Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 3. Juni 1997
Aktenzeichen: 4 O 52/97

(LG Düsseldorf: Urteil v. 03.06.1997, Az.: 4 O 52/97)

Tenor

für Recht erkannt:

I.

Die Beklagten werden verurteilt,

der Klägerin unter Angabe

a) der Herstellungsmengen und -zeiten und, soweit sie nicht selbst hergestellt haben, der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen (und gegebenenfalls Typenbezeichnungen) sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen (und gegebenenfalls Typenbezeichnungen) sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufge-schlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften nicht-gewerblicher Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirt-schaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist,

darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie seit dem 1. November 1992

Staubfilterbeutel für einen Staubsauger mit einer Halteplatte, welche eine dichtungsverschlossene Öffnung für einen Rohrstutzen eines Staubsaugers aufweist, wobei die Öffnung von außen mit einer gesonderten Verschlußlasche, die einen Einsteckbereich aufweist, verschließbar ist und seitlich zu ihrem Verschwenkbereich mittels eines Steges an der Halteplatte angelenkt ist,

angeboten oder in den Verkehr gebracht oder zu diesen Zwecken eingeführt oder besessen haben,

bei denen

eine bügelartige, die Verschlußlasche im Bügel-innenraum aufnehmende Handhabe ausgebildet ist, die an der Halteplatte verschwenkbar angelenkt ist.

II.

Es wird festgestellt, daß die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I. bezeichneten, seit dem 1. November 1992 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

III.

Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten als Gesamtschuldnern auferlegt.

IV.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000,- DM vorläufig vollstreckbar. Die Sicherheit kann auch durch die unbedingte Bürgschaft einer in Deutschland ansässigen, als Zoll- und Steuerbürgin zugelassenen Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des deutschen Teils des am 6. Februar 1992 angemeldeten und am 8. März 1995 veröffentlichten europäischen Patents X sowie des am 24. April 1991 angemeldeten Gebrauchsmusters X, dessen Eintragung am 1. Oktober 1992 bekanntgemacht worden ist.

Die Ansprüche 1 und 2 des Klagepatents, von denen der letztere die Klagegrundlage bildet, lauten wie folgt:

1.

Staubfilterbeutel (1) für einen Staubsauger mit einer Halteplatte (2, 15), welche eine dichtungsverschlossene Öffnung (4) für eine Rohrstutzen eines Staubsaugers aufweist, wobei die Öffnung von außen mit einer gesonderten Verschlußlasche (5), die einen Einsteckbereich (8, 9, 11) aufweist, verschließbar ist und seitlich zu ihrem Verschwenkbereich (V) mittels eines Steges an der Halteplatte angelenkt ist, dadurch gekennzeichnet, daß der Einsteckbereich (8, 9) der Verschlußlasche (5) sich beidseitig des Steges (6, 7) erstreckend ausgebildet ist.

2.

Staubfilterbeutel (1) nach Anspruch 1 oder nach den Merkmalen des Oberbegriffes des Anspruchs 1, dadurch gekennzeichnet, daß eine bügelartige, die Verschlußlasche (5) im Bügelinnenraum aufnehmende Handhabe (13) ausgebildet ist, die an der Halteplatte (2, 15) verschwenkbar angelenkt ist.

Die nachstehend wiedergegebene Figur 2 der Klagepatentschrift zeigt ein Ausführungsbeispiel der Erfindung.

Das Klagegebrauchsmuster, wegen dessen Ansprüchen auf die Gebrauchsmusterschrift (Anl. 2) verwiesen wird, macht die Klägerin ebenfalls im Umfang des Anspruchs 2 des Klagepatents geltend.

Die Beklagte zu 1., deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2. ist, hat Staubfilterbeutel vertrieben, wie sie die nachstehende Ablichtung zeigt:

Auf die vorprozessuale Abmahnung der Klägerin hat die Beklagte zu 1. eine auf Anspruch 1 des Klagepatents abgestellte Unterlassungserklärung abgegeben und Auskünfte erteilt.

Mit der Klage hat die Klägerin die Beklagten aus Anspruch 2 des Klagepatents auf Unterlassung, Rechnungslegung und Schadensersatz in Anspruch genommen. Nach Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung haben die Parteien den Rechtsstreit hinsichtlich des Unterlassungsbegehrens übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Die Klägerin beantragt,

wie geschehen zu erkennen.

Die Beklagten bitten um Klageabweisung. Sie sind der Auffassung, die Klägerin durch die bisher abgegebenen Erklärungen klaglos gestellt zu haben.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf deren Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Gründe

Die Klage ist begründet. Die Verletzung des Klagepatents und des Klagegebrauchsmusters durch die Beklagten rechtfertigt die noch geltend gemachten Ansprüche.

Anspruch 2 des Klagepatents enthält, wie sich aus dem Anspruchswortlaut unmittelbar ergibt, zwei Alternativen. Er ist zum einen Unteranspruch zu Anspruch 1, indem er den Merkmalen dieses Anspruchs das kennzeichnende Merkmal der an der Halteplatte verschwenkbar angelenkten bügelartigen Handhabe hinzufügt, die die Verschlußlasche im Bügelinnenraum aufnimmt. Zum anderen ist er aber auch Nebenanspruch zu Anspruch 1, indem er das kennzeichnende Merkmal den Merkmalen (lediglich) des Oberbegriffs des Anspruchs 1 hinzufügt. In der zweiten Alternative macht die Klägerin den Anspruch geltend.

