Bundespatentgericht:
Urteil vom 10. Dezember 2008
Aktenzeichen: 4 Ni 37/07

(BPatG: Urteil v. 10.12.2008, Az.: 4 Ni 37/07)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung hinsichtlich der Kosten in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents EP 1 361 418 (Streitpatent), das am 19. März 2003 unter Inanspruchnahme der Priorität der Schweizer Patentanmeldung CH 7702002 vom 7. Mai 2002 angemeldet worden ist. Das Streitpatent ist in der Verfahrenssprache Deutsch veröffentlicht und wird beim Deutschen Patentund Markenamt unter der Nr. 503 00 787 geführt. Es betrifft eine Vorrichtung zum Ausrichten von Tabletten und umfasst 5 Ansprüche, die vollständig angegriffen sind. Die Ansprüche 1 und 4 lauten ohne Bezugszeichen wie folgt:

1. Vorrichtung zum Ausrichten von Tabletten an einer Mess-Station eines Tablettenprüfgerätes, mit einem ebenen Transfertisch gekennzeichnet durch -zwei in der Auflageebene des Transfertisches vorgesehene, parallel nebeneinander angeordnete Rollen, wobei die oberen Mantellinien der Rollen mit der genannten Auflageebene bündig sind oder leicht über diese vorstehen, und - eine Antriebsvorrichtung, welche beim Betrieb der Vorrichtung die beiden Rollen so gegenläufig antreibt, dass die linke Rolle im Uhrzeigersinn und die rechte Rolle gegen den Uhrzeigersinn gedreht werden, so dass sich eine auf die beiden Rollen transferierte Testtablette automatisch nach den Achsen der beiden Rollen ausrichtet.

4. Tablettenprüfgerät mit wenigstens einer Mess-Station zur Bestimmung mindestens eines physikalischen Parameters einer Prüftablette, gekennzeichnet durch eine Vorrichtung gemäß einem der Ansprüche 1 bis 3.

Wegen des Wortlauts der übrigen angegriffenen und unmittelbar oder mittelbar auf die Ansprüche 1 beziehungsweise 4 rückbezogenen Patentansprüche 2, 3 und 5 wird auf die Streitpatentschrift EP 1 361 418 B1 Bezug genommen.

Die Klägerin behauptet, der Gegenstand des Streitpatents sei weder neu, noch beruhe er auf einer erfinderischen Tätigkeit. Zur Begründung trägt sie vor, entsprechende Vorrichtungen zur Ausrichtung von Tabletten mit den Merkmalen des Patentgegenstandes seien im Stand der Technik zum Prioritätszeitpunkt bereits bekannt gewesen. Hierzu beruft sie sich auf folgende Druckschriften:

D1 US 3 739 909 A D1a DE-OS 2 222 187 (inhaltsgleiche deutsche Fassung der D1, nimmt die D1 als Unionspriorität in Anspruch) D2 DE 197 33 436 C2 D3 EP 0 822 411 A1 D4 DE 42 41 985 A1 D5 DE 100 24 970 C1 D6 US 6 260 419 B1 D7 US 2 377 431 A D8 DE 1 086 519 B D9 DE 26 17 763 A1 D10 FR 2 668 402 A1 D11 DE-OS 2 143 245 Die Klägerin beantragt, das europäische Patent EP 1 361 418 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise mit der Maßgabe, dass Anspruch 1 ohne Bezugszeichen folgende Fassung erhält und sich hieran die Ansprüche 2 bis 5 der erteilten Fassung anschließen (Hilfsantrag I):

Vorrichtung zum Ausrichten von Tabletten an einer Mess-Station eines Tablettenprüfgerätes, mit einem ebenen Transfertisch gekennzeichnet durch -zwei in der Auflageebene des Transfertisches vorgesehene, parallel und horizontal nebeneinander angeordnete Rollen, wobei die oberen Mantellinien der Rollen mit der genannten Auflageebene bündig sind oder leicht über diese vorstehen, und -eine Antriebsvorrichtung, welche beim Betrieb der Vorrichtung die beiden Rollen so gegenläufig antreibt, dass die linke Rolle im Uhrzeigersinn und die rechte Rolle gegen den Uhrzeigersinn gedreht werden, so dass sich eine auf die beiden Rollen transferierte Testtablette automatisch nach den Achsen der beiden Rollen ausrichtet.

weiter hilfsweise mit der Maßgabe, dass Anspruch 1 ohne Bezugszeichen folgende Fassung erhält und sich hieran die Ansprüche 2 bis 5 der erteilten Fassung anschließen (Hilfsantrag II):

