Bundespatentgericht:
Beschluss vom 13. September 2005
Aktenzeichen: 27 W (pat) 170/04

(BPatG: Beschluss v. 13.09.2005, Az.: 27 W (pat) 170/04)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die Eintragung der Wortmarke 301 20 085 POLAR FUR für die Waren und Dienstleistungen Klasse 24: Webstoffe und Textilwaren, soweit in Klasse 24 enthalten Klasse 25: Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungenist Widerspruch eingelegt worden aus der Gemeinschaftsmarke GM 001774488 Polarskineingetragen für die Waren und Dienstleistungen Klasse 24: Webstoffe und Textilwaren, soweit in Klasse 24 enthalten; Bettwäsche und Tischdecken Klasse 25: Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen.

Die Markenstelle für Klasse 24 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch durch Beschluss vom 14. April 2004 zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, eine Verwechslungsgefahr zwischen den Marken, die die Löschung der jüngeren Marke rechtfertigen könnte, sei selbst bei Zugrundelegung der teilweisen Identität bzw hohen Ähnlichkeit der beiderseits beanspruchten Waren nicht gegeben. Die Ähnlichkeit der Marken sei hierfür nicht ausreichend. Beide Marken besäßen als werbeübliche Wortbildungen für kältetaugliche Waren, hier Häute (skin) und Felle/Pelze (fur) nur eine sehr geringe Kennzeichnungskraft. Das englische Wort "polar" habe im Deutschen eine entsprechende Bedeutung und werde, wie zitierte Belege zeigten, in der Werbung vielfach eingesetzt, wenn die entsprechenden Waren kältetauglich, also selbst für sehr niedrige Temperaturen in den Polargebieten geeignet seien. Für derartige Marken sei der Schutzbereich eng zu bemessen und nur auf die jeweilige eintragungsbegründende Eigenprägung zu beschränken. Daher seien die sich gegenüber stehenden Marken weder in klanglicher, noch in visueller oder begrifflicher Hinsicht verwechselbar, denn "skin" und "fur" unterschieden sich hinreichend voneinander. Das Wort "polar" sei aber auch wegen der erörterten Kennzeichnungsschwäche nicht geeignet, die Marken zu prägen und eine selbständig kennzeichnende Funktion auszuüben. Daher komme auch eine assoziative Verwechslungsgefahr nicht in Betracht.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie ist der Auffassung, der aufgrund der hohen Ähnlichkeit bzw. Teilidentität der beiderseitigen Warenanmeldungen erforderliche Abstand der Marken sei nicht eingehalten. Eine Haut sei im weiteren Sinne auch ein Fell und umgekehrt, zudem werde sowohl "skin" als auch "fur" mit "Fell" übersetzt. Die angegriffene Marke sei wegen des Bestandteils "Polar" eingetragen worden. Dieser Bestandteil sei aber identisch in der Widerspruchsmarke enthalten. Die Marken bestünden jeweils aus der Kombination eines deutschen und englischen Wortes, daher könne auch die assoziativer Verwechslungsgefahr nicht verneint werden.

Die Widersprechende beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die angegriffene Marke zu löschen.

Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigt den Beschluss der Markenstelle als auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens der Widersprechenden zutreffend und hält eine Verwechslungsgefahr nicht für gegeben.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der zwischen den Verfahrensbevollmächtigten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Die Markenstelle hat die Gefahr von Verwechslungen der Vergleichsmarken iSd §§ 42, 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG zutreffend verneint.

Nach den genannten Vorschriften ist eine Marke zu löschen, wenn wegen ihrer Ähnlichkeit mit einer angemeldeten oder eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang und der Identität oder der Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Für die Frage der Verwechslungsgefahr ist von dem allgemeinen kennzeichenrechtlichen Grundsatz einer Wechselwirkung zwischen allen in Betracht zu ziehenden Faktoren auszugehen, insbesondere der Ähnlichkeit der zu beurteilenden Marken, der Warennähe und der Kennzeichnungskraft der älteren Marke (st Rspr; vgl BGH, GRUR 2003, 1040, 1042 - Kinder; GRUR 2003, 1044, 1045 - Kelly; GRUR 2004, 239 - DONLINE; GRUR 2004, 594, 596 -Ferrari-Pferd; GRUR 2005, 427, 428 - Lila-Schokolade).

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist als äußerst gering anzusehen, denn das Markenwort "Polarskin" lehnt sich ersichtlich an eine rein beschreibende Angabe an.

