Bundespatentgericht:
Beschluss vom 16. Mai 2002
Aktenzeichen: 15 W (pat) 34/00

(BPatG: Beschluss v. 16.05.2002, Az.: 15 W (pat) 34/00)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat in einem Beschluss vom 16. Mai 2002 die Beschwerde gegen die Zurückweisung einer Patentanmeldung zurückgewiesen. Die Anmeldung betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Bestimmung des inneren Zustands von lebenden Bäumen. Die Prüfungsstelle hatte die Anmeldung zurückgewiesen, da das Verfahren und die Vorrichtung nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit basieren und keine nacharbeitbare technische Lehre für die Beurteilung des inneren Zustands von Bäumen offenbart ist. Der Anmelder hat dagegen Beschwerde eingelegt und argumentiert, dass bisher keine vergleichbare Vorrichtung zur Verfügung stand und dass die beanspruchte Vorrichtung ohne eine Bezugsachse auskommt, die es an lebenden Bäumen nicht gibt. Außerdem müsse die Vorrichtung mit einem neuartigen Rechenalgorithmus kombiniert werden. Das Gericht hat jedoch festgestellt, dass der Rechenalgorithmus nicht ausreichend in den Anmeldeunterlagen offenbart ist und dass das Verfahren und die Vorrichtung in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik abgeleitet werden können. Daher wurde die Beschwerde zurückgewiesen. Der Anmelder hat auch die Zulassung der Rechtsbeschwerde beantragt, jedoch wurden die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht erfüllt.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 16.05.2002, Az: 15 W (pat) 34/00


Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Der Anmelder reichte am 20. Juli 1996 beim Deutschen Patentamt eine Patentanmeldung ein, die am 29. Januar 1998 in Form der deutschen Offenlegungsschrift 196 29 400 mit der Bezeichnung

"Verfahren und Vorrichtung zur Bestimmung des inneren Zustandes von Bäumen durch das Messen von Umfang und Berechnung der Querschnittsform, der Trägheits- und Widerstandsmomente sowie der Hauptachsen mit anschließendem Vergleich"

veröffentlicht wurde.

Mit Beschluss vom 29. Februar 2000 wies die Prüfungsstelle für Klasse G 01 N des Deutschen Patent- und Markenamts die Anmeldung zurück. Dem Beschluss lagen die Patentansprüche 1 bis 6 in der ursprünglich eingereichten Fassung mit folgendem Wortlaut zugrunde:

"1. Verfahren zur Bestimmung des inneren Zustandes von lebenden Bäumen, bei dem der Umfang des Baumes und seine Querschnittsform an einer oder mehreren Höhen über dem Boden bestimmt werden und aus der Querschnittsform bei nur einer Messung und dem Vergleich der einzelnen Umfänge und Querschnittsformen bei mehreren Messungen durch die Abweichungen von den zu erwartenden Maßen und Formen bei einer vorliegenden Erkrankung oder Beschädigung auf solche geschlossen wird, dadurch gekennzeichnet,

- dass ein Konturmeter mit Laufrollen mit einem festem Achsabstand um den Baumstamm geführt wird, die Abrollwege einer oder mehrerer Rollen zum Umfang summiert werden,

- dass gleichzeitig eine Tiefe zum Baumumfang in Abhängigkeit von der momentanen Lage der durch die Laufrollen gezogene Achse gemessen wird und - dass nach einem Rechenalgorithmus hieraus die Form des Querschnitts, die Trägheits- und Widerstandsmomente sowie die dazugehörigen Hauptachsen berechnet werden.

2. Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet,

- dass der Abrollweg der Laufrollen durch den Laufrollenumfang und deren Umdrehungen und/oder Drehwinkel bestimmt wird, und - dass der Auslenkweg eines gefederten Stößels oder einer Schwinge durch deren Lagebeschreibung die Umfangskontur bestimmt.

3. Vorrichtung nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, dass der Achsabstand der Laufrollen und die Laufrollendurchmesser zur Anpassung an kleinere und größere Baumumfänge variiert werden.