Wie die im Tatbestand wiedergegebene Abbildung zeigt, wird Anspruch 2 (in beiden Alternativen) von dem von den Beklagten vertriebenen Staubfilterbeutel verwirklicht. Soweit die Beklagten dies mit der Behauptung bestreiten, die Beklagte zu 1. habe zu keinem Zeitpunkt Staubfilterbeutel hergestellt, die gegen Anspruch 2 verstießen, und beabsichtige dies auch nicht, kann dies im Hinblick auf den offensichtlichen Widerspruch zu dem, was sich aus der Abbildung ergibt, vernünftigerweise nur so verstanden werden - und so haben es die Beklagten in der mündlichen Verhandlung auch vorgetragen -, daß damit geltend gemacht werden soll, die Beklagte zu 1. habe keine Staubfilterbeutel hergestellt, die nur den selbständigen Nebenanspruch 2, nicht aber (auch) Anspruch 1 des Klagepatents verletzten. Für die Verletzung des Nebenanspruchs 2, die eben wegen der Nebenordnung einen anderen Streitgegenstand bildet, kommt es indessen nicht darauf an, ob die Beklagten - und sei es durch ein und dieselbe Ausführungsform - auch Anspruch 1 verletzt haben.

Die Beklagten haben den Gegenstand des Klagepatents und des im selben Umfang geltend gemachten Klagegebrauchsmusters auch schuldhaft benutzt und sind der Klägerin daher zum Schadensersatz verpflichtet, §§ 139 Abs. 2 PatG, 24 Abs. 2 GbmG. Denn als Fachunternehmen hätte die Beklagte zu 1. die Patentverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB, und das gleiche gilt für den Beklagten zu 2., der als ihr gesetzlicher Vertreter für die Beachtung absoluter Rechte Dritter Sorge zu tragen hatte und nach § 840 Abs. 1 gesamtschuldnerisch mit der Beklagten zu 1. haftet. Da es hinreichend wahrscheinlich ist, daß der Klägerin durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist, der von der Klägerin jedoch noch nicht beziffert werden kann, weil sie den Umfang der rechtsverletzenden Benutzungshandlungen ohne ihr Verschulden nicht im einzelnen kennt, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an einer Feststellung der Schadensersatzverpflichtung anzuerkennen, § 256 ZPO.

Außerdem sind die Beklagten zur Rechnungslegung verpflichtet, damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch beziffern zu können, § 242 BGB. Denn die Klägerin ist auf die zuerkannten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt, und die Beklagten werden durch die von ihnen verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet. Durch die bisherigen Angaben der Beklagten ist der Rechnungslegungsanspruch auch nicht etwa erfüllt. Denn die Beklagten haben lediglich Angaben über die Anzahl der vertriebenen Beutel und den Nettoerlös gemacht und die Herstellungskosten pauschal mit 3.375,- DM beziffert. Angaben über die einzelnen Lieferungen, insbesondere die Abnehmer, fehlen ebenso wie Auskünfte über Angebote und Werbung und eine Spezifikation der Angaben zu den Gestehungskosten und dem erzielten Gewinn.

Gemäß §§ 140b PatG, 24b GbmG haben die Beklagten schließlich über Herkunft und Vertriebsweg der rechtsverletzenden Erzeugnisse Auskunft zu erteilen. Die nach Absatz 2 dieser Vorschrift geschuldeten Angaben sind in der Urteilsformel zu I. mit den Angaben zusammengefaßt, die zum Zwecke der Rechnungslegung zu machen sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 91a ZPO. Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits auch insoweit zu tragen, als er übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt worden ist, weil dies unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes der Billigkeit entspricht. Ohne die nach Klageerhebung abgegebene Unterlassungserklärung wären die Beklagten auch insoweit zu verurteilen gewesen. Die vorprozessuale, auf Anspruch 1 des Klagepatents abgestellte Unterlassungserklärung war zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr nicht geeignet. Sie hinderte die Beklagten nämlich nicht, die bisherigen Verletzungshandlungen durch den Vertrieb einer Ausführungsform fortzusetzen, die wie die bisher angebotene den Nebenanspruch 2 des Klagepatents verletzte, ohne jedoch weiterhin von den Merkmalen des Unteranspruchs 2 Gebrauch zu machen. Aufgrund der begangenen Verletzungshandlungen konnte die Klägerin jedoch eine Erklärung verlangen, die sie hinsichtlich der Verletzung des Nebenanspruchs 2 in seiner gesamten Breite klaglos stellte, und brauchte sich mit einer Einengung auf eine zwingend auch die Merkmale des Unteranspruchs 2 verwirklichende Ausführungsform nicht zufrieden zu geben.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709, 108 ZPO.

Der Streitwert beträgt 500.000,- DM, seit dem 29. April 1997 50.000,- DM.






LG Düsseldorf:
Urteil v. 03.06.1997
Az: 4 O 52/97


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