Bundespatentgericht:
Beschluss vom 16. Juni 2009
Aktenzeichen: 6 W (pat) 324/06

(BPatG: Beschluss v. 16.06.2009, Az.: 6 W (pat) 324/06)

Tenor

Das Patent 10 2004 011 179 wird widerrufen.

Gründe

I.

Gegen das am 24. November 2005 veröffentlichte Patent 10 2004 011 179 mit der Bezeichnung "Rutschkupplung" ist am 22. Februar 2006 Einspruch erhoben worden. Der Einspruch ist mit Gründen versehen und auf die Behauptung gestützt, der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 sei nicht neu und beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

In der Einspruchsbegründung macht die Einsprechende u. a. eine offenkundige Vorbenutzung geltend und legt dazu folgende Unterlagen vor:

D13: Zeichnung der Fa. Chr. Mayr Nr. K.35.02.11.00 vom 19.11.1971 K1: Bestellung vom 28.06.1990.

Darüber hinaus bietet sie Zeugenbeweis an.

Die Einsprechende beantragt, das angegriffene Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, das angegriffene Patent in vollem Umfang aufrecht zu erhalten.

Zu dem Einspruchsvorbringen und zur geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung hat sie sich inhaltlich nicht substantiiert geäußert. Mit Eingabe vom 28. Januar 2009 hat sie ihren Antrag auf mündliche Verhandlung zurückgenommen.

Der erteilte Anspruch 1 lautet:

"Rutschkupplung mit einem Abtriebsrad (13), das zwischen zwei Reibbelägen (15) angeordnet ist, wobei die Reibbeläge (15) zwischen dem Abtriebsrad (13) und einer Antriebsnabe (12) bzw. einem durch eine Feder (18) beaufschlagten Reibbelagträger (16) angeordnet sind, sowie mit einem axial federnden Schaltsegment (1) aus einer Schaltscheibe (2) mit Rastnocken (3), die in Senkungen (17) am Abtriebsrad (13) einrastbar sind, dadurch gekennzeichnet, dass das Schaltsegment (1) einen inneren Führungsring (6) enthält, und die Schaltscheibe (2) den inneren Führungsring (6) umgreift, wobei zwischen dem inneren Führungsring (6) und der Schaltscheibe (16) eine Feder (4) angeordnet ist, gegen die die Schaltscheibe (2) federnd gegenüber dem inneren Führungsring (6) beweglich ist, und wobei das Schaltsegment (1) die Antriebsnabe (12) bzw. den Reibbelagträger (16) radial außen umgreift."

Wegen der auf den Anspruch 1 rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 5 sowie wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

1.

Das Bundespatentgericht ist für die Entscheidung über den vorliegenden Einspruch nach § 147 Abs. 3 PatG in der bis zum 30. Juni 2006 geltenden Fassung zuständig geworden und auch nach der ab 1. Juli 2006 in Kraft getretenen Fassung des § 147 Abs. 3 PatG gemäß dem Grundsatz der perpetuatio fori zuständig geblieben (vgl. hierzu BGH GRUR 2007, 859, 861 f. -Informationsübermittlungsverfahren I; BGH GRUR 2007, 862 f. -Informationsübermittlungsverfahren II; BGH GRUR 2009, 184 f. -Ventilsteuerung).

2.

Der fristund formgerecht erhobene Einspruch ist ausreichend substantiiert und auch im Übrigen zulässig.

3.

Die erteilten Ansprüche sind zulässig, da sie den ursprünglichen Ansprüchen 1 bis 5 entsprechen.

4.

Der Gegenstand des angefochtenen Patents stellt keine patentfähige Erfindung im Sinne der §§ 1 bis 5 PatG dar.

a. Die Rutschkupplung nach dem erteilten Anspruch 1 ist nicht neu.

Nach Auffassung des Senats hat die Einsprechende eine offenkundige Vorbenutzung des Patentgegenstandes durch Dokumente und den diese ergänzenden Vortrag im Schriftsatz vom 22. Februar 2006 hinreichend belegt. Dies zeigen neben den schlüssigen Ausführungen der Einsprechenden sowohl die inhaltlichen Übereinstimmungen zwischen dem von der Einsprechenden vorgelegten Ausdruck der Bestellung einer Rutschkupplung vom 28. Juni 1990 (K1) mit der technischen Zeichnung K.35.02.11.00 (D13) einerseits, als auch der lange Zeitraum davor (Erstellung der Zeichnung 19. November 1971) sowie der große zeitliche Abstand zum Prioritätsdatum des Streitpatents (8. März 2004). Aufgrund dieser Umstände, die nach der Lebenserfahrung keinen ernsthaften Zweifel an einer offenkundigen Vorbenutzung zulassen, konnte von einer Zeugenbefragung abgesehen werden. Im Übrigen sind auch seitens der Patentinhaberin keine Gründe gegen den vorgebrachten Sachverhalt geltend gemacht worden.

