Bundespatentgericht:
Beschluss vom 31. Mai 2007
Aktenzeichen: 34 W (pat) 371/03

(BPatG: Beschluss v. 31.05.2007, Az.: 34 W (pat) 371/03)

Tenor

Das Patent wird aufrechterhalten.

Gründe

I Gegen das am 1. Dezember 1998 angemeldete und am 28. Mai 2003 veröffentlichte deutsche Patent 100 55 361 mit der Bezeichnung "Kunststoffbehälter mit Deckel" hat die A... A/S, B... in C..., am 28. August 2003 Einspruch erhoben.

Der Einspruch wurde darauf gestützt, dass der Gegenstand des Patentanspruch 1 nicht neu sei, nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe und die technische Lehre des Anspruchs 1 nicht so klar und deutlich offenbart sei, dass sie ein Fachmann auf der Grundlage der Offenbarung ausführen könne.

Zur Begründung hat die Einsprechende auf folgenden druckschriftlichen Stand der Technik verwiesen:

D1 DE 43 06 982 A1, D2 DE 44 22 534 A1 und D3 EP 0 870 690 A1.

Sie hat außerdem eine offenkundige Vorbenutzung geltend gemacht, wozu sie folgende Unterlagen eingereicht hat:

D4 Anwesenheitsnachweis der Fa. D... S.A. bei der Ausstellung "Salon d'Emballage" in Paris umfassend die Kopie eines Fotos und vier Kopien zu Rechnungen, D5 Erklärung des Zeugen E... und anliegend Kopie einer Zeich- nung Nr. 961308, "Couvercle L053", D6 bis D8 Erklärungen der Personen F..., G... und H... jeweils mit Anhängen, D9 Rechnung vom 30. Juni 1998 der Fa. I... an Fa. D... über die Änderung einer Form und D10 Fig. 0, 1, 2 und 3 (Ausschnitte aus der Zeichnungskopie gemäß Anlage zu D5)

Dafür, dass der in dem Dokument D5 dargestellte Deckel anlässlich der in dem Dokument D4 näher bezeichneten Ausstellung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde, hat die Einsprechende Zeugenbeweis angeboten.

Im Prüfungsverfahren wurden außer den Druckschriften D1 und D2 folgende Druckschriften berücksichtigt:

P1 US 3 632 016 und P2 DE 84 29 165 U1.

Mit Eingabe vom 21. Mai 2007 hat die Einsprechende den Einspruch zurückgenommen.

Die Patentinhaberin hat dem Vorbringen der Einsprechenden widersprochen und beantragt, das Patent aufrechtzuerhalten, ferner stellt sie den schriftsätzlich angekündigten Hilfsantrag 1.

Sie führt im Wesentlichen aus, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents weder neuheitsschädlich vorweggenommen noch nahegelegt sei. Die Erfindung sei ausreichend klar und deutlich offenbart, so dass sie ein Fachmann ausführen könne. Die offenkundige Vorbenutzung des Gegenstandes des angefochtenen Patents könnten die den Einspruch stützenden Unterlagen nicht belegen. In keiner der eingereichten Erklärungen werde seitens der erklärenden Personen dargelegt, welche konkreten Merkmale der auf der Ausstellung vermeintlich öffentlich ausgestellte Gegenstand aufgewiesen haben soll. Bezüglich des konkret offenkundig gemachten Gegenstandes verwiesen die Erklärungen D5 bis D8 lediglich auf eine gegebene Konstruktionszeichnung bzw. die Erklärungen D6 bis D8 auf eine Fotografie eines Deckels. In keiner Weise werde angegeben, durch welche Person, unter welchen Umständen und zu welchem Zeitpunkt der Deckel fotografiert wurde, wie er den den Erklärungen beigefügten Fotografien zu entnehmen sei. Ob der Deckel auf der Fotografie D6 mit dem vermeintlich auf der Ausstellung offenkundig gemachten Deckel übereinstimmt, sei unklar, was entsprechend für die anderen Erklärungen gelte, da die Fotografie jeweils identisch sei, und insbesondere für die ebenfalls den Erklärungen D5 bis D8 als Anlage beigefügten Konstruktionszeichnungen. Auch hier werde durch die Erklärungen in keiner Weise dargelegt, welche konkreten Merkmale als offenkundig vorbekannt unter Beweis gestellt werden sollen. Eine offenkundige Vorbenutzung der Konstruktionszeichnung selber werde demgegenüber nicht geltend gemacht. Es sei zweifelhaft, ob der auf den Fotografien gezeigte Gegenstand identisch mit dem Gegenstand der Konstruktionszeichnung sei. Ferner sei festzustellen, dass durch die Rechnung gemäß der Anlage D9 eine Herstellung der Deckel gemäß der Konstruktionszeichnung in keiner Weise belegt werde. Die Rechnung der Firma I... gemäß Anlage D9, die eine Form zur Herstellung der Deckel gemäß der Konstruktionszeichnung L052-053 betreffen solle, datiere vom 30. Juni 1998. Die Konstruktionszeichnung L053 gemäß den Anlagen D5 bis D8 trage demgegenüber als früheste Datierung das Datum vom September 1998 (Ajout de 8 Creneaux). Eine Herstellung der vermeintlichen Deckel gemäß der Konstruktionszeichnung L053 könne somit durch die D9 in keiner Weise belegt werden, da vor der Formherstellung eine Konstruktionszeichnung vorliegen müsse. Die Form diente offensichtlich der Herstellung anderer Deckel. Die offenkundige Vorbenutzung werde insgesamt mit Nichtwissen bestritten.

