Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 11. August 2009
Aktenzeichen: NotZ 4/09

(BGH: Beschluss v. 11.08.2009, Az.: NotZ 4/09)

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Senats für Notarsachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 2. März 2009 - Not W 2/08 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und die dem Antragsgegner sowie dem weiteren Beteiligten im Beschwerderechtszug entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.

Geschäftswert: 50.000 €.

Gründe

I.

Der Antragsgegner schrieb im Justizministerialblatt für das Land Brandenburg vom 15. Januar 2008 (S. 11) eine Notarstelle in F. aus. Bewerbungsschluss war der 15. Februar 2008. Die bisherige Amtsinhaberin schied auf eigenen Antrag im Alter von 63 Jahren mit Ablauf des 30. April 2008 aus. Auf die Stelle bewarben sich unter anderem der Antragsteller und der weitere Beteiligte.

Der Antragsteller wurde 1967 geboren. Die juristischen Staatsexamina bestand er mit den Prädikaten befriedigend (7,29 Punkte, Erste Staatsprüfung) und vollbefriedigend (9,07 Punkte, Zweite Staatsprüfung, Mai 1997). Von Oktober 1997 bis Juni 1999 war er als Richter auf Probe beim Landgericht C. tätig. Vom 1. Juli 1999 bis zum 31. Juli 2001 war er Notarassessor im Land Brandenburg. Unter dem 23. Mai 2001 beurteilte ihn sein Ausbildungsnotar mit "14 Punkte/für das Notaramt geeignet". Seit dem 1. August 2001 ist er Notar in G. .

Der weitere Beteiligte wurde 1964 geboren. Das erste juristische Staatsexamen bestand er 1992 mit der Note ausreichend (5,87 Punkte) und das zweite im November 1994 mit befriedigend (7,32 Punkte). 1997 wurde er mit einer Dissertation im Steuer- und Steuerstrafrecht promoviert. 1996 stellte ihn die Ländernotarkasse ein. Im Mai 1998 wurde er von der Notarkammer Brandenburg als Notaranwärter angestellt und zugleich an die Ländernotarkasse abgeordnet. Mit Wirkung vom 1. April 1999 wurde er zum Notarassessor im Land Brandenburg ernannt. Ab Juni desselben Jahres übernahm er die alleinige Geschäftsführung der Ländernotarkasse. Im Juni 2002 wurde er zugleich ständiger Vertreter des Notars K. in N. , der seit diesem Jahr Mitglied des Deutschen Bundestags ist. Im Jahr 2002 bescheinigte ihm der Notar J. in L. in einem Beurteilungsbeitrag für die Notarkammer Sachsen, als für die Bestellung zum Verwalter einer Notarstelle geeignet zu sein. Im Dezember 2003 erteilte ihm der Präsident der Ländernotarkasse die Beurteilung "für die Übernahme eines Notaramts besonders geeignet". Im Dezember 2007 erhielt er von dem Notar K die Beurteilung "für die Bestellung zum Notar hervorragend geeignet". Der weitere Beteiligte hat eine Reihe von juristischen Beiträgen veröffentlicht und ist Schriftleiter der Zeitschrift für notarielle Beratungs- und Beurkundungspraxis (NotBZ).

Der Antragsgegner beabsichtigt, die Stelle mit dem weiteren Beteiligten zu besetzen. Er teilte dies dem Antragsteller mit Bescheid vom 6. Mai 2008 mit. Als Begründung gab er an, er mache von dem ihm zustehenden Organisationsermessen dahin gehend Gebrauch, dass er die Stelle unter anderem mit Rücksicht auf die Wahrung einer geordneten Altersstruktur und die Fürsorgepflicht der Landesjustizverwaltung, anstellungsreifen Notarassessoren einen beruflichen Einstieg zu ermöglichen, bevorzugt einem Notarassessor zu übertragen beabsichtige. Auffällige Leistungsunterschiede zwischen dem weiteren Beteiligten und dem Antragsteller, die es geböten, Letzteren zu bevorzugen, bestünden nicht. Weiter spreche gegen die Entscheidung zugunsten eines Assessors nicht, dass dieser die Stelle übernehmen könne, die der Antragsteller frei mache, wenn er die ausgeschriebene Stelle übertragen erhalte. Dies würde auf ein in Brandenburg nicht praktiziertes Vorrücksystem hinauslaufen, zu dem keine Justizverwaltung verpflichtet sei. Im Übrigen sei es nicht gewährleistet, dass der weitere Beteiligte bei einer Bewerbung um die G. Stelle bei faktischer Anwendung des Vorrücksystems nicht wieder der Konkurrenz durch einen amtierenden Notar weichen müsste.

