Bundespatentgericht:
Beschluss vom 5. April 2005
Aktenzeichen: 21 W (pat) 303/03

(BPatG: Beschluss v. 05.04.2005, Az.: 21 W (pat) 303/03)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat in seinem Beschluss vom 5. April 2005 (Az. 21 W (pat) 303/03) den Einspruch gegen ein Patent geprüft und entschieden, dass das Patent aufrechterhalten wird. Bei dem Patent handelt es sich um ein Retina-Implantat und ein Verfahren zur Herstellung eines solchen Implantats. Das Patent wurde aufgrund einer Patentanmeldung aus dem Jahr 1999 erteilt und am 18. Juli 2002 veröffentlicht.

Der Einspruch gegen das Patent wurde mit verschiedenen Argumenten begründet. Die Einsprechende behauptete, dass der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs bereits durch eine ältere Druckschrift neuheitsschädlich vorweggenommen sei. Zudem sei der Gegenstand des Patents aufgrund des Standes der Technik und des allgemeinen Fachwissens nicht erfinderisch. Die Patentansprüche 2 bis 18 wurden ebenfalls angegriffen und es wurde argumentiert, dass diese ebenfalls weder neu noch erfinderisch seien.

Das Bundespatentgericht stellte fest, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 sowie des nebengeordneten Patentanspruchs 19 neu ist, da keine der genannten Druckschriften das Retina-Implantat mit allen Merkmalen des erteilten Patentanspruchs offenbart. Es wurde auch festgestellt, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 aufgrund des Standes der Technik und des allgemeinen Fachwissens erfinderisch ist. Der Patentanspruch 1 wurde nicht durch die genannten Druckschriften vorweggenommen. Die Einsprechende konnte keine Beweise für ihre Behauptungen liefern.

Das Gericht stellte außerdem fest, dass die übrigen im Verfahren befindlichen Druckschriften ebenfalls nicht die Patentfähigkeit des Streitpatents in Frage stellen können. Das Verfahren zur Herstellung des Retina-Implantats gemäß dem nebengeordneten Patentanspruch 19 wurde ebenfalls als patentfähig angesehen.

Die Einsprechende konnte somit nicht nachweisen, dass das Patentwiderrufen werden sollte. Das Patent wurde daraufhin aufrechterhalten.

Dr. Winterfeldt Engels Dr. Maksymiw Dr. Häßler




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 05.04.2005, Az: 21 W (pat) 303/03


Tenor

Nach Prüfung des Einspruchs wird das Patent aufrechterhalten.

Gründe

I Auf die am 6. Juli 1999 unter Inanspruchnahme der inneren Priorität vom 7. Mai 1999 (Akz: DE 199 21 398. 4) beim Patentamt eingereichte Patentanmeldung ist das nachgesuchte Patent 199 31 083 mit der Bezeichnung "Retina-Implantat und Verfahren zur Herstellung eines solchen" erteilt worden. Die Veröffentlichung der Erteilung ist am 18. Juli 2002 erfolgt.

Gegen das Patent ist Einspruch erhoben worden. Dem Einspruchsverfahren liegen die erteilten Patentansprüche 1 bis 28 zugrunde.

Der mit Gliederungspunkten versehene Patentanspruch 1 lautet:

1. (1) Retina-Implantat

(1.1) mit einem Chip (36)

(1.1.1 ) zur subretinalen Implantation,

(1.2) mit einer Empfänger-Spule (37)

(1.2.1) zur induktiven Einkopplung von elektromagnetischer Energie,

(1.2.3) die mit einer Wandlereinrichtung (35) zur Umwandlung einer in der Empfänger-Spule (37) induzierten Wechselspannung in eine zur Stromversorgung des Chips (36) geeignete Gleichspannung gekoppelt ist, dadurch gekennzeichnet,

(1.2.2) dass die Empfänger-Spule (37) zur Positionierung außerhalb der Sclera (12) auf dem Augapfel (10) ausgebildet ist.