Der erteilte Patentanspruch 1 lautet:

Kunststoffbehälter mit Deckel (1), wobei der Behälter einen oberen Rand und der Deckel (1) einen den oberen Rand des Behälters umschließenden Bereich (2) mit einer radial nach innen weisenden Seite (3), einen von diesem umgebenen mittleren Bereich (4) und einen äußeren heruntergezogenen Bereich (5) aufweist und wobei der Deckel (1) an seiner radial nach innen weisenden Seite (3) mit kastenförmigen Vorsprüngen (6) versehen ist, die die radial nach innen weisende Seite (3) mit dem mittleren Bereich (4) des Deckels (1) verbinden, dadurch gekennzeichnet, dass die radial nach innen weisende Seite (3) des Deckels (1) eine umlaufende Abstufung (7) etwa in Breite der kastenförmigen Vorsprünge (6) aufweist und die kastenförmigen Vorsprünge (6) auf der Abstufung (7) angeordnet und zum oberen Rand des umschließenden Bereich des Deckels (1) hochgezogen sind.

Wegen des Wortlauts der erteilten Ansprüche 2 bis 10 wird auf die Patentschrift verwiesen.

Wegen des schriftsätzlich angekündigten Hilfsantrags 1 und zu weiteren Einzelheiten wird auf die Akte verwiesen.

II Nach der Rücknahme des Einspruchs ist das Verfahren von Amts wegen ohne die Einsprechende fortzusetzen (§ 61 Abs. 1 Satz 2 PatG).

1. Der form- und fristgerecht eingelegte Einspruch war zulässig.

2. Das Patent ist wie gemäß Hauptantrag beantragt im erteilten Umfang aufrechtzuerhalten, so dass es sich erübrigt, auf den Hilfsantrag 1 einzugehen.

a) Der Vortrag der ehemaligen Einsprechenden hinsichtlich der behaupteten offenkundigen Vorbenutzung könnte erheblich sein. Er weist jedoch Lücken und Unklarheiten auf, auf die die Patentinhaberin zu Recht hingewiesen hat. Vor einer Einvernahme des benannten Zeugen müssten diese Mängel ausgeräumt werden, was aber ohne die Mitwirkung der ehemaligen Einsprechenden nicht möglich ist. Die behauptete offenkundige Vorbenutzung muss daher bei der Beurteilung der Patentfähigkeit des Gegenstands des Patentanspruchs 1 außer Betracht bleiben.

b) Zu formalen Bedenken gegen die erteilten Patentansprüche besteht kein Anlass. Der Anspruch 1 lässt sich ohne weiteres auf den Anspruch 1 in der ursprünglichen Fassung zurückführen. Ebenso sind die Ansprüche 2 bis 10 identisch mit den ursprünglichen Ansprüchen 2 bis 10.

