Landgericht Dortmund:
Urteil vom 22. September 1999
Aktenzeichen: 10 O 138/99

(LG Dortmund: Urteil v. 22.09.1999, Az.: 10 O 138/99)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in

Höhe von 3.500,00 DM vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin ist Betreiberin des D 2-Mobil-Funknetzes.

Sie schließt entweder über ihr unterstellte Geschäftsstellen

oder über Vertragshändler Verträge mit Endkun-

den über den Zugang zu dem von ihr betriebenen Netz ab.

Die Verträge haben eine Laufzeit von 24 Monaten und

enthalten jeweils eine Verlängerungsklausel. Die für

die Klägerin tätigen Händler erhalten für ihre Vermittlungstätigkeit

Provisionen, deren Höhe jeweils abhängig

ist von den Tarifen, die mit den Endkunden vereinbart

werden. Der Beklagte vermittelt u.a. Netzkartenverträge,

und zwar für sämtliche Mobilfunknetzbetreiber

in der Bundesrepublik, darunter auch für die Klägerin.

In einem Rundschreiben vom 01. März 1999 warb der Beklagte

unter der blickfangmäßig herausgestellten Überschrift

" Jetzt oft 2.000,00 bis 40.000,00 DM

Provision für D-Netz-Kartenwechsel direkt

von Q alle 2 Jahre u.a. wie folgt:

Wegen Überlastung versäumen immer mehr

Entscheider, ihre D-Netz-Kartenverträge

rechtzeitig zu kündigen und verschenken

dadurch viel Geld. Alle 24 Monate bekommen

sie oft hohe Beträge direkt von Q ausgezahlt.

Die Minutenpreise können drastisch gesenkt werden.

Beispiel für eine Flotte mit 26 Fahrzeugen:

Bei einer Grundgebühr von 29,95 DM (T-D1Telly

Local) mit tagsüber 0,68 DM/Min. zum

nationalen Festnetz erhalten Sie von uns

bei Abschluss eines 24-Monats-Vertrages

DM 8.746,40 DM (incI. Mwst.)

als provision, wahlweise per Scheck oder

Überweisung ... "

Mit Schreiben vom 07. April 199 wandte sich der Beklagte

unter anderem an die I KG in S

und unterbreitete ihr mehrere schriftliche Angebote,

in denen es unter anderem wie folgt heißt:

"Für Ihren Betrieb können wir Ihnen folgendes

Angebot unterbreiten:

Bei Abschluss von 105 Funktelefonanschlüssen

im D 2 - Fun Tarif können wir Ihnen je Anschluss

eine einmalige Grundgebührenerstattung

in Höhe von 266,80 DM (incl. Mwst.) anbieten.

Erstattungsbetrag: 28.014,00 DM

…"

"Den Betrag können Sie wahlweise als Scheck

bzw. als Gutschrift auf Ihr Konto erhalten…

In einem weiteren Angebot heißt es wie folgt:

" Für Ihren Betrieb können wir Ihnen folgendes

Angebot unterbreiten:

Bei Abschluss von 105 Funktelefonanschlüssen

im D 1 - Telly Local Tarif können wir Ihnen

je Anschluss eine einmalige Grundgebüh-

renerstattung in Höhe von 313,20 DM (incl.

Mwst) anbieten.

Erstattungsbetrag: 32.886,00 DM

...

Den Betrag können Sie wahlweise als Scheck

bzw. als Gutschrift auf Ihr Konto erhalten.

…"

Zu einem weiteren Angebot heißt es wie folgt:

"Für Ihren Betrieb können wir Ihnen folgendes

Angebot unterbreiten:

Bei Abschluss von 105 Funktelefonanschlüssen

in E-Plus-Service-Privat-Tarif können wir Ihnen

je Anschluss eine einmalige Grundgebührenrstattung

in Höhe von 336,40 DM (incl. Mwst) anbieten.

Erstattungsbetrag: 35.322,00 DM

Den Betrag können Sie wahlweise als Scheck

bzw. als Gutschrift auf Ihr Konto erhalten

... "

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Rund-

schreiben vom 01. März 1999 sowie auf das Angebotsschreiben

vom 07. April 1999 nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Klägerin hält die Werbung des Beklagten unter dem

Gesichtspunkt des übertriebenen Anlockens und des Verleitens

zum Vertragsbruch für wettbewerbswidrig. Außerdem

verstoße der Beklagte, wie sie meint, gegen die Bestimmungen

der Zugabeverordnung und des Rabattgesetzes.

