Landgericht Köln:
Beschluss vom 17. Februar 2003
Aktenzeichen: 1 T 31/03

(LG Köln: Beschluss v. 17.02.2003, Az.: 1 T 31/03)

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen den Streitwertbeschluss des Amtsgerichts Brühl vom 3.1.2003 - 23 C 289/02 - wird zurückgewiesen.

Gründe

Durch den im Tenor näher bezeichneten Beschluss hat das Amtsgericht den Streitwert auf insgesamt 7.515,95 EUR festgesetzt, wobei 6.135,48 EUR für den Räumungsanspruch und 1.380, 48 EUR für den Zahlungsanspruch in Ansatz gebracht worden sind. Bei der Bemessung des Streitwerts für den Räumungsanspruch ist das Amtsgericht von der Nettomiete ausgegangen.

Gegen den vorbezeichneten Streitwertbeschluss wenden sich die Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit ihrer sofortigen Beschwerde, die am 23.1.2003 bei Gericht eingegangen ist. In der Beschwerdebegründung wird die Auffassung vertreten, bei der Bemessung des Streitwerts für eine Räumungsklage sei von der Bruttomiete auszugehen.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache der Kammer zur Entscheidung vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Die sofortige Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin ist gemäß § 9 Abs. 2 BRAGO zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, in der Sache jedoch ohne Erfolg. Die amtsgerichtliche Streitwertfestsetzung ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu beanstanden.

Sie orientiert sich zu Recht an § 16 GKG, der für die Wertfestsetzung der Gebührenberechnung gilt. Wird wegen Beendigung eines Miet-, Pacht- oder ähnlichen Nutzungsverhältnisses die Räumung eines Grundstücks, Gebäudes oder Gebäudeteils verlangt, so ist ohne Rücksicht darauf, ob über das Bestehen des Nutzungsverhältnisses Streit besteht, grundsätzlich das für die Dauer eines Jahres zu zahlende Entgelt maßgeblich.

Was indessen unter "Entgelt" zu verstehen ist, ist höchst streitig, insbesondere ob die Betriebskosten ganz oder teilweise Berücksichtigung finden können oder müssen.

Zahlreiche Vertreter haben sich dafür ausgesprochen, dass die Vorauszahlungen auf die Betriebskosten zum Entgelt nach § 16 GKG gehören ( OLG Düsseldorf ZMR 1998, 692; OLG Hamburg ZMR 1995, 359; OLG München WM 1999, 366; LG Köln WM 1987, 61 ). Der Begriff des § 16 Abs. 2 GKG sei kein anderer als der in § 554 BGB a.F., jetzt § 543 BGB. Zur Miete gehören alle zur Gebrauchsüberlassung geschuldeten Entgelte, mögen sie auch, wie inzwischen üblich, zusätzlich zu dem Mietzins im Mietvertrag ausgewiesen sein. Dies ändere nichts daran, dass sie das Gebrauchsüberlassungsentgelt erhöhen. Dies werde besonders deutlich, wenn im Mietvertrag die Betriebskosten nicht gesondert ausgeworfen werden, also der Charakter des Gebrauchsentgelts unübersehbar hervortrete. Denn auch in diesem Falle entstünden dem Vermieter dieselben Aufwendungen für Betriebskosten.

Verbrauchabhängige Betriebskosten herauszurechnen werde für unzweckmäßig gehalten, da es die Berechnung des Gebührenstreitwertes unnötig verkompliziere und zudem die Betriebskosten regelmäßig in einer Summe genannt würden, ohne zwischen verbrauchsabhängigen und unabhängigen zu differenzieren. Um eine möglichst einfache Berechnung des Gebührenstreitwerts zu gewährleisten, sei eine Berechnung des Jahresentgelts unter Berücksichtigung der Vorauszahlungen auf die Betriebskosten sachgerecht.

Ist eine Betriebskostenpauschale vereinbart, will das OLG Düsseldorf ( WM 2000, 617 ) bei der Ermittlung des Entgelts die Nebenkostenpauschale insgesamt in die Streiwertberechnung einbeziehen, wenn sie von den Mietvertragsparteien zur Abgeltung aller Betriebskosten vereinbart sei, ohne dass diese im Einzelnen wertmäßig aufgegliedert und beziffert wurden.

