die Merkmale 6.1 und 7.2 anbelangt, so kodiert die cDNA Sequenz des Klons c33c für das Antigen, welches die Aminosäuren 1192 bis 1457 einschließt, und die cDNA Sequenz des Klons C100 für das Antigen, welches die Aminosäuren 1569 bis 1931 umfasst (vgl StrP S 4 Z 34 bis 35 iVm S 6 Beisp 1 sowie S 7 Beisp 2). Gemäß der Entgegenhaltung D 4 sind in den Klonen 33c und C100 die Antigene und damit die Polypeptide mit der Aminosäuresequenz 1192 bis 1457 bzw 1569 bis 1931 kodiert (vgl aaO S 32 Tab). Durch einen Vergleich der betreffenden Bereiche der Figur 1 des Streitpatents mit jenen der Figur 17 der genannten Druckschrift ergibt sich zweifelsfrei die Identität der Primärstruktur der kodierten Polypeptide, woraus auch zwangsläufig die Übereinstimmung hinsichtlich des Vorkommens von antigenen Determinanten in diesen Stoffen und deshalb die Eignung zum immunologischen Nachweis von HCV resultiert. Somit sind auch die Merkmale 6.1 und 7.2 in der eingeschränkten Form des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 aus der europäischen Offenlegungsschrift zu entnehmen.

Was die übrigen, dem Wortlaut des Patentanspruchs gemäß Hauptantrag entsprechenden Merkmale 1 bis 4 sowie 9, 9.1 bis 9.3 anbelangt, so wird auf die Ausführungen zum Hauptantrag verwiesen, die uneingeschränkt auch hier gelten.

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist daher nicht mehr neu, die Fassung der Patentansprüche gemäß Hilfsantrag 2 somit nicht bestandsfähig.

3. Die Fassungen der Patentansprüche gemäß den Hilfsanträgen 3 und 3a basieren auf dem auf ein Verfahren zum Nachweis von Antikörpern gegen HCV in einer Körperkomponente eines Säugers gerichteten Patentanspruch 9 gemäß Hauptantrag und weisen im Gegensatz zu den übrigen Anträgen keine Sachansprüche auf.

Patentanspruch 1 der gemäß Hilfsantrag 3 verteidigten Fassung enthält neben den Merkmalen des Patentspruchs 9 gemäß Hauptantrag sämtliche aus dem Rückbezug auf Patentanspruch 1 des Hauptantrags herrührenden Merkmale 1 bis 9.3 und unterscheidet sich vom Patentanspruch 9 gemäß Hauptantrag - abgesehen von den Gegenstand des Patentanspruchs nicht verändernden Satzumstellungen - durch die Einfügung des Wortes "gleichzeitig" in das Merkmal B, das dadurch folgenden geänderten Wortlaut erhält:

B. wobei man die Körperkomponente gleichzeitig unter Bedingungen, die eine Antikörper-Antigen-Reaktion erlauben, in Kontakt bringt.

Die Patentansprüche 2 bis 6 des Hilfsantrags 3 weisen diejenigen Merkmale, die sich aus dem Rückbezug des Patentanspruchs 9 des Hauptantrags auf die Patentansprüche 2 und 3 sowie 5 bis 7 ergeben, und somit keine weiteren Änderungen gegenüber dem Hauptantrag auf.

Nach Überzeugung des Senats ist das gleichzeitige Inkontaktbringen mehrerer antigener Polypeptide als dem Fachmann geläufige Vorgehensweise in der Lehre der Entgegenhaltung D 4 implementiert. Bereits zum Zeitpunkt der Priorität dieser Druckschrift war es üblich, eine immunologisch zu testende Serumprobe bei Bedarf bevorzugt mit verschiedenen antigenen Reagenzien gleichzeitig in Kontakt zu bringen. Hierfür erforderliche, gegebenenfalls automatisierte Vorrichtungen einschließlich Multitestanordnungen zur gleichzeitigen Inkubation verschiedener immobilisierter (Poly)Peptide mit einer (Serum)Probe waren bereits im Handel erhältlich und standen somit zur Verfügung. Dieser Sachverhalt wird auch durch die von der Beklagten in Zusammenhang mit der Ausführbarkeit der Lehre des Streitpatents vorgebrachten Druckschriften zum Stand der Technik gestützt (vgl zB Anl. B8, Gutachten v Dr. Rainer Frank, S 5 iVm den dort zitierten Fachpublikationen). In der europäischen Offenlegungsschrift 0 388 232 ist diese bei immunologischen Multitestverfahren aus verschiedenen Gründen bevorzugte gleichzeitige Vorgehensweise nicht zuletzt auch wegen der Ausführungen in der Beschreibung betreffend den Einsatz mehrerer viraler Polypeptide in einer Gruppe ohne weiteres mitzulesen und wird somit von der Lehre der Entgegenhaltung D 4 mitumfasst (vgl aaO S 21 Z 15 bis 18 iVm Z 39 bis 42).

