Bayerischer Verwaltungsgerichtshof:
Beschluss vom 23. August 2012
Aktenzeichen: 22 C 12.1418

(Bayerischer VGH: Beschluss v. 23.08.2012, Az.: 22 C 12.1418)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 23. August 2012 (Aktenzeichen 22 C 12.1418) den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 23. Mai 2012 und den Vergütungsfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des gleichen Gerichts vom 21. März 2012 aufgehoben. Das Gericht entschied weiterhin, dass die Rechtsanwälte K... die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen als Gesamtschuldner zu tragen haben.

Inhaltlich ging es in dem Fall darum, dass das Landratsamt Miltenberg dem Kläger im Jahr 2005 eine wasserrechtliche Anordnung gegen seine Gänsehaltung erteilte. Der Kläger legte Widerspruch gegen diese Anordnung ein. In verschiedenen gerichtlichen Verfahren wurde über den Widerspruch und die Anträge des Klägers entschieden. Schließlich wurden die Anordnung sowie ein weiterer Bescheid des Landratsamts im Jahr 2007 gerichtlich bestätigt.

Die Rechtsanwälte K... hatten den Kläger in den verschiedenen Verfahren rechtlich vertreten. Nach Abschluss der Verfahren beantragten sie die Festsetzung ihrer Vergütung. Der Kläger widersprach diesem Antrag und machte geltend, dass die Anwälte ihre Pflichten verletzt hätten und die Betriebsanpassung nicht ausreichend vorangetrieben haben. Der Urkundsbeamte lehnte den Vergütungsfestsetzungsantrag daraufhin ab.

Die Rechtsanwälte legten dagegen Erinnerung ein und führten an, dass sie in enger Abstimmung mit dem Kläger gehandelt hätten und keine Pflichtverletzung begangen hätten. Sie beantragten, ihre Vergütung festzusetzen. Das Verwaltungsgericht wies die Erinnerung des Klägers jedoch als unbegründet zurück.

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hob diese Entscheidung auf und erklärte, dass die Einwände des Klägers nicht im Gebührenrecht gründen und daher nicht als unbeachtlich angesehen werden können. Die Einwände des Klägers beziehen sich auf das Verhalten der Anwälte während des Prozesses und das Ergebnis der Verfahren. Das Gericht stellte fest, dass diese Einwände nicht offensichtlich haltlos sind und daher im Rahmen der Vergütungsfestsetzung berücksichtigt werden müssen.

Der Beschluss des Urkundsbeamten, die Vergütung auf 3.258,34 Euro festzusetzen, wurde daher aufgehoben. Die Kosten des Verfahrens haben die Rechtsanwälte K... als Gesamtschuldner zu tragen.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

Bayerischer VGH: Beschluss v. 23.08.2012, Az: 22 C 12.1418


Tenor

I. Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 23. Mai 2012 und der Vergütungsfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des gleichen Gerichts vom 21. März 2012 werden aufgehoben.

II. Die Rechtsanwälte K... haben die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen als Gesamtschuldner zu tragen.

Gründe

I.

Am 23. Mai 2005 erließ das Landratsamt Miltenberg gegenüber dem Kläger, der jedenfalls damals eine mehrere Tausend Tiere umfassende Gänsehaltung betrieb, eine für sofort vollziehbar erklärte wasserrechtliche Anordnung. Den hiergegen gerichteten Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO lehnte das Bayerische Verwaltungsgericht Würzburg durch Beschluss vom 10. August 2005 (Az. W 4 S 05.698) ab. Auf die Beschwerde des Klägers hin stellte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof durch Beschluss vom 7. November 2005 (Az. 22 CS 05.2399 <juris>) die aufschiebende Wirkung des gegen den Bescheid vom 23. Mai 2005 eingelegten Widerspruchs bis zum 31. Dezember 2005 unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen wieder her, da dem Kläger eine angemessene Zeit zur Umstellung seines Betriebs eingeräumt werden müsse.

Durch Bescheid vom 13. April 2007 untersagte das Landratsamt Miltenberg dem Kläger, auf einer bestimmten Fläche seines Betriebs mehr als 600 Gänse je Hektar Freifläche zu halten.