Nach einer anderen Entscheidung des OLG Düsseldorf ( WM 2002, 501 ) sollen bei der Wertberechnung des § 16 GKG die verbauchsunabhängigen Betriebskosten als Bestandteil der Miete zu berücksichtigen sein. Zur Begründung wird ausgeführt, die Betriebskosten werden anders als im Falle der verbrauchsabhängigen Kosten im Verkehr als Entgelt für die Gebrauchsüberlassung angesehen. Dies führe zu einer Differenzierung bei den Betriebskosten. Diese Auffassung kann sich auf eine ältere höchstrichterliche Rechtsprechung berufen ( BGH Z 18, 169, 173 ), wonach bei der Streitwertberechnung nur solche Betriebskosten einzubeziehen sind, die nicht direkt der Versorgung des Mieters dienen und daher nicht als bloße Durchlaufposten anzusehen sind.

Nach neuerer im Vordringen befindlichen Meinung, der sich die Kammer anschließt, ist bei der Berechnung des Streitwerts für eine Räumungsklage von der Nettomiete auszugehen, also ohne Berücksichtigung der Betriebskosten ( OLG Oldenburg WM 1991, 286; OLG Köln WM 1996, 288; LG Münster ZMR 1997, 146; LG Dortmund WM 2001, 450; Fischer in Bub / Treier VIII 225 ). Zur Begründung wird ausgeführt, festzuhalten sei an dem Erfordernis, die Streitwertfestsetzung einfach und klar zu gestalten. Umfangreiche Erhebungen zur Festlegung des Streitwerts seien untunlich. Die Grundlagen für die Streitwertfestsetzung sollten sich aus dem Mietvertrag selbst ergeben. Regelmäßig werde bei den Betriebskosten - seien sie als Pauschale oder Vorauszahlung geltend gemacht - keine Differenzierung danach gemacht, ob sie verbrauchsabhängig sind oder nicht. Lediglich ein Gesamtbetrag sei genannt. Auch sei nicht praktikabel, ob die jeweilige Betriebskostenposition der Versorgung des Mieters diene oder nicht.

Die Heranziehung des Nettomietzinses sei schon deshalb sachgerecht, weil sich die Grundlagen für die Streitwertbemessung aus der Mietvertragsurkunde ergeben. Werden die Betriebskosten zusätzlich herangezogen, ergibt sich bereits deshalb ein ungereimtes Bild, weil die Betriebskostenvorauszahlungen unter dem Vorbehalt der Abrechnung stehen, demgemäß also Erstattungen oder Nachzahlungen des Mieters denkbar sind, die aber bei der Streitwertbemessung außer Betracht bleiben. Der Hinweis auf § 543 BGB ist deshalb nicht überzeugend, weil sich aus dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift Unterschiede zu § 16 GKG ergeben. Die Kündigungsmöglichkeit des § 543 BGB setzt den Vermieter in die Lage, sich ohne Einhaltung einer Frist aus dem Vertragsverhältnis mit dem säumigen Mieter lösen zu können, um seinen finanziellen Schaden so gering wie möglich zu halten. Ein derartiger Schaden erwächst dem Vermieter auch durch die unterlassene Zahlung der Betriebskosten, denn diese Betriebskosten stellen für den Vermieter teilweise durchlaufende Posten dar; entsprechende Finanzmittel muss der Vermieter zur Tilgung von Forderungen Dritter etwa Versorgungsunternehmen aufbringen.

Derartige Erwägungen sind im Rahmen des § 16 GKG ohne Bedeutung.

Nach § 535 Abs. 2 BGB stellt die Zahlung der vereinbarten Miete die Gegenleistung des Mieters dar für die Überlassung des Mietobjekts. Die Betriebskostenzahlungen schuldet der Mieter als Gegenleistung für die vom Vermieter zu erfüllenden Nebenleistungen. Dem entspricht, dass Nettomiete und Betriebskosten getrennt im Mietvertrag ausgewiesen sind.

Auch aus § 551 Abs. 1 BGB ergibt sich, dass die Berechnung der Kaution von der Nettomiete ausgeht, also ohne die als Pauschale oder Vorauszahlung ausgewiesenen Betriebskosten. Viele Mietspiegel gehen bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete von reinen Nettomieten aus. Daher ist nicht zwingend, dass der Begriff der Miete in § 543 BGB genauso interpretiert wird wie das Entgelt, auf das § 16 GKG abstellt.