Was die Ausführungsform einer Kombination der wenigstens drei Epitopsequenzen in einem einzigen Polypeptid anbelangt, so lässt sich dabei ein gleichzeitiges Inkontaktbringen der Antikörper enthaltenden Probe mit dem einzigen Polypeptid ohnehin nicht vermeiden.

Der Senat vermag in dem vorliegenden Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 somit eine Abgrenzung gegenüber der europäischen Druckschrift nicht zu erkennen.

Die gemäß Hilfsantrag 3a verteidigte Fassung unterscheidet sich von jener des Hilfsantrags 3 lediglich durch die Aufnahme sämtlicher Merkmale des Patentanspruchs 6 gemäß Hauptantrag in den Patentanspruch 1 und weist somit gegenüber Hilfsantrag 3 nurmehr 5 Patentansprüche auf.

Diese Fassung ist schon deshalb nicht bestandsfähig, da die Variante eines einzigen, Epitopsequenzen aus allen drei Domänen aufweisenden Polypeptids darin als Alternative weiterhin enthalten ist.

Aber auch ein immunologisches Verfahren mit mehreren antigenen Polypeptiden setzt zwingend die individuelle Bindung jedes einzelnen dieser Polypeptide, in dem die ersten, zweiten und dritten Epitopsequenzen enthalten sind, an die feste Matrix voraus. Eine Auslegung der Fassung des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 3a derart, dass die verschiedenen Polypeptide über den Rest einer Aminosäure aus der Epitopsequenz an die feste Matrix gebunden ist, macht insofern keinen Sinn, als dann die antigene Determinante nicht mehr zur Bindung des Antikörpers zur Verfügung stünde. Für eine solche Interpretation fehlt die Basis in den ursprünglichen Unterlagen schon mangels Identifizierung der Aminosäuresequenz eines Epitops und somit auch mangels Offenbarung einer geeigneten reaktiven Bindungsstelle.

Bei dieser Sachlage kann dahinstehen, ob, wie die Klägerin vorbringt, bereits das Ausführungsbeispiel auf Seite 31 der Entgegenhaltung D 4 eine Lehre zum gleichzeitigen Inkontaktbringen der Serumproben mit auf einem Nitrozellulosefilter immobilisierten exprimierten Polypeptiden aus den verschiedenen relevanten Klonen vermittelt und somit unter den Wortlaut des Patentanspruchs fällt.

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist daher sowohl in seiner Formulierung gemäß Hilfsantrag 3 als auch gemäß Hilfsantrag 3a gegenüber der Anlage D 4 nicht mehr neu. Die beiden Fassungen der Patentansprüche sind daher nicht bestandsfähig.

4. Die gemäß Hilfsantrag 4 verteidigte Fassung des Patentanspruchs 1 weist die Merkmale 1 bis 5 sowie 9, 9.1 bis 9.3 des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag in unveränderter Form sowie die Merkmale 6 und 7 in geänderter Form mit folgendem Wortlaut auf:

6. eine zweite Epitopsequenz aus der NS5-Domäne des HCV-Polyproteins; und 7. eine dritte Epitopsequenz aus einer dritten Domäne des HCV-Polyproteins, wobei die Domäne:

7.1 die NS3-Domäne des HCV-Polyproteins; oder 7.2 die NS4-Domäne des HCV-Polyproteins; ... ist Das Merkmal 8 des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag ist wegen der demgegenüber vorgenommenen Änderungen überflüssig.

Die Patentansprüche 2 und 3 entsprechen inhaltlich den Patentansprüchen 2 und 3, die Patentansprüche 4 bis 9 dem Wortlaut der Patentansprüche 5 bis 10, jeweils in der Fassung gemäß Hauptantrag, unter Anpassung des Rückbezugs.

