Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 17. Juli 2004
Aktenzeichen: VI-U (Kart) 34/03

(OLG Düsseldorf: Urteil v. 17.07.2004, Az.: VI-U (Kart) 34/03)

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 26. September 2003 ver-kündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Verpflichtung der Be-klagten festgestellt wird, das Fakturierungs- und Inkassoverfahren (Fakturierungs- und Forderungsersteinzug) gemäß den Bedingungen "D. T. - Allgemeine Geschäftsbedingungen und Preise - Fakturierung und Inkasso", Stand August 2001 (Anlage K 3), und der "Leistungsbe-schreibung Fakturierung und Inkasso", Stand August 2001 (Anlage K 4), auch für den Dienst "C. C." der Klägerin zu erbringen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen eine Sicherheitsleistung in Höhe von 270.000 Euro abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung in derselben Höhe Sicherheit erbringt.

Gründe

I.

Die Klägerin betreibt ein Telekommunikationsnetz ohne Teilnehmeranschlüsse (Verbindungsnetz i.S.v. § 3 Nr. 23 TKG). Unter anderem bietet sie die Vermittlung sogenannter R-Gespräche an; der Dienst trägt bei der Klägerin die Bezeichnung "C.C.". Bei dieser Gesprächsart stellt die Klägerin auf einen (über eine entgeltfreie 0800-Zugangsnummer getätigten) Kontaktanruf dritter Personen eine automatische Verbindung zu einem Festnetzanschluss her, wobei der Inhaber des Festnetzanschlusses - zumeist ein Kunde der Beklagten - die Verbindungskosten trägt. Wie in dem gleichgelagerten Sachverhalt, der der Senatsentscheidung vom 14.1.2004 zugrunde lag (VI U (Kart) 22/03), lehnt auch die Beklagte es auch gegenüber der Klägerin ab, die Fakturierung und das Inkasso gegenüber ihren Anschlusskunden durchzuführen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, für sie das Fakturierungs- und Inkassoverfahren (Fakturierung und Forderungsersteinzug) gemäß den Bedingungen "D. T. Allgemeine Geschäftsbedingungen und Preise Fakturierung und Inkasso"

und der

"Leistungsbeschreibung Fakturierung und Inkasso"

auch für den Dienst "C.C." durchzuführen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Landgericht hat der Klage entsprochen und im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin könne von der Beklagten verlangen, dass diese auch "C.C."-Gespräche gemäß dem zwischen den Parteien geltenden Fakturierungs- und Inkassovertrag in der jeweils geltenden Fassung abrechne. Es handele sich um einen normalen Fall der Sprachtelefonie. Allein die Besonderheit, dass die Gespräche zu höheren Kosten führten als "normale Gespräche", und dass die unmittelbare Anregung für das Gespräch von einer Person ausgehe, die nicht zugleich auch Kostenträger sei, genüge nicht, um das Gesamtereignis als Mehrwehrtdienst zu qualifizieren.

Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie trägt vor: Das Landgericht hätte die Klage als unzulässig abweisen müssen, weil der Klageantrag nicht hinreichend bestimmt sei. Für die Umstellung auf ein Feststellungsbegehren fehle der Klägerin das Rechtsschutzbedürfnis. Die Klage sei aber auch nicht begründet. Der Vertragsinhalt sei eng an dessen Wortlaut zu orientieren. Danach gelte die Abrechnung und Inkassopflicht für R-Gespräche nicht. Zudem bestehe bei R-Gesprächen die Gefahr von Missbräuchen. Auch könne der Angerufene den Verbindungsnetzbetreiber nicht frei wählen.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten gegen das angefochtene Urteil mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Verpflichtung der Beklagten festgestellt wird, das Fakturierungs- und Inkassoverfahren (Fakturierungs- und Forderungsersteinzug) gemäß den Bedingungen "D. T. - Allgemeine Geschäftsbedingungen und Preise - Fakturierung und Inkasso", Stand August 2001 (Anlage K 3), und der "Leistungsbeschreibung Fakturierung und Inkasso", Stand August 2001 (Anlage K 4), auch für den Dienst "C.C." der Klägerin zu erbringen.

Sie bezieht sich auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und tritt dem Berufungsvorbringen der Beklagten im Einzelnen entgegen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf das angefochtene Urteil und die Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Beklagten ist unbegründet.

Zu Recht hat das Landgericht die Beklagte für verpflichtet angesehen, gemäß ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen und ihrer Leistungsbeschreibung Fakturierungs- und Inkassoleistungen für den Dienst "C.C." der Klägerin zu erbringen.

1. Die Zulässigkeit der Klage stößt auf keine rechtlichen Bedenken, nachdem die Klägerin ihren im ersten Rechtszug als Leistungsantrag formulierten Klageantrag mit Schriftsatz vom 7.7.2004 in die Form eines Feststellungsantrag gebracht hat. Dies gilt auch mit Blick auf das Feststellungsinteresse der Klägerin.