4. Vorrichtung nach Anspruch 2 und 3, dadurch gekennzeichnet, dass der zur Tiefenmessung benutzten Stößel oder eine Schwinge teleskopierbar ist.

5. Vorrichtung nach Anspruch 2 bis 4, dadurch gekennzeichnet, dass die Umdrehungen und/oder Drehwinkel einer oder mehrerer Laufrollen und der Verschiebeweg der als Tiefenmesser eingesetzten Stößel oder Schwinge durch elektronische Messwertaufnehmer erfasst werden sowie nach einer Umwandlung in digitale Messsignale zur Berechnung der Querschnittsformen nach einem Rechenalgorithmus mittels Datenleitungen in einem Computer geleitet werden.

6. Vorrichtung nach Anspruch 2 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass die Datenübertragung zum Computer drahtlos erfolgt."

Die Zurückweisung der Anmeldung wurde im wesentlichen damit begründet, dass das beanspruchte Verfahren sowie die beanspruchte Vorrichtung in Hinblick auf die Druckschriften US 4 729 174 (1), DE 19 58 376 A1 (2), M. Weck et al.: "Messung großer Werkstückdurchmesser nach dem Reibradverfahren", Industrie 102 (1980) S 28 bis 31 (4) und DE 20 48 682 A1 (5) nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Darüber hinaus sei bezüglich der Beurteilung des inneren Zustandes von lebenden Bäumen keine nacharbeitbare technische Lehre offenbart, die zum Ziel führe.

Gegen diesen Beschluss hat der Anmelder Beschwerde eingelegt.

Er vertritt die Auffassung, dass bisher keine Vorrichtung zur Ermittlung der Querschnittsformen und der Trägheitsmomente an stehenden Bäumen zur Verfügung gestanden habe. Die anspruchsgemäße Vorrichtung beruhe zum einen auf einer kinematischen Umkehr der in den Entgegenhaltungen beschriebenen Vorrichtungen zur Vermessung zylindrisch geformter Körper und komme zum anderen demgegenüber ohne eine Bezugsachse aus, weil es eine solche an lebenden unbearbeiteten Bäumen nicht gebe. Des weiteren müsse die beanspruchte Vorrichtung mit einem neuartigen Rechenalgorithmus kombiniert werden, der nicht für sich alleine, aber in Kombination mit der konstruktiven Auslegung von Vorrichtung und Verfahren nach deutschem Patentrecht patentfähig sei. Zudem enthalte das beanspruchte Verfahren die Bestimmung von Trägheits- und Widerstandsmomenten, was jedoch aus keiner der im Prüfungsverfahren entgegengehaltenen Druckschriften zu entnehmen sei. Im übrigen sei das zu jeder Ingenieurausbildung zählende Grundlagenwissen über Querschnittsformen, Trägheits- und Widerstandsmomente bisher nicht auf lebende Bäume angewendet worden.

Daran ändere auch die vom Berichterstatter mit Zwischenverfügung vom 26. April 2002 ins Verfahren eingeführte Druckschrift Günther Sinn: "Standsicherheitsuntersuchung von Bäumen", Das Gartenamt 33 (1984) 593 bis 594 (7) nichts, da zum einen die darin beschriebenen Messvorrichtungen nicht ausreichten, um Querschnittsform, Trägheitsmoment und Widerstandsmoment von Bäumen zu ermitteln, und zum anderen Standsicherheit nicht mit Bruchsicherheit gleichgesetzt werden dürfe.

Als Beleg hierfür übereichte der Anmelder in der mündlichen Verhandlung Auszüge aus einem weiteren Fachartikel von Günther Sinn mit dem Titel "Bruchsicherheit von Bäumen und Restwandstärke geschlossener Stammquerschnitte", Das Gartenamt 2/94 S 100+102 und verweist darin insbesondere auf die Abbildungen 1 und 2 zur Messung der äußeren Kontur bei unregelmäßigem Stammquerschnitt.

Somit seien Verfahren und Vorrichtung nicht nur neu sondern auch erfinderisch.