Der Senat vertritt die Auffassung, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 4 trotz des nunmehr obligaten Merkmals einer zweiten Epitopsequenz aus der NS5-Domäne des HCV-Polyproteins auch weiterhin Kombinationen zum Gegenstand hat, die durch die Lehre der europäischen Offenlegungsschrift 0 388 232 neuheitsschädlich vorweggenommen sind. Denn die Lehre dieser Druckschrift umfasst Kombinationen von Epitopen in einem oder in mehreren Polypeptiden zum HCV-Nachweis aus allen jenen Domänen des HCV-Polyproteins, die ohne weiteres erkennbar in der Tabelle Seite 32 vertreten sind. Die NS5-Domäne beginnt danach mit etwa Aminosäure 2000 und reicht möglicherweise bis zum Ende des HCV-Polyproteins (vgl aaO S 34 Tab), was in Übereinstimmung mit der Definition dieser Domäne gemäß Streitpatent steht (vgl aaO S 4 Z 18 bis 19). Somit sind die Klone der Tabelle auf Seite 32 der Entgegenhaltung mit der Bezeichnung 33b, 25c, 14c, 8f, 33f, 33g, 39c und 15e eindeutig als Polypeptide mit Aminosäuresequenzen aus der NS5-Domäne des HCV-Polyproteins zu identifizieren. Wenngleich das spezielle, aus der NS5-Domäne abgeleitete Antigen bzw. Polypeptid mit den Aminosäuren 2054 bis 2464 der Figur 1 gemäß Streitpatent aus der europäischen Offenlegungsschrift expressis verbis nicht zu entnehmen ist, so fallen die Polypeptide 25c (AA 1949 bis AA2124), 14 c (AA2054 bis AA2223), 8f (AA2200 bis AA2325), 33f (AA2287 bis AA2385), 33g (AA2348 bis AA2464) und 39c (AA2371 bis AA2502) aus der Tabelle auf Seite 34 doch zweifelsohne unter das Merkmal 6 des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 4.

Die antigene Relevanz von (Sequenz)Bereichen aus den Domänen NS3, C und NS5 für diagnostische Reagenzien ist der Anlage D 4 zudem expressis verbis zu entnehmen (vgl aaO S 16 Z 30 bis 32).

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist daher gegenüber der europäischen Druckschrift nicht mehr neu, die Fassung der Patentansprüche gemäß Hilfsantrag 4 daher nicht bestandsfähig.

5. Die gemäß Hilfsantrag 5 verteidigte Fassung des Patentanspruchs 1 unterscheidet sich von der Fassung gemäß Hauptantrag in geänderten Merkmalen 5 bis 7 folgenden Wortlauts:

5. eine erste Epitopsequenz aus der C-Domäne des HCV-Polyproteins, wobei die Epitopsequenz die Sequenz der Aminosäuren 1 bis 122 der Figur 1 ist;

6. eine zweite Epitopsequenz aus der NS-Domäne des HCV-Polyproteins, wobei die Epitopsequenz die Sequenz der Aminosäuren 1192 bis 1457 der Figur 1 ist;

7. eine dritte Epitopsequenz aus der NS4-Domäne des HCV-Polyproteins, wobei die Epitopsequenz die Sequenz der Aminosäuren 1569 bis 1931 der Figur 1 ist.

Die Merkmale 1 bis 4 entsprechen dem Wortlaut des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag, die Merkmale 8 bis 9.3 sind entfallen.

Die Patentansprüche 2 bis 7 entsprechen mit Ausnahme des angepassten Rückbezugs im Wortlaut den Patentansprüchen 5 bis 10 gemäß Hauptantrag.

Die gegenüber dem Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag vorgenommenen Änderungen bestehen darin, dass nunmehr die als Kombination in einem oder mehreren Polypeptid(en) enthaltenen drei Epitopsequenzen konkret in ihrer Primärstruktur benannt sind. Demgemäß ist die erste Epitopsequenz aus der C-Domäne die Aminosäuresequenz 1 bis 122, die zweite Epitopsequenz aus der NS3-Domäne ist die Aminosäuresequenz 1192 bis 1457 und die dritte Epitopsequenz aus der NS4-Domäne ist die Aminosäuresequenz 1569 bis 1931, jeweils gemäß Nummerierung in Figur 1 der Streitpatentschrift.

Der Senat vertritt die Auffassung, dass die Patentansprüche gemäß Hilfsantrag 5 schon wegen fehlender Offenbarung gem. AA. II § 6 Abs. 1 Nr. 2 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 lit. b EPÜ keinen Bestand haben, da in der Streitpatentschrift die jeweilige Sequenz der Aminosäuren der betreffenden Epitopsequenzen nicht beschrieben ist.

