Bundespatentgericht:
Beschluss vom 8. Juni 2004
Aktenzeichen: 27 W (pat) 319/03

(BPatG: Beschluss v. 08.06.2004, Az.: 27 W (pat) 319/03)

Tenor

Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamts aufgehoben, soweit der Widerspruch aus der international registrierten Marke R 400 501 zurückgewiesen worden ist.

Die Löschung der Marke 302 22 700 wird aufgrund des Widerspruchs aus der Marke IR R 400 501 angeordnet.

I.

Gegen die Eintragung der Marke Wiedergabe der Markefür Waren der Klasse 25, nämlich

"Herrenanzüge, Herrensakkos, Herrenhosen", ist Widerspruch eingelegt worden aus der international registrierten Marke VALENTINO, die in Deutschland u.a. für die Waren 25: Vêtements, y compris les bottes, les souliers et les pantouflesgeschützt ist.

Die Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat den Widerspruch mit Beschluss vom 26. August 2003 zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, trotz Identität der beiderseits in Anspruch genommenen Waren sei eine Verwechslungsgefahr nicht zu bejahen. Die in Frage stehenden Marken seien auch bei Anlegung strengster Maßstäbe nicht verwechselbar. Die beiden Namenselemente der jüngeren Marke bildeten einen einheitlichen Gesamtnamen. Unter Berücksichtigung des einschlägigen Warensektors sei nicht damit zu rechnen, dass sich die angesprochenen Verkehrskreise ausschließlich an dem Nachnamen orientierten. Hierzu bestehe deswegen kein Anlass, weil der Vorname nur im Ausnahmefall völlig vernachlässigt werde, etwa wenn es sich um einen wenig prägnanten und sehr gebräuchlichen Vornamen handele. Ein derartiger Ausnahmefall sei hier jedoch nicht gegeben. Vielmehr seien die beiden Namenselemente klanglich aufeinander abgestimmt, durch die die Einheitlichkeit von Vor- und Familiennamen besonders betont werde. Zudem würden auf dem hier einschlägigen Modesektor Gesamtnamen in der Regel nicht auf den Familiennamen verkürzt. Die Marken würden auch nicht im Sinne einer mittelbaren Verwechslungsgefahr gedanklich in Verbindung gebracht, weil dem Markenwort "VALENTINO" keine eigenständige betriebliche Herkunftsfunktion zukomme.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie macht geltend, gerade einige der bekanntesten Modemarken würden auf den Familiennamen verkürzt, und zwar unabhängig davon, ob der dazugehörige Vorname sehr gebräuchlich oder prägnant sei. Der Familienname Valentino sei in Deutschland ungeachtet dessen äußerst selten. Bei dem Widerspruchszeichen handele es sich zudem um eine ausgesprochen starke Marke, die dem Publikum durch umfangreiche Presseberichterstattung nachhaltig nahe gebracht worden sei und daher einen hohen Werbewert verkörpere.

Die Widersprechende beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Die Markeninhaberin hat sich im Verfahren vor dem Bundespatentgericht nicht geäußert.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die angegriffene Marke ist zu löschen, weil die Gefahr der Verwechslung der Vergleichsmarken im Sinne des §§ 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG besteht.

Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG kann eine Marke gelöscht werden, wenn wegen ihrer Ähnlichkeit mit einer angemeldeten oder eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang und der Identität oder der Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist die Frage einer markenrechtlichen Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen den Beurteilungsfaktoren der Waren-/Dienstleistungsidentität oder -ähnlichkeit, der Markenidentität oder -ähnlichkeit und der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren/Dienstleistungen oder der Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. BGH, GRUR 2002, 544, 545 - BANK 24, m.w.N;, GRUR 2003, 1044, 1045 - Kelly, m.w.N; GRUR 2004, 239 - DONLINE). Das bedeutet, dass die jüngere Marke bei Warenidentität und einer erhöhten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke einen besonders großen Abstand zu der älteren Marke einhalten muss.

Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt, denn unter Berücksichtigung der nunmehr im Beschwerdeverfahren dargelegten überdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke "VALENTINO" reicht die in der jüngeren Marke vorgenommene bloße Ergänzung der älteren Marke um den Vornamen "GEORGIO" nicht aus, um die Gefahr von Markenverwechslungen auszuschliessen.

Die Widersprechende hat die Behauptung der erhöhten Bekanntheit ihres Zeichens, der die Markeninhaberin nicht entgegengetreten ist, durch Vorlage eines umfangreichen Pressespiegels für die Zeit von 1999 bis 2003 belegt. Aus diesem ergibt sich, dass der Namen des seit Jahrzehnten international tätigen bekannten Modeschöpfers "VALENTINO" in allen denkbaren Arten von deutschen Printmedien der Fach- und Tagespresse (ua Bunte, Freundin, Elle, Cosmopolitan, Gala, Vogue, Stern, Süddeutsche Zeitung, Abendzeitung, Stuttgarter Zeitung, Die Welt sowie zahlreiche Regionalzeitungen aus dem gesamten Bundesgebiet) in Verbindung mit Bekleidung Gegenstand umfangreicher Berichterstattung in Wort und Bild gewesen ist. Die beachtliche Medienpräsenz der sich von Hause aus leicht einprägenden klangvollen Kennzeichnung "VALENTINO" und ihre langjährigen Benutzung für Modellbekleidung, die insbesondere auch von vielbeachteten Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens getragen wird, sind Faktoren, die nach der Rechtsprechung (vgl EuGH GRUR Int. 1999, 734, 735 Rn. 23 - Lloyd) die Annahme rechtfertigen, dass sie bei dem erheblichen Verkehrskreis modisch interessierter Verbraucher einen jedenfalls über dem Durchschnitt liegenden Bekanntheitsgrad genießt.

