Brandenburgisches Oberlandesgericht:
Beschluss vom 16. September 2014
Aktenzeichen: 11 Wx 6/11

(Brandenburgisches OLG: Beschluss v. 16.09.2014, Az.: 11 Wx 6/11)

Tenor

1. Die weitere Beschwerde des Betroffenen vom 24. Mai 2011 gegen den Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 9. Mai 2011 € Az.: 13 T 22/11 € wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt 3.000,00 €.

Gründe

I.

Die Parteien streiten über die Rechtmäßigkeit einer zur Gefahrenabwehr erfolgten gerichtlichen Durchsuchungsanordnung.

Am 31.01.2011 beantragte der Antragsteller bei dem Amtsgericht den Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses gemäß §§ 21, 22, 23, 25 Nr. 1 BbgPolG. Hintergrund war Folgender:

Am 21.01.2011 gegen 19:15 Uhr befanden sich zwei Polizeibeamte im Rahmen von Aufklärungsmaßnahmen beim Klubhaus des €H€€ €O€€ in P€. Sie parkten ihr Dienstkraftfahrzeug in der €straße in Höhe der Hausnummer 117 am rechten Fahrbahnrand, parallel zur Fahrbahn in Fahrtrichtung S€straße. Die Polizeibeamten saßen zunächst im Dienstfahrzeug und hatten dabei Sicht auf das Klubhaus. Zu diesem Zeitpunkt hielten sich ca. 15 Mitglieder des MC und dessen €Supporter€ im Klubhaus bzw. davor auf. Um 19:23 Uhr kam der Betroffene aus dem Klubhaus auf das Dienstfahrzeug zu, stellte sich hinter das Heck des Pkw und fotografierte das Fahrzeug bzw. dessen Kennzeichen. Die Polizeibeamten konnten nicht ausschließen, dass auch sie mit fotografiert worden waren. Um 19:27 Uhr kam ein weiteres Mitglied des MC (A€ B€ €P€€) auf das Dienstfahrzeug zu und stellte sich - aus Sicht der Beamten - schräg links vor dieses und fotografierte das Fahrzeug sowie die Beamten. Die Polizeibeamten stiegen daraufhin aus ihrem Fahrzeug und sprachen B€ an. Dieser reagierte nicht und entfernte sich in Richtung Klubhaus. Zur Begründung des Antrags auf Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses hat der Antragsteller im Wesentlichen geltend gemacht:

Während die Beamten aus dem Fahrzeug ausgestiegen seien und B€ angesprochen hätten, hätten sie festgestellt, dass sich die Mitglieder des H€, die sich vor dem Klubhaus befunden und das Geschehen beobachtet hätten, in ihre Richtung drehten. Dies sei in einer Weise geschehen, die die Beamten als provozierend empfunden hätten. Aus einsatztaktischen und deeskalierenden Gründen hätten die Beamten darauf verzichtet, die Kameras bzw. Handys vom Betroffenen und B€ mit den darauf befindlichen Fotos sicherzustellen.

Die Beamten gehörten zum Schutzbereich P€ und arbeiteten im Sachbereich €Rocker€. Aufgrund der bisher festgestellten Tatsachen hätten der Betroffene und B€ die öffentliche Sicherheit dadurch gefährdet, dass sie als Angehörige der €H€€ Aufzeichnungen über die Identität von Polizeibeamten, die ausschließlich Straftaten im so genannten Rockerbereich bearbeiteten, und über von diesen genutzte Einsatzmittel, insbesondere Fahrzeug/Kennzeichen, angefertigt hätten. Die offensichtlich beabsichtigte Weitergabe dieser Aufzeichnungen innerhalb der €H€€ gefährde die betroffenen Beamten an Leib und Leben. Es werde nicht ausgeschlossen, dass die gefertigten Bilder im Internet veröffentlicht würden. Darüber hinaus werde die öffentliche Sicherheit auch dadurch gefährdet, dass bei Ermittlungen und anderen Einsätzen die betroffenen Beamten nunmehr leichter erkennbar seien. Die festgestellten Gefahren könnten wirksam nur mit der Entziehung der Aufzeichnungen abgewehrt werden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Antrag vom 31.01.2011 Bezug genommen.

