Bundespatentgericht:
Beschluss vom 21. November 2003
Aktenzeichen: 27 W (pat) 57/02

(BPatG: Beschluss v. 21.11.2003, Az.: 27 W (pat) 57/02)

Tenor

1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Gegen die Eintragung der Wort-Bildmarke 399 26 788 siehe Abb. 1 am Endefür die Waren

"Bekleidungsstücke, T-Shirts, Sweatshirts, Schuhwaren, Kopfbedeckungen"

ist Widerspruch erhoben worden aus der IR-Marke R 437 001 siehe Abb. 2 am Endedie in Deutschland ua Schutz genießt für die Waren

"Cl 25: Vêtements, non fabriques en cuir de crocodile ou en imitations de cuir de crocodile ".

Die Markenstelle für Klasse 25 hat den Widerspruch wegen mangelnder Verwechslungsgefahr der Marken zurückgewiesen. Auch bei der wegen der Identität oder engsten Ähnlichkeit der Waren gebotenen Anlegung eines strengen Maßstabs an den erforderlichen Abstand der Marken wiesen diese in ihrer bildlichen Ausgestaltung deutliche Unterschiede auf. Während das Bildelement der jüngeren Marke einen piktogrammartig abstrahierten Eindruck vermittele, sei das Krokodilmotiv der Widerspruchsmarke deutlich lebendiger und detailgetreuer gehalten. In ihrer konkreten Ausformung seien die beiden Darstellungen daher hinreichend sicher auseinander zuhalten, zumal die Verwendung von Tiermotiven zur gängigen Werbepraxis gehöre, an die das Publikum gewöhnt sei. Im übrigen werde sich der Verkehr die angegriffene Marke in aller Regel an dem Wortbestandteil "Coccodrillo" einprägen. Bei diesem handele es sich auch nicht um die naheliegende Benennung des Bildmotivs der Widerspruchsmarke, so dass eine begriffliche Verwechslungsgefahr ausgeschlossen sei. Selbst wenn ein noch relevanter Teil der angesprochenen Verkehrskreise sich in erhöhtem Maße an den Bildmotiven der Marken orientiere, sei eine Verwechslungsgefahr wegen der deutlich unterschiedlichen Ausgestaltung zu verneinen. Ein von der bildlichen oder begrifflichen Ähnlichkeit unabhängiger abstrakter Motivschutz für allgemeine Tiermotive, wie hier das Krokodil, sei dem Markenrecht fremd. Auch die Gefahr assoziativer Verwechslungen infolge einer auf die gleiche betriebliche Herkunft hinweisenden gemeinsamen gedanklichen Aussage der Marken komme nicht in Betracht, weil im vorliegenden Fall gerade nicht die Gefahr einer gleichen Benennung der Marken bestehe. Die angegriffene Marke wirke mangels verbindender Gemeinsamkeiten auch nicht wie eine Serienfortsetzung oder Modernisierung der Widerspruchsmarke.

