Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen:
Beschluss vom 22. April 2009
Aktenzeichen: 12 E 1137/08

(OVG Nordrhein-Westfalen: Beschluss v. 22.04.2009, Az.: 12 E 1137/08)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

Die Beschwerde, die der Senat mit Blick auf die fehlende Befugnis des Prozessbevollmächtigten der Kläger, im Kostenfestsetzungsverfahren im eigenen Namen Erinnerung einzulegen und Beschwerde zu erheben,

vgl. BVerfG, Senatsbeschluss vom 15. Juli 1997

- 1 BvR 1174/90 -, BVerfGE 96, 251 ff., und OVG NRW, Beschluss vom 9. März 1999 - 3 E 853/97 -, Juris,

als Beschwerde der Kläger auffasst, ist zulässig, aber nicht begründet.

Die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass in dem vorliegenden Verfahren weder eine Einigungsgebühr (Nrn. 1003, 1000 VV-RVG) noch eine Erledigungsgebühr (Nr. 1002 VV-RVG) und auch keine Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV-RVG entstanden ist, erweist sich auch im Lichte des Beschwerdevorbringens als zutreffend. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen wird insoweit gem. § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO auf die tragenden Ausführungen des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen.

Das Beschwerdevorbringen der Kläger vermag zunächst nicht die Annahme des Verwaltungsgerichts zu erschüttern, dass in dem Schriftsatz der Beklagten vom 7. Januar 2008, in dem die Erteilung eines gemeinschaftlichen Staatsangehörigkeitsausweises zugesagt wird und die Hauptsache sinngemäß für erledigt erklärt wird, nicht als Vertragsangebot anzusehen ist. Denn nach dem allein maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont handelt es sich bei der Zusage der Beklagten um das Inaussichtstellen einer einseitigen hoheitlichen Maßnahme, die weder grundsätzlich von einer Willenserklärung der Adressaten gehangen hat noch von der Beklagten von irgendeiner Reaktion der Kläger abhängig gemacht worden ist. Auch die Erledigungserklärung der Beklagten stellt insofern keine auf eine Einigung mit den Klägern gerichtete Willenserklärung dar, sondern ist lediglich die prozessuale Reaktion auf die materiellrechtlich erfolgte Klaglosstellung.

An dieser Bewertung vermag auch das von den Klägern angeführte Urteil des Bundesgerichtshofes vom 20. November 2008 - IX ZR 186/07 -, NJW 2009, 922f. nichts zu ändern. Denn nach dieser Entscheidung kommt es zwar für die Annahme einer Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV-RVG nicht mehr - wie nach der früheren Vergleichsgebühr nach § 23 BRAGO - auf den Abschluss eines Vergleichsvertrages im Sinne des § 779 BGB an. Erforderlich ist jedoch nach der Neuregelung immer noch eine Einigung zwischen den Parteien - d.h. übereinstimmende Willenserklärungen. Genau daran aber fehlt es, wenn eine Behörde den Erlass eines Verwaltungsaktes -bedingungslos - zusagt. Insoweit kommt es auf die von den Klägern angesprochene Frage, ob in der Klaglosstellung im vorliegenden Fall ein Anerkenntnis der Beklagten zu sehen ist, das die Annahme einer Einigungsgebühr ebenfalls ausschließen würde, nicht an.

Fehlt es mithin schon an einer für die Annahme einer Einigungsgebühr notwendigen Einigung der Beteiligten, kann auch eine Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV-RVG nicht angefallen sein, denn auch diese setzt den Abschluss eines schriftlichen Vergleichs voraus. Das Verfahren wurde nicht etwa - wie die Kläger vortragen - durch Beschluss des Verwaltungsgerichts beendet, sondern durch die übereinstimmenden Erledigungserklärungen. Diese Art der Verfahrensbeendigung fällt jedoch nicht unter den Gebührentatbestand der Nr. 3104 VV-RVG.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. Dezember 2008 - 12 E 1120/08.

Das Verwaltungsgericht hat auch die Annahme einer Erledigungsgebühr zu Recht abgelehnt, da es an der anwaltlichen Mitwirkungshandlung des Prozessbevollmächtigten der Kläger im Hinblick auf die unstreitige Erledigung des Verfahrens fehlt.