Die Klägerin beantragt,

I.

den Beklagten zu verurteilen,

1.

es bei Meidung eines vom Gericht für jeden

Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes

bis zu DM 500.000,00, ersatzweise

Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft

bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle

bis zu zwei Jahren, zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr der Telekommunikation

zu Zwecken des es Wettbewerbs

a)

die an Partner von D-Netz-Kartenverträgen gerichtete

Empfehlung der rechtzeitigen Kündigung

von D-Netz-Kartenverträgen mit dem Angebot

zu verbinden, bei Abschluss eines neuen

24-Monats-Vertrages eine Provision an den

Vertragspartner auszuzahlen und/oder mit einem

solchen Angebot für die Vertragskündigung

zu werben,

insbesondere

wenn dies mit dem blickfangmäßig herausgestellten

Hinweis

"jetzt oft 2.000,00 bis 40.000,00 DM Provision

für D-Netz-Kartenwechsel direkt von

Petri alle zwei Jahre"

nach Maßgabe nachfolgend abgelichteten Rundschreibens

geschieht:

und/oder

b)

Kunden oder Interessenten für die Ausstattung

mit einer Mehrzahl von Funktelefonanschlüssen

in bestimmt bezeichneten Mobilfunktarifen eine

Erstattung von Grundgebühren in einem Gesamtbetrag,

der sich aus der Multiplikation

der Anzahl von Funktelefonanschlüssen mit dem

einmaligen Erstattungsbetrag je Anschluss ergibt,

anzubieten und/oder für ein solches Angebot

zu werben,

insbesondere,

wenn dies nach Maßgabe des nachfolgend abgelichteten

Angebotsschreibens geschieht:

2.

durch Vorlage eines nach Ort, Zeit, Dauer,

(Verbreitungs-) Form, Inhalt, Namen und Anschriften

der Adressaten und Empfänger sowie

nach Zahl der Tathandlungen gegliederten Ver-

zeichnisses ihr darüber Auskunft zu

erteilen, in welchem Umfang die

vorstehend unter Ziffer I.1. bezeichneten

Handlungen begangen hat, und zwar unter Angabe

etwa betriebener Werbung, aufgeschlüsselt

nach Werbeträgern, Auflagen und Stückzahlen

pro Auflage pro Werbeträger, nach Verbreitungsgebieten

und Verbreitungszeiten;

II.

festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet

ist, ihr allen Schaden zu erstatten, welcher ihr

durch die vorstehend unter Ziffer I.1. bezeichneten

Handlungen entstanden ist und künftig noch

entstehen wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung, seine Werbung sei nicht zu beanstanden.

Er habe, wie er geltend macht, auf die Tarife

der Netzbetreiber keinen Einfluss und könne in dem sich

verstärkenden Wettbewerb nur so reagieren, dass er einen

Teil seiner Provisionen, die er für die Vermittlung

der Netz-Kartenverträge erhalte, an seine Kunden auskehre.

Er greife auch nicht in bestehende Vertragsverhältnisse

ein und fordere auch nicht zum Vertragsbruch

auf. Er gebe mit seiner Werbung Interessenten lediglich

die Möglichkeit, bei Ablauf ihres Altvertrages die veränderten

Konditionen der Netzbetreiber miteinander zu

vergleichen. Derartige Wechselangebote seien auch

durchaus üblich.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens

wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien

gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist unbegründet.

Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche

nicht zu.

I.

Ansprüche gem. §§ 1 Abs. 1, 2 ZugabeVO scheiden aus.

Für Geldzugaben gilt gemäß § 1 Abs. 2 b ZugabeVO das

Zugabeverbot des § 1 Abs. 1 ZugabeVO nicht. Das gilt

unabhängig von der Höhe des jeweiligen Geldbetrages.

Für Geldzugaben gibt es - zugaberechtlich - keine Geringwertigkeitsgrenze.

II.

Auch Ansprüche wegen eines Verstoßes gegen das Rabattgesetz

(§ 12 Rabattgesetz, § 823 Abs. 2 BGB i.v.m. § 1 ff.

Rabattgesetz) scheiden aus. Bei den von dem Beklagten

angekündigten Provisions- und Rückerstattungszahlungen

handelt es sich nicht Preisnachlässe im Sinne des § 1

Abs. 2 Rabattgesetz. Aus der Sicht der von dem Beklag-

ten mit der Werbung angesprochenen Verbraucher handelt

es sich um Zugaben, die unterschiedslos jedem Kunden,

der sich für bestimmte Tarife entscheidet, gewährt wer-

den. Sie sind Bestandteil des von dem Beklagten verlangten

Normalpreises.

Bei den von dem Beklagten beworbenen Preisen handelt es sich

auch nicht um Sonderpreise im Sinne des § 1 Abs. 2, 2 Alternative

Rabattgesetz. Die Werbung des Beklagten enthält keinen Hinweis darauf,

dass er die von der Klägerin beanstandeten Vergünstigungen nur

einzelnen Kunden oder Kundengruppen allein wegen ihrer Zugehörigkeit

zu einem bestimmten Verbraucherkreis einräumt. Soweit der Beklagte in seiner Klageerwiderungsschrift angegeben hat, dass seine Angebote überwiegend an Transport- und Speditionsunternehmen sowie Selbstständige gegangen seien,

ergibt sich nichts anderes. Hierbei handelt es sich um den Hauptkundenkreis

des Beklagten. Abgesehen davon besteht hier kein Anhaltspunkt dafür, dass

die beworbenen Preise nur für die Kunden oder Kundengruppen gelte. Sollten, die die Werbeschreiben des Beklagten erhalten haben.