Die gegen die Bescheide vom 23. Mai 2005 und vom 13. April 2007 gerichteten Widersprüche des Klägers wies die Regierung von Unterfranken durch Widerspruchsbescheid vom 26. November 2007 zurück.

Die gegen die beiden vorgenannten Bescheide in der Gestalt des zugehörigen Widerspruchsbescheids erhobene Anfechtungsklage wies das Verwaltungsgericht durch Urteil vom 10. Juni 2008 (Az. W 4 K 08.2 <juris>) ab; der Antrag des Klägers, hiergegen die Berufung zuzulassen, blieb ohne Erfolg (Beschluss des BayVGH vom 16.11.2009 Az. 22 ZB 08.2165 <juris>).

Mit Schreiben vom 23. Januar 2012 beantragten die Rechtsanwälte K..., die den Kläger im Widerspruchsverfahren, im Klageverfahren und im Verfahren auf Zulassung der Berufung vertreten hatten, beim Verwaltungsgericht, gegen den Kläger die Vergütung festzusetzen, die ihnen für ihre Tätigkeit in diesen drei Verfahren zustehe.

Der Kläger widersprach dieser Forderung mit Schreiben vom 13. Februar 2012. Rechtsanwalt K... habe trotz mehrmaliger Hinweise von seiner Seite die im Beschluss vom 7. November 2005 (a.a.O.) enthaltenen Vorschläge für eine Betriebsanpassung nicht akzeptiert und stattdessen den Prozess "weiter bezüglich der wasserrechtlichen Anordnung vorangetrieben". Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts lehnte daraufhin den Vergütungsfestsetzungsantrag durch Beschluss vom 15. Februar 2012 unter Hinweis auf § 11 Abs. 5 RVG ab.

Zur Begründung der Erinnerung, die die Rechtsanwälte K... gegen diesen Beschluss einlegten, trugen sie vor, der vom Kläger erhobene Einwand sei offenkundig aus der Luft gegriffen und ersichtlich nicht geeignet, die Behauptung einer Schlechterfüllung des Anwaltsvertrages zu stützen. Unter Bezugnahme auf die dem Erinnerungsschreiben in großer Zahl beigefügten Schriftstücke (sie betreffen überwiegend Korrespondenz zwischen den Rechtsanwälten K... und dem Kläger sowie von anwaltlicher Seite erstellte Vermerke über Telefonate mit ihm) machten sie u. a. geltend, jeder von ihnen unternommene Schritt sei zuvor mit dem Kläger abgestimmt worden. Die gegen die Vergütungsfestsetzung erhobenen Einwände stünden in Widerspruch zu vom Kläger geäußerten Bitten um Stundung der Entgeltforderung; sie seien in rechtsmissbräuchlicher Weise nur darauf angelegt, die Erfüllung der berechtigten Ansprüche weiter hinauszuzögern.

In seiner Erwiderung vom 15. März 2012 vertrat der Kläger u. a. die Auffassung, die Rechtsanwälte K... wären in seinem Interesse verpflichtet gewesen, mit allen Mitteln die Betriebsanpassung in Angriff zu nehmen. Obwohl er Rechtsanwalt Kaup darauf hingewiesen habe, dass er nicht über die finanziellen Mittel verfüge, um die Honorarforderung zu begleichen, habe dieser "den Prozess immer weiter vorangetrieben".

Durch Beschluss vom 21. März 2012 setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts unter Abänderung des Beschlusses vom 15. Februar 2012 die den Rechtsanwälten K... als ehemaligen Bevollmächtigten des Klägers zustehende gesetzliche Vergütung auf 3.258,34 € fest. Begründet wurde die Entscheidung damit, dass die Einwendungen des Klägers als aus der Luft gegriffen bzw. als widerlegt angesehen werden müssten. Es sei ausschließlich Sache des Klägers, nicht aber Aufgabe seiner damaligen Bevollmächtigten gewesen, die notwendige Betriebsanpassung in die Wege zu leiten. Aus dem Vorbringen im Rahmen des Erinnerungsverfahrens ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die damaligen Bevollmächtigten des Klägers von seiner Seite erteilte Hinweise oder im Beschluss vom 7. November 2005 (a.a.O.) enthaltene Vorschläge ignoriert hätten. Unter Berücksichtigung des einem Rechtsanwalt zuzubilligenden Spielraums hinsichtlich des prozesstaktischen Vorgehens hätten die damaligen Bevollmächtigten des Klägers regelmäßig in enger Abstimmung mit ihm und nach vorheriger Auftrags- und Vollmachtserteilung durch ihn gehandelt.