Das Amtsgericht Potsdam ordnete durch Beschluss vom 03.02.2011 die Durchsuchung der Wohnungs- und Geschäftsräume, einschließlich aller Nebenräume, der Arbeitsstelle und Kraftfahrzeuge sowie der Person des Betroffenen gemäß den Vorschriften des Brandenburgischen Polizeigesetzes an. Zugleich wurde €die Sicherstellung von Aufzeichnungen in Form von Fotografien (Handy, Kamera), auch auf anderen Datenträgern wie Computer u. ä., auf welchen Beamte oder zivile Einsatzfahrzeuge des Schutzbereichs P€ abgebildet sind€, angeordnet. Zur Begründung hat das Amtsgericht im Wesentlichen ausgeführt:

Die Mitglieder des von den Polizeibeamten beobachteten Vereins seien in der Vergangenheit an erheblichen Gewalttaten beteiligt gewesen. Dies reiche aus, um eine auf Tatsachen begründete Gefahr für die öffentliche Sicherheit anzunehmen. Durchsuchungen von Wohnungen und Vereinshäusern in der Vergangenheit hätten ergeben, dass die Mitglieder über ein erhebliches Potential an insbesondere verbotenen Waffen verfügten. Derzeit könne nicht davon ausgegangen werden, dass sich diese Situation entscheidend geändert habe, so dass auch weiterhin von einer vorliegenden Gefahrenlage auszugehen sei, welche Ermittlungsmaßnahmen der Polizei erforderlich mache. Es könne aufgrund der weit verbreiteten Nutzung des Internets, insbesondere zur Weitergabe von Informationen, davon ausgegangen werden, dass die gefertigten Fotos zur Information und Warnung anderer Mitglieder oder Klubs in das Internet gestellt werden sollten. Dies bedeute eine leichtere Erkennbarkeit der ermittelnden Beamten und damit eine erhebliche Gefährdung des Ermittlungszwecks und damit wiederum eine gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Da der Betroffene jedenfalls eins der Fotos gefertigt habe, könne davon ausgegangen werden, dass sich entsprechende Fotografien in seinem Besitz befänden. Daher erscheine die angeordnete Durchsuchung zur Gefahrenabwehr erforderlich.

Am 21.02.2011 durchsuchte die Polizei aufgrund dieses Beschlusses die Räumlichkeiten und stellte Datenträger sowie Geräte (u. a. einen Rechner und einen Fotoapparat) sicher. Die dort gespeicherten Bilder wurden ausgewertet. Am 24.02.2011 fand die Polizei auf dem Rechner des Betroffenen die Datei mit der Bezeichnung €IMG_0053.JPG€, die ein Lichtbild enthielt, auf dem das Einsatzfahrzeug der ermittelnden Polizeibeamten zu sehen war. Mit Einverständnis des Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen wurde die vorbenannte Datei auf dem Rechner endgültig gelöscht. Die bei den Durchsuchungen beschlagnahmten Gegenstände gab die Polizei an den Betroffenen heraus.

Gegen den o. g. Beschluss des Amtsgerichts vom 03.02.2011 hat der Betroffene am 23.03.2011 Beschwerde mit der Begründung eingelegt, die Durchsuchung seiner Wohn- und Geschäftsräume sei rechtswidrig gewesen. Er hat die Auffassung des Amtsgerichts angegriffen, die Fertigung der Fotografien und die mögliche Veröffentlichung in öffentlich zugänglichen Medien stelle eine gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar. Es werde in dem Beschluss des Amtsgerichtes lediglich gemutmaßt, dass eine Veröffentlichung der Fotografien im Internet erfolgen könne. Dies vermöge jedoch keine gegenwärtige Gefahr zu begründen.

