Landgericht Paderborn:
Urteil vom 22. Juli 2010
Aktenzeichen: 6 O 43/10

(LG Paderborn: Urteil v. 22.07.2010, Az.: 6 O 43/10)

Tenor

Der Verfügungsantrag wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsteller auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Antragsteller wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin Sicherheit in derselben Höhe vor der Vollstreckung leistet.

Gründe

Die Kammer ist örtlich zuständig. Das gilt vorliegend schon deshalb, weil der Antragsteller die einstweilige Verfügung beim Gericht seines allgemeinen Wohn- und Geschäftssitzes beantragt und nicht "irgendwo" im innerhalb Deutschlands gegebenen sog. fliegenden Gerichtsstand.

Die Verfügungsanträge sind unzulässig.

Das folgt aus § 8 Abs. 4 UWG. Danach sind auf Beseitigung oder Unterlassung unzulässiger geschäftlicher Handlungen gerichtete Anträge unzulässig, wenn sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich sind, was insbesondere, aber nicht nur dann der Fall ist, wenn sie vorwiegend dazu dienen, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen.

Bei der Beurteilung dieser Frage sind zunächst die Gründe zu sehen, die dem Antragsteller nach eigenem Vorbringen überhaupt erst Anlass geben, die Antragsgegnerin auf Unterlassung in Anspruch zu nehmen. Diese Gründe sind entweder nicht tragfähig oder, soweit berechtigt, eher weniger schwerwiegend.

Offen zu Tage liegt die Rechtsmissbräuchlichkeit, wenn das Handeln des Antragsstellers auf Vergeltung abzielt, weil ihn die Antragsgegnerin zuvor, offenbar berechtigt, ihrerseits wegen eines Wettbewerbsverstoßes abgemahnt hat.

Soweit der Antragsteller zu Ziff. 1) eine Widerrufsbelehrung auf der Internetplattform ……. der Antragsgegnerin überhaupt vermisst, erfolgt diese Rüge zu Unrecht und liegt ein Verstoß gegen § 312c BGB i.V.m. der BGB-InfoV bereits nicht vor. Gemäß § 312c Abs. 1 S. 1 BGB hat die Belehrung des Verbrauchers über das Widerrufsrecht in einer dem eingesetzten Fernkommunikationsmittel entsprechenden Weise klar und verständlich und unter Angabe des geschäftlichen Zwecks zu erfolgen. Dem genügt die Widerrufsbelehrung, wie sie die Antragsgegnerin im Zusammenhang mit ihren Angeboten dem Verbraucher tatsächlich zur Verfügung stellt. Wie der Antragsteller selbst einräumt (Anlage K 4 Blatt 2), befindet sich über dem konkreten Angebot der Antragsgegnerin eine Reiterzeile, welche auch den Reiter "Widerrufsbelehrung" beinhaltet. Klickt man, wie es jedenfalls auch der Kammer möglich war, diesen Reiter an, wird unmittelbar der vollständige Text der Widerrufsbelehrung angezeigt. Soweit der Antragsgegner rügt, dass aber der unter dem Angebot in der Zeile "Bitte beachten Sie die Hinweise zum Widerrufsrecht und unsere Allgemeinen Geschäftsbedingungen." enthaltene weitere Link zum Widerrufsrecht nicht funktioniert habe und die Antragsgegnerin insoweit einen vorübergehenden Verlinkungsfehler auch einräumt, ändert das nichts daran, dass es dem Verbraucher möglich war und ist, die Widerrufsbelehrung über den in der Reiterzeile befindlichen Link zur Kenntnis zu nehmen. Hierin liegt auch keine Irreführung.