Zur Begründung seiner Erinnerung gegen diesen Beschluss wiederholte der Kläger im Wesentlichen seine Auffassung, es wäre Aufgabe seiner damaligen Bevollmächtigten gewesen, den Beschluss vom 7. November 2005 (a.a.O.) umzusetzen. Jedenfalls aber hätte es zu deren Obliegenheiten gehört, ihn darauf hinzuweisen, dass es nicht ihre Sache sei, die betriebswirtschaftlichen Entscheidungen zu treffen; in diesem Fall hätte er das selbst in Angriff genommen.

Durch Beschluss vom 23. Mai 2012 wies das Verwaltungsgericht die Erinnerung als unbegründet zurück. Wenn sich der Kläger nunmehr gegen die Honorarforderung wende, setze er sich zu seinem früheren Verhalten in Widerspruch. Nach Erhalt der Rechnung seiner damaligen Bevollmächtigten vom 18. Juli 2008 (mit ihr wurde die Honorarforderung für das verwaltungsgerichtliche Verfahren im ersten Rechtszug geltend gemacht) habe er nämlich lediglich um eine Stundung bis zur Einbringung der Weizenernte gebeten. Die Behauptung des Klägers, seine damaligen Bevollmächtigten hätten das Hauptsacheverfahren nicht im Einvernehmen mit ihm betrieben, werde durch deren Vermerke über die vom Kläger telefonisch erteilten Aufträge zur Klageerhebung bzw. zur Berufungseinlegung sowie durch die von ihm unterzeichnete Vollmacht widerlegt. Im Übrigen bezog sich das Verwaltungsgericht auf die Begründung des Beschlusses vom 21. März 2012.

Mit der gegen den Beschluss vom 23. Mai 2012 eingelegten Beschwerde beantragt der Kläger, unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung seiner Erinnerung gegen den Vergütungsfestsetzungsbeschluss vom 21. März 2012 stattzugeben. Zur Begründung bezieht er sich auf sein bisheriges Vorbringen. Ergänzend macht er geltend, das Verwaltungsgericht habe die Anforderungen an Einwendungen im Sinn von § 11 Abs. 5 RVG zu hoch angesetzt. Auch sei ihm nicht erklärt worden, dass die Betriebsanpassung "etwas anderes sei als die weiteren Verfahren".

Die Rechtsanwälte K... beantragen, die Beschwerde zurückzuweisen. Sowohl die Betriebsanpassung als auch der wasserrechtliche Ausgleichs- bzw. Entschädigungsanspruch seien vom Bestand der Bescheide vom 23. Mai 2005 und vom 13. April 2007 abhängig gewesen. Es habe dem Willen des Klägers entsprochen, diese Bescheide einer gerichtlichen Klärung zuzuführen. Den Erfolg der zur Betriebsanpassung ergriffenen Maßnahmen, in deren Rahmen die Rechtsanwälte K... im Übrigen ebenfalls für den Kläger tätig gewesen seien, ohne hierfür ein Entgelt zu verlangen, habe der Kläger durch eigenes Verhalten vereitelt.

Der Beklagte beantragt gleichfalls, die Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Einer Festsetzung der Vergütung der früheren Klagebevollmächtigten steht gemäß § 11 Abs. 5 Satz 1 RVG entgegen, dass der Kläger Einwände erhoben hat, die nicht im Gebührenrecht gründen, und keine Fallgestaltung vorliegt, in der solches Vorbringen ausnahmsweise als unbeachtlich behandelt werden kann.