Mit Beschluss vom 09.05.2011, dem Betroffenen zugestellt am 13.05.2011 (Bl. 76 d. A.), hat das Landgericht die Beschwerde des Betroffenen als unbegründet zurückgewiesen. Zutreffend habe das Amtsgericht auf Grundlage der am 03.02.2011 bekannten Umstände eine gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit bejaht. Ausgehend davon, dass der Betroffene bestritten habe, die Bilder von den eingesetzten Polizeibeamten sowie ihrem zivilen Einsatzfahrzeug gefertigt zu haben - was das spätere Auffinden der genannten Datei widerlegt habe - und eingedenk des Umstandes, dass der Betroffene nicht zufällig und unmotiviert die Bilder gefertigt habe, sondern ein bekanntes Mitglied des €H€€ sei, habe die Auswertung dieser Umstände ergeben, dass die vermeintlich oder tatsächlich gefertigten Lichtbilder voraussichtlich hätten im Internet veröffentlicht werden sollen. Im Bereich der präventiven Einschätzung der Gefahrumstände sei von den zur Zeit der Entscheidung bekannten Umständen auszugehen. Diese seien in einer gewissermaßen prognostischen Weise zu bewerten und einzuschätzen. Die Wertungen des Amtsgerichts seien nicht zu beanstanden. So habe das Amtsgericht zutreffend den Umstand ausgewertet, dass die Möglichkeit und weit verbreitete Nutzung des Internets, insbesondere die Weitergabe von Informationen auf diesem Wege, die Annahme rechtfertige, dass die nicht zufällig, sondern gezielt gefertigten Fotos zur Information und zur Warnung anderer Mitglieder des €H€€ hätten ins Internet gestellt werden sollen. Dem Umstand, dass der Betroffene, der bekannterweise Mitglied eines als gefährlich einzustufenden Vereins sei, gezielt Lichtbilder, insbesondere des zivilen Einsatzfahrzeuges gefertigt habe, habe das Amtsgericht zutreffend dahingehend gewertet, dass aufgrund dieses Verhaltens die Absicht des Betroffenen erkennbar sei, die Bilder zu veröffentlichen. Diese in die Zukunft gerichtete Wertung sei durch das Ergebnis der angeordneten Durchsuchung insoweit bestätigt worden, als das Lichtbild mit dem Einsatzfahrzeug bereits als Datei auf dem Rechner des Betroffenen zu sehen gewesen sei. Die vom Amtsgericht zu treffende Gefahrenprognose und -bewertung aufgrund der vorliegenden Tatsachen sei daher zutreffend gewesen: Das Fertigen des Lichtbildes des zivilen Einsatzfahrzeuges der ermittelnden Polizeibeamten bedeute eine Gefährdung des Ermittlungszwecks, das zu einer leichteren Erkennbarkeit der Beamten bzw. des in solchen polizeilichen Ermittlungsverfahren eingesetzten zivilen Fahrzeugs führe. Es sei ein latenter Gefahrenzustand vorhanden gewesen, da lediglich ein €Mausklick€ zwischen der bereits gespeicherten Datei und der Verbreitung im Internet gelegen habe. Würden aber die Ermittlungen auf diese Art und Weise durch die jederzeit in einem Augenblick mögliche und offensichtlich beabsichtigte Veröffentlichung von Bildern erheblich gefährdet, so sei daraus eine gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung herzuleiten. Diese erfasse nämlich die Gesamtheit der staatlichen Normen, zu denen auch das Polizeigesetz und die dort erlaubten Maßnahmen zur Gefahrenabwendung gehörten.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluss des Landgerichts vom 09.05.2011 Bezug genommen.