Gemäß Streitpatentschrift umfasst das HCV Antigen C22 die Aminosäuren 1 bis 122 der Figur 1 (vgl aaO S 8 Z 49), wobei aufgrund des betreffenden Ausführungsbeispiels von dem exprimierten Polypeptid zu erwarten ist, dass es auch tatsächlich 122 Aminosäuren hat (vgl aaO S 9 Z 23 bis 24). An keiner Stelle der Streitpatentschrift ist jedoch ausgeführt, dass diese Sequenz der Aminosäuren 1 bis 122 gemäß Figur 1 identisch ist mit der Sequenz der Aminosäuren der ersten Epitopsequenz.

Das Antigen C33c der NS3-Domäne beinhaltet die Aminosäuren 1192 bis 1457 der Figur 1, während das Antigen C100 der NS4-Domäne, das allerdings auch eine Teilsequenz aus der NS3-Domäne enthält, die Aminosäuren 1569 bis 1931 der Figur 1 umfasst (vgl StrP S 4 Z 34 bis 35 iVm S 6 Z 8 bis 9 und S 7 Z 8 bis 9). Wiederum ist an keiner Stelle der Streitpatentschrift beschrieben, dass diese Aminosäuresequenzen der Figur 1 identisch sind mit einer Sequenz der Aminosäuren der zweiten bzw der dritten Epitopsequenz.

Daran vermag auch die in der Beschreibung des Streitpatents gegebene Definition nichts zu ändern, wonach unter einem "HCV Antigen" ein Polypeptid mit wenigstens fünf, häufiger wenigstens 8 bis 10 Aminosäuren, zu verstehen sei, das ein in einem HCV-Isolat vorkommendes Epitop definiere (vgl aaO S 3 Z 43 bis 45). Üblicherweise steht der Begriff Epitop in der Immunologie für die antigene Determinante eines Polypeptids bzw Antigens, jedoch nicht für das gesamte Polypeptid bzw. Antigen. Ein Epitop ist ein Bereich auf der Oberfläche des Antigens, im Fall von Polypeptid- bzw. Protein-Antigenen des in seine Raumstruktur gefalteten Polypeptids bzw. Proteins, an die ein spezifischer Antikörper bindet, und umfasst gewöhnlich etwa 5 bis 10 Aminosäuren, wobei kontinuierliche Epitope durch nacheinanderstehende Aminosäuren, diskontinuierliche bzw. konformationelle Epitope durch aufgrund der Faltung der Polypeptidkette räumlich benachbarte Aminosäuren ausgezeichnet sind, einer Definition, der sich offenbar auch die Beklagte anschließt (vgl Ss d Bekl v 25. Juli 2002 Anl 1 Gutachten Prof. Dr. Günter Hämmerling, S 4 le Abs). Eine Epitopsequenz besteht somit üblicherweise aus der Abfolge einiger weniger charakteristischer Aminosäuren. Für eine Sequenz von mehr als 100 bis mehr als 300 Aminosäuren, wie im Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 5, verwendet der Fachmann jedoch den Begriff "Epitopsequenz" nicht.

Der Begriff "Epitopsequenz", der in den ursprünglichen Unterlagen nicht vorkommt, wird im Streitpatent nicht definiert, und auch eine Gleichsetzung dieses Begriffs mit der Aminosäuresequenz und damit der kompletten Primärstruktur eines Antigens wie zB C22, C33c oder C100 ist dem Streitpatent nicht zu entnehmen. Offenbart ist daher lediglich die Bedeutung, die man üblicherweise mit dem Begriff einer Epitopsequenz verbindet, nämlich die relativ kurze, für die Bindung an den Antikörper charakteristische Sequenz von etwa 5 bis 10 Aminosäuren.

Auch dem Vorbringen der Beklagten, unter Epitopsequenz sei die Aufeinanderfolge mehrerer Epitope auf der betreffenden Aminosäuresequenz zu verstehen, so dass eine Gleichsetzung der Begriffe Epitopsequenz und Antigen durchaus in Frage komme, kann der Senat nicht beitreten. Für diesen Fall hätte es nach Auffassung des Senats einer Benutzung dieses Begriffs nebst dessen eindeutiger Definition in den ursprünglichen Unterlagen bzw. in der Streitpatentschrift bedurft.

IV Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs 2 PatG iVm § 91 Abs 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 99 Abs 1 PatG iVm § 709 Satz 2 ZPO n.F.

Hellebrand Dr. Niklas Sredl Dr. Feuerlein Dr. Egerer Be






BPatG:
Urteil v. 13.08.2002
Az: 3 Ni 66/00


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/fe24f293ad3c/BPatG_Urteil_vom_13-August-2002_Az_3-Ni-66-00




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