Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 20. Mai 2009
Aktenzeichen: I ZR 218/07

(BGH: Beschluss v. 20.05.2009, Az.: I ZR 218/07)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Die Klägerin, eine Rechtsanwaltskanzlei in F., hat die Beklagten, eine GmbH und ihren Geschäftsführer, abgemahnt, da diese der Klägerin unverlangt einen Newsletter per E-Mail zugesandt haben. Die Klägerin hat daraufhin Klage eingereicht, um zu erreichen, dass ihnen untersagt wird, die Klägerin weiterhin per E-Mail zu kontaktieren und Newsletter zu versenden, ohne deren Einverständnis einzuholen. Das Landgericht hat den Beklagten Recht gegeben, jedoch hat die Klägerin dagegen Berufung eingelegt.

Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, doch während des Verfahrens wurde die Klägerin aufgelöst und die Parteien haben den Rechtsstreit einvernehmlich für erledigt erklärt. Sie haben beantragt, dass die jeweils andere Partei die Kosten des Verfahrens tragen soll. Der Bundesgerichtshof entscheidet nun über die Kosten des Verfahrens unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands.

Der Bundesgerichtshof kommt zu dem Schluss, dass die Klage bis zur einvernehmlichen Erledigung zulässig und begründet war. Das Gericht stellt fest, dass die Klägerin zwar keinen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch gegen die Beklagten hat, jedoch hat sie einen Anspruch auf Unterlassung wegen eines Eingriffs in ihren eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Die Zusendung unverlangter Werbe-E-Mails stellt einen unmittelbaren Eingriff in den Gewerbebetrieb dar. Das Gericht betont, dass die meisten Entscheidungen in Rechtsprechung und Schrifttum zu dem Schluss gekommen sind, dass auch die einmalige Zusendung einer E-Mail mit Werbung einen solchen Eingriff darstellt. Mit dieser Entscheidung werden die Kosten des Verfahrens den Beklagten auferlegt.

Die Entscheidung des Landgerichts, wonach die Beklagten die Klage abweisen durften, wird aufgehoben und die Beklagten werden zur Zahlung der Kosten verurteilt. Die beiden Vorinstanzen haben ebenfalls entschieden, dass die Beklagten die Kosten tragen müssen.

Diese Entscheidung zeigt, dass unverlangte Werbe-E-Mails einen rechtswidrigen Eingriff in den Gewerbebetrieb darstellen und dass diejenigen, die solche E-Mails versenden, dafür zur Verantwortung gezogen werden können. Es ist wichtig, die Zustimmung des Empfängers einzuholen, bevor man ihm eine Werbe-E-Mail schickt. In diesem Fall hat die Klägerin erfolgreich geltend gemacht, dass die Zusendung des Newsletters ohne ihr Einverständnis rechtswidrig war und die Beklagten nun die Kosten des Verfahrens tragen müssen.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BGH: Beschluss v. 20.05.2009, Az: I ZR 218/07


Tenor

Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.

Der Wert des Revisionsverfahrens beträgt 6.000 €.

Gründe

I. Die Klägerin ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die in F. eine Rechtsanwaltskanzlei betrieben hat.

Die Beklagte zu 1 ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2 ist. Sie sandte am 22. Februar 2006 eine E-Mail an die Klägerin, mit der sie einen von ihr erstellten Newsletter übersandte. Das 15 Seiten umfassende Schriftstück enthielt Informationen für Kapitalanleger.

Mit Schreiben vom 23. Februar 2006 mahnte die Klägerin die Beklagte ab. Diese weigerte sich, die begehrte Unterwerfungserklärung abzugeben; sie erklärte stattdessen, von einer weiteren Zusendung des Newletters an die Klägerin abzusehen.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagten unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, die Klägerin geschäftsmäßig per E-Mail anzuschreiben, um Informationen zu Entwicklungen am Kapitalmarkt in Form eines Newsletters zu übermitteln und/oder solche Handlungen durch Dritte vornehmen zu lassen, ohne dass das tatsächliche oder vermutete Einverständnis der Klägerin vorhanden ist.

Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß verurteilt. Die Berufung der Beklagten hat zur Abweisung der Klage geführt.

Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerin. Während des Revisionsverfahrens ist die Klägerin aufgelöst worden. Im Hinblick darauf haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt und beantragt, der jeweils anderen Partei die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

II. Nachdem die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist über die Kosten des Rechtsstreits unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen gemäß § 91a Abs. 1 ZPO zu entscheiden. Dabei ist der mutmaßliche Ausgang des Revisionsverfahrens zu berücksichtigen.

Danach sind die Kosten in vollem Umfang den Beklagten aufzuerlegen, weil die Klage bis zur übereinstimmenden Erledigungserklärung zulässig und begründet war. Der Klägerin stand der begehrte Unterlassungsanspruch gegen die Beklagten zu.

1. Die Klägerin konnte das Verbot allerdings nicht aus §§ 3, 7 Abs. 2 Nr. 3, § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG 2004 und § 7 Abs. 2 Nr. 3, § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG 2008 herleiten. Der Klägerin stand ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG nicht zu. Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Parteien nicht Mitbewerber im Sinne dieser Vorschrift sind. Mitbewerber ist gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG jeder Unternehmer, der mit einem oder mehreren Unternehmern als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht. Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis ist gegeben, wenn beide Parteien gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen mit der Folge, dass das konkret beanstandete Wettbewerbsverhalten des einen Wettbewerbers den anderen beeinträchtigen, das heißt im Absatz behindern oder stören kann (BGH, Urt. v. 3.5.2007 - I ZR 19/05, GRUR 2007, 978 Tz. 16 = WRP 2007, 1334 - Rechtsberatung durch Haftpflichtversicherer). Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass die Parteien gleichartige Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen. Die Revision zeigt in dieser Hinsicht auch keinen Sachvortrag der Parteien als übergangen auf. Soweit die Revision unter Vorlage eines Ausdrucks der Homepage der Beklagten geltend macht, diese biete Kapitalanlegern Rechtsberatung an, handelt es sich um neuen Vortrag, mit dem die Klägerin in der Revisionsinstanz nach § 559 Abs. 1 ZPO ausgeschlossen ist.

2. Der Klägerin stand der in Rede stehende Unterlassungsanspruch jedoch wegen eines Eingriffs in ihren eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nach § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB zu.

a) In Rechtsprechung und Schrifttum ist die Frage umstritten, ob die unverlangte Zusendung von E-Mails mit Werbung an Gewerbetreibende einen rechtswidrigen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb darstellt. Zum Teil wird ein rechtswidriger Eingriff in das geschützte Rechtsgut des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs jedenfalls bei einer einmaligen Zusendung einer E-Mail mit Werbung verneint (AG Dresden NJW 2005, 2561; Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 27. Aufl., § 7 Rdn. 199; Ohly in Piper/Ohly, UWG, 4. Aufl., § 7 Rdn. 22; Baetge, NJW 2006, 1037, 1038). Die überwiegende Ansicht in der Rechtsprechung und ein Teil des Schrifttums bejahen dagegen auch bei einer einmaligen E-Mail-Versendung eine entsprechende Rechtsverletzung (KG MMR 2002, 685; GRUR-RR 2005, 66; OLG München MMR 2004, 324; OLG Düsseldorf MMR 2004, 820; OLG Bamberg MMR 2006, 481; OLG Naumburg DB 2007, 911; LG Berlin NJW 2002, 2569; Fezer/Mankowski, UWG, § 7 Rdn. 97; Koch in Ullmann, jurisPK-UWG, 2. Aufl., § 7 Rdn. 189). Der letztgenannten Ansicht ist zuzustimmen.