Soweit der Antragsteller zu Ziff. 2 die erteilte Widerrufsbelehrung inhaltlich insoweit beanstandet, als sie den Verbraucher dahingehend belehrt, dass er im Falle des berechtigten Widerrufs die Rücksendekosten zu tragen habe, falls der Preis der zurückzusendenden Ware den Betrag von 40,00 EUR nicht übersteige, erfolgt diese Beanstandung zwar grundsätzlich zu Recht. Nach § 357 Abs. 2 S. 3, 1. Alternative BGB dürfen dem Verbraucher die regelmäßigen Kosten der Rücksendung einer Sache, deren Wert den Betrag von 40,00 EUR nicht übersteigt, "vertraglich" auferlegt werden. Eine solche vertragliche Vereinbarung liegt hier indes nicht vor. Diese muss gesondert erfolgen und kann nicht in der Belehrung über die Widerrufsfolgen gesehen werden. Sie kann zwar auch in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen getroffen werden. Eine solche gesonderte Vereinbarung liegt aber auch dann nicht vor, wenn lediglich die Widerrufsbelehrung in sich abgeschlossen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen untergebracht wird, wie das vorliegend der Fall ist (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 30.03.2010 - 4 U 212/09-). Dieser Verstoß fällt aber, auch wenn er vorliegend die Bagatellgrenze übersteigt, nicht erheblich ins Gewicht. Mitbewerber werden nicht erheblich beeinträchtigt, da die beanstandete Klausel für den Verbraucher Nachteiliges formuliert und ihn deshalb eher von dem Kauf abhalten wird. Insbesondere aber ist das Bemühen der Antragsgegnerin erkennbar, sich durch die Wiederholung der Widerrufsbelehrung in ihren AGB gesetzeskonform zu verhalten und die gesetzlichen Voraussetzungen für die erforderliche Vereinbarung der Kostentragungspflicht zu schaffen.

Soweit der Antragsteller mit seinen Anträgen zu Ziff. 3) des Weiteren AGB-Klauseln des Antragsgegnerin beanstandet, liegt ein wettbewerbsrechtlich zu beanstandender Verstoß wiederum nicht vor und verfügt er als Mitbewerber auch nicht über die Klagebefugnis nach § 3 Unterlassungsklagengesetz (UKlaG). Bei dem § 307 ff. BGB handelt es sich ebenso wie bei den sonstigen Vorschriften des BGB, nach denen vertragliche Absprachen unwirksam sein können -z.B. §§ 134, 138, 242 BGB-, um Bestimmungen, die darauf gerichtet sind, das individuelle Verhältnis der Vertragsparteien zu regeln. Nicht jede Verwendung einer nach den §§ 307 ff. BGB unwirksamen AGB-Klausel ist auch wettbewerbswidrig nach § 4 Nr. 11 UWG. Unabhängig vom fehlenden Vorrang des Unterlassungsklagengesetzes sprechen schon systematische Gesichtspunkte gegen eine richterliche AGB-Inhaltskontrolle im Wettbewerbsprozess. Das Verbandsklagerecht aus § 1 UKlaG wäre funktionslos, wenn die gemäß § 3 Abs. 1 UKlaG anspruchsberechtigten Stellen auf der Grundlage ihrer inhaltlich korrespondierenden Klagebefugnis aus § 8 Abs. 3 Nr. 2 - 4 UWG immer auch aus § 4 Nr. 11 UWG gegen die Verwendung unwirksamer AGB vorgehen könnten. Auch deshalb schließt sich die Kammer der Rechtsprechung an, wonach es für den Tatbestand des § 4 Nr. 11 UWG nicht ausreicht, dass die beanstandete AGB-Bestimmung ausdrücklich oder erkennbar auch Verbraucher schützt; vielmehr kommt es auf deren Schutz als am Markt agierende Personen an. Nur dann kommt ihr eine auf die Lauterkeit des Wettbewerbs bezogene Schutzfunktion zu Gunsten der Marktteilnehmer zu, wie sie der Rechtsbruchtatbestand voraussetzt (vgl. OLG Köln NJW 2007, 724; OLG Hamburg NJW 2007, 2264). Letzteres ist dann der Fall, wenn die beanstandete AGB-Klausel z.B. die sich aus §§ 355, 312 c BGB i.V.m. der BGB-InfoV ergebenden Belehrungspflichten hinsichtlich des Widerrufs- und Rückgaberechts betrifft, sich also unmittelbar mit der Vertragsanbahnung befasst, und ist demgegenüber nicht der Fall, wenn die beanstandete Klausel die Abwicklung des Vertrages regeln soll. Letzteres ist bei den vom Antragsteller beanstandeten AGB-Klauseln der Antragsgegnerin indes der Fall. Ein wettbewerbsrechtlich zu beanstandender Verstoß liegt deshalb in keinem Fall vor.