Der nebengeordnete Patentanspruch 19 hat folgenden Wortlaut:

"19 .Verfahren zur Herstellung eines Retina-Implantats (30), mit einem Chip (36) zur subretinalen Implantation, mit einer Empfänger-Spule (37) zur induktiven Einkopplung von elektromagnetischer Energie, und mit einer Wandlereinrichtung (35) zur Umwandlung einer in der Empfänger-Spule (37) induzierten Wechselspannung in eine zur Stromversorgung des Chips (36) geeignete Gleichspannung, das folgende Schritte aufweist:

- Herstellen eines flachen Kunststoffkörpers (31) mit einem ringförmigen Abschnitt (32) mit einer zentralen Ausnehmung (34), an den sich ein flacher Fortsatz (33) anschließt,

- Aufbringen von metallischen Leiterbahnen (45) in spiralförmiger Anordnung auf eine Oberfläche (47) des ringförmigen Abschnitts (32) des Kunststoffkörpers (31), um die Windungen (38) der Empfänger-Spule (37) zu erzeugen und um elektrische Verbindungsleitungen (41) zwischen der Empfänger-Spule (37), der Wandlereinrichtung (35) und dem Chip (36) zu schaffen,

- Befestigen des Chips (36) und der Wandlereinheit (35) am Kunststoffkörper (31),

- Aufbringen einer Isolationsschicht (46) über den metallischen Leiterbahnen (45)."

Hinsichtlich der auf den Patentanspruch 1 bzw. den Patentanspruch 19 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 18 bzw. 20 bis 28 wird auf die Patentschrift verwiesen.

Dem angegriffenen Patent liegt die Aufgabe zugrunde, ein verbessertes Retina-Implantat anzugeben, das über induktive Einkopplung von elektromagnetischer Energie versorgt wird und das auf möglichst einfache Weise ohne die Gefahr von Komplikationen in den subretinalen Raum implantiert werden kann. Ferner soll ein Verfahren zur Herstellung eines solchen Retina-Implantats angegeben werden (Streitpatentschrift Absätze [0013] und [0014]).

Die Einsprechende hat zum Stand der Technik folgende Druckschriften genannt:

D3: WO 99/45870 A1 ( AT: 11. März 1999 )

D4: EP 0 460 320 A2 D5: US 4 628 933 D6: WO 81/01512 A1 D7: M. Clements et al. : "An Implantable Neuro-Stimulator Device for a Retinal Prosthesis", ISSCC99, 16. Februar 1999, Seiten 216, 217 u. 462 D8: US 4 741 339 D9: EP 0 241 101 B1 sowie D10: EP 0 259 906 B1.

Die Einsprechende hat in der mündlichen Verhandlung ferner die der Patentschrift D10 vorausgegangene Offenlegungsschrift D10': EP 0 259 906 A2 überreicht.

Im Patenterteilungsverfahren sind darüber hinaus die Entgegenhaltungen DE 44 38 201 C2 DE 197 41 487 A1 WO 98/17343 A1 in Betracht gezogen worden. Ferner hat die Patentinhaberin gutachtlich auf die der zuletzt genannten PCT-Offenlegungsschrift zugrunde liegende DE 197 05 988 A1 verwiesen.

Die Einsprechende führt zur Begründung ihres Einspruchs aus, der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 werde durch die ältere, nachveröffentlichte Druckschrift D3 neuheitsschädlich vorweggenommen. Auch die Entgegenhaltung D4 stelle die Neuheit des Streitpatentgegenstandes in Frage. Ferner sei dieser Gegenstand angesichts des aus der D4 bekannten Standes der Technik in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen, welches durch die Druckschriften D5 bis D10 bzw. D10' dokumentiert werde, wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit nicht patentfähig. Schließlich könne auch in den auf den erteilten Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüchen 2 bis 18 nichts gesehen werden, wodurch sich die Neuheit bzw. erfinderische Tätigkeit des Streitpatentgegenstandes begründen ließe.

Die im nebengeordneten Patentanspruch 19 sowie in den auf diesen rückbezogenen Patentansprüchen 20 bis 28 beanspruchten Verfahrensschritte ergäben sich durchwegs aus dem allgemeinen Fachwissen und gingen nicht über handwerkliche Maßnahmen hinaus.

Die Einsprechende beantragt, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, das Patent aufrechtzuerhalten.