Mit Schriftsatz vom 24.05.2011, bei dem Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangen am 25.05.2011 (Bl. 81 d. A.), hat der Betroffene gegen den Beschluss des Landgerichts weitere Beschwerde eingelegt. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus:

Die Vorinstanzen hätten verkannt, dass die vor den Klubhäusern positionierten Polizeibeamten nicht verdeckt ermittelt, sondern in demonstrierender Art und Weise selbst €Stärke€ und €Präsens€ signalisiert hätten. Es fänden teilweise sogar Gespräche zwischen Einsatzkräften und Vereinsmitgliedern, die einander € jedenfalls teilweise € kennen würden, statt, so dass ein €Erkennenkönnen€ oder ein €Wiedererkennen€ ohnehin jederzeit möglich sei. Die Annahme, dass allein das Ansehen oder Fotografieren eines öffentlich und für jedermann erkennbar positionierten Polizeibeamten eine Tatsache darstellte, die ausreichen solle, um eine begründete Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung anzunehmen, sei zu weitgehend (Bl. 90 d. A.). Es gebe keine Gefahr der Veröffentlichung, wenn das, was veröffentlicht werden solle, bereits öffentlich sei.

Wollte man allein die Mitgliedschaft in einem Verein zur Annahme einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausreichen lassen, ohne einen etwaigen kausalen Bezug zu einer €Tatsache€ herzustellen, wäre willkürlichen Grundrechtseingriffen Tür und Tor geöffnet. Allein die Tatsache der Mitgliedschaft in einem Verein, der verfassungsrechtlich nicht verboten sei, dürfe nicht zur €Legaldefinition€ von Durchsuchungsmaßnahmen nach dem Brandenburgischen Polizeigesetz werden. Es sei insoweit auf die Rechtsauffassung des Bundesverfassungsgerichts hinzuweisen, wonach intensive Grundrechtseingriffe erst von bestimmten Verdachts- und Gefahrenstufen an erfolgen dürften.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Beschwerdevorbringens wird auf die Beschwerdeschrift Bezug genommen.

Sinngemäß beantragt der Betroffene, die Feststellung der Rechtswidrigkeit der durchgeführten Durchsuchung und Sicherstellung der Fotografien.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

die weitere Beschwerde zurückzuweisen.

Er verteidigt zunächst die angefochtenen Beschlüsse der Vorinstanzen und führt ergänzend und vertiefend wie folgt aus:

Die eingesetzten Polizeibeamten hätten mit einem Aufklärungsantrag in Zivil €agiert€ und seien nicht €demonstrativ€ tätig gewesen. Auch wenn es aufgrund örtlicher Gegebenheiten gelegentlich zu einem gegenseitigen €Sichsehen€ zwischen Mitgliedern des Vereins und zivilen Kräften der Polizei komme, so seien die eingesetzten Beamten damit längst nicht €öffentlich bekannt€. Vielmehr sei es regelmäßig der Fall, dass Mitglieder dieses Vereins und auch anderer Klubs aktive Gegenaufklärung durchführten, um polizeiliche (Zivil-) Maßnahmen zu erkennen und frühzeitig zu verhindern. Allgemein sei festzustellen, dass Angehörige von €polizeirelevanten€ Rockerklubs erfahrungsgemäß eine hohe Gewaltbereitschaft aufwiesen. Dies gelte auch und gerade für Mitglieder des €H€€. Angehörige von Rockerklubs schreckten auch nicht vor Gewalt gegen Polizeibeamte zurück, was durch die Tötung eines Polizeibeamten im März 2010 durch ein Mitglied des €H€€ in Rheinland-Pfalz deutlich geworden sei. Die Mitglieder des €H€€ in P€ seien in der Vergangenheit in erheblichem Maße mit Gewaltdelikten in Erscheinung getreten. Zum Ende des Jahres 2010 seien 15 Mitglieder bekannt, die bis dahin mit 82 Straftaten (u. a. 2 Straftaten gegen das Leben, 5 räuberische Erpressungen, 14 Körperverletzungsdelikte, 6 Straftaten gegen die persönliche Freiheit, 1 Erpressung, 6 Widerstandshandlungen, 6 Waffendelikte) polizeilich in Erscheinung getreten seien. Der Beschwerdeführer sei Vollmitglied des MC €. Er sei in weit über 10 Fällen polizeilich in Erscheinung getreten; hauptsächlich mit Körperverletzungsdelikten sowie Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz.

