Bundespatentgericht:
Beschluss vom 16. März 2000
Aktenzeichen: 29 W (pat) 164/99

(BPatG: Beschluss v. 16.03.2000, Az.: 29 W (pat) 164/99)

Tenor

Auf die Beschwerde des Anmelders werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 26. März 1999 und vom 8. Juli 1998 aufgehoben.

Gründe

I.

Die Wort- Bildmarkesiehe Abb. 1 am Endesoll für die Dienstleistungen

"Gastronomiebetrieb: Kneipe, Cafe, Restaurant; Verpflegung, Beherbergung von Gästen"

in das Markenregister eingetragen werden.

Die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung mit zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, im wesentlichen wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. "Le Midi" bedeute "der Mittag, die Mittagszeit" und bezeichne außerdem auch den Süden Frankreichs. Die Bedeutung der in der angemeldeten Marke enthaltenen Wörter sei auch in Deutschland bekannt Der "Midi" sei ein abgrenzbares Gebiet in Frankreich mit besonderer Küche. Die Marke stelle deshalb einen Hinweis auf Art, Ausgestaltung und Stil des Lokals und die Beschaffenheit der Dienstleistungen dar. Die weiteren Markenbestandteile beschrieben die Dienstleistungen unmittelbar, und die graphische Ausgestaltung der Marke sei werbeüblich.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders. Er ist der Auffassung, der Verkehr werde die Marke zwar gedanklich mit südfranzösischem Stil und südfranzösischer Küche in Verbindung bringen, die Marke insgesamt sei aber in Deutschland durch die eindeutige Bezugnahme auf diese bestimmte französische Landschaft geeignet, das Lokal des Anmelders von anderen Lokalen, selbst von anderen Gaststätten französischer Ausrichtung in derselben Stadt, zu unterscheiden. Die angemeldete Marke sei deshalb weder freihaltungsbedürftig noch ohne jegliche Unterscheidungskraft.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Beschwerdebegründung und die Amtsakte 397 19 193.6 Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. An der angemeldeten Marke läßt sich weder ein Freihaltungsbedürfnis (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG) feststellen noch fehlt ihr jegliche Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).

Ein gegenwärtiges Freihaltungsbedürfnis an der angemeldeten Kombinationsmarke ist nicht ersichtlich. Das Zeichen, das in seiner Gesamtheit zu beurteilen ist (vgl. dazu BGH GRUR 1995, 269, 270 - "U-KEY"; GRUR 1995, 408 "PROTECH"; GRUR 1997, 627, 628 "à la carte"), stellt keinen hinreichend konkreten sprachüblich beschreibenden Hinweis auf die angemeldeten Dienstleistungen dar. Zwar sind die Wortbestandteile "BRASSERIE BISTRO FRAN‚AIS" für die angemeldeten Dienstleistungen glatt beschreibend und freihaltungsbedürftig. Jedoch besteht an dem Markenbestandteil "Le Midi" kein Freihaltungsbedürfnis. "Le Midi" beschreibt ein auch in Deutschland bekanntes abgrenzbares Gebiet in Frankreich, nämlich den Süden Frankreichs, besonders das Mittelmeergebiet (Provene, Languedoc-Roussillon), im weiteren Sinne auch den aquitanischen Südwesten (Midi-Pyrenees, Aquitaine) (Brockhaus Enzyklopädie, 20. Auflage; Meyers Enzyklopädisches Lexikon, 1981; Westermann, Lexikon der Geographie, 1982, jeweils Stichwort "Midi"), wobei allerdings in den Lexika die gebietsmäßige Abgrenzung nicht ganz übereinstimmt. Hierbei handelt es sich aber um ein relativ großes Gebiet, das viele unterschiedliche Landschaften mit unterschiedlichen regionalen Spezialitäten, landschaftlichen und kulturellen Eigenheiten umfaßt. Der Senat konnte nicht feststellen, daß "Le Midi" für eine bestimmte Küche, bestimmte Weine oder eine bestimmte Ausstattung von Gaststätten steht. Die Regionen des Midi unterscheiden sich deutlich voneinander und werden selbst in Reiseführern nicht übergreifend behandelt. So ist eine große Anzahl von Reiseführern im Handel, die sich jeweils mit bestimmten Regionen beschäftigen, die zum Midi gehören, wie der Provene, dem Languedoc oder Aquitaine, es gibt aber praktisch keine Bücher über den "Midi" insgesamt. Selbst Reiseführer über Frankreich insgesamt kennen kein Kapitel "Midi", sondern behandeln die einzelnen Regionen des Midi und ihre voneinander abweichenden Eigenarten getrennt. Auch hinsichtlich der Küche und Weine gibt es zwar Bücher und Abhandlungen über die Provence, das Languedoc usw., bis auf eine Ausnahme jedoch nicht über das Gebiet des Midi insgesamt. Aber auch in der umfassenden Abhandlung (Edith Gerlach, Im Midi. Kulinarische Reiseskizzen aus dem Süden Frankreichs, Hädecke 1996) wird laut Klappentext zwischen den Spezialitäten der einzelnen Regionen unterschieden, die im Charakter sehr unterschiedlich sind, was der Freund französischer Küche sicher weiß. So finden sich in Kochlexika und Kochbüchern z.B. viele provenalische Spezialitäten, aber keine als solche bezeichneten Spezialitäten aus dem Midi. Beim Wein wird ohnehin nach genauem Anbaugebiet unterschieden. Für die hier angemeldeten Dienstleistungen läßt sich darum kein beschreibender Bezug ermitteln. Der unscharfe Sinngehalt erfordert detailliertere Überlegungen. Bei derartigen vielfältig interpretierbaren Begriffen fehlt es aber an Anhaltspunkten, daß sie vom Verkehr zur sinnvollen Beschreibung benötigt werden (vgl. dazu BGH GRUR 1995, 269 "U-KEY"; GRUR 1997, 627 "à la carte"; GRUR 1997, 468, 469 "NetCom").

Es ist auch nicht ersichtlich, daß - wie der Erstprüfer meint - "Le Midi" als Hinweis auf ein Mittagessenslokal oder ein Lokal, das mittags geöffnet hat, verstanden werden könnte. "Le Midi" kann lediglich mit "der Mittag" übersetzt werden und ist schon deshalb ohne weiteren ergänzenden Zusatz als Hinweis auf ein Mittagessenslokal oder auf die Öffnungszeit in Alleinstellung ungeeignet, ganz abgesehen davon, daß Hinweise auf Öffnungszeiten in Deutschland regelmäßig auf Deutsch erfolgen.

Bei dieser Ausgangslage ist auch die erforderliche Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) gegeben. Da - wie bereits oben ausgeführt - die angemeldete Marke in Bezug auf die Dienstleistungen nach Art eines "sprechenden Zeichens" nur eine mehr oder weniger unspezifische Anmutung darstellt, fehlen hinreichende Anhaltspunkte dafür, daß der Verkehr die Marke als reinen Sachhinweis und nicht als betriebliche Herkunftskennzeichnung auffassen wird (vgl. BGH GRUR 1997, 627, 628 "à la carte").

Meinhardt Dr. Vogel von Falckenstein Guth Cl/Na Abb. 1 http://agora/bpatg2/docs/29W(pat)164-99.3.gif






BPatG:
Beschluss v. 16.03.2000
Az: 29 W (pat) 164/99


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