Bundespatentgericht:
Beschluss vom 12. März 2003
Aktenzeichen: 28 W (pat) 190/02

(BPatG: Beschluss v. 12.03.2003, Az.: 28 W (pat) 190/02)

Tenor

Auf die Beschwerde der Widersprechenden werden die Beschlüsse des DPMA - Markenstelle für Klasse 29 - vom 20. Dezember 2000 und 26. Juli 2002 aufgehoben.

Wegen der Widersprüche aus den Marken 924 081 und EU 124 586 wird die Löschung der angegriffenen Marke 399 45 999 für die Waren "Konserven, insbesondere Fleisch-, Fisch-; Fleischextrakte, Speiseöle und Speisefette, Salatsoßen, Soßen" angeordnet.

Gründe

I.

In das Markenregister eingetragen wurde unter der Rollennummer 399 45 999 die Marke Galateaals Kennzeichnung für folgende Waren:

Kl 29: Konserven, insbesondere Fleisch-, Fisch-. Obst-, Gemüsekonserven, Fleischextrakte, getrocknetes Obst und Gemüse, Konfitüren, Speiseöle und Speisefette, Salatsoßen;

Kl 30: Senf, Essig, Soßen, Gewürze Die Inhaberin der rangälteren Marken 924 081 und EU 124 586 Galteehat hiergegen Widerspruch erhoben. Diesen Marken sind ua für folgende Waren eingetragen:

Fleisch, Fleischextrakte (Marke 924 081), Fleischprodukte (Marke EU 124 586), Speiseöle und -fette.

Die Markenstelle für Klasse 29 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit zwei Beschlüssen (betr. Marke 924 081), bzw einem Beschluss (betr. Marke EU 124 586) eine Verwechslungsgefahr verneint und die Widersprüche zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, die Widerspruchsmarke sei kennzeichnungsschwach, denn bei Galtee handle es sich um ein Gebiet in Irland, das für die Waren auch als Herkunftsangabe in Frage komme. Damit genüge der Markenabstand auch bei identischen Waren.

Die Widersprechende hat gegen diese Beschlüsse Beschwerde eingelegt und den Widerspruch sodann auf die im Tenor genannten Waren, nämlich "Konserven, insbesondere Fleisch-, Fisch-; Fleischextrakte, Speiseöle und Speisefette, Salatsoßen, Soßen" beschränkt. Sie ist der Ansicht, insoweit bestünde zumindest eine schriftbildliche Verwechslungsgefahr, denn beide Marken würden nur in einem Buchstaben voneinander abweichen. Dass es sich bei "Galtee" um ein in Irland gelegenes Gebiet handle, treffe zwar zu, könne aber Auswirkungen auf den Schutzumfang der Marke nicht haben, denn dieser Landstrich sei jedenfalls beim deutschen Verbraucher weithin unbekannt.

Die Widersprechende beantragt, die Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben und die Löschung der jüngeren Marke insoweit anzuordnen.

Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält die Ausführungen in den patentamtlichen Beschlüssen für zutreffend und weist auf die Unterschiede in der Silbenzahl und der Vokalfolge hin, was zu einem völlig anderen Klangbild führe. Zudem bestehe eine deutliche Abweichung im Sinngehalt (Galatea = griechische Sagengestalt), was ein Unterscheiden erleichtere.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss sowie auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und hat - nach der Beschränkung des Widerspruchs - auch Erfolg, denn insoweit besteht Verwechslungsgefahr nach § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.

Auszugehen ist von dem allgemeinen kennzeichenrechtlichen Grundsatz einer Wechselwirkung zwischen allen in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Waren und Marken, sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke (ständige Rechtsprechung zB EuGH MarkenR 1999, 20 - Canon; BGH MarkenR 2001, 204 - EVIAN/REVIAN). Im Bereich von identischen und stark ähnlichen Waren kann der Rechtsinhaber eines älteren Markenrechts einen besonders deutlichen Abstand jüngerer Marken verlangen, vorausgesetzt es liegen keine die Verwechslungsgefahr mindernde Umstände vor.