Schon im Vorfeld des Sachverhaltes, der zu dem hier zu überprüfenden Durchsuchungsbeschluss geführt habe, habe es Bedrohungen, Beleidigungen und Einschüchterungsversuche seitens des €H€€ € gegenüber Bediensteten der Polizei (Sachbereich Rocker sowie Wach- und Wechseldienst) gegeben. Im November 2010 sei es im Zusammenhang mit einer Gerichtsverhandlung gegen Angehörige des €H€€ zu zwei Vorfällen gekommen:

Im Rahmen von polizeilichen Einlasskontrollen anlässlich des Prozesses habe es Einschüchterungsversuche gegenüber Beamten des Wach- und Wechseldienstes durch ein am Einlass kontrolliertes Klubmitglied gegeben. Darüber hinaus sei während der Zeugenaussage eines Polizeibeamten durch einen namentlich bekannten Zeugen beobachtet worden, wie der Angeklagte einen im Gerichtssaal befindlichen Zuschauer durch Kopfbewegungen in Richtung des Beamten auf diesen aufmerksam gemacht habe. Dabei habe er (Angeklagter) den von der Faust abgespreizten Daumen von links nach rechts an der Kehle entlang geführt. Dieser Sachverhalt werde derzeit in der Staatsanwaltschaft Potsdam bearbeitet.

Im Januar 2010 sei es im Landgericht Cottbus zu einer erheblichen Gefährdung eines durch Polizeibeamte geschützten Zeugen gekommen, der von Angehörigen und Unterstützern des €H€€ bedrängt worden sei, so dass den Beamten nur die Möglichkeit geblieben sei, mit Unterstützung weiterer Polizeikräfte den Ort der Gefährdung schnellstmöglich zu verlassen.

Nach alledem sei davon auszugehen, dass Aufzeichnungen über die Identität von Polizeibeamten und über deren genutzte Einsatzmittel das dargestellte Gewaltverhalten zusätzlich förderten und unterstützten. Insoweit hätte im vorliegenden Fall die konkrete Gefahr in der zu befürchtenden Veröffentlichung der Bilder im Internet gelegen. Die Fotos der Polizeibeamten wären dann nicht nur für Mitglieder des Vereins €H€€ € zugänglich gewesen, sondern hätten darüber hinaus als Warnung und Information anderer Rockerclubs dienen können, denn die ermittelnden Beamten wären dadurch leichter erkennbar gewesen. Damit hätte auch eine erhebliche Gefährdung des Ermittlungszwecks und eine gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung bestanden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz des Antragstellers vom 30.09.2011 (Bl. 105/106 d. A.) Bezug genommen.

II.

1.

Die weitere Beschwerde ist statthaft, im Übrigen form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 24 Abs. 1 Satz 2 BbgPolG i.V.m. § 27 FGG a. F., das vorliegend noch Anwendung findet, vgl. BGH, Beschl. v. 07.12.2010, Az.: StB 21/10). Im Übrigen hat der Betroffene auch nach Abschluss der polizeilichen Maßnahme wegen des mit der Durchsuchung verbundenen tiefgreifenden Grundrechtseingriffs ein Rechtsschutzinteresse in entsprechender Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VWGO im Hinblick auf das Ziel der Feststellung der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Beschlusses (vgl. BVerfG NJW 1997, 2163).

2.

In der Sache erweist sich der Feststellungsantrag jedoch als unbegründet.

