Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. Mai 2000
Aktenzeichen: 20 W (pat) 61/99

(BPatG: Beschluss v. 17.05.2000, Az.: 20 W (pat) 61/99)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I Das Patentamt - Patentabteilung 31 - hat das auf die am 30. Januar 1984 eingegangene Anmeldung erteilte, Patentansprüche 1 bis 8 umfassende Patent 34 03 117 im Einspruchsverfahren durch Beschluß vom 23. April 1999 gemäß § 21 Abs 1 Nr. 4 PatG widerrrufen, da der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 gegenüber den ursprünglich eingereichten Unterlagen als unzulässig erweitert anzusehen sei.

In der mündlichen Verhandlung beantragt die Patentinhaberin und Beschwerdeführerin, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent zu erteilen aufgrund des in der mündlichen Verhandlung eingereichten Patentanspruchs 1, im übrigen mit den erteilten Unterlagen.

Die Einsprechende und Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Der geltende Patentanspruch 1 lautet:

"1.Vorrichtung zur selektiven Aktivierung eines elektrisch gesteuerten Gerätes, umfassendeine Empfangsstation, die mit dem elektrisch gesteuerten Gerät verbunden ist und eine erste Speichereinrichtung zur Speicherung einer vorbestimmten Sequenz von Signaldaten aufweist;

eine zweite Speichereinrichtung zur Speicherung einer Sequenz, die aus der vorbestimmten Sequenz ausgewählt ist, eine Einrichtung zum Empfangen von Eingangssignalen von einer entfernten Station;

eine dritte Einrichtung zur Speicherung der Daten der Eingangssignale; und eine Einrichtung zur Aktivierung des elektrisch gesteuerten Geräts in Antwort auf den Empfang einer ausgewählten Sequenz der Eingangssignale, wenn die ausgewählte Sequenz der Eingangssignale der, in der zweiten Speichereinrichtung gespeicherten, ausgewählten Sequenz von Signaldaten entspricht;

dadurch gekennzeichnet, daß

die Empfangsstation eine Einrichtung zur Erzeugung und zur Ausgabe einer Serie von Tonsignalen an die entfernte Station als die vorbestimmte Sequenz von Signaldaten umfaßt;

und eine Einrichtung zum Empfang des Vorhandenseins oder der Abwesenheit einer Antwort auf jedes Tonsignal der ausgegebenen Serie als das Eingangssignal, so daß das Vorhandensein einer Antwort die Auswahl eines Tonsignals indiziert."

Die Patentinhaberin führt im wesentlichen aus, daß durch Hinzufügung des Merkmals ".., wenn die ausgewählte Sequenz der Eingangssignale der, in der zweiten Speichereinrichtung gespeicherten, ausgewählten Sequenz von Signaldaten entspricht;" im geltenden Anspruch 1 der im Streitbeschluß angeführte Widerrufsgrund der unzulässigen Erweiterung nicht mehr zutreffe, da mit dem hinzugefügten Merkmal der Zusammenhang zwischen vorbestimmter Sequenz und ausgewählter Sequenz klargestellt sei. Dieses Merkmal sei außerdem dem mit den ursprünglichen Unterlagen eingereichten Anspruch 1 zu entnehmen, wie ein Vergleich der Formulierungen ohne weiteres zeige. Das weiters hinzugefügte Merkmal einer zweiten Speichereinrichtung sei den ursprünglich eingereichten Unterlagen als Datenregister 84 zu entnehmen. Zur Offenbarung des Merkmals "eine dritte Einrichtung zur Speicherung der Daten der Eingangssignale" verweist die Patentinhaberin auf die in den ursprünglich eingereichten Unterlagen als Datenregister 70 bezeichnete Speichereinrichtung iVm der ursprünglichen Beschreibung, Seite 8, zweiter Absatz. Dabei sei dieses Merkmal so zu verstehen, daß nur bei Vorhandensein einer Antwort von der entfernten Station gespeichert werde.

Die Einsprechende vertritt die Auffassung, auch der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 gehe über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldung hinaus. Außerdem sei die beanspruchte Vorrichtung durch die aus dem durch die im Verfahren befindlichen Druckschriften belegten Stand der Technik bekannten Merkmale für den Fachmann nahegelegt gewesen.

II Die Beschwerde führt nicht zum Erfolg, weil der Gegenstand des Patentanspruchs 1 über den Inhalt der Anmeldung in der Fassung hinausgeht, in der sie beim Patentamt ursprünglich eingereicht worden ist (§ 21 Abs 1 Nr. 4 PatG).

Das im Patentanspruch 1 enthaltene Merkmal, wonach die Vorrichtung zur selektiven Aktivierung eines elektrisch gesteuerten Gerätes eine dritte Einrichtung zur Speicherung der Daten der Eingangssignale umfaßt, ist aus den ursprünglichen Unterlagen nicht als zur Erfindung gehörend zu entnehmen.

Der bei der Beurteilung der Frage der ursprünglichen Offenbarung zu berücksichtigende Fachmann hat eine nachrichtentechnische Ausbildung an einer Hoch- oder Fachhochschule absolviert und verfügt über mehrjährige Entwicklererfahrungen auf dem Gebiet der Telekommunikationseinrichtungen, insbesondere im Bereich von Vorrichtungen, die der selektiven Aktivierung von elektrisch gesteuerten Geräten mittels solcher Telekommunikationseinrichtungen dienen.