III.

Der Klägerin stehen auch keine Ansprüche gem. § 1 UWG zu. Die Werbung des Beklagten verstößt insbesondere nicht unter dem Gesichtspunkt des

übertriebenen Anlockens gegen § 1 UWG. Ob ein Anlocken als übertrieben zu

werten ist, ist nicht allein vom Wert der Zuwendung abhängig.

Es kommt auf die Gesamtwürdigung des Einzelfalls

an, wobei Anlass und Zweck sowie die Person des Zuwendenden

und Empfängers zu berücksichtigen sind

(Baumbach/Hefermehl, 21. Auflage, Rdn. 90 zu § 1 UWG).

Danach ist die hier in Rede stehende Werbung nicht zu

beanstanden.

Der Wert der beworbenen Zuwendungen pro Anschluss

stellt sich mit Beträgen zwischen 266,80 DM und 336,40

DM angesichts der Gesamtkosten bei einer Vertragslaufzeit

von 24 Monaten für die vornehmlich gewerblichen

Kunden der Beklagten nicht als ein "blendender" Betrag

dar. Die Kunden werden hierdurch in ihrer Entschließungsfreiheit

nicht eingeengt oder unsachlich beeinflusst.

Der Beklagte wendet sich vornehmlich an Gewerbetreibende,

die vor einem Vertragsschluss Angebote der

verschiedensten Anbieter einzuholen und diese auch

sachgerecht zu prüfen pflegen. Es steht nicht zu erwarten,

dass sie sich dabei allein durch die von dem Beklagten

angekündigten Zuwendungen oder durch deren Höhe

beeinflussen lassen werden. Soweit es

den Wert der Zuwendung anbelangt, ist hier

zu berücksichtigen, dass auf dem Markt der Telekommunikation

Zuwendungen der verschiedensten Art mit einem

durchaus vergleichbaren Wert angeboten werden

( zum Beispiel: Handy für 0,00 DM bei gleichzeitigem Abschluss

eines Kartenvertrags, Startguthaben, Wegfall

der Grundgebühren über einen zumindest begrenzten Zeitraum,

Zahlung einer Aufwandentschädigung). Dem Wert dieser Zuwendungen

kommt für sich betrachtet - keine besondere Bedeutung zu.

Er stellt sich allenfalls als abrechnungsposition im Rahmen

der Gesamtbewertung und Prüfung des jeweiligen Angebotes dar.

Das gilt in besonderem Maße auch für den von dem Beklagten angesprochenen

Kundenkreis. Eine andere Bewertung unter dem

Gesichtspunkt des übertriebenen Anlockens ergibt sich

hier auch nicht deshalb, weil die Zuwendungen nach Wahl

des Kunden auch ausgezahlt werden können. Hier ist zu

berücksichtigen, dass eine derartige Zahlung erst nach

Ende der Vertragslaufzeit möglich ist, nachdem dem betreffenden

Kunden zum Teil bereits erhebliche Kosten

entstanden sind, so dass der Anlockeffekt, der von einem

derartigen Angebot ausgeht, nach Auffassung der

Kammer gering zu veranschlagen ist.

Die Werbung verstößt auch nicht unter dem Gesichtspunkt

des Verleitens zum Vertragsbruch gegen § 1 UWG. Die Abwerbung

von Kunden ist wettbewerbsrechtlich nicht zu

beanstanden. Das gilt auch dann, wenn die Kunden sich

noch in einer vertraglichen Bindung zu einem Mitbewerber

befinden. Der Beklagte wirkt mit seiner Werbung im

Übrigen auch nicht auf einen Vertragbruch hin. Seine

Angebote gelten ausschließlich für den Fall, dass die befristet

abgeschlossenen Verträge auslaufen. Der Hinweis

auf Kündigungsrechte ist offensichtlich keine Aufforderung

zum Vertragsbruch. Ob und inwieweit die Angebote

des Beklagten gegebenenfalls geeignet sind, im Einzelfall

Kunden der Klägerin zu veranlassen, sich bereits vor

Ablauf der Vertragslaufzeit aus dem Vertragsverhältnis

zu lösen und mit dem Beklagten einen Vertrag zu schlie-

ßen, kann dahinstehen. Dabei handelt es sich um ein Risiko,

das dem Leistungswettbewerb immanent ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung

über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.






LG Dortmund:
Urteil v. 22.09.1999
Az: 10 O 138/99


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