Hiergegen wendet sich die Widersprechende mit der Beschwerde. Zur Begründung trägt sie vor, dass die angegriffene Marke nicht den erforderlichen großen Abstand zu der Widerspruchsmarke, die für identische Waren geschützt sei und über eine überragende Kennzeichnungskraft, wenn nicht Notorietät verfüge. Die Krokodildarstellung der Widerspruchsmarke habe sich seit dem Ende der 20er Jahre infolge intensiver Benutzung zu einem im Bekleidungsbereich weltbekannten Kennzeichen entwickelt, das für qualitativ hochwertige Ware mit sportlichem Image stehe. Ihr komme für Bekleidung schon von Haus aus besondere Originalität zu, weil sie nicht warenbeschreibend sei und das Krokodil als gefährlichaggressives Raubtier auch kein sich als Marke anbietender Sympathieträger sei wie andere Tiere, zB der stolze Löwe oder die wendige Raubkatze. Als ungewöhnliches Tiermotiv bleibe die Widerspruchsmarke dem Verbraucher daher umso mehr im Gedächtnis. Da die Widersprechende als einzige Bekleidungsherstellerin die Darstellung eines Krokodils auf Bekleidung verwende, ordne der Verkehr daher ein Kennzeichen mit einer solchen Darstellung von Haus aus ihrem Unternehmen zu. Dabei sei es unerheblich, dass das Krokodil in der jüngeren Marke in eine andere Richtung blicke als das der Widerspruchsmarke und auch sein Körper etwas dünner sei, denn an diese Einzelheiten erinnere sich der Betrachter beim Zeichenvergleich nicht mehr, zumal er aufgrund der herausragenden Marktstellung ihres Unternehmens nicht damit rechnen müsse, dass ein Produkt mit einem applizierten Krokodil nicht aus ihrem Hause stamme. Daran ändere auch der Wortbestandteil "Coccodrillo" nichts, denn als italienisches Wort für "Krokodil" gebe er nur die Bedeutung des Bildbestandteils wieder. Wenn aber Wort- und Bildbestandteil dasselbe Erinnerungsbild erzeugten, könne nicht von dem Regelsatz ausgegangen werden, dass bei einer aus Wort- und Bild kombinierten Marke dem Wortbestandteil größere Kennzeichnungswirkung zukomme als dem Bildelement. Aufgrund seines dem Wort "Krokodil" sehr ähnlichen Klangs bringe der Verkehr es mit diesem Begriff in Verbindung und sehe es lediglich als südländischen Ausdruck für "Krokodil" an. Unterstützt werde dieses Verständnis noch durch die Abbildung des Krokodils. Abgesehen von der Begriffsidentität seien die Bezeichnungen "Cocodrillo" und "Krokodil" auch klangähnlich, weil sie jeweils auf der Silbe "dil" betont würden und weder das zusätzliche "r" noch durch der Schlusslaut "o" in "Cocodrillo" eine nennenswerte akustische Wirkung entfalteten.

Selbst wenn eine unmittelbare Verwechslungsgefahr zu verneinen sei, bestehe aber jedenfalls mittelbare Verwechslungsgefahr, denn die angegriffene Marke rufe bei denjenigen Verbrauchern, welche die Unterschiede der Marken im einzelnen erfassten, die Vorstellung einer Serien- oder Zweitmarke des "Krokodils" der Widerspruchsmarke hervor. Dies sei insbesondere deshalb naheliegend, weil es eine Vielzahl namhafter Bekleidungshersteller gebe, die eine sog. "junge Linie" auf den Markt brächten, die aus demselben Hause stamme und mit einem wenig verfremdeten oder leicht abgewandelten Logo für eine wesentlich preisgünstigere Serie geführt werde. Selbst der in Modedingen gut unterrichtete Verbraucher, der die Unterschiede der Marken erkenne, könne daher dem Irrtum unterliegen, es handele sich um eine junge oder eine besondere ausgekoppelte Linie der aus dem Hause der Widersprechenden. Dabei sei die italienische Bezeichnung "Cocodrillo" keineswegs irritierend, weil der Verkehr auf dem Bekleidungssektor an südländische Namen gewöhnt sei und es sich außerdem auch bei "Lacoste" um einen südländisch klingenden Namen handele, dem das Wort "Cocodrillo" zugeordnet werden könne.