Gemäß dem Anspruchswortlaut sollen als Eingangssignale das Vorhandensein oder die Abwesenheit einer Antwort auf jedes Tonsignal der ausgegebenen Serie von einer entfernten Station empfangen und diese Daten der Eingangssignale in einer dritten Einrichtung gespeichert werden. Der Fachmann versteht unter der Speicherung der "Daten der Eingangssignale" die Speicherung der Eingangssignale schlechthin. Verständnisprobleme ergeben sich für den Fachmann nicht. Die Eingangssignale selbst sind im kennzeichnenden Teil des Patentanspruchs 1 definiert als das Vorhandensein oder die Abwesenheit einer Antwort auf jedes Tonsignal der ausgegebenen Serie.

Als Offenbarungsgrundlage für den in Frage stehenden Merkmalsinhalt kommen die oben unter I erwähnten, von der Patentinhaberin angeführten Stellen der ursprünglichen Unterlagen (Datenregister 70 iVm S 8, 2. Abs) in Frage, die entsprechend auch in den Patentunterlagen (Datenregister 70 iVm Sp 3, Z 48-64) enthalten sind.

Bei der an der genannten Stelle in den ursprünglichen Unterlagen beschriebenen Speicherung von Daten in der dritten (Speicher-) Einrichtung (Datenregister 70) wird "..., wenn von dem Anrufer ein Geräusch gemacht wird,..., das Datenregister 70 die Datenangabe von dem Zähler 44 abspeichern. Wenn der Anrufer kein Geräusch macht, werden keine Daten in das Datenregister 70 eingegeben." (S 8, Z 13-18). Weiter wird ausgeführt (S 8, Z 25-28): "Wenn der Anrufer wieder ein Geräusch macht, wird der Schwellenwertdetektor 64 bewirken, daß der Datenausgang des Zählers 44 in das Datenregister 70 eingegeben wird." Bei der so beschriebenen Speicherung werden also - wie auch immer geartete - Datenangaben eines Zählers (vom Datenausgang des Zählers 44) in dem Datenregister 70 abgespeichert und nicht die Daten der Eingangssignale, nämlich das Vorhandensein oder die Abwesenheit eines Geräusches. Zwar hängt der Vorgang der Speicherung der Datenangaben dieses Zählers von den Daten der Eingangssignale ab, nämlich davon, ob der Anrufer ein Geräusch macht oder nicht, trotzdem werden jedoch letztlich in der dritten Einrichtung die zu einem Geräusch gehörigen Datenangaben von dem Zähler 44 gespeichert und nicht die Daten der Eingangssignale. Die Speicherung der Daten der Eingangssignale in der dritten Einrichtung ist somit nicht ursprünglich offenbart.

Einen solchen Sachverhalt vermag der Fachmann auch nicht "mitzulesen". Zwar läßt es Anspruch 1 offen, wie die Speicherung der Daten der Eingangssignale im einzelnen erfolgt, und auch die in Rede stehende Stelle der Beschreibung macht keine näheren Angaben zu den von dem Zähler 44 ausgegebenen und in das Datenregister 70 eingegebenen Daten. Jedoch ist eine Interpretation der von einem Zählerausgang stammenden Daten dahingehend, daß diese mit Daten von Eingangssignalen - hier Vorhandensein oder Abwesenheit einer Antwort - gleichzusetzen seien, die laut Anspruch 1 von einer entfernten Station empfangen werden, offensichtlich nicht sinnvoll, wird also vom Fachmann auch nicht "mitgelesen".

Nach Überzeugung des Senats ist das in Rede stehende Merkmal, daß die beanspruchte Vorrichtung eine dritte Einrichtung zur Speicherung der Daten der Eingangssignale umfaßt, aus dem Sinnzusammenhang des Anspruchs 1 heraus verständlich und in sich technisch sinnvoll. Einer Auslegung dieses Merkmals bedarf es daher nicht. Selbst wenn aber, wie von der Patentinhaberin weiter argumentiert wurde, die Speicherung der Daten der Eingangssignale auf den Fall des Vorhandenseins einer Antwort auf jedes Tonsignal der ausgegebenen Serie als das Eingangssignal zu beschränken wäre, mag zwar die mittels eines Zählers (66) erfaßte Anzahl der vorhandenen Antworten als ein abzuspeicherndes Datum der Eingangssignale aufgefaßt werden können. Jedoch würden auch dann die Daten der Eingangssignale nicht in ihrer Gesamtheit abgespeichert, wie es der Patentanspruch verlangt. Im übrigen würde die vorstehend abgehandelte Interpretation der Patentinhaberin - Speichern nur der Daten der vorhandenen Antworten - zu einer unzulässigen Änderung des Schutzbereichs des Patents führen (§ 22 Abs 1 PatG, BGH BlPMZ 1990, 325 - Spleißkammer), nachdem gemäß dem Wortlaut des geltenden wie des erteilten Anspruchs 1 sowohl das Vorhandensein wie auch die Abwesenheit einer Antwort zu den abzuspeichernden Daten der Eingangssignale zu rechnen sind.

Auch den sonstigen ursprünglichen Unterlagen ist die Offenbarung einer dritten Einrichtung zur Speicherung der Daten der Eingangssignale nicht zu entnehmen.

Dr. Anders Obermayer Dr. Hartung Dr. van Raden Wf






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Beschluss v. 17.05.2000
Az: 20 W (pat) 61/99


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