Vorrichtung zum Ausrichten von Tabletten an einer Mess-Stationeines Tablettenprüfgerätes, mit einem ebenen Transfertisch gekennzeichnet durch -zwei in der Auflageebene des Transfertisches vorgesehene, parallel und horizontal nebeneinander angeordnete Rollen, wobei die oberen Mantellinien der Rollen mit der genannten Auflageebene bündig sind oder leicht über diese vorstehen, und -eine Antriebsvorrichtung, welche beim Betrieb der Vorrichtung die beiden Rollen so gegenläufig antreibt, dass die linke Rolle im Uhrzeigersinn und die rechte Rolle gegen den Uhrzeigersinn gedreht werden, so dass sich eine auf die beiden Rollen transferierte Testtablette automatisch nach den Achsen der beiden Rollen ausrichtet, und -einem Stößel, zu dessen Stoßrichtung die Rollen parallel ausgerichtet sind.

weiter hilfsweise mit der Maßgabe, dass Anspruch 1 ohne Bezugszeichen folgende Fassung erhält und sich hieran die Ansprüche 2, 4 und 5 der erteilten Fassung mit entsprechend geändertem Rückbezug anschließen (Hilfsantrag III):

Vorrichtung zum Ausrichten von Tabletten an einer Mess-Station eines Tablettenprüfgerätes, mit einem ebenen Transfertisch gekennzeichnet durch -zwei in der Auflageebene des Transfertisches vorgesehene, parallel und horizontal nebeneinander angeordnete Rollen, wobei die oberen Mantellinien der Rollen mit der genannten Auflageebene bündig sind oder leicht über diese vorstehen, und -eine Antriebsvorrichtung, welche beim Betrieb der Vorrichtung die beiden Rollen so gegenläufig antreibt, dass die linke Rolle im Uhrzeigersinn und die rechte Rolle gegen den Uhrzeigersinn gedreht werden, so dass sich eine auf die beiden Rollen transferierte Testtablette automatisch nach den Achsen der beiden Rollen ausrichtet, und -einem Stößel, zu dessen Stoßrichtung die Rollen parallel ausgerichtet sind, und -die Längsachse des Stößels in einer sich genau zwischen den beiden Rollen befindlichen Vertikalebene verläuft.

weiter hilfsweise mit der Maßgabe, dass Anspruch 1 ohne Bezugszeichen folgende Fassung erhält und sich hieran die Ansprüche 2, 4 und 5 der erteilten Fassung mit entsprechend geändertem Rückbezug anschließen (Hilfsantrag IV):

Vorrichtung zum Ausrichten von Tabletten an einer Mess-Station eines Tablettenprüfgerätes, mit einem ebenen Transfertisch gekennzeichnet durch -zwei in der Auflageebene des Transfertisches vorgesehene, parallel nebeneinander angeordnete Rollen, wobei die oberen Mantellinien der Rollen mit der genannten Auflageebene bündig sind oder leicht über diese vorstehen, und -eine Antriebsvorrichtung, welche beim Betrieb der Vorrichtung die beiden Rollen so gegenläufig antreibt, dass die linke Rolle im Uhrzeigersinn und die rechte Rolle gegen den Uhrzeigersinn gedreht werden, so dass sich eine auf die beiden Rollen transferierte Testtablette automatisch nach den Achsen der beiden Rollen ausrichtet, wobei -die beiden Rollen horizontal verschiebbar sind, und -Abstreifmittel vorhanden sind, durch welche die Rollen beim horizontalen Verschieben hindurchgeführt werden.

weiter hilfsweise mit der Maßgabe, dass Anspruch 1 ohne Bezugszeichen folgende Fassung erhält und sich hieran die Ansprüche 2, 4 und 5 der erteilten Fassung mit entsprechend geändertem Rückbezug anschließen (Hilfsantrag V):

Vorrichtung zum Ausrichten von Tabletten an einer Mess-Station eines Tablettenprüfgerätes, mit einem ebenen Transfertisch gekennzeichnet durch -zwei in der Auflageebene des Transfertisches vorgesehene, parallel und horizontal nebeneinander angeordnete Rollen, wobei die oberen Mantellinien der Rollen mit der genannten Auflageebene bündig sind oder leicht über diese vorstehen, und -eine Antriebsvorrichtung, welche beim Betrieb der Vorrichtung die beiden Rollen so gegenläufig antreibt, dass die linke Rolle im Uhrzeigersinn und die rechte Rolle gegen den Uhrzeigersinn gedreht werden, so dass sich eine auf die beiden Rollen transferierte Testtablette automatisch nach den Achsen der beiden Rollen ausrichtet, wobei -die beiden Rollen horizontal verschiebbar sind, und -Abstreifmittel vorhanden sind, durch welche die Rollen beim horizontalen Verschieben hindurchgeführt werden.