Nach dem für die Rechtsbeschwerdeentscheidung zugrunde zu legenden Sachverhalt lagen die Voraussetzungen für eine Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume, einschließlich aller Nebenräume, der Arbeitsstelle und Kraftfahrzeuge sowie der Person des Betroffenen im Rahmen der Gefahrenabwehr gemäß §§ 21 Abs. 1 Nr. 2, 22 Abs. 1 Nr. 3, 23 Abs. 1 Nr. 2, 25 Nr. 1, 24 Abs. 1 BbgPolG vor. Danach kann die Polizei eine Wohnung ohne Einwilligung des Inhabers betreten und durchsuchen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich in ihr eine Sache befindet, die nach § 25 Nr. 1 BbgPolG sichergestellt werden darf. Eine Sicherstellung ist insbesondere dann möglich, wenn dies dazu dient, eine gegenwärtige Gefahr abzuwehren. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Die angeordnete Maßnahme war geeignet und verhältnismäßig, insbesondere auch im Hinblick auf das durchsuchte Objekt und die Person des hier Betroffenen.

Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer bereits vollzogenen Durchsuchungsanordnung kommt es auf den Sachverhalt an, der dem zuständigen Gericht im Zeitpunkt seiner Entscheidung - gegebenenfalls nach Durchführung der möglichen und im Einzelfall erforderlichen Ermittlung - erkennbar war. Danach hat der Richter, bevor er die Durchsuchung anordnet, unter Zugrundelegung des vorgetragenen und nach etwaigen weiteren Ermittlungen festgestellten Sachverhalts in eigener Verantwortung zu prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Durchführung dieser Maßnahme vorliegen und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt ist (vgl. OLG Hamm NVwZ-RR 2010, 921 m.w.N.; OLG Frankfurt FGPrax 2007. 42). Danach ist zu prüfen, ob die gerichtliche Durchsuchungsanordnung auf der Grundlage der von dem Antragsteller in der Antragsschrift vorgebrachten tatsächlichen Umstände gerechtfertigt war.

Eine Gefahr i.S.d. § 25 BbgPolG ist schlechthin jede konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung.

Die Befürchtung des Antragstellers, der Betroffene und B€ hätten die Beamten fotografiert und beabsichtigt, die Bilder im Internet zu den vom Antragsteller vorgetragenen Zwecken einzustellen, stellt nach Abwägung aller maßgeblichen Umstände eine konkrete Gefahr in diesem Sinne dar.

Es bedarf vorliegend keiner generellen Entscheidung, welche besonderen Umstände hinzutreten müssen, um das Tatbestandsmerkmal der €Gefahr€ im oben genannten Sinne bei einem Mitglied eines Rockerclubs, der für sein hohe Gewaltbereitschaft gerichtsbekannt ist, bejahen zu können und damit eine Durchsuchung zu begründen. Vielmehr ist eine Einzelfallprüfung erforderlich: Ausschlaggebend ist hier, dass der Betroffene und B€ die Beamten sowie deren Dienstfahrzeug fotografiert und damit die öffentliche Sicherheit gestört haben.

Öffentliche Sicherheit beinhaltet das gesamte geschriebene Recht, den Bestand des Staates und die Funktionsfähigkeit seiner Einrichtungen sowie sonstige Individualrechtgüter (vgl. Pewestorf in Pewestorf, Söllner, Tölle, Polizei- und Ordnungsrecht, Berliner Kommentar, 2009, S.63, Rn 37)

Für den Senat ist zunächst allerdings nicht erkennbar, dass die Störung der öffentlichen Sicherheit im Hinblick auf §§ 22, 33 des Gesetztes betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie (nachfolgend: KunstUrhG) bejaht werden könnte.

Nach diesen Vorschriften macht sich strafbar, wer Personenabbildungen ohne Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau stellt.