c) Gemäß Anspruch 1 in der erteilten Fassung weist die radial nach innen weisende Seite (3) des Deckels (1) eine umlaufende Abstufung (7) etwa in der Breite der kastenförmigen Vorsprünge (6) auf. Wie sich aus der Beschreibung und der Zeichnung zweifelsfrei ergibt, ist unter dem Begriff "umlaufende Abstufung" eine mit gleichbleibendem Abstand ihrer Oberseite (10) zum oberen Deckelrand in Umfangsrichtung des Deckels sich erstreckende Abstufung (7) zu verstehen. Der Wortlaut des Anspruchs 1 lässt zu, dass entweder die Abstufung (7) sich in Umlaufrichtung in gleichem Abstand zum oberen Deckelrand unter dem Vorsprung (6) fortsetzt, so dass der Vorsprung (6) auf die Abstufung (7) aufgesetzt ist, oder dass die Oberseite der Abstufung (7) kontinuierlich in die eine Seitenwand, die Oberseite (11) und die andere Seitenwand des kastenförmigen Vorsprungs (6) übergeht und sich dann wie vor dem Vorsprung (6) beabstandet und parallel zum oberen Deckelrand fortsetzt, so dass an der Deckelunterseite der Vorsprung (6) als kastenförmige Ausnehmung (9) in der Vertiefung (8) ausgebildet ist.

Unter dem Begriff "Breite der kastenförmigen Vorsprünge" ist eindeutig die radiale Ausdehnung der Vorsprünge zu verstehen, was aus den Figuren 1 bis 3 entnommen werden kann, wo ausschließlich Ansichten der Radialebenen des den Deckel (1) umschließenden Randbereichs mit den dem Anspruchswortlaut und den Ausführungen in der Beschreibung entsprechenden Breitenverhältnis der kastenförmigen Vorsprünge (6) und der Abstufung (7) dargestellt sind.

d) Der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 ist patentfähig.

Die Ausführbarkeit der Lehre des angefochtenen Patents ist gegeben.

Die ehemalige Einsprechende hat ausgeführt, im angefochtenen Patent werde insbesondere im Patentanspruch 1 definiert, dass die kastenförmigen Vorsprünge die nach innen weisende Seite mit dem mittleren Bereich des Deckels verbinden. Diese Definition sei jedoch nicht im Einklang mit den Figuren. Insbesondere Figur 1 zeige einen kastenförmigen Vorsprung (6). Dieser Vorsprung verbinde jedoch den mittleren Bereich (4) und die nach innen weisende Seite (3) nicht. Der Fachmann könne somit unter Hinzunahme der Zeichnungen nicht erkennen, wie wesentliche Merkmale der Erfindung auszuführen seien.

Der Senat teilt diese Auffassung nicht, denn es genügt, zusätzlich zu der von der Einsprechenden herangezogenen Figur 1 die Figur 2 zu betrachten, um zu verstehen, wie das in Rede stehende im Anspruch 1 definierte Merkmal zu verwirklichen ist. Figur 1 zeigt eine der Seitenflächen des Vorsprungs (6) und veranschaulicht, wie die kastenförmigen Vorsprünge (6) auf der Abstufung (7), deren Oberseite (10) dort in Schnittdarstellung gezeichnet ist, angeordnet und zum oberen Rand des umschließenden Bereichs des Deckels 1 hochgezogen sind. Aus der Zusammenschau mit Figur 2, wo der kastenförmige Vorsprung (6) nunmehr im Schnitt durch seine Oberseite (11) dargestellt ist und zusätzlich in Seitenansicht eine der Rippen (17), die im Inneren des kastenförmigen Vorsprungs (6) zu dessen Versteifung vorgesehen sind, ergibt sich nun ohne weiteres sowohl die gesamte Topografie der Oberseite als auch die der Unterseite des Deckels (1) im Bereich des Vorsprungs (6). Die in Figur 2 im Schnitt gezeigte, zum mittleren Bereich (4) des Deckels hinabführende Außenfläche (14) und die in Figur 1 nicht näher bezeichneten Seitenflächen sind offensichtlich einstückig geformt und bilden auf diese Weise eine direkte Verbindung zwischen der nach innen weisenden Seite (3) und dem inneren Bereich (4) des Deckels.

Gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik ist der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 neu und beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Die gewerbliche Anwendbarkeit steht außer Frage.

Die Gegenstände der unmittelbar oder mittelbar auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Ansprüche 2 bis 10 sind ebenfalls patentfähig.

3. Einer näheren Begründung hierzu bedarf es nicht, da der einzige Einspruch zurückgenommen wurde und somit nur noch die Patentinhaberin am Verfahren beteiligt ist, deren Antrag stattgegeben wurde (§ 47 Abs. 1 Satz 3 PatG i. V. m. §§ 59 Abs. 4).






BPatG:
Beschluss v. 31.05.2007
Az: 34 W (pat) 371/03


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