Die Widersprechende beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke 399 26 788 aufgrund des Widerspruchs aus der Marke IR R 437 001 anzuordnen.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass dem Motiv der Widerspruchsmarke keine hohe Kennzeichnungskraft zukomme, weil Tierbildnisse zur Kennzeichnung von Produkten in der Praxis häufig verwendet würden. Insbesondere bei Sauriern, Echsen und Reptilien handele es sich um eine Modeerscheinung, wobei gerade in Klasse 25 mehrfach Marken mit "Reptil"-Bestandteilen in Wort und Bild eingetragen seien. Selbst wenn es sich bei der Widerspruchsmarke um eine weltbekannte Marke handele - was bestritten werde - könne auch eine hohe Kennzeichnungskraft nicht dazu führen, dass ein Motiv zugunsten eines Markeninhabers monopolisiert werde. In ihrem Gesamteindruck weiche die angegriffene Marke ersichtlich von der Krokodildarstellung der Widerspruchsmarke ab. Eine das Gesamtzeichen prägende Wirkung komme dem Motiv des Krokodils in typischer Haltung mit geöffnetem Maul und hochgestelltem Schwanz nicht zu, denn nach der Entscheidung "Springende Raubkatze" (BGH GRUR 1996, 198, 200) seien bei Abbildungen aus der Natur, die nur wenig verfremdete Fantasie aufwiesen, strenge Anforderungen an die Verwechslungsgefahr zu stellen. Auch die Gefahr klanglicher Verwechslungen komme nicht in Betracht, weil das sich zur Benennung der angegriffenen Marke in erster Linie anbietende Wortelement "Coccodrillo" von dem deutschen Wort "Krokodil" deutlich verschieden sei. Im übrigen werde die Widerspruchsmarke ohnehin keinesfalls als "Marke mit dem Krokodil", sondern als "Lacoste" oder "Lacoste-Krokodil" bezeichnet. Schließlich bestehe auch keine assoziative Verwechslungsgefahr, weil es fern liege, in der angegriffenen Wort-Bildmarke eine südländische Variante des Begriffsinhalts der Widerspruchsmarke zu sehen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die zur Glaubhaftmachung der geltend gemachten herausragenden Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke eingereichten Unterlagen Bezug genommen.

Auf die vom Senat in der mündlichen Verhandlung angeregte und durch konkrete Vorschläge unterstützte Überlegung einer gütlichen Regelung hat die Widersprechende schriftsätzlich mitgeteilt, dass sie im Hinblick auf den vom Senat in der Verhandlung angesprochenen "Frechheitsfaktor" der angegriffenen Marke eine Entscheidung in der Sache vorziehe.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, weil die Markenstelle den Widerspruch zu Recht wegen mangelnder Verwechslungsgefahr der Marken zurückgewiesen hat (§ 43 Abs 2 Satz 1 iVm § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG).

A. Die Waren "Bekleidungsstücke, T-Shirts, Sweatshirts, Kopfbedeckungen" der angegriffenen Marke sind mit den Waren der Widerspruchsmarke zwar identisch. Der Widerspruchsmarke ist für Bekleidung auch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft zuzubilligen, die bereits im Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke am 8. Mai 1999 bestanden hat (vgl BGH GRUR 1961, 347 - Almglocke).

Zur Darlegung der geltend gemachten überragenden Bekanntheit der Widerspruchsmarke hat sich die Widersprechende auf das Ergebnis einer vom SPIE-GEL-Verlag in Auftrag gegebenen, für den Bekleidungssektor repräsentativen Untersuchungsreihe "Outfit 5" gestützt, in der die Marke "Lacoste" unter den zehn bekanntesten Bekleidungsmarken aufgeführt ist. Für das Jahr 1997 ist ein Bekanntheitsgrad von 76 % der Befragten ausgewiesen und für das Jahr 2001 ein Bekanntheitsgrad von 77 %. Eine frühere Untersuchsreihe "Outfit 3" hat im Befragungszeitraum 1993/1994 für Westdeutschland sogar eine Bekanntheit von 88 % ergeben. Den Befragungen lag allerdings nur das Kennzeichen "LACOSTE" mit der darüber angeordneten Krokodildarstellung der Widerspruchsmarke zugrunde. Für die Bildmarke allein sind keine Umfrageergebnisse vorgelegt worden. Da der Firmenname "LACOSTE" dem Verkehr aber in der Produktwerbung regelmäßig zusammen mit dem "Krokodil"-Logo entgegentritt und dieses auch auf den Waren teils mit dem Kennzeichen "LACOSTE", teils ohne dieses verwendet wird, vorzugsweise in auffälliger Herausstellung auf der Außenseite der Bekleidung, ist davon auszugehen, dass sich die starke Bekanntheit des Kennzeichens "LACOSTE" (mit und ohne Krokodil) auch auf die Krokodildarstellung allein in einem Umfang erstreckt, der die Anerkennung einer deutlich gesteigerten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke rechtfertigt. Gestützt wird dies durch die von der Widersprechenden vorgelegten zahlreichen Presseberichte, in denen das Label "Lacoste" stets zugleich mit dem Krokodil genannt ist, so dass das Krokodil schon weitgehend als "Lacoste-Krokodil" bezeichnet wird. Auch die Markeninhaberin hat die Ansicht vertreten, die Widerspruchsmarke werde vom Verkehr gedanklich meist als "Lacoste-Krokodil" bzw "Krokodil von Lacoste" erfaßt. Es ist daher anzunehmen, daß der Firmenname und das "Krokodil"-Logo hinsichtlich des Grades ihrer Verkehrsbekanntheit nicht wesentlich voneinander abweichen.