Der Betroffene hatte mit dem Fotografieren des Dienstfahrzeugs, in dem sich die Beamten befanden, noch keine Straftat in Sinne der Vorschriften des KunstUrhG begangen. Dies wäre erst dann der Fall gewesen, wenn er den genannten Regelungen dieses Gesetzes zuwider vorsätzlich ein Bild der Beamten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt hätte. In Literatur und Rechtsprechung ist streitig, ob eine Störung der öffentlichen Sicherheit im Hinblick auf das KunstUrhG bereits dann vorliegt, wenn nach den Umständen davon auszugehen ist, dass eine Veröffentlichung des Bildes des Polizeibeamten im Falle des Nichteingreifens zu erwarten ist, somit eine Störung der öffentlichen Sicherheit durch Begehung einer strafbaren Handlung unmittelbar bevorsteht [bejahend: VG Karlsruhe, Urt. vom 11.01.1980, III 22/79, NJW 1980, 108f; a. A.: Gusy, Polizeirecht, 6. Aufl., S. 152, Rn. 319 (mit der Begründung, ein Vorgehen gegen die bloße Aufnahme lasse § 22 KunstUrhG nicht zu) jeweils m.w.Nachw.].

Es ist indes bereits nicht ersichtlich, dass sich der Antragsteller zur Begründung seines Durchsuchungsantrags auf die Verletzung des Rechts der Beamten am eigenen Bild berufen hat, so dass die Frage, ob der Antragsteller das Fotografieren der Beamten auch schon vor einer Veröffentlichung der Bilder zur Begründung einer Gefahr im Hinblick auf das KunstUrhG hätte heranziehen können, keiner Klärung durch den Senat bedarf.

Eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ist jedoch unter folgenden Gesichtspunkten zu bejahen:

Angesichts der dargelegten Umstände konnten der Antragsteller und damit das Amtsgericht vertretbar von einer Sachlage ausgehen, die bei ungehindertem Ablauf des Geschehens mit höchster Wahrscheinlichkeit zur Schädigung polizeilich geschützter Rechtsgüter geführt hätte. Zutreffend weist das Landgericht darauf hin, dass die öffentliche Sicherheit die Gesamtheit der staatlichen Normen erfasst, zu denen auch das Polizeigesetz und die erlaubten Maßnahmen zur Gefahrabwendung gehörten. Die Funktionsfähigkeit der polizeilichen Arbeit bei der Bekämpfung der Rockerkriminalität zum Schutze der Bevölkerung wäre bei einer Veröffentlichung der Fotografien im Internet oder im Kreise von Rockerclubs in massiver Weise in Frage gestellt worden. Zutreffend haben die Vorinstanzen darauf hin gewiesen, dass das Verbreiten der Lichtbilder - z.B. im Internet € zu einer leichteren Erkennbarkeit der Beamten und auch des Zivilfahrzeugs und damit einer Gefährdung des Ermittlungszwecks geführt hätte. Im Übrigen darf nicht verkannt werden, dass mit einer Veröffentlichung der Fotografien auch Leben und Gesundheit der Polizeibeamten in nicht hinnehmbarer Weise gefährdet worden wären.

Diese Gefahr war auch hinreichend gegenwärtig. Der Begriff der €gegenwärtigen Gefahr€ ist in seinem polizeirechtlichen Kontext so auszulegen, dass die Einwirkung des schädigenden Ereignisses bereits begonnen hat oder unmittelbar oder in allernächster Zeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bevorstehen muss. Aus der Gesetzesbegründung zum Brandenburgischen Polizeigesetz lässt sich entnehmen, dass der Landesgesetzgeber hier nicht von der höchsten Gefahrenstufe ausgegangen ist (vgl. Beschl. des Senates vom 21.01.2010, 11 Wx 91/09). Dabei sind an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer der zu erwartende Schaden und je ranghöher die bedrohten Schutzgüter, hier die Funktionsfähigkeit der Polizei und insbesondere Leben und Gesundheit der Polizeibeamten ist. Der Wahrscheinlichkeitsgrad und die Tatsachenbasis der Prognose müssen dabei in einem angemessenen Verhältnis zu Art und Schwere der Grundrechtsbeeinträchtigung stehen. Diese Grundsätze haben Amts- und Landgericht zutreffend berücksichtigt. Zur Vermeidung von Wiederholungen schließt sich der Senat den entsprechenden Ausführungen an.