Diese Entscheidung konnte der Verwaltungsgerichtshof treffen, ohne dass den Rechtsanwälten K... zuvor Gelegenheit eingeräumt werden musste, sich zu dem Schriftsatz der jetzigen Bevollmächtigten des Klägers vom 21. August 2012 zu äußern. Da sich die Einwände nichtgebührenrechtlicher Art, die im gegebenen Fall dem Erlass eines Vergütungsfestsetzungsbeschlusses entgegenstehen, ausnahmslos bereits in den Erklärungen finden, die der Kläger im Verfahren vor dem Urkundsbeamten und im Laufe des erstinstanzlichen Erinnerungsverfahrens abgegeben hat, ist die Zuschrift vom 21. August 2012 entscheidungsunerheblich.

Allen Facetten des Vorbringens, mit dem der Kläger der Honorarforderung seiner ehemaligen Bevollmächtigten entgegentritt, liegt als verbindendes Element die (sinngemäße) Behauptung zugrunde, die Rechtsanwälte K... hätten Pflichten verletzt, die ihnen aufgrund des Vertrages oblegen hätten, auf dem ihre Tätigkeit als Bevollmächtigte beruhte. Da die Richtigkeit eines derartigen Vorbringens anhand von Normen zu beurteilen ist, die nicht dem Gebührenrecht angehören, stellt die Behauptung der Schlechterfüllung anwaltlicher Pflichten einen nicht im Gebührenrecht gründenden Einwand im Sinn von § 11 Abs. 5 Satz 1 RVG dar (vgl. z.B. Römermann in Hartung/Römermann/Schons, RVG, 2. Aufl. 2006, RdNr. 129 zu § 11; Hartmann, Kostengesetze, 42. Aufl. 2012, RdNr. 67 zu § 11 RVG).

Entgegen der Auffassung, die den Beschlüssen des Urkundsbeamten vom 21. März 2012 und des Verwaltungsgerichts vom 23. Mai 2012 zugrunde liegt, kann das Vorbringen des Klägers nicht als unbeachtlich behandelt werden.

Nach § 11 Abs. 5 Satz 1 RVG genügt - mit den nachfolgend zu erörternden Einschränkungen - grundsätzlich die bloße Erhebung eines nichtgebührenrechtlichen Einwands, um die Titulierung der anwaltlichen Vergütung im Festsetzungsverfahren auszuschließen. Nicht erforderlich ist es namentlich, dass die Einwendung oder Einrede schlüssig dargelegt wird (BayVGH vom 30.1.2008 Az. 10 C 07.2693 BayVBl 2009, 158; vom 30.1.2008 Az. 10 C 07.2676 <juris> RdNr. 7; vom 2.4.2009 Az. 13 M 09.322 <juris> RdNr. 14; OVG SH vom 2.6.2006 NJW 2007, 2204; HessVGH vom 19.7.2007 NJW 2007, 3738; OVG NRW vom 15.6.2009 Az. 8 E 567/09 <juris> RdNr. 23; NdsOVG vom 19.5.2010 NVwZ-RR 2010, 662; SächsOVG vom 29.12.2011 Az. 1 E 123/10 <juris> RdNr. 4). Anders verhält es sich nur, wenn der nichtgebührenrechtliche Einwand offensichtlich haltlos (gleichsam "aus der Luft gegriffen") ist (BayVGH vom 30.1.2008 Az. 10 C 07.2693, a.a.O.; vom 2.4.2009, a.a.O.; OVG SH vom 2.6.2006, a.a.O.; HessVGH vom 19.7.2007, a.a.O., S. 3739; OVG NRW vom 15.6.2009, a.a.O., RdNr. 25; SächsOVG vom 29.12.2011, a.a.O.).

