Bundespatentgericht:
Beschluss vom 20. Dezember 2006
Aktenzeichen: 26 W (pat) 75/04

(BPatG: Beschluss v. 20.12.2006, Az.: 26 W (pat) 75/04)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I Gegen die Eintragung der Marke 302 13 282 BLUE LINE für die Waren

"Tabak, Tabakerzeugnisse, Zigaretten, Raucherbedarfsartikel, Feuerzeuge, Streichhölzer"

ist Widerspruch erhoben worden aus der prioritätsälteren Marke 398 75 332 blue, die für die Waren

"Tabak, Tabakerzeugnisse, insbesondere Cigaretten und mit Ausnahme von Cigarren"

eingetragen ist.

Die Markenstelle hat wegen des Widerspruchs mit Beschluss vom 28. Februar 2003 zunächst die teilweise Löschung der angegriffenen Marke für die Waren "Tabak, Tabakerzeugnisse, Zigaretten" angeordnet und den Widerspruch im Übrigen zurückgewiesen. Auf die Erinnerung der Markeninhaberin hat die Markenstelle diesen Beschluss aufgehoben, soweit die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet worden war, und den Widerspruch vollumfänglich zurückgewiesen. Die Erinnerung der Widersprechenden ist erfolglos geblieben. Zur Begründung für die vollumfängliche Zurückweisung des Widerspruchs hat der Erinnerungsprüfer ausgeführt, zwischen den beiderseitigen Marken bestehe auch bei einer zu Gunsten der Widersprechenden unterstellten normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke nicht die Gefahr von Verwechslungen i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG, weil der in der angegriffenen Marke enthaltene Wortbestandteil "LINE" deren Gesamteindruck entscheidend mitpräge. Die angesprochenen Verkehrskreise würden die Bezeichnung "BLUE LINE" ohne Weiteres als gesamtbegriffliche Einheit mit der Bedeutung "blaue Linie" verstehen. Dabei sei es unerheblich, ob die angegriffene Marke bei einem solchen Verständnis als Hinweis auf ein Ausstattungsmerkmal der Ware oder als Name einer Produktserie betrachtet werde. Eine nach den unterschiedlichen Waren der angegriffenen Marke differenzierende Beurteilung sei nicht veranlasst. Da die angegriffene Marke einen Gesamtbegriff darstelle, habe der Verkehr keinen Anlass, sich innerhalb dieser Marke nur an dem Wort "BLUE" als herkunftshinweisendem Bestandteil zu orientieren oder die Vergleichsmarken allein wegen der insoweit bestehenden Übereinstimmung gedanklich miteinander in Verbindung zu bringen.

Hiergegen wendet sich die Widersprechende mit der Beschwerde. Sie ist der Ansicht, vor dem Hintergrund teils identischer und um Übrigen ähnlicher Waren bestehe zwischen den beiderseitigen Marken Verwechslungsgefahr. Der Gesamteindruck der angegriffenen Marke werde allein durch das Wort "BLUE" geprägt, das innerhalb dieser Marke eine selbständig kennzeichnende Stellung innehabe, weil das weitere Wort "LINE" vom Verkehr nur als beschreibender Hinweis auf ein Ausstattungsmerkmal oder eine Produktlinie verstanden werde und daher im Gesamteindruck der angegriffenen Marke vollständig zurücktrete. Die Widerspruchsmarke und der mit dieser übereinstimmende Bestandteil "BLUE" der angegriffenen Marke seien hingegen nicht kennzeichnungsschwach, weil sie weder als beschreibende Sachangabe für die fraglichen Waren selbst noch als Hinweis auf die Produktausstattung verstanden würden.

Die Widersprechende beantragt sinngemäß, die Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben, soweit ihr Widerspruch und ihre Erinnerung zurückgewiesen worden sind, und wegen des Widerspruchs die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, zwischen den Marken bestehe auch bei einer Verwendung für identische Waren keine Verwechslungsgefahr. Nicht nur das Wort "LINE", sondern auch das Wort "BLUE" sei für Raucherartikel und Tabakprodukte kennzeichnungsschwach, so dass der Schutzbereich der Widerspruchsmarke eng zu bemessen sei. Die angegriffene Marke liege außerhalb dieses Schutzbereichs, weil sie aus den im Erinnerungsbeschluss zutreffend dargestellten Gründen einen geschlossenen Gesamtbegriff bilde, dessen Verkürzug auf das Wort "BLUE" nicht zu erwarten sei.

II Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist unbegründet. Zwischen den beiderseitigen Marken besteht nicht die Gefahr von Verwechslungen i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.

Zwar sind die Waren der angegriffenen Marke, was "Tabak", "Tabakerzeugnisse" und "Zigaretten" betrifft, mit den Waren der Widerspruchsmarke identisch, was angesichts der zwischen den einzelnen Voraussetzungen der Verwechslungsgefahr bestehenden Wechselwirkungen prinzipiell einen überdurchschnittlichen Markenabstand erforderlich macht (st. Rspr., vgl. z. B.: EuGH GRUR 1998, 387, 389, Nr. 22 - Sabèl/Puma; BGH GRUR 2005, 326 - il Padrone/Il Portone). Zwischen Tabaken und Tabakerzeugnissen und den weiteren Waren der angegriffenen Marke, nämlich "Raucherbedarfsartikel, Feuerzeuge, Streichhölzer" besteht Warenähnlichkeit unter dem Gesichtspunkt, dass es sich insoweit um einander typischerweise ergänzende Waren handelt (BGH GRUR 1999, 496, 498 - TIFFANY). Dennoch besteht - auch im Bereich der identischen Waren - keine Verwechslungsgefahr, weil es an einer hinreichend großen Ähnlichkeit der angegriffenen Marke mit der von Haus aus kennzeichnungsschwachen Widerspruchsmarke fehlt.

Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist von Haus aus als deutlich unterdurchschnittlich zu bewerten, weil das englische, dem deutschen Durchschnittsverbraucher ohne Weiteres verständliche Wort "blue" eine Farbangabe darstellt, mit der zwar nicht Tabak und Tabakerzeugnisse als solche beschrieben werden können, mit der jedoch die Aufmachung der Verpackung dieser Waren bezeichnet werden kann.

Vor diesem Hintergrund reichen die zwischen den Marken bestehenden Unterschiede auch bei beiderseits identischen Waren aus, um eine Verwechslungsgefahr ausschließen zu können. In ihrer Gesamtheit ist die im Verhältnis zur Widerspruchsmarke sowohl klanglich als auch schriftbildlich doppelt so lange angegriffene Marke mit dieser weder klanglich noch schriftbildlich oder begrifflich ähnlich. Vielmehr trägt der auch für den deutschen Durchschnittsverbraucher sofort erfassbare, unterschiedliche Sinngehalt der dem englischen Grundwortschatz zugehörigen Marken i. S. v. "blau" bzw. "blaue Linie" noch zu einer deutlichen Reduzierung einer etwa bestehenden Restähnlichkeit bei. Der ursprünglich englischsprachige Begriff "line" wird zudem auch in Deutschland schon seit langem zur Kennzeichnung einer Produktlinie verwendet (BGH GRUR 1998, 394 - Active Line), was für ein sofortiges Verständnis dieses Wortes durch den deutschen Durchschnittsverbraucher von Tabakprodukten und Raucherartikeln spricht.

Der Umstand, dass die Wortfolge "BLUE LINE" sofort und ohne weiteres Nachdenken oder Analysieren als Gesamtbegriff mit der Bedeutung "blaue (Produkt)Linie" erkannt wird, spricht entscheidend gegen eine Verkürzung der angegriffenen Marke auf deren Bestandteil "BLUE" und eine selbständig kennzeichnende Stellung dieses Wortes innerhalb der angegriffenen Marke. Gleichzeitig spricht dieser Umstand auch gegen eine gedankliche Verbindung der Marken. Hinzu kommt die Tatsache, dass weder von der Widersprechenden vorgetragen noch für den Senat sonst erkennbar ist, dass das Wort "blue" im Verkehr Hinweischarakter auf das Unternehmen der Widersprechenden besitzt; denn über eine Benutzung der Widerspruchsmarke als Stammbestandteil einer Serie von "blue"-Marken, als Unternehmenshinweis oder in sonstiger Weise ist weder etwas von der Widersprechenden vorgetragen worden noch sonst etwas gerichtsbekannt. Bei dieser Sachlage musste die Beschwerde der Widersprechenden erfolglos bleiben.

Für eine Auferlegung der Kosten des Beschwerdeverfahrens aus Gründen der Billigkeit (§ 71 Abs. 1 S. 1 MarkenG) besteht keine Veranlassung.






BPatG:
Beschluss v. 20.12.2006
Az: 26 W (pat) 75/04


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/fdc48359d9b6/BPatG_Beschluss_vom_20-Dezember-2006_Az_26-W-pat-75-04




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share