Auf Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde (§ 256 Abs. 1 ZPO). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Zu Recht weist die Klägerin darauf hin, dass die Beklagte die Fakturierung geführter C.C.-Gespräche nachhaltig verweigert hat und daran auch jetzt noch im Wesentlichen festhält. Daran ändert nichts, dass die Parteien inzwischen Verhandlungen geführt haben, denn diese wurden nicht erfolgreich abgeschlossen. Ferner ändert nichts, dass die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 28.6.2004 vage in Aussicht gestellt hat, ihre Weigerungshaltung in Anbetracht der neuen Rechtslage zu § 19 Abs. 7 TKG möglicherweise künftig aufzugeben.

Der Klägerin ist auch nicht deswegen das Rechtsschutzbedürfnis abzusprechen, weil sie ihren C.C.-Dienst gegenwärtig nicht betreibt. Ihrem Schriftsatz vom 9.9.2003 ist zu entnehmen, dass sie den Dienst zwischenzeitlich eingestellt hat, weil es zu einer negativen Einschätzung anderer R-Gesprächeanbieter in der Öffentlichkeit gekommen sein soll. Ferner hat, wie die Klägerin im Schriftsatz vom 7.7.2004 darlegt, insbesondere die Verweigerungshaltung der Beklagten eine Rolle gespielt. Die Klägerin will eine Verwirrung am Markt vermeiden und deshalb die Entscheidung über die Wiederaufnahme von der Rechtskraft des Senatsurteils abhängig machen. Sie hat ein achtenswertes Interesse, ihre Entscheidungsspielräume in dem sehr schnelllebigen Markt durch die begehrte Feststellung offen zu halten, verbunden mit der Möglichkeit, kurzfristig agieren zu können. Auch die Beklagte stellt nicht in Abrede, dass die Klägerin den C.C.-Dienst nur vorläufig eingestellt hat.

2. Die Klägerin hat einen materiellen Anspruch auf die begehrte Feststellung.

a) Unstreitig ist zwischen den Parteien ein Vertrag über die Fakturierung und das Inkasso zustande gekommen. Die Klägerin hat das ihr von der Beklagten als "invitatio ad offerendum" übersandte Auftragsformular (Anlage K 1) ausgefüllt und unterschrieben mit Schreiben vom 20.2.2002 (Anlage K 2) an die Beklagte zurückgesandt. Dieses Angebot hat die Beklagte zumindest konkludent angenommen. Die Parteien haben den Fakturierungs- und Inkassovertrag bis auf die Leistungen zum C.C.-Dienst auch praktiziert. Unstreitig ist ferner, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen und die Leistungsbeschreibung der Beklagten, Stand August 2001, Gültigkeit haben.

b) Den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten ist als Bemerkung Folgendes vorangestellt:

"Die D. T. ist nach der Entscheidung der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post vom 14.3.2000 (Az. BK 3a - 99/032) ab dem 01. Jan. 2001 ausschließlich zur Fakturierung und Inkasso von Sprachtelefondienstleistungen, Auskunfts- und Mehrwertdiensten sowie Internetbycall gemäß dem dort beschriebenen Umfang verpflichtet. Bei Mehrwertdiensten und Internetbycall werden solche Dienstleistungen nicht umfasst, für die über das Verbindungsentgelt hinaus gesonderte Zahlungen anfallen oder für die - mit Ausnahme von Share-Cost-Diensten - ein einheitliches Verbindungsentgelt erhoben wird, das sich nicht in Abhängigkeit von der Dauer der Verbindung bestimmten lässt.

Die Verpflichtung zum Abschluss von Verträgen ist auf diese Leistungen beschränkt."

Hierzu hat der Senat in dem beiden Parteien bekannten Parallelverfahren 0. T. GmbH ./. Beklagte, Az. U Kart 22/03, Urteil vom 14.1.2004, ausgeführt, dass der Umfang der rechtlichen Verpflichtung der Beklagten zur Fakturierung und zum Inkasso sich am Inhalt des Beschlusses der RegTP vom 14.3.2000 zu orientieren hat, der seinerseits ausgefüllt wird durch die Gründe des im selben Verwaltungsverfahren ergangenen früheren Beschlusses vom 21.2.2000. Mit jenem Beschluss ist die Beklagte von der Regulierungsbehörde ohne Erfolg aufgefordert worden zu erklären, dass sie der auf die Erbringung bestimmter Fakturierungs- und Inkassoleistungen sowie auf den Abschluss entsprechender Verträge gerichteten Aufforderung nachkommen werde, wohingegen ihr durch den weiteren Beschluss vom 14.3.2000 die Verpflichtung auferlegt worden ist, derartige Leistungen zu erbringen und Diensteanbietern gegenüber entsprechende Vertragsangebote abzugeben. In der Sache hat die Regulierungsbehörde die Beklagte durch den Beschluss vom 14.3.2000 unter anderem dazu verpflichtet, Diensteanbietern wie der Klägerin einen Abschluss von Fakturierungs- und Inkassoverträgen anzubieten, welche sich auf die von der vorliegenden Klage umfasste Rechnungsstellung sowie auf einen Forderungsersteinzug erstrecken. Von dieser Verpflichtung ausgenommen worden sind lediglich solche Dienstleistungen bei Mehrwertdiensten und Internetbycall, für die über das Verbindungsentgelt hinaus gesonderte Zahlungen anfallen oder für die - mit Ausnahme von Shared-Cost-Diensten - ein einheitliches Verbindungsentgelt erhoben wird, das sich nicht in Abhängigkeit von der Dauer der Verbindung bestimmen lässt (siehe den Tenor des Beschlusses der RegTP vom 14.3.2000 unter Ziff. 2).