Bei der näheren Konkretisierung der Voraussetzungen, unter denen ein außerhalb des Gebührenrechts liegender Einwand unbeachtlich ist, muss zum einen berücksichtigt werden, dass auch Vergütungsfestsetzungsbeschlüsse nach § 11 RVG umfassend in materielle Rechtskraft erwachsen können. Dies hat zur Folge, dass sowohl gebühren- als auch nichtgebührenrechtliche Einwände, die bereits vor dem nach § 767 Abs. 2 ZPO maßgeblichen Zeitpunkt entstanden sind, wegen der sich aus dieser Vorschrift ergebenden Präklusionswirkung auch mit einer Vollstreckungsabwehrklage nicht mehr geltend gemacht werden können (vgl. HessVGH vom 19.7.2007, a.a.O., S. 3739; NdsOVG vom 19.5.2010, a.a.O.). Mit der staatlichen Justizgewährungspflicht vereinbar ist diese Rechtsfolge nur, wenn der potenzielle Schuldner des anwaltlichen Vergütungsanspruchs alle Möglichkeiten besitzt, um sich umfassend gegen seine Inanspruchnahme zu verteidigen (er z.B. seine Sicht der Sach- und Rechtslage in einer mündlichen Verhandlung vortragen und er eine Beweiserhebung über seiner Auffassung nach aufklärungsbedürftige Gesichtspunkte verlangen kann). Das Vergütungsfestsetzungsverfahren bietet - auch unter Berücksichtigung der Möglichkeit, gegen Entscheidungen des Rechtspflegers (vgl. § 21 Nr. 2 RPflG) bzw. Urkundsbeamten (vgl. § 11 Abs. 3 RVG) das Gericht anzurufen - keine vergleichbaren verfahrensrechtlichen Gewährleistungen. Auf der anderen Seite darf der Umstand, dass das Gesetz dem Anspruchsgegner im Festsetzungsverfahren die Rechtsmacht einräumt, durch die bloße Berufung auf nichtgebührenrechtliche Gesichtspunkte das Erwirken eines Titels im vereinfachten Verfahren nach § 11 RVG auszuschließen (so z.B. HessVGH vom 19.7.2007, a.a.O., S. 3738; NdsOVG vom 19.5.2010, a.a.O.), nicht dazu führen, dass der in § 11 RVG zum Ausdruck gelangende Wille des Gesetzgebers, Rechtsanwälten die Möglichkeit zu eröffnen, wegen ihrer Entgeltforderungen einen vollstreckbaren Titel in einem vereinfachten Verfahren zu erlangen und die Gerichte von Vergütungsklagen zu entlasten (vgl. zu diesen Zielsetzungen des § 11 RVG Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 20. Aufl. 2012, RdNr. 142 zu § 11), in ungerechtfertigter Weise entwertet wird.

Ein sachgerechter Ausgleich zwischen beiden Erfordernissen lässt sich nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs zum einen in der Weise erreichen, dass außerhalb des Gebührenrechts liegende Einwände dann einer Vergütungsfestsetzung nicht gemäß § 11 Abs. 5 Satz 1 RVG entgegenstehen, wenn sie sich in einer abstrakten Rechtsbehauptung oder bloßen Unmutsäußerungen über die anwaltliche Tätigkeit des Anspruchstellers erschöpfen. Zu verlangen ist vielmehr, dass vom Anspruchsgegner vorgetragene, nichtgebührenrechtliche Gesichtspunkte an bestimmte Gegebenheiten des dem Festsetzungsverfahren vorangegangenen gerichtlichen Verfahrens bzw. an näher bezeichnete Aspekte der dieses Verfahren betreffenden anwaltlichen Tätigkeit anknüpfen, so dass erkennbar wird, aus welchem konkreten Lebenssachverhalt der Anspruchsgegner eine Einwendung oder Einrede gegen die Honorarforderung herleitet (vgl. zu dem Erfordernis des "konkreten Fallbezugs", damit ein Vorbringen nach § 11 Abs. 5 Satz 1 RVG beachtlich ist, OVG SH vom 2.6.2006, a.a.O.; Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, a.a.O., RdNr. 140 zu § 11, zur Unbehelflichkeit abstrakter Rechtsbehauptungen sowie bloß allgemeiner Unmutsäußerungen über den Anspruchsteller und dessen Tätigkeit Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, a.a.O., RdNr. 139 zu § 11). Mit dem Begriff der Einwendung in § 11 Abs. 5 Satz 1 RVG lässt sich ein solches Erfordernis ohne Weiteres vereinbaren.