Hiergegen hat der Antragsteller Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt, mit dem er die Verpflichtung des Antragsgegners zur Neubescheidung begehrt. Das Oberlandesgericht hat diesen Antrag und den weiter gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, dem Antragsgegner die Besetzung der Stelle bis zur bestandskräftigen Entscheidung in der Hauptsache zu untersagen, zurückgewiesen. Mit der sofortigen Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter. Ferner hat er erneut Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt.

II.

Die gemäß § 111 Abs. 4 BNotO i.V.m. § 42 Abs. 4 BRAO zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Das Oberlandesgericht hat den Antrag des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung gegen den Bescheid vom 6. Mai 2008 mit Recht zurückgewiesen. Die vom Antragsgegner getroffene Auswahl erweist sich unter Berücksichtigung ihrer eingeschränkten Nachprüfbarkeit durch die Gerichte als rechtmäßig.

a) Weder die Bundesnotarordnung noch das Grundgesetz gewähren einem Bewerber einen Rechtsanspruch auf die Übertragung eines Notaramtes. Jedoch hat die zuständige Justizverwaltung nach pflichtgemäßer Beurteilung über die Stellenvergabe zu befinden. Dies gilt auch dann, wenn ein Bewerber, der bereits Notar ist, um eine Verlegung seines Amtssitzes gemäß § 10 Abs. 1 Satz 3 BNotO nachsucht, um die freie Stelle einnehmen zu können. In diesem Fall hat die Justizverwaltung beim Vorliegen mehrerer Bewerbungen nicht nur eine Auswahl nach § 6 Abs. 3 BNotO zu treffen. Vielmehr hängt ihre Entscheidung über die Bewerbung des bereits amtierenden Notars auch - und vorrangig - davon ab, ob die Verlegung des Amtssitzes im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 3 BNotO mit den Belangen einer geordneten Rechtspflege in Einklang steht. Bei der Beurteilung dieser Frage ist der Justizverwaltung im Rahmen ihrer Organisationshoheit ein erheblicher, gerichtlich nur beschränkt nachprüfbarer Entscheidungsspielraum eingeräumt. Dieser ist insgesamt weiter als derjenige bei einer reinen Auswahlentscheidung nach § 6 Abs. 3 BNotO; denn betroffen wird der bereits amtierende Notar hier nicht in seiner Berufswahlfreiheit im Sinne des Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG, sondern durch das mögliche weitere Festhalten an seinem bisherigen Amtssitz lediglich in der Freiheit der Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG), die aufgrund der staatlichen Bindungen des Notaramts von vorneherein besonderen Beschränkungen unterliegt (st. Rspr.; siehe nur - jeweils m.w.N. - Senatsbeschlüsse vom 28. März 1991 - NotZ 27/90 - NJW 1993, 1591; vom 13. Dezember 1993 - NotZ 60/92 - DNotZ 1994, 333, 334; vom 5. Februar 1996 - NotZ 25/95 - DNotZ 1996, 906, 908; vom 14. Juli 2003 - NotZ 47/02 - NJW-RR 2004, 1067, 1068; vom 7. Dezember 2006 - NotZ 24/06 - NJW-RR 2007, 1559 f, Rn. 6 und vom 28. Juli 2008 - NotZ 3/08 - NJW-RR 2009, 202, Rn. 11).