b) Die Zusendung einer Werbe-E-Mail ohne vorherige Einwilligung des Adressaten stellt einen unmittelbaren Eingriff in den Gewerbebetrieb dar. Davon ist auszugehen bei Eingriffen, die gegen den Betrieb als solchen gerichtet, also betriebsbezogen sind und nicht vom Gewerbebetrieb ohne weiteres ablösbare Rechte oder Rechtsgüter betreffen (BGHZ 29, 65, 74; 69, 128, 139; 86, 152, 156). Unverlangt zugesandte E-Mail-Werbung beeinträchtigt regelmäßig den Betriebsablauf des Unternehmens. Mit dem Sichten und Aussortieren unerbetener E-Mails ist ein zusätzlicher Arbeitsaufwand verbunden. Zudem können, soweit kein festes Entgelt vereinbart ist, zusätzliche Kosten für die Herstellung der Online-Verbindung und die Übermittlung der E-Mail durch den Provider anfallen. Die Zusatzkosten für den Abruf der einzelnen E-Mail können zwar gering sein. Auch der Arbeitsaufwand für das Aussortieren einer E-Mail kann sich in engen Grenzen halten, wenn sich bereits aus dem Betreff entnehmen lässt, dass es sich um Werbung handelt. Anders fällt die Beurteilung aber aus, wenn es sich um eine größere Zahl unerbetener E-Mails handelt oder wenn der Empfänger der E-Mail ausdrücklich dem weiteren Erhalt von E-Mails widersprechen muss. Mit der häufigen Übermittlung von Werbe-E-Mails ohne vorherige Einwilligung des Empfängers durch verschiedene Absender ist aber immer dann zu rechnen, wenn die Übermittlung einzelner E-Mails zulässig ist. Denn im Hinblick auf die billige, schnelle und durch Automatisierung arbeitssparende Versendungsmöglichkeit ist ohne Einschränkung der E-Mail-Werbung mit einem immer weiteren Umsichgreifen dieser Werbeart zu rechnen (vgl. BGH, Urt. v. 11.3.2004 - I ZR 81/01, GRUR 2004, 517, 518 = WRP 2004, 731 - E-Mail-Werbung).

Ohne Erfolg macht die Revisionserwiderung in diesem Zusammenhang geltend, die E-Mail der Beklagten enthalte keine Werbung. Werbung ist jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu fördern (vgl. Art. 2 lit. a der Richtlinie 2006/114/EG über irreführende und vergleichende Werbung). Dazu zählt auch die in Rede stehende E-Mail der Beklagten, mit der sie ihre Geschäftstätigkeit gegenüber der Klägerin darstellt.

Der Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin ist auch rechtswidrig. Die insoweit erforderliche Abwägung der widerstreitenden Interessen der Parteien geht zu Lasten der Beklagten aus. Nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG stellt von dem hier nicht interessierenden Ausnahmetatbestand des § 7 Abs. 3 UWG abgesehen jede Werbung unter Verwendung elektronischer Post ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten eine unzumutbare Belästigung dar. Diese gesetzgeberische Wertung ist bei der Beurteilung der Generalklauseln des Bürgerlichen Gesetzbuches ebenfalls heranzuziehen, um Wertungswidersprüche zu vermeiden (vgl. Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm aaO § 7 Rdn. 14; Koch in Ullmann, jurisPK-UWG aaO § 7 Rdn. 189). Wegen des unzumutbar belästigenden Charakters derartiger Werbung gegenüber dem Empfänger ist die Übersendung einer Werbe-E-Mail ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung grundsätzlich rechtswidrig.

Für die unerlaubte Handlung haftet auch der Beklagte zu 2, weil er Absender der in Rede stehenden E-Mail auf Seiten der Beklagten zu 1 war.

Bergmann Pokrant Büscher Schaffert Koch Vorinstanzen:

LG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 31.10.2006 - 2/5 O 154/06 -

OLG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 11.10.2007 - 3 U 294/06 -






BGH:
Beschluss v. 20.05.2009
Az: I ZR 218/07


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/f6afd71105c1/BGH_Beschluss_vom_20-Mai-2009_Az_I-ZR-218-07




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