Im Übrigen widerspricht die Beklagte dem Vortrag der Klägerin und hält das Streitpatent zumindest in der verteidigten Fassung für patentfähig.

Gründe

I.

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Gegenstand des Anspruchs 1 in der erteilten Fassung und mit ihm auch die Gegenstände der rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 5 sind patentfähig, da ein Nichtigkeitsgrund i. S. d. Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 Buchst. a), Art. 54, 56 EPÜ nicht vorliegt. Der Gegenstand des Streitpatents gilt als neu und aus dem festgestellten Sachverhalt ergeben sich keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte dafür, dass der Stand der Technik dem einschlägigen Fachmann den Gegenstand des Streitpatents nahegelegt hätte.

II.

1. Das Streitpatent betrifft eine Vorrichtung zum Ausrichten von Tabletten, insbesondere Oblong-Tabletten und anderen, nicht gleichförmigen Tabletten (Sp. 1 Z. 3-7). Tablettenprüfgeräte setzt die Streitpatentschrift als im Stand der Technik bekannt voraus, jedoch seien die bekannten Tablettenprüfgeräte mehr für runde oder kugelförmige Tabletten als für Oblong-Tabletten geeignet (Sp. 1 Z. 20-44). Ein Prüfgerät mit Eignung zum Positionieren von Oblong-Tabletten sei aus der DE 197 33 436 A bekannt, erlaube aber keine optimale Ausrichtung des Prüflings an der zum Härtetest dienenden Messstation (Sp. 1 Z. 45 -Sp. 2 Z. 6). Das in der DE 100 24 970 C1 beschriebene Messgerät eigne sich zwar zur Durchführung des Härtetests bei Prüflingen mit wenigstens einer gewölbten Hauptoberfläche, nicht aber zur störungsfreien Messung bei Oblong-Tabletten (Sp. 2 Z. 31-48). Schließlich sei aus der US-Patentschrift 6 260 419 ein Härteprüfgerät bekannt, bei dem die Prüfbacken aber entsprechend der Lage des Prüflings nachgeführt werden und daher bei jedem Prüfobjekt eine außerordentlich aufwändige Neuausrichtung erforderlich werde (Sp. 2 Z. 49 -Sp. 3 Z. 2).

2.

Daher beschreibt es die Streitpatentschrift als Aufgabe der Erfindung, eine Vorrichtung zur Verfügung zu stellen, die ein manuelles, halbautomatisches oder automatisches Ausrichten von Tabletten in einer Messstation erlaubt und diese Prüfung auch in relativ kurzen Zeitabständen mit neuen Testtabletten wiederholt werden kann (Sp. 3 Z. 3-13).

3.

Demgemäß schlägt die Streitpatentschrift laut dem erteilten Patentanspruch 1 eine Vorrichtung zum Ausrichten von Tabletten an einer Mess-Station eines Tablettenprüfgerätes mit folgenden Merkmalen vor (Aufzählungszeichen hinzugefügt):

1a) mit einem ebenen Transfertisch 1b) zwei in der Auflageebene des Transfertisches vorgesehene, parallel nebeneinander angeordnete Rollen, 1c) wobei die oberen Mantellinien der Rollen mit der genannten Auflageebene bündig sind oder leicht über diese vorstehen, und 1d) eine Antriebsvorrichtung, welche beim Betrieb der Vorrichtung die beiden Rollen so gegenläufig antreibt, dass die linke Rolle im Uhrzeigersinn und die rechte Rolle gegen den Uhrzeigersinn gedreht werden, 1e) so dass sich eine auf die beiden Rollen transferierte Testtablette automatisch nach den Achsen der beiden Rollen ausrichtet.

Die mit den Patentansprüchen 1 bis 3 beanspruchte Vorrichtung soll dann gemäß dem erteilten Patentanspruch 4 in einem Tablettenprüfgerät mit wenigstens einer Station zur Bestimmung mindestens eines physikalischen Parameters einer Prüftablette implementiert sein.