Für eine Schwächung der von ihrem Sinngehalt her für Bekleidung nicht beschreibenden und daher von Hause aus normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke durch Drittzeichen bestehen keine Anhaltspunkte, denn die von der Markeninhaberin genannten Eintragungen in Klasse 25 enthalten sämtlich Bildbestandteile, die mit einem Krokodil oder einem vergleichbaren Reptil keine Ähnlichkeit haben. Ebenso wenig sind die Wortbestandteile "STREET REPTIL", (396 02 382), "Kroko Bull" (300 74 517), "CROCODILE DUNDEE" (1 129 536) und "Salamander" geeignet, die Kennzeichnungskraft der Krokodildarstellung der Widerspruchsmarke zu beeinträchtigen.

B. Auch wenn in Wechselbeziehung zu der teilweisen Warenidentität und der gesteigerten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke eine Verwechslungsgefahr schon bei einem nur geringen Ähnlichkeitsgrad der Marken bestehen kann (stRspr., vgl EuGH GRUR 1998, 922, 923 Rz 17 - Canon; BGH GRUR 2001, 507, 508 - EVIAN/REVIAN; 2001, 158, 160 - Drei-Streifen-Kennzeichnung; 2002, 171, 173 - Marlboro-Dach; 2002, 1067, 1069 - DKV/OKV), hält der Senat den Unterschied der Marken noch für ausreichend, um bei den angesprochenen breiten Publikumskreisen sowohl die Gefahr unmittelbarer Verwechslungen nach Sinn-, Bild- oder Klangwirkung als auch die Gefahr von Verwechslungen aufgrund gedanklicher Verbindung der Marken auszuschließen. Das gilt erst recht für die "Schuhwaren" der angegriffenen Marke, die nur im Ähnlichkeitsbereich von Bekleidung liegen.

1. Die angegriffene Marke weicht in ihrem für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr maßgeblichen Gesamteindruck (stRspr., vgl BGH GRUR 2000, 506, 508 - ATTACHé/TISSERAND; 2001, 158, 160 - Drei-Streifen-Kennzeichnung; 2002, 167, 169 - Bit/Bud) schon wegen des zusätzlichen Wortbestandteils, der von dem darunter angeordneten Bildbestandteil ovalartig umrahmt ist, so stark von der älteren Bildmarke ab, dass die Gefahr unmittelbarer Verwechslungen der Marken in ihrer Gesamtheit nicht besteht.