Der Anmelder beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

Patentansprüche 1 bis 6, Beschreibung Spalte 1 bis 3, eine Seite Zeichnung mit Figur 1, sämtliche nach DE 196 29 400 A1, und beantragt andernfalls die Rechtsbeschwerde zuzulassen.

Zur beantragten Zulassung der Rechtsbeschwerde wurde der Anmelder in der mündlichen Verhandlung gemäß § 139 ZPO auf § 100 PatG hingewiesen, dabei insbesondere auf die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde sowie auf das Erfordernis der Formulierung einer Rechtsfrage.

Der Anmelder überreichte daraufhin eine Rechtsfrage mit folgendem Wortlaut:

"Ich beantrage die Zulassung zur Rechtsbeschwerde an den BGH, da ich die Ansicht vertrete, daß die eingereichten Patentunterlagen zur Anmeldung des Patentes Nr. 196 29 400 die Patentansprüche ausreichend und erschöpfend offenbaren und ein Patent erteilt werden muß. Es ist auch die Frage zu prüfen, daß die Kombination an sich bekannter und "trivialer" technischer Sachverhalte zu einem erfinderischen Produkt geführt haben!"

Der Anmelder wurde des weiteren darauf hingewiesen, dass beim Bundesgerichtshof - im Gegensatz zum Verfahren beim Bundespatentgericht -Anwaltspflicht besteht.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II.

Die Beschwerde des Anmelders ist frist- und formgerecht eingelegt worden und zulässig (PatG § 73). Sie hat jedoch aus nachfolgenden Gründen keinen Erfolg.

Die geltenden Patentansprüche, die mit den Patentansprüchen in der ursprünglichen Fassung übereinstimmen und somit ursprünglich offenbart sind, betreffen ein Verfahren zur Bestimmung des inneren Zustandes von lebenden Bäumen (vgl Patentanspruch 1) sowie eine Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 1 (vgl Patentanspruch 2), wobei aus der Bestimmung des Umfangs und der Querschnittsform an einer oder mehreren Höhen über dem Boden durch die Abweichungen von den zu erwartenden Maßen und Formen auf eine vorliegende Erkrankung oder Beschädigung der betreffenden Bäume geschlossen wird. Mit einem besonders ausgebildeten Konturmeter werden dabei sowohl der Umfang des Baumes als auch eine Tiefe zum Baumumfang gemessen und hieraus nach einem Rechenalgorithmus die Form des Querschnitts, die Trägheitsmomente, die Widerstandsmomente und die dazugehörigen Hauptachsen berechnet. Aufgabe ist somit die Bestimmung des inneren Zustands lebender Bäume, um eine Erkrankung oder Beschädigung festzustellen.

Das Verfahren gemäß Patentanspruch 1 ist in den ursprünglichen Unterlagen nicht so deutlich und vollständig beschrieben, dass es bei Berücksichtigung der zugrunde liegende Aufgabe auch ausführbar ist.

Für die Bewertung der Ausführbarkeit des beanspruchten Verfahrens, die bereits im Zurückweisungsbeschluss der Prüfungsstelle verneint worden war, ist eine differenzierte Betrachtung der einzelnen Verfahrensschritte erforderlich. Dabei ist zu unterscheiden zwischen - dem Messvorgang zur Bestimmung des Umfangs und der Tiefe zum Baumumfang in Abhängigkeit von der momentanen Lage der durch die Laufrollen gezogenen Achse,

- der Berechnung des Querschnitts, der Trägheits- und Widerstandsmomente sowie der dazugehörigen Hauptachsen mit einem Rechenalgorithmus,

- dem Vergleich der einzelnen (Mess)Werte bei Messungen in mehreren Höhen über dem Boden,

- und der Bestimmung des inneren Zustands von lebenden Bäumen.