4. Der streitpatentliche Gegenstand richtet sich hinsichtlich der anstehenden Fragen nach der Neuheit und erfinderischen Tätigkeit seinem sachlichen Inhalt nach an einen Maschinenbauingenieur mit Hochschulausbildung, der mit der Entwicklung von Maschinen für die pharmazeutische Industrie, insbesondere für Tabletten befasst ist.

4.1. Die Druckschriften D1, D1a und D11 behandeln schwerpunktmäßig Transportvorrichtungen für längliche pharmazeutische Erzeugnisse, wie Kapseln (D1, D1a) oder Suppositorien (D11), unter Verwendung zweier gegenläufiger Rollen (vgl. jeweils Ausführungsbeispiele).

Die Druckschrift D1a (inhaltsgleiche deutsche Fassung der D1) beschreibt eine Vorrichtung, die rohrförmige, zylindrische oder lang gestreckte Kapseln für pharmazeutische Zwecke sortiert und die eine vorgeschriebene Länge aufweisenden geschlossenen Kapseln ausrichtet, um sie anschließend einer Produktionsmaschine zuzuführen (vgl. S. 2, zweiter Absatz). Die Sortierung und Ausrichtung der Kapseln wird bei der Vorrichtung nach der D1a (bzw. der D1) dadurch erreicht, dass die Kapseln zwei parallel zueinander verlaufenden metallischen Führungswalzen 18a und 18b unter anderem mit Hilfe einer schwingenden Rutsche, die bei fachlicher Auslegung durchaus als ebener Transfertisch interpretiert werden kann -Merkmal 1a), zugeführt werden (vgl. in Fig. 1 links oben "Zufuhr der Kapseln" und Fig. 2, 18a und 18b i. V. m. S. 6, Z. 5 -9). Über die Anordnung der Rutsche relativ zu den Führungswalzen erhält der Fachmann in der D1a (bzw. der D1) aber keine näheren Angaben -Merkmale 1b) und 1c). Die beiden Führungswalzen werden über eine Antriebsvorrichtung (vgl. Fig. 8, i.

V. m. S. 5, Z. 9 -15) gegenläufig angetrieben -Merkmal 1d)teilweise, so dass durch die gegenläufige Drehbewegung und den durch die beiden Führungswalzen gebildeten V-förmigen Längstrog die Kapseln bezüglich ihrer Längsachsen parallel zu den Längsachsen der Führungswalzen automatisch ausgerichtet werden (vgl.

S.

7, Z. 5 -9) -Merkmal 1e). Bezüglich der Drehrichtung der Führungswalzen entnimmt der Fachmann der Fig. 8, dass sich die oberen Teile der Umfangsflächen, auf denen die Kapseln zu liegen kommen, voneinander wegbewegen (vgl. S. 5, Zeilen 10 -15) und folglich die Drehrichtung der Führungswalzen entgegengesetzt zur Drehrichtung der beiden Rollen nach dem Streitpatent gewählt ist -Merkmal 1d)Rest.

Die zur D1a gleichgelagerte Druckschrift D11 geht, bis auf die Ausrichtung auf Suppositorien, nicht über den in der D1a enthaltenen Sachverhalt hinaus.

4.2. Die Druckschriften D2 bis D6 behandeln Prüfeinrichtungen für Tabletten und ähnliche pharmazeutische Produkte, bei denen die Prüflinge für einen Härtetest ausgerichtet werden.

Die Druckschrift D2 offenbart eine Einrichtung zum Positionieren von Oblong-Tabletten oder ähnlich geformten Prüflingen in den Teststationen eines Tablettenprüfgeräts, in dem unter anderem auch die Bruchhärte der Tabletten gemessen wird (vgl. Sp. 1, Z. 3 -8). Um diesen Test durchführen zu können, muss der Prüfling in einer bestimmten Orientierung in der Teststation gelagert sein und mit der dafür erforderlichen Genauigkeit positioniert werden (vgl. Sp. 2, Z. 27-35 und Z. 58 -62). Die Positionierung der Tabletten erfolgt nach der D2 dadurch, dass sie in einer V-förmig profilierten Waagschale und Übergaberinne (vgl. Sp. 3, Z. 6 -24) ausgerichtet werden, anschließend in dieser Ausrichtung auf eine Transportschiene abgelegt werden und in dieser Ausrichtung der Testsstation für die Bruchfestigkeit (vgl. Fig. 2, 28 und 24 i. V. m. Patentanspruch 1) zugeführt werden. Die Transportschiene 28 ist, wie in den Ausführungsbeispielen Fig. 1 und 2 dargestellt, als flächiges Gebilde ausgeführt, auf dem die Oblong-Tablette für den Weitertransport zu liegen kommt. Die Transportschiene 28 wäre damit bei fachlicher Auslegung sowohl gegenständlich als auch funktional einem Transfertisch gleichzustellen -Merkmal 1a).