Sie vertritt die Auffassung, dass die Neuheit des Streitpatentgegenstandes weder durch die D3 noch durch die D4 in Frage gestellt werde. Die Entgegenhaltung D3 sei im Gegensatz zur patentgemäßen Lehre auf ein epiretinales Implantat gerichtet. Beim Stand der Technik gemäß Entgegenhaltung D4 hingegen sei eine externe Stromversorgung des dort offenbarten subretinalen Implantats durch induktive Einkopplung von elektromagnetischer Energie im Sinne des Streitpatents nicht vorgesehen. Der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 beruhe angesichts des im Verfahren befindlichen Standes der Technik auch auf einer erfinderischen Tätigkeit. Die erteilten Unteransprüche 2 bis 18 enthielten Weiterbildungen des für sich genommen patentfähigen Gegenstands des Patentanspruchs 1.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II Die Zuständigkeit des (technischen) Beschwerdesenats des Patentgerichts für die Entscheidung über den Einspruch ergibt sich aus § 147 Abs 3 Satz 1 Nr 1 PatG. Danach ist nicht das Patentamt, sondern das Patentgericht zuständig, wenn -- wie im vorliegenden Fall -- die Einspruchsfrist nach dem 1. Januar 2002 zu laufen begonnen hat und der Einspruch vor dem 1. Januar 2005 eingelegt worden ist.

Der form- und fristgerecht erhobene Einspruch ist zulässig, denn die für die Beurteilung des behaupteten Widerrufsgrundes maßgeblichen tatsächlichen Umstände sind von der Einsprechenden innerhalb der gesetzlichen Frist im einzelnen so dargelegt worden, dass die Patentinhaberin und der Senat daraus abschließende Folgerungen für das Vorliegen bzw. Nichtvorliegen eines Widerrufsgrundes ohne eigene Ermittlungen ziehen können.

Die Zulässigkeit des Einspruchs ist im Übrigen von der Patentinhaberin nicht bestritten worden.

Der Einspruch ist jedoch nicht begründet, denn nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung erweist sich sowohl der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 als auch der des nebengeordneten Patentanspruchs 19 als patentfähig.

1.) Die erteilten Patentansprüche 1 bis 28 sind zulässig. Der erteilte Patentanspruch 1 entspricht dem ursprünglich eingereichten Patentanspruch 1, wobei es im Merkmal (1.2.2) des kennzeichnenden Teils anstelle der Formulierung "zur Aufnahme und Positionierung" nunmehr lediglich "zur Positionierung" heißt. Die vorgenommene Streichung stellt keine unzulässige Erweiterung dar, weil eine Empfängerspule, damit sie sich auf dem Augapfel positionieren lässt, von diesem selbstverständlich aufgenommen werden muss.

Die erteilten Patentansprüche 2 bis 28 entsprechen inhaltlich den ursprünglichen Patentansprüchen 2 bis 28. Lediglich in den Unteransprüchen 15 bis 17 wurde der Rückbezug richtig gestellt. Im Unteranspruch 24 ist eine redaktionelle Änderung vorgenommen worden.

Die Zulässigkeit der erteilten Patentansprüche ist von der Einsprechenden im Übrigen nicht bestritten worden.

2.) Der -- zweifelsohne gewerblich anwendbare -- Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist neu, da keine der zum Stand der Technik genannten Druckschriften ein Retina-Implantat mit sämtlichen, in diesem Anspruch aufgeführten Merkmalen offenbart.

a) Die ältere, nachveröffentlichte D3, welche gemäß § 3 Abs 2 Satz 1 Nr 3 PatG zum Stand der Technik gehört, nimmt den Streitpatentgegenstand nicht vorweg.

Ausweislich der Figuren 1, 3 und 6 sowie der zugehörigen Beschreibung (Seite 11, 2. Absatz bis Seite 12, 1. Absatz, Seite 12, letzter Absatz bis Seite 13, 1. Absatz und Seite 14, letzter Absatz bis Seite 15, 1. Zeile) offenbart die D3 zwar ein Retina-Implantat mit einem Chip (electrode array 22) und einer Empfängerspule (secondary coil 18) zur induktiven Einkopplung von elektromagnetischer Energie, wobei die Empfängerspule (18) ersichtlich zur Positionierung außerhalb der Sclera (54) auf dem (nicht bezeichneten) Augapfel ausgebildet ist, sowie mit einer Wandlereinrichtung (rectifier 44, decoder/demultiplexer 40, current generator 42) zur Umwandlung einer in der Empfängerspule (18) induzierten Wechselspannung in eine zur Stromversorgung des Chips (22) geeignete Gleichspannung (DC power) entsprechend den Merkmalen (1), (1.1) und (1.2) bis (1.2.3) des erteilten Patentanspruchs 1, jedoch handelt es sich bei dem bekannten Implantat zweifelsohne um ein auf der Retina positioniertes und demzufolge epiretinales Implantat.