Die in Rede stehende Durchsuchung war auch geeignet und erforderlich, um die gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwenden bzw. erheblich zu verringern. Denn die beabsichtigte Sicherstellung von Fotografien hätte dem Betroffenen die Möglichkeit entzogen, das Lichtbild zu veröffentlichen und damit die Polizeibeamten und das Einsatzfahrzeug einem größeren Kreis bekanntzugeben.

Schließlich war die angeordnete Durchsuchung in Ansehung der Umstände des Einzelfalls und der gefährdeten Rechtsgüter auch im Hinblick auf die in Art. 13 Abs. 1 GG garantierte Unverletzlichkeit der Wohnung verhältnismäßig im engeren Sinne.

Art. 13 Abs. 1 GG garantiert die Unverletzlichkeit der Wohnung, womit dem Einzelnen ein elementarer Lebensraum zur freien Entfaltung der Persönlichkeit gewährleistet wird. In den Wohnräumen hat jeder das Recht, in Ruhe gelassen zu werden. In diese grundrechtlich geschützte Lebenssphäre greift eine Durchsuchung schwerwiegend ein. Dem erheblichen Eingriff in die grundrechtlich geschützte Lebenssphäre des Betroffenen entspricht ein besonderes Rechtsfertigungsbedürfnis nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Demgemäß muss die Durchsuchung für den gesetzlichen Zweck erforderlich sein; dies ist nicht der Fall, wenn andere, weniger einschneidende Mittel zur Verfügung stehen. Daneben muss die Durchsuchung mit Blick auf den verfolgten gesetzlichen Zweck Erfolg versprechend sein und hierzu in einem angemessenen Verhältnis stehen (vg. BVerfG, StraFo 2014, 67; ständige Rechtsprechung).

Weniger einschneidende Möglichkeiten, die in vergleichbarer Weise geeignet gewesen wären, sind nicht ersichtlich. Insbesondere war es den Polizeibeamten aufgrund der dargelegten Situation vor dem Klubhaus nicht möglich und zumutbar, sofort nach Fertigung der Fotografien diese von dem Betroffenen und B€ herauszuverlangen.

Die Verhältnismäßigkeit ist auch im Hinblick auf den anzulegenden Maßstab für die Sachverhaltsaufklärung gewahrt. Das Gewicht des Eingriffs, der im angemessenen Verhältnis zum Grad der Gefährdung und der Stärke des Tatverdachts stehen muss, verlangt Verdachtsgründe, die über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausreichen. Dies ist vorliegend der Fall. Auch insoweit kann auf die Ausführungen des Landgerichts verwiesen werden.

Eine vorherige Anhörung des Betroffenen war nicht erforderlich. Denn die Sicherung gefährdeter Interessen kann in besonderen Verfahrenslagen einen sofortigen Zugriff notwendig machen, der die vorherige Anhörung ausschließt. In diesen Fällen ist eine Verweisung des Betroffenen auf eine nachträgliche Anhörung zulässig (vgl. Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/ Hopfauf, GG, 12. Aufl., Art. 13 Rn. 24).

Es liegt hier auf der Hand, dass eine vorherige Anhörung des Betroffenen das Ziel der Durchsuchung vereitelt hätte, so dass eine Anhörung nicht geboten war.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG i.V.m. § 24 Abs. 1 Satz 3 BbgPolG.






Brandenburgisches OLG:
Beschluss v. 16.09.2014
Az: 11 Wx 6/11


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