Da die Beklagte sich zu dieser Verpflichtung durch die ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorangestellte Erklärung bekannt hat und bekennt, hat sie hiernach auch den Anbietern von Mehrwertdiensten (nicht nur von Sprachtelefondiensten) die Fakturierung und das Inkasso mit dem durch den Beschluss der RegTP vom 14.3.2000 vorgegebenen Inhalt zu erbringen. Hiervon sind nur solche namentlich bei Mehrwertdiensten anfallenden Dienstleistungen ausgenommen, für die über das reine Verbindungsentgelt hinaus gesonderte Vergütungen erhoben werden oder für die ein einheitliches, nicht von der Dauer der Verbindung abhängiges Entgelt berechnet wird.

Davon ausgehend kann auch im vorliegenden Streitfall offen bleiben, ob der C.C.-Dienst der Klägerin im Rechtssinne als Mehrwertdienst oder als ein Sprachtelefondienst gemäß § 3 Nr. 15 TKG zu qualifizieren ist (mag mit dem Landgericht auch Einiges für die Einordnung als Sprachtelefondienst sprechen). Denn auch im Falle der Einordnung als Mehrwertdienst ist die Beklagte zu den von der Klägerin begehrten Leistungen verpflichtet. Den Mehrwertdiensten, bei denen die Beklagte einer Verpflichtung zur Fakturierung und zum Inkasso enthoben wäre, unterfallen die von der Klägerin angebotenen C.C.-Gespräche nicht. Denn die Klägerin berechnet hierbei über das reine Verbindungsentgelt hinaus keine gesonderten Entgelte. Sie erbringt selbst oder durch Dritte - wie außer Streit steht - auch keine über die bloßen Verbindungen hinausgehenden Leistungen. Die Klägerin berechnet für sog. R-Gespräche unstreitig ebenso wenig ein Entgelt, welches sich nicht allein in Abhängigkeit von der Dauer des Gesprächs bestimmen lässt. Die Gesprächsentgelte werden vielmehr nach Zeittakten erhoben. Gemäß dem Beschluss der RegTP vom 14.3.2000, den die Beklagte für ihre Verpflichtung zur Fakturierung und zum Inkasso als verbindlich anerkannt hat, ist die Beklagte indes - von den dargestellten Ausnahmen abgesehen - auch in Bezug auf Mehrwertdienste gehalten, entsprechende Fakturierungs- und Inkassoleistungen zu erbringen.

c) Die Wertung des § 43 Abs. 6 TKG steht der Fakturierungspflicht der Beklagten nicht entgegen. Dies ist schon in der genannten Senatsentscheidung vom 14.1.2004, U (Kart) 22/03, ausgeführt. Die Wahlfreiheit der von der Klägerin angerufenen Anschlusskunden wird nicht eingeschränkt; diese können sich für oder gegen das R-Gespräch entscheiden. Davon abgesehen ist die Klägerin nicht Normadressat des § 43 Abs. 7 TKG n. F. Allein die Möglichkeit von Missbräuchen steht der Fakturierungspflicht der Beklagten, wie im Senatsurteil vom 14.1.2004 dargelegt, ebenfalls nicht entgegen, insbesondere mit Blick darauf, dass R-Gespräche der hier in Rede stehenden Art, bei denen Contentdienste nicht in Rechnung gestellt werden, einen geringeren Umsatzanreiz darstellen als etwa solche Mehrwertdienste, die in dem Rechtsstreit der P. GmbH & Co. KG ./. Beklagte (U (Kart) 1/03) streitgegenständlich waren.

3. Die Revision wird für die Beklagte nicht zugelassen, da die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Streitwert für den Berufungsrechtszug: 250.000 Euro






OLG Düsseldorf:
Urteil v. 17.07.2004
Az: VI-U (Kart) 34/03


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