2. Eine unmittelbare Verwechslungsgefahr ergibt sich aber auch nicht aufgrund des Bildbestandteils der angegriffenen Marke, weil er im Rahmen der Gesamtkombination nicht selbständig kennzeichnend hervortritt. In Anbetracht der gesteigerten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist die Bedeutung, die dem Bildbestandteil für den Gesamteindruck der angegriffenen Marke zukommt, zwar nicht allein anhand dieser Marke selbst ohne Einbeziehung der älteren Marke zu beurteilen. Abweichend von diesem in der Rechtsprechung mehrfach wiederholten Grundsatz (vgl BGH GRUR 1996, 198 - Springende Raubkatze; GRUR 1999, 995 - HONKA; GRUR 2000, 285, 286 - EWING; GRUR 2000, 233, 234 - RAUSCH/EL-FI RAUCH; 2002, 342, 343 - ASTRA/ESTA-PUREN) hat der Bundesgerichtshof bereits in der "Springende Raubkatze"-Entscheidung (aaO, S 199) ausdrücklich hervorgehoben, daß der Schutzumfang einer älteren Marke mit besonderer Kennzeichnungskraft auch die Verwendung solcher Kombinationszeichen erfassen kann, deren Gesamteindruck - isoliert betrachtet - nicht durch das für eine Ähnlichkeit mit der älteren Marke in Betracht kommende Element geprägt wird (vgl auch BGH GRUR 2003, 880, 882 - CityPlus). Da es bei der Beurteilung der unmittelbaren Verwechslungsgefahr aber grundsätzlich um die beiden Zeichen in ihrer Gesamtheit geht (vgl BGH aaO, S 199 - Springende Raubkatze), kann auch ein nicht (allein) prägendes Einzelelement der jüngeren Marke nur dann als kollisionsbegründend erachtet werden, wenn es in der Gesamtkombination so hervortritt, daß die jüngere Marke als Ganzes die Erinnerung an die ältere Marke wachruft, der Verkehr also in der jüngeren Marke die ihm bekannte ältere Marke wiederzuerkennen glaubt (vgl BGH GRUR 1989, 425 - Herzsymbol; 1990, 367, 369 - alpi/Alba Moda; 2002, 171, 175 - Marlboro-Dach). Auch wenn der Wiedererkennungseffekt durch eine besondere Kennzeichnungskraft der älteren Marke erheblich gefördert wird, bedarf es doch auch insoweit einer klaren Differenzierung, ob (noch) der Fall einer unmittelbaren Verwechslungsgefahr aufgrund Wiedererkennens der älteren in der jüngeren Kombinationsmarke anzunehmen ist oder ob der Verkehr die Marken als unterschiedliche Zeichen mit jeweils eigenständiger Kennzeichnungsfunktion wahrnimmt, sie aber wegen bildlicher oder begrifflicher Übereinstimmungen im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG gedanklich miteinander in Verbindung bringt.

3. Im vorliegenden Fall steht der Gefahr, daß der Verkehr die ältere Bildmarke in der angegriffenen Marke wiederzuerkennen glaubt, bereits entgegen, daß die Tierfigur in der grafischen Gesamtgestaltung der angegriffenen Marke sowohl größenmäßig als auch in ihrer Eigenschaft als schmückende Umrahmung des Wortbestandteils eine eher untergeordnete Stellung einnimmt. Der Betrachter muss seinen Blick daher schon genauer von dem Wortbestandteil auf die darunter angeordnete und nur umrißhaft wiedergebene länglichschmale Tierfigur lenken, um zu überhaupt erkennen, dass sie am Rücken schwach angedeutete Zacken und kleine Füße aufweist, also ein echsen- bzw krokodilartiges Tier darstellen soll und nicht etwa einen (Raub-)Fisch mit geöffnetem Maul. Infolge des zu einer ovalen Umrahmung des Wortbestandteils ausgebildeten Schwanzes der Tierfigur sind Wort und Bild zudem so eng zu einer emblemartigen Einheit mit eigenständiger Kennzeichnungsfunktion verwoben (vgl auch BGH GRUR 2002, 171, 175 li Sp - Marlboro-Dach), dass nicht anzunehmen ist, für den Betrachter stehe die Tierfigur im Vordergrund und er verwechsle die angegriffene Marke daher - unter Ausblendung der Gesamtgestaltung - in bildlicher Hinsicht unmittelbar mit der Widerspruchsmarke.

4. Die angegriffene Marke bietet auch keinen Anlass für unmittelbare begriffliche Verwechslungen mit der Widerspruchsmarke. Der Wortbestandteil "Coccodrillo", der im Italienischen "Krokodil" bedeutet, gibt zwar den Sinngehalt der älteren Bildmarke erschöpfend wieder. Dies erschließt sich aber nur einem - im Verhältnis zu dem hier angesprochenen breiten Verbraucherpublikum - kaum als relevant zu erachtenden kleinen Teil des deutschen Verkehrs mit guten Italienischkenntnissen. Die übrigen Verkehrskreise, denen im wesentlichen nur gängige Basiswörter der italienischen Sprache geläufig sind (vgl auch BGH GRUR 2000, 883, 885 - PAP-PAGALLO), werden der angegriffenen Marke vielfach überhaupt nur das Wort "occodrillo" entnehmen, weil sie den breiten Teil der ovalen Umrahmung nicht als Symbol für den Buchstaben "C" wahrnehmen. Aber auch für den Teil der Verbraucher, die das Wort "Coccodrillo" erkennen, liegt die Annahme fern, es handele sich um das aus irgendeiner romanischen Fremdsprache stammende Wort für "Krokodil". Wegen des von dem deutschen Ausdruck "Krokodil" erheblich abweichenden fremdartigen Wortcharakters der Bezeichnung "Coccodrillo" werden sie darin in der Regel eine Phantasiebezeichnung sehen.