Der hier zuständige Durchschnittsfachmann ist ein mit der Entwicklung von Retina-Implantaten befasster, berufserfahrener Diplom-Physiker oder Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Elektrotechnik, der bei seiner Arbeit in ständigem Kontakt zu einem auf dem Gebiet der Augenheilkunde tätigen Chirurgen steht.

Entgegen der im Einspruchsschriftsatz (Seite 5, letzter Absatz bis Seite 6, 1. Absatz) vertretenen Auffassung der Einsprechenden wird dieser Fachmann bei aufmerksamer Lektüre der D3 in Gedanken kein subretinales Implantat mitlesen. So ist die Offenbarung dieser Druckschrift ausschließlich auf epiretinale Implantate gerichtet. Subretinale Implantate werden in der D3 weder erwähnt, noch sind sie für die Ausführung der dort unter Schutz gestellten Lehre selbstverständlich oder nahezu unerlässlich (vgl. hierzu BGH GRUR 1995, 330, Ls2, 332 - "Elektrische Steckverbindung"). Denn diese beiden Arten von Retina-Implantaten unterscheiden sich, wie der Fachmann weiß, nicht nur hinsichtlich des Ortes ihrer Anbringung, sondern vor allem hinsichtlich ihres Aufbaus und ihrer Funktionsweise wesentlich voneinander. Dem Einwand der Einsprechenden, die in der D3 offenbarte Energieversorgung eigne sich für epiretinale und subretinale Implantate gleichermaßen, kann insoweit zwar zugestimmt werden. Die Neuheit des Streitpatentgegenstandes wird durch den besagten Stand der Technik gleichwohl nicht in Frage gestellt.

b) Auch die Entgegenhaltung D4 nimmt den Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 nicht vorweg.

Aus dieser Druckschrift (vgl. insbesondere die Figuren 1A bis 4 mit zugehöriger Beschreibung Spalte 3, letzter Absatz bis Spalte 7, Zeile 35) ist ein Retina-Implantat (device 10) zur subretinalen Implantation [Merkmale (1), (1.1) u. (1.1.1)] bekannt, welches aus einer Vielzahl (array) kleiner Photodioden (photovoltaic microphotodiodes) besteht. Jede dieser Photodioden gibt bei Bestrahlung mit Umgebungslicht (average room lighting) an ihrer unteren Kontaktfläche (node 28) einen Strom von etwa 50 nA zur Zellstimulation ab. Eine externe Stromversorgung zum Betrieb des Implantats, wie dies insoweit durch die Merkmale (1.2) bis (1.2.1) und (1.2.3) des erteilten Patentanspruchs 1 gelehrt wird, ist beim Stand der Technik gemäß der D4 nicht vorgesehen. Die Photodioden des bekannten Retina-Implantats werden demzufolge zutreffend als "selbstversorgend" (selfpowered) bezeichnet. Lediglich für die Einstellung des Arbeitspunktes der Photodioden ist eine extern oder intern implantierte, mit dem Retina-Implantat durch einen oder mehrere isolierte Drähte (insulated wires) verbundene Batterieeinheit (battery unit) vorgesehen.

Die Einsprechende hat in der mündlichen Verhandlung demgegenüber die Auffassung vertreten, der einzige Unterschied zwischen dem aus der D4 bekannten und dem im Streitpatent beanspruchten Retina-Implantat bestünde darin, dass letzteres durch induktive Einkopplung mit elektromagnetischer Energie versorgt werde. Die Batterieeinheit gemäß der D4 werde dort jedoch nur beispielhaft erwähnt. Wie die Dokumente D5 bis D10 bzw. D10' belegten, sei dem Fachmann selbstverständlich klar, dass man eine solche Batterieeinheit durch eine Empfängerspule -- der zwingend eine Wandlereinrichtung für die Umwandlung der induzierten Wechselspannung in Gleichspannung nachgeordnet werden müsste -- ersetzen könne. Bei der im erteilten Patentanspruch 1 genannten Empfängerspule handle es sich deshalb lediglich um ein fachnotorisch bekanntes Austauschmittel der in der D4 offenbarten Batterieeinheit, durch welches die Neuheit des Patentgegenstandes nicht begründet werden könne.