Nach § 11 Abs. 5 Satz 1 RVG unbeachtlich ist ein außerhalb des Gebührenrechts liegender Einwand nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs ferner dann, wenn sich bereits aus den eigenen Einlassungen des Anspruchsgegners im Festsetzungsverfahren ergibt, dass das Vorbringen entweder unter rechtlichem oder tatsächlichem Blickwinkel der erhobenen Forderung schlechthin nicht erfolgversprechend entgegengesetzt werden kann, ohne dass zu diesem Zweck auf andere als feststehende Tatsachen zurückgegriffen zu werden braucht oder Rechtsfragen beantwortet werden müssen, deren zutreffende Entscheidung auch nur ansatzweise zweifelhaft sein kann (vgl. zu der Notwendigkeit, dass das Vorbringen des Anspruchsgegners jedenfalls im Ansatz die Möglichkeit erkennen lassen muss, dass die gegen ihn erhobene Forderung unbegründet sein könnte, Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, a.a.O., RdNr. 138 zu § 11). Rechtlich lässt sich dieser Ansatz mit dem Schikaneverbot des § 226 BGB begründen. Unbeachtlich ist danach ein Vorbringen tatsächlicher Art, dessen Unrichtigkeit sich bereits aus Umständen zweifelsfrei ergibt, die zwischen den Beteiligten unstrittig sind oder die unabhängig hiervon feststehen (z.B. weil eine naturwissenschaftliche Gesetzmäßigkeit oder sonst gesichertes Erfahrungswissen inmitten steht). Als rechtlich unbeachtlich eingestuft werden darf ein Einwand dann, wenn sich für ihn im geltenden Recht unter keinem erdenklichen Gesichtspunkt eine Stütze finden lässt und dieses Ergebnis auch ohne nähere Befassung mit der Materie auf der Hand liegt. Erfordert die Bewertung einer nichtgebührenrechtlichen Einlassung des Anspruchsgegners im Festsetzungsverfahren nach § 11 RVG demgegenüber eine Würdigung gegenläufigen tatsächlichen oder rechtlichen Vorbringens der Anspruchstellerseite, so wird eine Einstufung als unbeachtlich in aller Regel ausscheiden. Denn § 11 Abs. 5 Satz 1 RVG entzieht hinsichtlich aller nichtgebührenrechtlichen Fragen dem Rechtspfleger bzw. Urkundsbeamten die Befugnis, zu entscheiden, welche von mehreren divergierenden Sachverhaltsdarstellungen zutrifft bzw. welcher Auffassung bei einander widerstreitenden Rechtsstandpunkten zu folgen ist.

Mit dem hier vertretenen rechtlichen Ansatz steht es in Einklang, wenn der Verwaltungsgerichtshof im Beschluss vom 31. August 1978 (BayVBl 1978, 739) den Verjährungseinwand, mit dem ein auf Zahlung von Rechtsanwaltshonorar in Anspruch genommener früherer Kläger der Festsetzung der Anwaltsvergütung entgegentrat, deshalb als nach § 19 Abs. 5 Satz 1 BRAGO (diese Vorschrift stimmte mit § 11 Abs. 5 Satz 1 RVG wortgleich überein) unbeachtlich eingestuft hat, weil die Unrichtigkeit dieses Einwands in evidenter Weise auf der Hand lag. Denn in jenem Verfahren war weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht strittig oder aus sonstigen Gründen zweifelhaft, wann die Verjährungsfrist zu laufen begonnen hatte und wie lange sie dauerte. Desgleichen stand fest, dass der Anspruchsteller vor ihrem Ablauf einen die Verjährung unterbrechenden Vergütungsfestsetzungsantrag eingereicht hatte. Ebenfalls festzuhalten ist an dem im Beschluss vom 31. August 1978 (a.a.O.) enthaltenen Hinweis, dass alle am Vergütungsfestsetzungsverfahren beteiligten Entscheidungsträger bei der Einstufung eines nichtgebührenrechtlichen Einwands als "offensichtlich unbegründet" Vorsicht walten lassen müssen, damit nicht doch außerhalb des regulären Erkenntnisverfahrens über nichtgebührenrechtliches Vorbringen sachlich entschieden wird.