Die von den Klägern geltend gemachten Aktivitäten des Prozessbevollmächtigten haben sich entweder auf den Zeitraum vor Erhebung der Klage bezogen und fallen somit deshalb nicht unter den Gebührentatbestand, weil der alleine Bemühungen während eines laufenden gerichtlichen Verfahrens honoriert,

vgl. dazu, dass ausnahmsweise auch Aktivitäten vor Klageerhebung berücksichtigt werden können, sofern diese während des gerichtlichen Verfahrens fortgesetzt werden: BayVGH, Beschluss vom 19. Januar 2007 - 24 C 06.2426 -, NVwZ-RR 2007, 497ff.,

oder sie haben sich in Handlungen erschöpft, die alleine dem Betreiben des gerichtlichen Verfahrens dienten. Derartige Tätigkeiten, die sich lediglich in einem sachgerechten Betreiben eines streitigen Verfahrens erschöpfen, reichen indes ebenfalls nicht aus. Schon unter der Geltung der Vorgängervorschrift des § 24 BRAGO war in der Rechtsprechung anerkannt, dass die seinerzeit für die Entstehung der Erledigungsgebühr erforderliche "Mitwirkung des Rechtsanwalts bei der Erledigung" eine besondere, über die bereits mit der Prozessgebühr und Verhandlungsgebühr abgegoltene Erledigung und Begründung des Rechtsbehelfs hinausgehende, auf die Beilegung des Rechtsstreits ohne streitige Entscheidung gerichtete Tätigkeit des Rechtsanwalts voraussetzte.

Vgl. etwa: BVerwG, Urteile vom 4. Oktober 1985

- 8 C 68.83 -, Buchholz 362 § 24 BRAGO Nr. 3 und vom 21. August 1981 - 4 C 60.79 -, Buchholz 362

§ 24 BRAGO Nr. 2; ferner OVG NRW, Beschluss vom 8. Februar 2008 - 12 E 1236/06 -.

Hieran hat sich unter Geltung des RVG nichts geändert.

Vgl. dazu, dass auch nach dem RVG ein Betreiben des Verfahrens nicht ausreicht: OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 18. April 2007 - 8 E

10310/07 -, NVwZ-RR 2007, 564; HessVGH, Beschluss vom 3. April 2007 - 5 TJ 563/07 -, Juris (jeweils zu Nr. 1002 VV-RVG); Vgl. Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt/v Eicken/ Madert/Müller-Rabe, RVG, 18. Auflage 2008, 1002 VV, Rn. 38ff. m.w.N.

Zwar ist den Klägern darin zuzustimmen, dass an die Qualität der anwaltlichen Mitwirkungshandlung für die Erledigung des Rechtsstreits keine übertrieben hohen Anforderungen zu stellen sind.

Vgl. Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt/v Eicken/ Madert/Müller-Rabe, RVG, 18. Auflage 2008, 1002 VV, Rn. 29ff. m.w.N.

Doch ist in jedem Fall irgendeine anwaltliche Tätigkeit während eines laufenden verwaltungsgerichtlichen Verfahrens erforderlich, die auf eine Erledigung des Verfahrens ohne das Zutun des Gerichts gerichtet ist. Dies setzt regelmäßig eine außergerichtliche Aktivität des Rechtsanwalts etwa durch Besprechungen mit der beklagten Behörde oder der eigenen Partei, außergerichtliche Schriftsätze, Telefonate o.ä. voraus.

So auch: Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 25. Oktober 2006 - 8 OA 119/06 -, NVwZ-RR 2007, 215f. (telefonische Besprechung mit Behördenvertreter); BayVGH, Beschluss vom 19. Januar 2007 - 24 C 06.2426 - a.a.O. (außergerichtliche Schriftsätze mit Einigungsvorschlägen, Gespräche mit Behörde, Telefonate mit Partei)

Diesen Anforderungen genügen die von den Klägern vorgetragenen Aktivitäten ihres Prozessbevollmächtigten ersichtlich nicht. Den angeführten Schriftsätzen im gerichtlichen Verfahren lassen sich Hinweise auf eine auf eine Erledigung des Verfahrens ohne das Zutun des Gerichts zielende Tätigkeit nicht entnehmen. Dies gilt ebenso für den erwähnten Gesprächstermin mit der Mutter des Klägers zu 1. nach Klageerhebung, in dem der Prozessbevollmächtigte diese im Hinblick auf den Prozesserfolg und die Kostentragung beruhigte und sie um die Vorlage von PKH- Unterlagen bat. Dabei handelt es sich offensichtlich um typische anwaltliche Aktivitäten im Rahmen des sachgerechten Betreibens des Verfahrens, die mit der Verfahrensgebühr abgegolten werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).






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Beschluss v. 22.04.2009
Az: 12 E 1137/08


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