All dies gilt insbesondere auch dann, wenn sich um eine freie (Nur-)Notarstelle sowohl Notarassessoren aus dem Anwärterdienst des betreffenden Bundeslandes als auch bereits amtierende Notare bewerben, sei es, dass diese ihren Amtssitz in einem anderen Bundesland haben (siehe dazu Senatsbeschluss vom 2. Dezember 2002 - NotZ 13/02 - NJW-RR 2003, 562 f), sei es, dass deren Amtssitz - wie hier - im selben Bundesland liegt wie die zu besetzende Stelle (siehe dazu Senatsbeschlüsse vom 14. Juli 2003 und 7. Dezember 2006 jew. aaO). In diesen Fällen kommt einem bereits amtierenden Notar nicht etwa grundsätzlich der Vorrang zu. Vielmehr ist bei der der eigentlichen Auswahlentscheidung vorgelagerten - allein organisationsrechtlich und personalwirtschaftlich bestimmten - Entscheidung, ob die frei gewordene Notarstelle durch die Bestellung eines Notarassessors zum Notar oder durch die Verlegung des Amtssitzes eines bereits amtierenden Notars besetzt werden soll, neben dem Bedürfnis nach einer angemessenen Versorgung der Rechtsuchenden mit notariellen Leistungen und der Wahrung einer geordneten Altersstruktur (vgl. § 4, § 10 Abs. 1 Satz 3 BNotO) auch zu berücksichtigen, dass den "anstellungsreifen" Notarassessoren der berufliche Einstieg ermöglicht werden muss (siehe § 7 Abs. 1 BNotO). Diese stehen in einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis zum Staat (§ 7 Abs. 4 Satz 1 BNotO), aus dem sich eine Fürsorgepflicht der Landesjustizverwaltung ergibt, ihr Vertrauen darauf nicht zu enttäuschen, eine der vorhandenen Notarstellen in Zukunft zu erhalten. Dieses Anwartschaftsrecht der Notarassessoren ist grundsätzlich bei der Entscheidung in Erwägung zu ziehen, wenn sie sich als geeignet für die Bestellung zum Notar erwiesen haben. Wird die vorausgehende Organisationsentscheidung der Sache nach schon im Blick auf bestimmte konkurrierende Bewerber getroffen, so ist der Beurteilungsmaßstab allerdings auch dahingehend modifiziert, dass bei auffälligen, erheblichen Eignungsunterschieden die Art. 3, 12, 33 Abs. 2 GG zu berücksichtigen sind und damit das Prinzip der Bestenauslese Beachtung zu finden hat (siehe z.B. Senatsbeschlüsse vom 14. Juli 2003 aaO; vom 7. Dezember 2006 aaO S. 1560, Rn. 7 und vom 14. April 2008 - NotZ 114/07 - juris Rn. 4, insoweit in DNotZ 2008, 862, Rn. 4 nicht vollständig abgedruckt; vom 28. Juli 2008 - NotZ 3/08 - NJW-RR 2009, 202 Rn. 11; vgl. auch BVerfG NJW-RR 2005, 998, 999 f und Senatsbeschluss vom 2. Dezember 2002 aaO S. 563).

b) Die Entscheidung, die frei gewordene Notarstelle in F. mit dem weiteren Beteiligten zu besetzen, hält sich im Rahmen des dem Antragsgegner nach diesen Grundsätzen zustehenden Entscheidungsspielraums.

aa) Zutreffend hat der Antragsgegner in diese Abwägung eingestellt, dass den Notarassessoren ein beruflicher Einstieg ermöglicht werden muss. Im Land Brandenburg waren 2008 sechs Notarassessoren tätig, die in einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis zum Staat stehen (§ 7 Abs. 4 Satz 1 BNotO). Das Gesetz sieht die Ernennung zum Notar und die Einweisung in eine Notarstelle nach Ablauf von drei Jahren (vgl. § 7 Abs. 1, Abs. 6 Nr. 1 BNotO) als Regel an, zumal in § 7 Abs. 7 Nr. 3 BNotO die Entlassung eines Notarassessors vorgesehen ist, falls er sich nach Ableistung des dreijährigen Anwärterdienstes ohne hinreichenden Grund nicht um eine ihm von der Landesjustizverwaltung angebotene Notarstelle bewirbt, die zuvor ausgeschrieben worden war und mangels geeigneter Bewerber nicht besetzt werden konnte (Senatsbeschluss vom 14. Juli 2003 aaO, m.w.N.).

Zu einem funktionierenden Notariat gehört auch ein geordnetes Notarassessorensystem. Gemäß § 4 Satz 2 BNotO ist die Wahrung einer geordneten Altersstruktur des Notarberufs bei der Organisationsentscheidung zu berücksichtigen. Diese wird insbesondere durch die Bestellung von Notarassessoren zu Notaren gewahrt, da dies in der Regel zu einer Absenkung des Durchschnittsalters der Notare führt. Dies kann aber nur dann gewährleistet werden, wenn auch die Notarassessoren nicht überaltern. Neue und junge Notarassessoren können regelmäßig nur bestellt werden, wenn ältere durch Bestellung zum Notar die Assessorenzeit beendet haben. Des Weiteren kommt den Notarassessoren bei der Übernahme von Vertretungen gemäß § 39 Abs. 3 Satz 2 BNotO und Notariatsverwaltungen gemäß § 56 Abs. 5 BNotO besondere Bedeutung zu. Dies dient der Versorgung der Rechtsuchenden mit notariellen Leistungen im Sinne des § 4 Satz 2 BNotO (Senatsbeschlüsse vom 14. Juli 2003 aaO und vom 14. April 2008 - NotZ 114/07 - DNotZ 2008, 862, 863, Rn. 7).