Die Messung des Umfangs eines Körpers durch Umfahren desselben mit einem mit Laufrollen geeigneter Größe versehenen Messgerät ist dem Fachmann geläufig und somit ohne nähere Erläuterung auch an lebenden Bäumen ausführbar (vgl zB M. Weck et al: "Messung großer Werkstückdurchmesser nach dem Reibradverfahren", Industrie 102(1980)28-31 (4)). Die Messung einer Tiefe zum Baumumfang ist ausweislich des weiteren Anspruchswortlauts so zu verstehen, dass in Abhängigkeit von der momentanen Lage von den an einander mit festem Abstand gegenüberliegenden Enden des Konturmeters angebrachten Laufrollen und einem dazwischen liegenden gefederten Stößel als dritten Messpunkt, also mit drei Auflagepunkten, der lokale Krümmungsradius gemessen und damit die Kontur aufgezeichnet werden soll. Die Ermittlung einer Kontur bei einem sehr unregelmäßig gewachsenen Baumstamm ist gemäß Günther Sinn: "Bruchsicherheit von Bäumen und Restwandstärke geschlossener Stammquerschnitte", Das Gartenamt 2/94 S 100+102(8), insbes Abb 1 zwar nicht einfach aber doch ausführbar.

Entsprechendes gilt für die Durchführung dieser Konturermittlungen in verschiedenen Baumhöhen sowie für einen Vergleich der dabei erhaltenen Messwerte.

Zur Berechnung des massenunabhängigen Trägheitsmoments und des zugehörigen Widerstandsmoments sind, wie der Anmelder in seiner Beschwerdebegründung (vgl Schriftsatz v 29. Mai 2000, S 2 le Abs ff) zutreffend ausführt, ausschließlich geometrische Parameter erforderlich. Dabei ist im Zusammenhang der ursprünglichen Beschreibung unter dem vom Anmelder durchgehend verwendeten Begriff "Trägheitsmoment" zweifelsohne ausschließlich das in der Festigkeitslehre und Statik wichtige Flächen(trägheits)moment und nicht das Massenträgheitsmoment der Bewegungslehre zu verstehen, sodass sich der Senat dem diesbezüglichen Beschwerdevorbringen des Anmelders anschließen kann. Dem Fachmann - hier ein mit der Statik von Bäumen und Holzwerkstoffen befasster Ingenieur - ist auch geläufig, wie er zu gegebener Bezugsachse Flächen- und Widerstandsmoment bestimmen kann. Denn die Beziehung zwischen Querschnittsfläche (cm2), Flächenmoment (cm4) und Widerstandsmoment (cm3) eines Körpers wird, worauf der Anmelder in der Beschwerdebegründung (vgl Schriftsatz v 29. Mai 2000, S 4 le Abs) auch besonders hinweist, bereits in den ersten Semestern eines Ingenieurstudiums vermittelt. Damit erübrigt sich, die betreffenden Grundgleichungen zur Berechnung von Querschnittsfläche, Flächenmoment und Widerstandsmoment in der Beschreibung abzuhandeln.

Zur Berechnung eines Trägheits- und Widerstandsmoments an lebenden Bäumen ist es dementsprechend zunächst erforderlich, eine Querschnittsfläche sowie einen Abstand zur dazugehörigen Bezugsachse zu bestimmen.

Wegen der unregelmäßigen Konturen lebender Bäume ist aus den ursprünglichen Unterlagen jedoch nicht ersichtlich, welche Bezugsachsen bzw. Hauptachsen und damit welcher Abstand zur Bestimmung der Flächen- und Trägheitsmomente in den jeweiligen Punkten auf der Baumumfangslinie heranzuziehen sind. Nach den Ausführungen des Anmelders in der Beschwerdebegründung gibt es diese Bezugsachsen an lebenden Bäumen im Gegensatz zu zylindrischen Körpern auch nicht, und die anmeldungsgemäße Vorrichtung musste deshalb mit einem neuartigen Rechenalgorithmus kombiniert werden (vgl Schriftsatz v 29. Mai 2000, S 1 le Abs bis S 2 Ende Abs 1). Dieser neuartige Rechenalgorithmus wird in der Patentanmeldung aber selbst nicht beschrieben.