Im Hinblick auf die Verwendung des Begriffs "Polar" im Zusammenhang mit kältetauglicher Bekleidung hat die Markenstelle in dem angegriffenen Beschluss bereits zutreffende Belege zitiert, denen aus Sicht des Senats lediglich hinzuzufügen ist, dass es sogar den Begriff "Polarbekleidung" selbst gibt. Auch die Widersprechende hat nicht vorgetragen, aus welchem Grunde der Begriff "Polar" nicht beschreibend sei, wenn dieser sogar, wie sie selbst zutreffend ausgeführt hat, in die deutsche Sprache eingegangen ist. Der Begriff "skin" gehört zum Grundwortschatz der englischen Sprache und wird ohne weiteres von deutschsprachigen Verkehrskreisen als "Haut" verstanden, und zwar im Zusammenhang mit Bekleidung als im übertragenen Sinne "2. Haut", wie auch die Widersprechende nicht in Abrede stellt. Zutreffend hat die Markenstelle darauf abgestellt, dass sog schwachen Marken, also solchen Marken, deren Markenwort sich wie hier an eine beschreibende Angabe anlehnt, auf sie Bezug nimmt oder eine sonstige Nähe zu ihr aufweist, nur ein geringer Schutzumfang zuzubilligen ist, und zwar nach Maßgabe der Eigenprägung und Unterscheidungskraft, die dem Zeichen - trotz seiner Anlehnung an die freizuhaltende Angabe - die Eintragungsfähigkeit verleiht (vgl BGH GRUR 1989, 264, 265 - REYNOLDS R 1/EREINTZ; GRUR 1989, 349, 350 - ROTH-HÄNDLE-KENTUCKY/Cenduggy; GRUR 1999, 238, 240 - Tour de culture; GRUR 2003, 963, 964 AntiVir/AntiVirus). Ein darüber hinausgehender Schutz kann nicht beansprucht werden. Bei Zeichen, die sich wie "Polarskin" als Abwandlungen freihaltungsbedürftiger Angaben darstellen, kann demnach bei der Prüfung einer Verwechslungsgefahr nicht entscheidend auf Übereinstimmungen allein mit der beschreibenden Angabe selbst abgestellt werden. Maßgebend für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr muss vielmehr gegenüber der angegriffenen Bezeichnung "Polar Fur" der Eindruck der Widerspruchsmarke "Polarskin" in der den Schutz dieses Zeichens begründenden Gestaltung sein (vgl BGH aaO, AntiVir/AntiVirus). Trotz der hier festzustellenden bis zur Identität reichenden Warenähnlichkeit kann daher selbst bei Anlegung strengster Maßstäbe wie geboten eine Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs 1 S 2 MarkenG nicht bejaht werden. Zwar weist auch die angegriffene Marke den Wortbestandteil "Polar" auf. Dieser ist aber, wie erörtert, als rein beschreibend für die in Anspruch genommenen Waren anzusehen, so dass er entgegen der Auffassung der Widersprechenden nicht geeignet ist, eine Verwechslungsgefahr zu begründen. Der zweite Bestandteil "fur" der angegriffenen Marke dagegen ist als für diese Marke selbständig schutzbegründend anzusehen. Der Beschluss des Bundespatentgerichts vom 29. Januar 2003 (32 W (pat) 286/01), auf den die angegriffene Marke eingetragen worden ist, führt insoweit aus, es könne nicht festgestellt werden, dass der Bestandteil "fur" (Pelz/Fell) derart in die deutsche Sprache eingegangen sei, dass seine Bedeutung innerhalb der maßgeblichen Verkehrskreise des inländischen Verkehrs verstanden wird. Dem schließt sich der Senat für den vorliegenden Fall insoweit an, als auch er es nicht auszuschließen vermag, dass der Begriff "fur" von einem hier maßgeblichen Teil des angesprochenen Verkehrs nicht zutreffend verstanden wird. Schon aus diesen Gründen kommt eine begriffliche Brücke zu "skin" nicht in Betracht. Selbst wenn aber Teile des Verkehrs "fur" als Wort der englischen Sprache kennen, so werden sie es entsprechend seiner Bedeutung mit "Pelz" oder "Fell", nicht aber mit "Haut" im Sinne von "skin" übersetzten. Eine gedankliche Brücke von "fur" zu "skin" ergibt sich entgegen der Auffassung der Widersprechende auch nicht aus der Tatsache, dass nach einer von ihr vorgelegten Fotokopie aus einem Wörterbuch für die englische Sprache sowohl das Wort "fur" als auch das Wort "skin" mit "Fell" übersetzt werden kann. Es kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass deutschen Sprachkreisen diese Feinheit der englischen Sprache in noch zu berücksichtigendem Maße bekannt ist und deshalb Verwechslungsgefahr besteht. Vielmehr begegnet der deutschsprachige Verkehr dem Begriff "skin" oft in Verbindung mit Kosmetik, also im Zusammenhang mit menschlicher Haut - und nicht einem tierischen Fell oder gar Pelz, zudem wird mit dem bekannten Begriff "skinhead" ganz überwiegend ein Mensch mit einem glatt geschorenen Schädel assoziiert. Daher ist der Begriff "skin" ganz vorrangig mit der Assoziation "menschliche Haut" sowie "glatt (unbehaart)" belegt. Der Begriff "fur" ist dagegen begrifflich allein auf eine Tierhaut zu beziehen, egal ob diese eine lange, dichte Behaarung im Sinne eines Pelzes oder sonstige Behaarungsmerkmale eines Felles aufweist. Die semantischen Überschneidungen zwischen "skin" und "fur" sind demnach so gering, dass sie für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr zu vernachlässigen sind.

Eine mittelbare Verwechslungsgefahr in dem Sinne, dass das Publikum die Kollisionszeichen im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 Halbs 2 MarkenG gedanklich miteinander in Verbindung bringt, ist ebenfalls nicht gegeben. Diese Art der Verwechslungsgefahr kommt in Betracht, wenn der Verkehr zwei an sich unterschiedliche Marken wegen eines gemeinsamen charakteristischen Bestandteils derselben betrieblichen Ursprungsstätte zuordnet. Hierfür ist der gemeinsame Begriff "Polar" jedoch nicht geeignet, weil er, wie oben erörtert, rein beschreibend ist und daher keine Herkunftshinweisfunktion wahrnehmen kann.

III.

Es sind keine Gründe ersichtlich, von dem Grundsatz des § 71 Abs 1 S 2 MarkenG abzuweichen, dass jeder Beteiligte seine Kosten selbst trägt.

Dr. van Raden Friehe-Wich Prietzel-Funk Hu






BPatG:
Beschluss v. 13.09.2005
Az: 27 W (pat) 170/04


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