Hier stehen sich bei den "Konserven", bei denen es sich auch um "Fleischprodukte" handeln kann, den "Fleischextrakten, Speiseöle und Speisefette" völlig gleiche Waren gegenüber; bei den "Salatsoßen, Soßen" besteht wegen des erheblichen Anteils von "Speiseöl" eine überaus große Warenähnlichkeit zu diesem Produkt. Solche Lebensmitteln sind Waren des täglichen Bedarfs, die vom allgemeinen Verkehr weder mit besonderer Nachlässigkeit noch übergroßer Sorgfalt gekauft werden, so dass als Maßstab bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Verbraucher anzusetzen ist (BGH, MarkenR 2000, 140 - ATTACHE/TISSERAND). Dieser nimmt in der Regel eine Marke als Ganzes wahr, ohne auf ihre verschiedenen Einzelheiten zu achten (vgl EuGH, MarkenR 1999, 236 - Lloyd). Stimmen aber zwei Marken wie vorliegend in ihrem Erscheinungsbild weitgehend überein, so wird er - bei einer überwiegend identischen Warensituation - kaum mehr in der Lage und gewillt sein, die tatsächlich bestehenden, insgesamt aber nur untergeordneten Unterschiede wahrzunehmen und richtig zuzuordnen. Das gilt umso mehr, je weniger Merkhilfen ihm die Markennamen zB wegen eines bestimmten Bedeutungsgehalts oder Anlehnung an beschreibende Anklänge geben. Auch hier ist auf die allgemeine Kenntnis der durchschnittlich gebildeten und informierten Verkehrs abzustellen. Zwar ist Galatea der Name einer Sagengestalt aus der griechischen und römischen Mythologie, dem normalen Verbraucher ist sie aber weithin unbekannt. Nichts anderes gilt für Galtee, einem Landstrich in Irland (Galtee Mountains), den auch der durchschnittliche Irlandreisende nicht ohne weiteres kennt. Der Name dieses Gebirges findet sich im Internet zwar in einigen Reiseberichten, angesichts der dort vorzufindenden Datenfülle sind die Nachweise aber als eher gering einzustufen. Die Galtee Mountains dürften somit eine touristisch kaum bedeutende und hierzulande nur wenig bekannte Gegend sein. Zudem wird dieser Gebirgszug in deutschen Landkarten auch "Galty" geschrieben (Mercedes-Atlas DIEU 1999, 2000; ADAC-Autoatlas 2002, 2003). Die Mehrzahl der Verbraucher wird in den beiden Produktkennzeichnungen daher Phantasienamen sehen und sie nach deutschen Regeln aussprechen. Denn Marken werden regelmäßig als solche hingenommen, ohne dass man nach Bedeutungsinhalten sucht. Ob hier der klangliche Vergleich der Marken wegen der Unterschiede in Silbenzahl und Vokalfolge die Verneinung der Verwechslungsgefahr rechtfertigt, kann dahinstehen, denn in schriftbildlicher Hinsicht stehen sich die Marken jedenfalls zu nahe. Galatea und Galtee stimmen in fünf von sechs (bzw sieben) Buchstaben überein; die geringe Abweichung beschränkt sich auf das zusätzliche "a" in der Wortmitte und dem "a" statt "e" am Wortende der jüngeren Marke. Durch die gleichen Wortanfänge, das "t" sowie die "ea" und "ee" an den Wortenden ist die Umrisscharakteristik fast identisch. Angesichts der identischen und fast identischen Waren ist der Abstand der Marken zu gering.

Diese bei Gegenüberstellung der Waren und Marken vorliegende Verwechslungsgefahr ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Widersprechende wegen des Hinweises auf die irische Gegend "Galtee" nur einen geringen Schutzumfang in Anspruch nehmen könnte. Zwar wird das Freihaltebedürfnis der Mitbewerber an solchen Angaben schon dann bejaht, wenn die Ortsangabe zur Bezeichnung der geographischen Herkunft "dienen kann" (vgl EuGH, GRUR 1999, 725 - Chiemsee) - der Nachweis eines konkreten, aktuellen und ernsthaften Freihaltebedürfnisses ist also nicht mehr erforderlich -, die Zukunftsprognose muss aber realitätsbezogen sein und die Notwendigkeit der beschreibenden Verwendung durch andere Hersteller vernünftigerweise erwarten lassen. Bei Namen von wirtschaftlich bedeutenden Örtlichkeiten besteht eine stärkere Vermutung für den Bedarf einer freien Verwendung als wie hier bei kleinen Landstrichen, die noch dazu im Inland kaum bekannt sind. Das Interesse der Mitbewerber an einer Ortangabe ist stärker, je mehr der Verbraucher eine Verbindung zwischen dem Produkt und der Herkunftsangabe herstellen kann. Weitgehend unbekannte Ortangaben eignen sich hierfür weniger (vgl hierzu Althammer, Ströbele, Markengesetz, 6. Auflage § 8 Rdz 103 ff). Um von einem reduzierten Schutzumfang einer Marke auszugehen bedarf es ausreichend gesicherter Anhaltspunkte, zu deren Darlegung insbesondere die Partei beitragen kann, die sich darauf beruft. Hier hat die Markeninhaberin als Mitbewerberin weitaus größere Erkenntnismöglichkeiten als sie dem Gericht durch bloße Nachschau in den allgemeinen Nachschlagwerken und dem Internet zur Verfügung stehen. Nach den hier zugänglichen Unterlagen aber ist Galtee für den inländischen Verkehr als Herkunftsangabe für landwirtschaftliche Produkte und Lebensmittel kaum von Bedeutung, so dass mit einem - markenrechtlich erheblichen - Interesse der Mitbewerber an der Benutzung dieses Begriffes nicht gerechnet werden muss. Bei Inanspruchnahme eines durchschnittlichen Schutzumfanges aber verbleibt es bei der oben dargestellten Verwechslungsgefahr.

Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst, § 71 Abs 1 Satz 2 Markengesetz.

Stoppel Paetzold Schwarz-Angele Ko






BPatG:
Beschluss v. 12.03.2003
Az: 28 W (pat) 190/02


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