Der Anmelder bewertet die patentrechtliche Sachlage zwar insofern zutreffend als er ausführt, dass nach deutschem Patentrecht der neuartige Rechenalgorithmus nicht für sich alleine sondern erst in Kombination mit der konstruktiven Auslegung des anmeldungsgemäßen Verfahren bzw. der anmeldungsgemäßen Vorrichtung patentfähig ist (vgl aaO S 2 Abs 1). Jedoch hat er versäumt, diesen nach seinen eigenen Ausführungen neuartigen und gemäß Patentanspruch 1 auch maßgeblichen Rechenalgorithmus in den Anmeldeunterlagen zu offenbaren und damit das beanspruchte Verfahren so zu beschreiben, dass es auch ausführbar ist.

Das Verfahren gemäß Patentanspruch 1 ist somit in Hinblick auf den zur Bestimmung von Flächen- und Widerstandsmomenten erforderlichen Rechenalgorithmus in den gesamten ursprünglichen Unterlagen nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann es ausführen kann (PatG § 34(4)).

Somit kann dahinstehen, ob der nur knappe Verweis in der ursprünglichen Beschreibung auf invasive Verfahren ausreicht, um eine im Hinblick auf die Bestimmung des inneren Zustands von lebenden Bäumen darüber hinaus erforderliche zusätzliche technische Lehre in ausführbarer Weise zu offenbaren (vgl aaO S 1 Z 16 bis 18 sowie S 2 Z 16 bis 18), zumal, wie in der mündlichen Verhandlung vom Anmelder ergänzend zu den Anmeldeunterlagen ausgeführt, für die Untersuchung der nicht mit der Standsicherheit gleichzusetzenden Bruchsicherheit von Bäumen die Kenntnis von an Proben zu ermittelnden Materialparametern des lebenden Baumes und damit der Einsatz invasiver Verfahren unerlässlich sei. Die Anmeldeunterlagen enthalten jedenfalls keinerlei Hinweis, dass und auf welche Weise die für die Bruchsicherheit maßgebliche Biege- und/oder Knickfestigkeit ermittelt und zur Ausführung der erfindungsgemäßen Lehre herangezogen werden soll. Im übrigen genügt eine erst nachträgliche uneingeschränkte Einbeziehung von nach dem Stand der Technik allgemein bekannten Maßnahmen im Sinne von "omnibus in arte" nicht den im Patentgesetz vorgeschriebenen Offenbarungsvoraussetzungen (vgl BPatGE 28, 6).

Wollte man ungeachtet dessen unterstellen, der Fachmann könne mit zumutbarem Aufwand zum hier erforderlichen Rechenalgorithmus gelangen, so mangelt es dem beanspruchten Verfahren an der zur Patentierung erforderlichen erfinderischen Tätigkeit; denn es ergibt sich, was die übrigen Verfahrens- sowie die Vorrichtungsmerkmale anbelangt, in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik.

Der mit der Frage der Standsicherheit und Bruchsicherheit von Bäumen befasste Fachmann wird aufgrund der beiden vorveröffentlichten Fachartikel Günther Sinn: "Standsicherheitsuntersuchungen von Bäumen", Das Gartenamt 33(1984) S 593 bis 594 (7) sowie Günther Sinn: "Bruchsicherheit von Bäumen und Restwandstärke geschlossener Stammquerschnitte", Das Gartenamt 2/94 S 100, 102 (8) nicht nur dazu angeregt, Flächenquerschnitte sowie Flächen- und Trägheitsmomente in verschiedenen Stammhöhen zu bestimmen, sondern er erhält aus diesen Schriften auch den Hinweis, mit welchen Hilfsmitteln er die dazu erforderlichen Messungen von Umfang, Kontur und Flächenquerschnitt ausführen kann (vgl (7) S 593 re Sp Punkt 4.1; (8) insbes S 100 mi Sp le vollst Abs bis re Sp Mitte iVm S 102 re Sp und Abb 1 u 2). Das Verfahren gemäß Abb 1 von (8) ermöglicht ihm, mittels eines Messkreises die Stammkontur durch einfache Übertragung der Messwerte auf ein Blatt Papier wiederzugeben. Dabei kann er, zwar mit erheblichem Aufwand, so viele Messpunkte wiedergeben, dass er eine Kontur erhält, die annähernd jener entspricht, die mit dem anmeldungsgemäßen Konturmeter gemessen wird.