Dass der Urkundsbeamte im Beschluss vom 21. März 2012 eine derartige sachliche Entscheidung über einen außergebührenrechtlichen Einwand getroffen hat, erhellt u. a. der Umstand, dass eingangs der Beschlussgründe ausgeführt wurde, die Einwendungen des Klägers müssten "anhand des Erinnerungsvortrags" (d.h. aufgrund des tatsächlichen und rechtlichen Vorbringens der Rechtsanwälte K...) als "widerlegt" angesehen werden. Die Wertung, ob nicht dem Gebührenrecht zugehörige Argumente, mit denen der Anspruchsgegner einer zur Festsetzung nach § 11 RVG angemeldeten Forderung entgegengetreten ist, durch das Vorbringen der Anspruchstellerseite in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht entkräftet worden ist, obliegt jedoch allein den Zivilgerichten im Rahmen eines den Vergütungsanspruch betreffenden Klageverfahrens.

Der Bezug, den der Kläger zwischen seinen Einwänden und den Verfahren W 4 K 08.2 und 22 ZB 08.2165 sowie dem Verhalten seiner früheren Bevollmächtigten in diesem Rechtsstreit hergestellt hat, bewegt sich zwar an der untersten Grenze dessen, was erforderlich ist, um die Einstufung eines nicht gebührenrechtlichen Vorbringens als unbeachtlich zu vermeiden; gleichwohl ist diese Grenze noch gewahrt. Seine Behauptung, der Verwaltungsgerichtshof habe im Beschluss vom 7. November 2005 die "wasserrechtliche Anordnung" mit dem Ergebnis geprüft, dass eine Betriebsanpassung erfolgen müsse (vgl. den ersten Absatz seines Schreibens an das Verwaltungsgericht vom 15.3.2012), und der Verwaltungsgerichtshof habe damals "die rechtliche Entscheidung" getroffen, so dass eine weitere Prozessführung unnötig gewesen sei (letzter Absatz auf Seite 1 des Schreibens des Klägers an das Verwaltungsgericht vom 7.5.2012), stellt keine abstrakte Rechtsbehauptung ohne Verbindung zum konkreten Fall, sondern eine rechtliche Schlussfolgerung dar, die er aus einer ihm gegenüber ergangenen Gerichtsentscheidung zieht. Der Vorwurf des Klägers an seine früheren Bevollmächtigten, sie hätten den Anfechtungsprozess immer weiter vorangetrieben, obwohl er sie auf seine beschränkten finanziellen Mittel hingewiesen habe, statt eine Betriebsanpassung in Angriff zu nehmen, ist zwar sehr allgemein gehalten, hat aber doch noch eine hinreichende Verbindung zum konkreten Fall.

Die Wahrscheinlichkeit, dass der Kläger dieses Vorbringen dem Vergütungsanspruch seiner früheren Bevollmächtigten mit Erfolg entgegenhalten kann, mag denkbar gering sein. Dass es schlechthin und in jeder Hinsicht unvertretbar sei, lässt sich schon deshalb nicht mit abschließender Verbindlichkeit behaupten, weil sich der Verwaltungsgerichtshof im Beschluss vom 7. November 2005 (a.a.O.) nicht auf eine bloße Interessenabwägung beschränkt, sondern auch Aussagen zur materiellen Rechtslage getätigt hat. Hierbei wird nicht verkannt, dass Gegenstand jenes Verfahrens nur der Bescheid vom 23. Mai 2005 bildete, während die Anordnung vom 13. April 2007 damals noch gar nicht erlassen war. Da sich im Beschluss vom 7. November 2005 (a.a.O., RdNr. 5) die Aussage findet, durch die bei den Akten befindlichen Fotoaufnahmen erscheine "tatsächlich widerlegt, dass der Betrieb des Antragstellers [d.h. des späteren Klägers] die Voraussetzungen zulässiger Freilandtierhaltung erfüllen könnte", erscheint es auch nicht von vornherein ausgeschlossen, die Auffassung zu vertreten, der Verwaltungsgerichtshof habe bereits damals zum Ausdruck gebracht, auch auf derjenigen Betriebsfläche des Klägers, auf die sich der Bescheid vom 13. April 2007 bezog, sei eine Freiland-Gänsehaltung nicht (unbeschränkt) zulässig. Dass Beratung und Vorgehensweise der früheren Bevollmächtigten der damaligen prozessualen Situation und der finanziellen Lage des Klägers angemessen waren, wird von diesem in Zweifel gezogen und kann nicht völlig ohne Würdigung gegenläufigen tatsächlichen oder rechtlichen Vorbringens geklärt werden.