Daran ändert auch die unter dem Wort "Coccodrillo" angeordnete Tierfigur nichts. Selbst wenn der Betrachter darin eine stilisierte Krokodildarstellung sieht und dann bei einiger Aufmerksamkeit dem Wort "Coccodrillo" einen Anklang an den Begriff "Krokodil" entnimmt, folgt aus dem Erkennen eines wechselseitigen Bezugs von Wort und Bild noch nicht, dass das Wort als gattungsmäßige Beschreibung des Bildbestandteils verstanden wird, denn für den Verkehr liegt die Vorstellung eines Phantasie- oder Kosenamens für das dargestellte Tier wesentlich näher. Es kann daher entgegen der Ansicht der Widersprechenden nicht von einer wechselseitigen begrifflichen Ergänzung von Wort- und Bildbestandteil ausgegangen werden (vgl BGH GRUR 1967, 355, 358 - Rabe; 1990, 450, 453 - St. Petersquelle; 1998, 934, 936 - Wunderbaum), die dazu führt, daß sich der Verkehr die angegriffene Marke begrifflich als "Krokodil"-Marke einprägt und damit der Gefahr von Verwechslungen mit der denselben Bedeutungsgehalt verkörpernden Widerspruchsmarke unterliegt. Im Vordergrund steht für ihn vielmehr der Wortbestandteil "(C)occodrillo", während er dem nur bei einiger Aufmerksamkeit als Krokodildarstellung zu identifizierenden Bildbestandteil nur Zierfunktion ohne begrifflich eigenständige Kennzeichnungswirkung beimessen wird.

5. Auch in klanglicher Hinsicht besteht keine Verwechslungsgefahr zwischen dem in der Regel der mündlichen Benennung der angegriffenen Marke dienenden Wortbestandteil der angegriffenen Marke (stRspr., vgl BGH GRUR 1999, 241, 244 - Lions; GRUR 2000, 506, 509 - ATTACHÉ/TISSERAND; 2002, 167, 169 - Bit/Bud) und der älteren Bildmarke, die wörtlich als "Krokodil" zu bezeichnen ist. Die Widerspruchsmarke - abweichend von ihrer eingetragenen Form - als Kombinationsmarke "Lacoste-Krokodil" der jüngeren Marke gegenüberzustellen, ist entgegen der Ansicht der Inhaberin der angegriffenen Marke nicht zulässig. Selbst wenn die angegriffene Marke in einem noch beachtlichen Umfang mit dem vollständigen Wort "Coccodrillo" wiedergegeben wird, kann dieses aufgrund des auffallenden fremdländischen Klanggepräges, das durch die kurz aufeinanderfolgenden Doppelkonsonanten, des zusätzlichen Schlußvokals "o" und der starken Betonung der dritten Silbe mit dem Konsonanten "r" hervorgerufen wird, auch bei flüchtiger Sprechweise oder oberflächlicher akustischer Wahrnehmung nicht irrtümlich wie "Krokodil" verstanden werden kann. Wegen des starken Klangunterschieds wird auch der Teil des Verkehrs, der "Coccodrillo" möglicherweise einen begrifflichen Anklang an "Krokodil" entnimmt, nicht der Gefahr von Verwechslungen unterliegen.

C. Nach Ansicht des Senats bestehen auch keine Anhaltspunkte für eine Verwechslungsgefahr der Marken aufgrund gedanklicher Verbindung im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 Halbs 2 MarkenG.