Ausgehend von einer erhöhten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke spricht bereits vieles für die Annahme einer unmittelbaren Verwechslungsgefahr mit der für identische Waren beanspruchten jüngeren Namensmarke "GEORGIO VALENTINO". Die Markenstelle ist auf der Grundlage der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung zwar an sich zutreffend davon ausgegangen, dass sich der Verkehr eine aus Vor- und Familiennamen gebildete Marke in der Regel vollständig einprägt (vgl BGH GRUR 2000, 233, 234 - ELFIE RAUCH/RAUSCH; GRUR 2000, 1031, 1032 - Carl Link; BpatGE 44, 53 - Noelle Claris/CLARIS). Das gilt insbesondere im Modebereich, in dem Hersteller- und Designermarken sehr häufig aus Vor- und Familiennamen bestehen (vgl BGH GRUR 1999, 241, 244 - Lions). Bei dem Namen eines bekannten Designers kann allerdings unter besonderen Umständen der Familienname derart im Vordergrund stehen, dass sich der Verkehr nur hieran orientiert, ohne dem Vornamen eine wesentliche Individualisierungsfunktion beizumessen (vgl auch BGH, aaO, S 34 reSp - ELFIE RAUCH/RAUSCH). Hiervon ist insbesondere bei bekannten Designernamen auszugehen, die im Geschäftsverkehr sowohl mit dem Vornamen, als auch vielfach ohne den Vornamen verwendet werden, wie HUGO BOSS/BOSS, Georgio Armani/Armani, Coco Chanel/Chanel, Pierre Cardin/Cardin usw. Eine ähnliche Situation besteht bei Designernamen, die stets ohne Vornamen verwendet werden, wie etwa Dior, Prada, Gucci oder der hier zu beurteilende Name "VALENTINO", der an sich der Vorname des Modeschöpfers Valentino Garavani ist, von diesem aber seit Jahrzehnten in Alleinstellung nach Art eines Nachnamens als Designerkennzeichen verwendet wird. Begegnet der Verkehr einem solchen Kennzeichen zusammen mit einem Vornamen - hier etwa "GEORGIO VALENTINO" - liegt es für ihn nahe, sich nur den (vermeintlichen) Nachnamen einzuprägen und das Zeichen danach benennen (so im Ergebnis - unter Bejahung unmittelbarer begrifflicher Verwechslungsgefahr -auch HABM, R0434/02-4 vom 15.7.2003 in dem Fall "RUDOLFO VALENTINO/VALENTINO", zitiert auf der PAVIS CD-ROM; ferner OLG Hamburg GRUR-RR 2004, 111 - Caren Pfleper).

Aber auch dann, wenn man davon ausgeht, dass der Verkehr die Vergleichsmarken als im Gesamteindruck unterschiedliche Kennzeichnungen wahrnimmt, besteht jedenfalls die Gefahr, dass er sie im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 Halbs. 2 MarkenG gedanklich miteinander in Verbindung bringt. Diese Art der Verwechslungsgefahr kommt in Betracht, wenn der Verkehr zwei an sich unterschiedliche Marken wegen eines gemeinsamen charakteristischen Bestandteils derselben betrieblichen Ursprungsstätte zuordnet. Eine solche Zuordnung ist hier nahe liegend, denn der Verkehr wird bei der Begegnung mit der jüngeren Marke, die mündlich in der Regel ohne den glatt beschreibenden Zusatz "MADE IN GERMANY" wiedergegeben wird, ohne weiteres annehmen, der bekannte Modeschöpfer Valentino habe seinem (vermeintlichen) Nachnamen seinen (vermeintlichen) Vornamen Georgio vorangestellt und bringe die Waren oder eine bestimmte Kollektion nunmehr unter diesem um den Vornamen erweiterten Zeichen "GEORGIO VALENTINO" in den Verkehr. Aufgrund des in der jüngeren Marke enthaltenen Zusatzes "MADE IN GERMANY" kann für den Verkehr auch der Gedanke nahe liegen, der Modeschöpfer Valentino habe in Deutschland eine Tochterfirma, die unter "GEORGIO VALENTINO" firmiert und die von ihr hergestellte Bekleidung entsprechend kennzeichnet.

Der nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung bei Gericht eingegangene Schriftsatz der Widersprechenden vom 9. Juni 2004 hat bei der Entscheidung keine Berücksichtigung mehr gefunden.

Es sind keine Gründe ersichtlich, von dem Grundsatz des § 71 Abs. 1 S. 2 MarkenG abzuweichen, dass jeder Beteiligte seine Kosten selbst zu tragen hat.

Dr. Schermer Dr. van Raden Prietzel-Funk Na






BPatG:
Beschluss v. 08.06.2004
Az: 27 W (pat) 319/03


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/f854b895f8f6/BPatG_Beschluss_vom_8-Juni-2004_Az_27-W-pat-319-03




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share