Dieser Auffassung vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Sofern nämlich der Fachmann bei der Lektüre der Entgegenhaltung D4 die dort beschriebene Batterieeinheit in Gedanken durch eine Empfängerspule ersetzen sollte, so würde diese, seinem Verständnis nach, auch die tatsächliche Funktion der Batterieeinheit übernehmen und demnach wie die Batterieeinheit nur zur Arbeitspunkteinstellung der Photodioden dienen, nicht jedoch zur Stromversorgung des bekannten Implantats, welches, wie dargelegt, einer externen Stromversorgung zur Sicherstellung seiner Funktionsfähigkeit nicht bedarf.

Letztendlich kann jedoch dahinstehen, ob die Merkmale (1.2), (1.2.1) und (1.2.3) des erteilten Patentanspruchs 1 durch die Druckschrift D4 vorweggenommen werden oder nicht. Denn selbst wenn eine Empfängerspule im Sinne des Streitpatents zum Offenbarungsgehalt der D4 gehören sollte, so geht aus dieser Entgegenhaltung jedenfalls nicht hervor, wo die Empfängerspule angeordnet ist. Entgegen der in der mündlichen Verhandlung vertretenen Auffassung der Einsprechenden nimmt der Hinweis in der D4 (vgl. Spalte 6, Zeilen 3 bis 7), das Implantat sei mittels Drähten mit der intern oder extern implantierten Batterieeinheit verbunden, das Merkmal (1.2.2) des erteilten Patentanspruchs 1, wonach die Empfängerspule zur Positionierung außerhalb der Sclera auf dem Augapfel ausgebildet sein soll, ersichtlich nicht vorweg.

c) Auch die übrigen im Verfahren befindlichen Druckschriften vermögen die Neuheit des Streitpatentgegenstandes, wie sich aus den nachfolgenden Ausführungen zur erfinderischen Tätigkeit ergibt, nicht in Frage zu stellen.

3.) Der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit des vorstehend definierten Fachmanns.

a) Die ältere, nachveröffentlichte D3 ist nur für die Frage der Neuheit in Betracht zu ziehen; § 4 Satz 2 PatG.

b) Die Entgegenhaltung D4, aus der, wie dargelegt, lediglich die Merkmale (1) bis (1.1.1) des erteilten Patentanspruchs 1 bekannt sind, vermag -- für sich genommen -- den Fachmann nicht dazu anzuregen, die patentgemäße Lehre zu verwirklichen. Der D4 lassen sich nämlich keinerlei Hinweise dahingehend entnehmen, für das dort beschriebene, aus aktiven Photodioden aufgebaute und somit selbstversorgende Implantat (10) eine externe, über die bloße Arbeitspunkteinstellung der Photodioden hinausgehende Stromversorgung vorzusehen, diese durch Einkopplung von elektromagnetischer Energie in eine Empfängerspule zu bewerkstelligen, und schließlich die Empfängerspule zur Positionierung außerhalb der Sclera auf dem Augapfel auszubilden, wie dies insoweit im erteilten Patentanspruch 1 beansprucht wird.

c) Aber auch durch eine Einbeziehung des übrigen, im Verfahren befindlichen Standes der Technik gelangt der Fachmann, ausgehend von Entgegenhaltung D4, nicht zur patentgemäßen Lehre.

aa) Aus der Entgegenhaltung D5 (vgl. insbesondere die Figuren 1 bis 3 und 6 mit zugehöriger Beschreibung Spalte 2, Zeile 56 bis Spalte 3, Zeile 42 und Spalte 4, Zeile 52 bis Spalte 5, Zeile 26) ist ein Retina-Implantat (ocular prosthesis 11) in Form eines Chips bekannt, welches zwar mittels einer Empfängerspule (inductor coil 37) und einer dieser nachgeschalteten Wandlereinrichtung (internal capacitor 38, full wave bridge rectifier 39, capacitor 41) durch induktive Einkopplung von elektromagnetischer Energie mit Gleichstrom versorgt wird. Jedoch handelt es sich bei diesem Stand der Technik um ein epiretinales Implantat, bei dem die Empfängerspule (37) unmittelbar auf der Außenseite des Implantats angeordnet ist. Eine Anregung, das subretinale, selbstversorgende Implantat gemäß Druckschrift D4 -- entsprechend dem Merkmal (1.2.2) des erteilten Patentanspruchs 1 -- durch eine zur Positionierung außerhalb der Sclera auf dem Augapfel ausgebildete Empfängerspule mit Energie zu versorgen, vermag die Entgegenhaltung D5 dem Fachmann deshalb nicht zu geben.