1. Diese Art der Verwechslungsgefahr ist anzunehmen, wenn der Verkehr die Unterschiede der Marken zwar erkennt, aber wegen bestehender bildlicher oder begrifflicher Gemeinsamkeiten irrtümlich annimmt, die damit gekennzeichneten Waren stammten dem demselben Unternehmen oder jedenfalls wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen. Kann die jüngere Marke beim Verkehr die Erinnerung an die ältere Marke wachrufen, ohne dass der Verkehr eine Zuordnung zu derselben betrieblichen Herkunftsstätte vornimmt, liegt keine Verwechslungsgefahr aufgrund gedanklicher Verbindung vor (vgl EuGH GRUR 1998, 387, 398 Tz 16, 18 - Sabèl/PUMA; 1998, 922, 924 Tz 28-30 - Canon; GRUR Int 2000, 899, 901 Tz 34 - Marca/Adidas).

2. Im vorliegenden Fall enthält die jüngere Marke einen Bildbestandteil, der von der in allen charakteristischen Einzelheiten naturgetreu wiedergebenen Krokodildarstellung der Widerspruchsmarke erheblich abweicht, aber doch - wie oben bereits ausgeführt - bei einiger Aufmerksamkeit und Heranziehung des begrifflichen Anklangs des Wortbestandteils als umrissartig stilisierte Wiedergabe eines Krokodils zu erkennen ist. Der Ansicht der Widersprechenden, wegen der Bekanntheit ihrer "Krokodil"-Marke verbinde der Verkehr jedes Kennzeichen, das ebenfalls die Darstellung eines Krokodils aufweise, automatisch mit ihrem Unternehmen, weil es im Bekleidungsbereich andere Kennzeichen mit diesem Motiv nicht gebe, ist in dieser Allgemeinheit allerdings nicht zu folgen. Der EuGH hat in der "Puma/Sabèl"-Entscheidung (GRUR 1998, 387, 390, Tz 24) zwar zum Ausdruck gebracht, dass bei einer besonderen Kennzeichnungskraft der älteren Marke die Gefahr von Verwechslungen gegeben sein kann, wenn in beiden Marken Bilder benutzt werden, die in ihrem Sinngehalt übereinstimmen. Hieraus kann aber nicht geschlossen werden, dass der Schutzbereich einer bekannten älteren Bildmarke - über den in der Rechtsprechung nur in engen Grenzen anerkannten Motivschutz hinaus (vgl dazu BGH GRUR 1964, 71 - Personifizierte Kaffeekanne; 1974, 467 - Sieben-Schwaben-Motiv; 1994, 872 - Wurstmühle; 1995, 198, 200 - Springende Raubkatze) - jede Verwendung eines Bildes in einer jüngeren Marke erfasst, das unabhängig von seiner konkreten bildlichen Gestaltung denselben Sinngehalt vermittelt. Im vorliegenden Fall bedarf es zwar keiner weiteren Abstrahierung, um das Bildmotiv der beiden Marken auf einen "gemeinsamen Nenner" zu bringen (vgl dazu BGH GRUR 1964, 71 - Personifizierte Kaffeekanne; 1974, 467 - Sieben-Schwaben-Motiv), weil es jeweils aus einer Krokodildarstellung besteht. Der Widerspruchsmarke wird wegen ihrer Bekanntheit der Schutz an dem "Krokodil"-Motiv auch nicht schon deshalb abzusprechen sein, weil es eng der natürlichen Vorgabe folgt und kaum verfremdende Phantasie aufweist (vgl BGH aaO, S 200 li Sp - Springende Raubkatze). Dies genügt aber noch nicht für die Feststellung, dass der Verkehr tatsächlich Anlaß hat, die jüngere Marke wegen der Verwendung des gleichen Motivs dem Geschäftsbetrieb des Inhabers der älteren Marke zuzuordnen, etwa weil sie wie eine Serienfortsetzung, eine Modernisierung oder eine sonstige Abwandlung des in der älteren Marke verkörperten Motivs wirkt.