In den Druckschriften D3, D4 und D5 werden Tablettenprüfgeräte vorgestellt, bei denen zunächst die Lage einer auf einer ebenen Unterfläche ( Transfertisch) abgelegten länglichen Tablette relativ zur Druckrichtung eines Härtetesters ermittelt wird und anschließend anhand der ermittelten Daten die Längsachse der Tabletten mit der Druckrichtung einer Härtetesteinrichtung in Übereinstimmung gebracht wird (vgl. jeweils Zusammenfassung). Nach den Druckschriften D3 und D4 wird diese Ausrichtung dadurch vorgenommen, dass zunächst die Orientierung der auf einen drehbaren Teller abgelegten Tablette über ein optisches Sensorsystem erfasst und anschließend der Teller mit der darauf befindlichen Tablette in die für die Härteprüfung vorschriftsmäßige Lage gedreht wird (vgl. D3 und D4 jeweils Zusammenfassung).

Das in der Druckschrift D6 beschriebene Härteprüfgerät für Tabletten arbeitet dagegen in kinematischer Umkehr zu den beiden vorgenannten Prüfgeräten. Die Lage der Tablette relativ zu der Stellung der Presskolbeneinrichtung (vgl. Fig. 8 und 9, 26 und 27) wird dabei zunächst ebenfalls mittels einer optischen, elektronischen oder akustischen Einrichtung (vgl. Fig. 8, 24 und Fig. 10, 23) erfasst. Anschließend wird abhängig von den ermittelten Daten aber nicht die Tablette sondern die Presskolbeneinrichtung so gedreht, dass die Tablette in ihrer Längsrichtung zusammengepresst werden kann (vgl. Patentanspruch 1).

Die Druckschrift D5 bezieht sich auf ein Verfahren und eine Vorrichtung zum Ausrichten und Verschieben von Tabletten mit gewölbter oder linsenförmiger Oberfläche, um sie einer Härtetestprüfung zu unterziehen. Um ein Verkippen der Tablette zu vermeiden (vgl. [0009]) und die Tabletten für die Härtetestprüfung auszurichten, wird die Tablette, wie in der Figurenfolge 3a -3f veranschaulicht, mit einem Pressbacken 2 intermittierend in Richtung eines Gegenbackens 3 vorgeschoben. Das wiederholte Vorschieben (Fig. 3b, 3d) und das anschließend leichte Zurückziehen des Pressbackens 2 (Fig. 3c, 3e) bewirkt, dass die beim Vorschieben verkippte Tablette wieder in ihre Ruhelage zurück schwingen kann (vgl. [0025]). Dieser Vorgang kann durch die zusätzlich in Schwingung versetzte Führungsbahn 6 noch begünstigt werden (vgl. Sp. 7, Patentanspruch 1, Z. 39 -51).

Eine Ausrichtung der Tabletten mittels gegenläufiger Rollen kommt bei den Vorrichtungen nach den Druckschriften D2 bis D6 allerdings nicht zum Einsatz -Merkmale 1b) bis 1e).

4.3.

Die Druckschriften D7 bis D10 beschäftigen sich durchwegs mit Vorrichtungen, bei denen Gegenstände mittels zweier gegenläufiger Rollen transportiert werden. Auf den durch die Rollenbewegung sich einstellenden ausrichtenden Effekt auf längliche Gegenstände wird explizit jedoch nur in den Druckschriften D7 und D8 Bezug genommen (vgl. D7 Fig. 1 i. V. m. Patentanspruch 3, D8 Fig. 4 und5 undSp.1, Z.2 -13).

Die Drehbewegung der Rollen erfolgt aber auch bei den in Rede stehenden Vorrichtungen stets entgegengesetzt zur streitpatentlichen Drehrichtung. Aspekte, die auf eine Anwendung für pharmazeutische Erzeugnisse hindeuten, sind in den Druckschriften D7 bis D10 nicht auffindbar.

5.