Der Grundsatz, von der Nettomiete bei der Festsetzung des Streitwerts für die Gebühren auszugehen, versagt dann, wenn die Mietvertragsparteien eine Inklusivmiete vereinbart haben. In derartigen Fällen ist eine Herausrechnung der Betriebskosten nicht möglich, allenfalls mit großem Aufwand, der aber gerade bei der Streitwertfestetzung unterbleiben soll. Bei der Inklusivmiete muss daher die gesamte Miete bei der Streitwertfestsetzung berücksichtigt werden. Dies mag für die beteiligten Prozessparteien kostenmäßig mit Nachteilen, für die beteiligten Bevollmächtigten mit Vorteilen verbunden sein, was aber als Ausfluss der Privatautonomie billigend in Kauf genommen werden kann.

Da zudem hinzukommt, dass die Streitwertbemessung unter Heranziehung der Vorauszahlungen auf die Betriebskosten eine alljährliche Abrechnung dieser Betriebskosten außer acht lässt, ist es im Ergebnis unter Vermeidung größeren Aufwands sachgerecht, bei der Streitwertbestimmung grundsätzlich allein von der Nettomiete auszugehen. Dies schafft klare Verhältnisse.

Demgegenüber vertritt Lützenkirchen ( Die Entwicklung des Mietrechts in der obergerichtlichen Rechtsprechung des Jahres 2001, WM 2002, 179, 195 ) unter Bezugnahme auf das OLG Zweibrücken ( WM 2001, 420 ) die Auffassung, so auch in der Beschwerdebegründung, seit der Mietrechtsreform sei es nicht mehr gerechtfertigt, das Entgelt im Sinne des § 16 GKG an einem anderen Wert als der Bruttomiete zu orientieren. Ziel der Mietrechtsreform sei es u.a. gewesen, auf einen einheitlichen Begriff der Miete hinzuwirken. Der Gesetzentwurf ( GE ) habe in § 556 Abs. 1 GE eine Legaldefinition der Miete enthalten, derzufolge die Miete die Grundmiete und einen Betrag für die Betriebskosten enthalten sollte. Zwar sei dieser Entwurf nicht Gesetz geworden; jedoch könne allein aus dem Wegfall der ursprünglichen Legaldefinition nicht hergeleitet werden, dass sich an der Zusammensetzung der Miete etwas geändert habe. Angesichts dieser gesetzgeberischen Erwägungen müsse die Miete stets als Summe aus Grundmiete und Betriebskosten verstanden werden; daher müsse auch in § 16 GKG die Miete plus Betriebskosten als Grundlage der Berechnung dienen.

Gegen diese Auffassung, die sich in erster Linie auf den historischen Gesetzgeber stützt, bestehen durchgreifende Bedenken. Der Rechtsausschuss hat nämlich in seiner Stellungnahme und Beschlussempfehlung an den Deutschen Bundestag von der im Regierungsentwurf vorgesehenen Legaldefinition ganz bewusst Abstand genommen. Neue Streitfragen wurden befürchtet. Durch die Aufgabe der Legaldefinition sollte eine Beschränkung auf eine bestimmte Art der Miete vermieden werden. Der Gesetzgeber kannte die Rechtswirklichkeit, in der Netto-, Brutto-, Teilinklusivmieten pp. anzutreffen sind, und hielt demgemäß die Kreation eines einheitlichen gesetzlichen Mietbegriffs nicht für möglich, wenn die Mietvertragsparteien auch weiterhin in der Lage sein sollten, alle Arten von Mieten, sei es Brutto-, Netto- oder Inklusivmieten vereinbaren zu können ( Börstinghaus / Eisenschmid, Neues Mietrecht, Arbeitskommentar 2001, 217 ). Der Deutsche Bundestag ist dieser Empfehlung gefolgt; eine Beschränkung des Mietbegriffs auf die Bruttomiete hat damit nicht stattgefunden. Der Gesetzgeber hat somit eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass kein Raum besteht für eine Beschränkung des Mietbegriffs auf die Bruttomiete ( so auch LG Rostock ZMR 2002, 922, 923 ).

Demgemäß folgt die Kammer der Auffassung, dass bei der Streitwertbemessung für Räumungsklagen der zwölffache Betrag der Nettomiete in Ansatz zu bringen ist. Die Streitwertbeschwerde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin unterlag daher der Zurückweisung.

Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst.






LG Köln:
Beschluss v. 17.02.2003
Az: 1 T 31/03


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