3. Gegen die Annahme, die jüngere Marke sei ein weiteres Kennzeichen der Widersprechenden, spricht sowohl die Art der Einbindung des Krokodilmotivs in die Gesamtkombination als auch die Art der bildlichen Abwandlung des Motivs - umrisshaft stilisiert einerseits, naturalistisch andererseits. Aufgrund der Gesamtgestaltung der jüngeren Marke liegt für den Verkehr die Vorstellung fern, eine Modernisierung der älteren Marke oder ein Kennzeichen vor sich zu haben, das von der Widersprechenden in abgewandelter Form als Zweitmarke im Sinne eines Neben- oder Sublabels für eine andere Produktlinie oder -serie verwendet wird, etwa eine junge Linie, eine ausgekoppelte preisgünstigere Linie oder - wegen des Wortes "(C)occodrillo" - für eine vorrangig zum Vertrieb im Ausland, insbesondere romanischsprachigen Ländern bestimmte Linie. Es gibt zwar eine Reihe namhafter Designer bzw Bekleidungsunternehmen, die Zweitkennzeichen für besondere Produktlinien ihres Hauses verwenden, zB HUGO (HUGO BOSS); Emporio Armani (Giorgio Armani); Polopferd oder Reiter (Ralph Lauren), edc youth by Esprit; G.W. by Gerry Weber; Strenesse und Strenesse blue (Gabriele Strehle); D&G (Dolce&Gabbana). Diesen Zweitlabels ist aber gemeinsam, dass die Hauptmarke des Unternehmens oder jedenfalls ein Bestandteil dieser Hauptmarke (zB Vorname, Bildbestandteil, Initialen) jeweils unverändert oder zumindest so beibehalten werden, dass die Zweitmarke an der Bekanntheit der Hausmarke in der beabsichtigten absatzfördernden Weise teil hat. Auch die Widersprechende verwendet für ihre Produkte stets die Krokodildarstellung in unveränderter Form ohne Abwandlung und zwar entweder allein oder in Verbindung mit dem ausnahmslos deutlich von dem Bild abgesetzten Firmennamen "LACOSTE". Der Firmenname weist ferner auch keine irgendwie geartete sprachlichgeographische Verbindung zu dem Wort "Coccodrillo" auf, die den Schluss auf eine gemeinsame betriebliche Herkunft nahe legen könnte, wie die Widersprechende meint. Ist der Verkehr aber im Modebereich an eine eingeführte Kennzeichnungspraxis im Zweitlabelbereich gewöhnt, hat er keinen Anlass, bei einer deutlich veränderten optischen Gestaltung des Krokodilmotivs der Widerspruchsmarke und Einbindung in einen zusätzlich verfremdenden Gesamtzusammenhang, wie bei der angegriffenen Marke, an eine Herkunft aus demselben Unternehmen oder derselben Unternehmensgruppe zu denken.

D. Die vom Senat in der mündlichen Verhandlung angedeutete weitere Frage, ob die angegriffene Marke aufgrund ihres Bildbestandteils möglicherweise bei einem Teil des Verkehrs die Vorstellung hervorrufen kann, hier habe sich ein Dritter "frech" an die ältere Marke angelehnt, was eine Form des "Wachrufens der Erinnerung" ist, die gerade nicht zu einer Zuordnung der Marken zu derselben betrieblichen Ursprungsstätte führt, ist der Entscheidung in einem etwaigen Verletzungsverfahren nach § 9 Abs 1 Nr 3 MarkenG vorbehalten (vgl auch EuGH GRUR 2003, 240).

Wegen der Kosten des Beschwerdeverfahrens wird auf § 71 Abs 1 Satz 2 MarkenG verwiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen, weil die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine ältere Bildmarke mit besonderer Kennzeichnungskraft unter dem Gesichtspunkt einer unmittelbaren oder einer assoziativen Verwechslungsgefahr Schutz gegenüber einer jüngeren Marke genießt, die einen isoliert betrachtet nicht prägenden Bildbestandteil mit demselben Sinngehalt enthält, unter Berücksichti-

gung der "Sabèl/Puma"-Entscheidung (EuGH GRUR 1998, 387, 390) einer höchstrichterlichen Klärung bedarf (§ 83 Abs 2 MarkenG).

Dr. Schermer Richterin Friehe-Wichist beurlaubt und daheran der Unterschrift ge-

hindert.

Dr. Schermer Dr. van Raden Pü

Abb. 1 http://agora/bpatgkollision/docs/D24971.3.gif Abb. 2 http://agora/bpatgkollision/docs/D24972.3.gif






BPatG:
Beschluss v. 21.11.2003
Az: 27 W (pat) 57/02


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