Der Beachtlichkeit des Vorbringens des Klägers steht es auch nicht entgegen, dass er die Pflichtgemäßheit des Verhaltens seiner früheren Bevollmächtigten erst in Abrede gestellt hat, nachdem diese einen Vergütungsfestsetzungsantrag eingereicht hatten. Denn § 11 Abs. 5 RVG erlaubt keine Präklusion von Einwänden, die erst in einem bestimmten Verfahrensstadium vorgebracht wurden (vgl. eingehend dazu BayVGH vom 30.1.2008 Az. 10 C 07.2676, a.a.O., RdNr. 6). Auch von der Sache her muss es keinen Widerspruch darstellen, wenn ein Rechtsschutzsuchender sich während der Anhängigkeit gerichtlicher Verfahren mit dem Tätigwerden seiner Bevollmächtigten nicht nur einverstanden zeigt, sondern ihnen darüber hinaus sogar Aufträge zur Vornahme kostenwirksamer prozessrechtlicher Handlungen erteilt, und er erst aus Anlass eines Vergütungsfestsetzungsantrags Angriffe gegen die Pflichtgemäßheit ihres Verhaltens vorbringt. Denn es erscheint vorstellbar, dass ihm die Informationen, aufgrund derer er zu dieser Auffassung gelangt ist, erst nach dem Abschluss des gerichtlichen Verfahrens zugegangen sein könnten, für das der Vergütungsanspruch geltend gemacht wird, oder dass er erst aus der zeitlichen Distanz heraus das Verhalten seiner früheren Bevollmächtigten negativ bewertet. Die Unterzeichnung von Vollmachtsurkunden und die ausdrückliche Erteilung von Aufträgen zur Einlegung von Rechtsbehelfen schließt es schon von der Sache her nicht aus, dass die Person, die solche Handlungen vorgenommen hat, später geltend macht, sie sei hierzu durch (aus ihrer Sicht) unzutreffende Ratschläge des Anwalts bewogen worden.

Da bereits die Aufhebung der Nummer I des Beschlusses vom 21. März 2012 zur Folge hat, dass die eine Vergütungsfestsetzung ablehnende Entscheidung des Urkundsbeamten vom 15. Februar 2012 wieder auflebt, erübrigt sich ein Ausspruch des Verwaltungsgerichtshofs, durch den die Ablehnung des Festsetzungsantrags vom 23. Januar 2012 nochmals zum Ausdruck gebracht wird.

Die Pflicht der Rechtsanwälte K..., die Kosten des Festsetzungsverfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen, folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Denn bei diesem Verfahren handelt es sich - auch wenn der Verwaltungsgerichtshof im Rubrum des vorliegenden Beschlusses die Beteiligtenstellung desjenigen Verfahrens beibehalten hat, aus dem der Vergütungsanspruch hergeleitet wird - um ein selbständiges, von den Rechtsanwälten K... gegen den Kläger angestrengtes gerichtliches Verfahren. Sie sind in diesem Verfahren deshalb als "unterliegender Teil" im Sinn von § 154 Abs. 1 VwGO anzusehen. Ihre Stellung als Gesamtschuldner folgt aus § 159 Satz 2 VwGO und § 31 Abs. 1 GKG.






Bayerischer VGH:
Beschluss v. 23.08.2012
Az: 22 C 12.1418


Link zum Urteil:
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