Wie anhand der vorstehenden Ausführungen dargelegt, enthält keine der im Verfahren befindlichen Druckschriften eine Vorrichtung für die Ausrichtung von Tabletten in einer Messstation, die alle Merkmale des erteilten Patentanspruchs 1 aufweist. Wie die Abhandlung zum Stand der Technik des Weiteren zeigt, sind dem Fachmann für die Ausrichtung von Tabletten in einer Messstation, insbesondere einer Härteprüfeinrichtung, durch die Druckschriften D2 bis D6 zwar verschiedenen Lösungen vorgegeben, keine lehrt den Fachmann aber eine Ausrichtung der Tabletten mittels zweier gegenläufiger Rollen. Allein die zur Druckschrift D1 inhaltsidentische Druckschrift D1a und die Druckschrift D11 zeigen dem Fachmann die Möglichkeit auf, längliche Tabletten bzw. Suppositorien mittels zweier gegenläufiger Rollen zu transportieren und lagerichtig auszurichten. Da bei den Messeinrichtungen nach den Druckschriften D2 bis D4 und D6 die Ausrichtung von länglichen Tabletten bereits zufrieden stellend gelöst ist, wird der Fachmann allein im Zusammenhang mit der Vorrichtung zum Ausrichten von runden abgeflachten Tabletten nach der D5 Handlungsbedarf sehen, die dortige Vorrichtung auch für eine Verarbeitung von länglichen Tabletten aufzurüsten, sofern dieser Wunsch an ihn herangetragen wird (BPatG, GRUR 2002, 418 -Selbstbedienungs-Chipkartenausgabe). Nach Ansicht der Klägerin bieten sich dafür die in der D1a zur Anwendung kommenden gegenläufigen Rollen an, zudem der Fachmann in der D1a expressis verbis auf ihre ausrichtenden Wirkung auf längliche Tabletten mehrfach hingewiesen wird (vgl. bspw. S. 2, zweiter Absatz, S. 3, dritter Absatz und Patentanspruch 8). Die Klägerin hat argumentiert, dass der Fachmann die Rollen nach der D1a dann nur noch in handwerklicher Weise bei der Vorrichtung nach der D5 in die als Transfertisch funktionierende Schiebeebene für den Pressbacken in der Weise einbauen müsse, dass die oberen Mantellinien der Rollen mit der genannten Schiebeebene bündig sind oder leicht über diese vorstehen.

Die Drehrichtung der beiden Rollen sei zwar dann immer noch entgegengesetzt zur streitpatentlichen Ausführung, spiele aber insofern keine Rolle, da sich der Ausrichtungseffekt letztendlich für beide Drehrichtungen einstelle und der Fachmann jederzeit eine Umsteuerung der Drehrichtung vornehmen könne. Diesem Vortrag der Klägerin kann sich der Senat nicht anschließen. Selbst wenn dem Fachmann diese Maßnahme für sich allein genommen nicht allzu fern gelegen haben mag, so steht ihr insbesondere die im Stand der Technik (vgl. D1, D1a, D7 -D11) zum Streitpatent konsequent gegenläufige Ausrichtung der Drehbewegung der Rollen oder Walzen entgegen. Nach Überzeugung des Senats überschreiten die zusammenwirkenden und im Hinblick auf eine Vorrichtung zum Ausrichten von Tabletten an einer Mess-Station eines Tablettenprüfgerätes aufeinander abgestimmten beanspruchten Merkmale -so da wären Einbau der Rollen, bündige Anordnung der Auflageebene mit den Mantellinien der Rollen und Umkehr der Drehrichtung der Rollen -insgesamt das Maß dessen, was von einem Fachmann bei durchschnittlichem Handeln erwartet werden kann. Ob ihm der eine oder andere Schritt, für sich genommen, erfinderisches Zutun nicht abverlangte, darauf ist -losgelöst von den übrigen Maßnahmen -bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit des insgesamt Beanspruchten nicht abzustellen. Vielmehr ist zu fragen, ob der Fachmann alle einzelnen aus dem Stand der Technik bekannten Maßnahmen in Verbindung mit seinem Fachkönnen aus dem Stand der Technik heraus in nahe liegender Weise gemeinsam gemäß der beanspruchten Merkmalsgesamtheit in Betracht zieht (BPatG, GRUR 2000, 408 -Gegensprechanlage).

6.

Mit dem Patentanspruch 1 haben auch die auf diesen direkt oder indirekt rückbezogenen Ansprüche 2 bis 5 Bestand.

7.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V.m. §709 ZPO.

Winkler Dr. Hartung Voit Gottstein Kleinschmidt Be






BPatG:
Urteil v. 10.12.2008
Az: 4 Ni 37/07


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