Die fragliche, den Gegenstand der Vorbenutzung dokumentierende Zeichnung ist im Folgenden auszugsweise mit den Bezugszeichen der Streitpatentschrift versehen wiedergegeben.

Aus dieser Zeichnung ist bekannt eine Rutschkupplung mit einem Abtriebsrad (13), das zwischen zwei Reibbelägen (15) angeordnet ist, wobei die Reibbeläge (15) zwischen dem Abtriebsrad (13) und einer Antriebsnabe (12) bzw. einem durch eine Feder (18) beaufschlagten Reibbelagträger (16) angeordnet sind, sowie mit einem axial federnden Schaltsegment (1) aus einer Schaltscheibe (2) mit Rastnocken (3), die in Senkungen (17) am Abtriebsrad (13) einrastbar sind, die sich ebenfalls dadurch auszeichnet, dassdas Schaltsegment (1) einen inneren Führungsring (6) enthält, und die Schaltscheibe (2) den inneren Führungsring (6) umgreift, wobei zwischen dem inneren Führungsring (6) und der Schaltscheibe (2) eine Feder (4) angeordnet ist, gegen die die Schaltscheibe (2) federnd gegenüber dem inneren Führungsring (6) beweglich ist, und wobei das Schaltsegment (1) die Antriebsnabe (12) bzw. den Reibbelagträger (16) radial außen umgreift.

Da somit die Zeichnung K.35.02.11.00 eine Rutschkupplung mit sämtlichen Merkmalen des erteilten Anspruchs 1 zeigt, ist der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 nicht neu.

Der erteilte Anspruch 1 ist somit nicht bestandsfähig.

Selbst wenn man einen Unterschied zwischen dem Patentgegenstand und dem Gegenstand der Vorbenutzung darin sehen würde, dass im erteilten Anspruch 1 von einer Feder (Zahlwort) die Rede ist, bei der offenkundig vorbenutzten Rutschkupplung aber offenbar eine Vielzahl von Federn 4 vorgesehen ist, würde dies jedenfalls keine erfinderische Tätigkeit begründen, da es im Belieben des Fachmannes liegt, statt einer auch mehrere Federn zu verwenden. Im Übrigen lässt sich die Patentschrift an keiner Stelle näher über die Feder 4 aus, so dass der Konstruktion mit nur einer Feder auch keine besondere Wirkung unterstellt werden kann.

b. Die rückbezogenen Unteransprüche fallen notwendigerweise mit dem Hauptanspruch (vgl. BGH GRUR 1989, 103 "Verschlussvorrichtung für Gießpfannen" i. V. m. BGH GRUR 1980, 716 "Schlackenbad").

4. Da die Patentinhaberin entgegen ihrer Ankündigung (vgl. Schreiben vom 28. Januar 2009) die fällige Jahresgebühr doch gezahlt hat, war in der Sache nunmehr zu entscheiden.

Nachdem die unterlegene Beteiligte, hier die Patentinhaberin, ihren Antrag auf mündliche Verhandlung zurückgenommen hat, konnte der Senat im schriftlichen Verfahren entscheiden. Die Entscheidung kommt für die Patentinhaberin auch nicht überraschend, und es ist ihr hinsichtlich des Patents mit den erteilten Unterlagen hinreichend rechtliches Gehör gegeben worden, da die Einsprechende in ihrem Einspruchsschriftsatz bereits ausgeführt hat, dass nicht nur die Merkmale des erteilten Anspruchs 1, sondern auch die Merkmale der erteilten Ansprüche 2 bis 5 durch die geltend gemachte offenkundige Vorbenutzung vorweggenommen bzw. nahe gelegt seien (vgl. dazu Schulte, Patentgesetz, 8. Aufl., § 59, Rdn. 226; Einl. Rdn. 244, 248).

Lischke Guth Schneider Ganzenmüller Cl






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Beschluss v. 16.06.2009
Az: 6 W (pat) 324/06


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