Die Bereitstellung des anmeldungsgemäßen Konturmeters ergibt sich indessen für den Fachmann in naheliegender Weise. Von dem Fachmann ist zu erwarten, dass er sich dabei an solchen Messvorrichtungen bzw. Arbeitsverfahren orientiert, die bereits in anderen Bereichen der Ingenieurwissenschaften bei der Vermessung zylindrisch geformter Körper, zB Werkstücke oder Bauteile, Anwendung gefunden haben. Denn über den zum jeweiligen technischen Spezialgebiet gehörenden Stand der Technik, hier die Prüfung lebender Bäume bzw. Baumstatik, hinaus ist den Kenntnissen des Durchschnittsfachmann auch das zuzurechnen, was er sich bei seiner Ausbildung an allgemeinem Grundlagenwissen angeeignet hat, wobei zusätzlich das Wissen auf technischen Nachbargebieten oder auf einem übergeordneten allgemeinen technischen Gebiet, auf dem sich in größerem Umfang gleiche oder ähnliche Probleme stellen, heranzuziehen ist (vgl hierzu BGH "Gurtumlenkung" BlPMZ 89, 133 re Sp le Abs). Als übergeordnetes allgemeines technisches Gebiet ist in vorliegendem Fall die Vermessung von Werkstücken oder Bauteilen und die hierzu erforderlichen Messgeräte zum Zweck der Ermittlung von baulichen Abweichungen oder Fertigungsschäden zu erachten. Dem Fachmann boten sich hieraus als Vorbild insbesondere solche Messgeräte und Verfahren an, die zur Bestimmung von Durchmesser(veränderungen), der Kontur, des lokalen Krümmungsradius und des Flächenquerschnitts zylindrisch oder konisch geformter Körper als geeignet beschrieben sind (vgl US 4 729 174 (1); DE 19 58 376 A (2). Aus (2) ist dabei ein Konturmeter mit drei Auflage- bzw. Messpunkten zu entnehmen, wobei an den einander gegenüberliegenden, aufliegenden Enden Laufrollen mit einem festen Achsabstand und dazwischen ein gefederter Stößel als dritter Auflage- bzw. Messpunkt angebracht sind (vgl aaO Anspr 1 u 2 iVm Fig 1 u 4 und S 5 Abs 5 und S 6 Abs 3). Dabei ist die Tiefe zum Umfang in Abhängigkeit von der momentanen Lage der durch die Laufrollen gezogenen Achse und damit, falls die Achsen der Rollen parallel und in einer Richtung parallel zur Achse des Werkstücks liegen, der Konturverlauf, für den Fachmann erkennbar, ohne weiteres zu bestimmen (vgl aaO insbes Anspr 2 iVm S 6 Abs 3). Es bedurfte weder erfinderischen Zutuns noch einer besonderen Ausgestaltung der Laufrollen, um damit in Analogie zur bekannten, üblichen Reibradmethode (vgl (4)) bei der Umfahrung im Zuge der Konturermittlung aus dem Abrollweg der Laufrollen auch gleichzeitig den Umfang zu messen.

Der Beschluss der Prüfungsstelle, gegen den sich die Beschwerde richtet, ist somit auch nicht zu beanstanden, soweit darin mangelnde erfinderische Tätigkeit eines Verfahrens und einer Vorrichtung zur Bestimmung von Umfang, Konturverlauf und Querschnittsform von Bäumen, die sich aus einer Kombination von (an sich bekannten) Merkmalen des Standes der Technik in naheliegender Weise ergeben, als Zurückweisungsgrund ausgeführt ist.

III.

Der Anmelder hat die Zulassung der Rechtsbeschwerde zu der in der mündlichen Verhandlung überreichten Frage beantragt. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (PatG § 100 Abs 2) liegen nicht vor, weil es sich bei der gestellten Frage um die richtige Beweiswürdigung und damit um eine Tatfrage handelt, somit keine Rechtsfrage zu entscheiden war.

Kahr Niklas Hock Egerer Fa






BPatG:
Beschluss v. 16.05.2002
Az: 15 W (pat) 34/00


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