bb) Die Entgegenhaltung D6 (vgl. insbesondere den Anspruch 1 sowie die Figuren 3 bis 5 und die Beschreibung Seite 3, 3. Absatz bis Seite 4, letzter Absatz) offenbart kein Retina-Implantat, sondern eine Augenprothese (augenprothesenartiger Körper 92) mit zwei Ausgangselektroden (88,90), welche induktiv angesteuert werden und welche die von außen in die Augenhöhle übertragenen Signale an den noch funktionsfähigen Teil der Sehbahn bzw. an das Ende des Sehnervs abgeben.

cc) In der Publikation D7 (vgl. die Seite 216, linke Spalte, 1. und 2. Absatz) geht es um die Stimulation der retinalen Neuronen mittels eines induktiv mit Energie versorgten Implantats. Weitere, den Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents tangierende Merkmale vermag der Fachmann dieser Druckschrift nicht zu entnehmen.

dd) Die Entgegenhaltung D8 (vgl. den Anspruch 1 sowie die Figur 1 und die Beschreibung Spalte 1, Zeilen 48 bis 63) offenbart eine Cochlear-Prothese, die über eine Empfängerspule (receive coil 14) induktiv mit elektrischer Leistung und mit Daten versorgt wird. Es ist angegeben, dass dieses Prinzip auch bei prothetischen Sehhilfen (visual prostheses) (Spalte 3, Zeilen 25 bis 30) eingesetzt werden kann. Weitere, das Streitpatent betreffende Merkmale gehen aus der D8 nicht hervor.

ee) Auch die Druckschriften D9 ( Figur 3 und Beschreibung Seite 7, Zeilen 4 bis 19) und D10 (Figur 3 und Beschreibung Spalte 2, Zeile 36 bis Spalte 3, Zeile 42) bzw. die korrespondierende Offenlegungsschrift D10' (Spalte 2, Zeile 39 bis Spalte 3, Zeile 48) behandeln induktiv mit Energie bzw. Daten versorgte Cochlear-Prothesen. Diesem Stand der Technik kann der Fachmann somit allenfalls die Lehre entnehmen, die eigentlichen Stimulationsmittel (electrode array 20 bzw. electrode 35) und die für Einkopplung von Energie und Daten zuständige Empfängerspule (receiving coil 23 bzw. inductor 26) voneinander beabstandet zu implantieren. In der zuletzt genannten Schrift (vgl. Spalte 1, Zeilen 22 bis 28) ist -- wie die Einsprechende in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat -- darüber hinaus angegeben, dass die Energieversorgung der dort beschriebenen Cochlear-Prothese durch Batterien oder wahlweise durch induktive Empfangsmittel bewerkstelligt werden kann.

Eine Anregung, das in der Entgegenhaltung D4 offenbarte, selbstversorgende Implantat im Sinne der Kombination der Merkmale (1.2) bis (1.2.3) des erteilten Patentanspruchs 1 weiterzubilden, vermögen insofern auch die Dokumente D6 bis D10 bzw. D10' dem zuständigen Fachmann nicht zu vermitteln.

ff) Die verbleibenden, eingangs genannten Druckschriften liegen vom Streitpatentgegenstand ebenfalls weit ab. Sie haben in der mündlichen Verhandlung im Übrigen keine Rolle gespielt.

4.) Die Patentfähigkeit des Verfahrens zur Herstellung eines Retina-Implantats gemäß dem erteilten nebengeordneten Patentanspruch 19 wird durch die vorstehend in Bezug auf den Patentanspruch 1 dargelegten Gründe, die ersichtlich auch hier zutreffen, mitgetragen. Im Übrigen hat die Einsprechende die Patentfähigkeit des Gegenstands gemäß Patentanspruch 19 in der mündlichen Verhandlung nicht mehr bestritten.

5.) Die auf die Patentansprüche 1 bzw. 19 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 18 bzw. 20 bis 28 betreffen vorteilhafte und nicht selbstverständliche Ausgestaltungen des Retina-Implantats nach Patentanspruch 1 bzw. des Verfahrens zur Herstellung eines solchen nach Patentanspruch 19. Sie haben deshalb zusammen mit diesen beiden Patentansprüchen Bestand.

Dr. Winterfeldt Engels Dr. Maksymiw Dr. Häußler Pr






BPatG:
Beschluss v. 05.04.2005
Az: 21 W (pat) 303/03


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/f73a9964dd81/BPatG_Beschluss_vom_5-April-2005_Az_21-W-pat-303-03




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