Der demgemäß vorliegend lediglich gerechtfertigten Beanstandung zu Ziff. 2 der Antragsschrift, welche als solche nicht besonders schwer wiegt, steht vorliegend eine völlig überzogene Reaktion des Antragstellers und im Zusammenwirken mit ihm weiterer Mitbewerber gegenüber. Nicht damit genug, dass er nach vorausgehender Abmahnung im vorliegenden Verfahren nicht lediglich die zu beanstandende Belehrung über die Rücksendekosten zum Gegenstand des einstweiligen Verfügungsverfahrens macht, überzieht er die Antragsgegnerin mit fünf weiteren Unterlassungsanträgen, die sämtlich nicht begründet sind. Zeitgleich erhebt er in dem Verfahren 6 O 44/10 vor der Kammer gegen die Antragsgegnerin Unterlassungsklage, mit welcher er aus demselben Grund, also wiederum wegen des Hinweises, dass der Verbraucher Rücksendekosten bei einem Wert der zurückzusendenden Sache bis 40,00 EUR zu tragen habe, die Widerrufsbelehrung beanstandet, die die Antragsgegnerin in ihrem eBay-Shop verwendet, und verlangt im Klagewege des Weiteren die Erstattung der Kosten der vorausgegangenen Abmahnung in Höhe von 1.005,40 EUR und nochmals von 1.192,60 EUR für die im vorliegenden Verfahren vorausgegangene Abmahnung vom 22.03.2010. Damit nicht genug vertreten die Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers unwidersprochen mittlerweile mindestens fünf sog. "große" Anbieter im Bereich Schulranzen und haben sie die Antragsgegnerin zwischenzeitlich mit Abmahnungen an den unterschiedlichsten Gerichten wegen desselben sich aus der verwendeten Widerrufsbelehrung ergebenden Wettbewerbsverstoßes geradezu "überschwemmt". Auf Seite 11 der Antragserwiderung vom 03.05.2010 wird insoweit Bezug genommen. Das angeblich der Antragsgegnerin zwischenzeitlich anzulastende Gesamtrisiko "ihrer" Rechtsstreitigkeiten beziffern die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers selbst zwischen 50.000,00 bis 100.000,00 EUR (Anlage B 10). Nach der Rechtsprechung ist von einem Missbrauch i.S.d. § 8 Abs. 4 UWG auszugehen, wenn das beherrschende Motiv des Gläubigers bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs sachfremde Ziele sind (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 02.03.2010 -I 4 U 217/09-; Beschl. v. 18.03.2010 - 4 U 223/09-). Diese müssen zwar nicht das alleinige Motiv des Gläubigers sein, aber eindeutig überwiegen. Als typischen Beispielsfall eines sachfremden Motivs nennt das Gesetz ausdrücklich das Gebührenerzielungsinteresse. Gleichermaßen sachwidrig ist es, wenn zusätzlich mit dem Entstehenlassen hoher Gebühren wegen eines zwar eindeutigen, aber eher geringfügigen Wettbewerbsverstoßes die Absicht verfolgt wird, einen, zumal kleinen Mitbewerber vom Markt zu drängen. Hiervon geht die Kammer für den vorliegenden Fall unter Wertung aller Umstände aus.

Nach alledem waren die Anträge des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Auslagenentscheidung beruht auf §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO.

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LG Paderborn:
Urteil v. 22.07.2010
Az: 6 O 43/10


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