Diese Gesichtspunkte kommen auch im Streitfall zum Tragen. Vorliegend hatte der weitere Beteiligte die dreijährige Notarassessorenzeit zum maßgeblichen Zeitpunkt (§ 6b Abs. 4 Satz 1 BNotO) bereits um fast sechs Jahre überschritten. Auch die weiteren Notarassessoren im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners hatten die Anstellungsreife schon seit geraumer Zeit erreicht. Dies war nach den glaubhaften und vom Antragsteller auch nicht bestrittenen Angaben bei dem Dienstjüngsten bereits seit Juni 2006 der Fall. Mit dem Freiwerden der nächsten Notarstelle ist erst 2010 zu rechnen. Hiernach besteht sowohl unter Fürsorgegesichtspunkten gegenüber den vorhandenen Notarassessoren als auch im Hinblick auf die Altersstruktur des Notariats und der Notarassessorenschaft ein Bedürfnis, bei der Stellenbesetzung bevorzugt einen anstellungsreifen Notarassessor zu berücksichtigen. Entgegen der Auffassung des Antragstellers widerspricht dem nicht, dass die lange Dauer der Notarassessorenzeit des weiteren Beteiligten darauf zurückzuführen ist, dass er vorwiegend als Geschäftsführer der Ländernotarkasse eingesetzt war. Dies mindert die Fürsorgepflicht des Antragsgegners ihm gegenüber nicht. Vielmehr darf es dem weiteren Beteiligten nicht zum Nachteil gereichen, wenn er sich bereit gefunden hat, diese im Interesse aller Notare in den neuen Ländern liegende Tätigkeit - unter Inkaufnahme der damit faktisch ohnehin regelmäßig verbundenen längeren Assessorenzeit - auszuüben.

bb) Der Antragsgegner hat in seine Ermessensentscheidung, die Notarstelle in F. dem weiteren Beteiligten zu übertragen, auch die Möglichkeit einbezogen, dass die bisherige Stelle des Antragstellers in G. bei einer Verlegung seines Amtssitzes frei würde und damit grundsätzlich zur Neubesetzung auch mit einem Notarassessor zur Verfügung stünde. Fehler bei der Ermessensausübung sind nicht festzustellen. Zwar kann für eine Auswahlentscheidung zugunsten eines Notars, der sich um einen Amtssitzwechsel bemüht, sprechen, dass die bisher von ihm eingenommene Stelle zur (Wieder-) Besetzung frei würde (Senatsbeschluss vom 14. April 2008 juris Rn. 8, insoweit in DNotZ 2008, 862 nicht abgedruckt). Jedoch sind die Erwägungen, mit denen der Antragsgegner diesen Gesichtspunkt nicht für durchgreifend erachtet hat, nicht zu beanstanden.

Abgesehen davon, dass die vom Antragsteller für richtig gehaltene Verfahrensweise nicht sicherstellen würde, dass der weitere Beteiligte bei einer Bewerbung auf die G. Stelle zum Zuge käme, liefe sie, wie das Oberlandesgericht mit Recht herausgestellt hat, auf ein sogenanntes Vorrücksystem hinaus. Dieses praktiziert der Antragsgegner aber nicht (vgl. Senatsbeschluss vom 28. Juli 2008 - NotZ 3/08 - NJW-RR 2009, 202, 203, Rn. 22) und ist hierzu auch nicht gehalten. Der Senat hat ein solches System zwar als eine zulässige personalwirtschaftliche Maßnahme im Rahmen der Organisationsgewalt der Landesjustizverwaltung anerkannt (Senatsbeschlüsse BGHZ 151, 252, 255 und vom 13. Dezember 1993 - NotZ 60/92 - DNotZ 1994, 333, 335). Ein besonderer (rechtlicher) Vorrang des Vorrücksystems vor anderen personalwirtschaftlichen Maßnahmen ist damit aber nicht verbunden (z.B.: Senatsbeschlüsse vom 14. Juli 2003 aaO, S. 1069 und 14. April 2008 aaO, Rn. 10). Vielmehr kann sich die Landesjustizverwaltung aus sachlichen Gründen für ein solches System und, je nach Lage, auch dagegen entscheiden (Senatsbeschluss vom 14. Juli 2003 aaO). Dass sich der Antragsgegner gegen ein Vorrücksystem entschieden hat, ist im Hinblick auf die inhomogene Zusammensetzung des brandenburgischen Notariats, in dem unter anderem ehemalige staatliche Notare mit DDR-Ausbildung, vormalige Anwaltsnotare, Notare mit Notarassessorenausbildung und "Quereinsteiger" tätig sind, als Ermessensausübung nicht zu beanstanden.

cc) Weiterhin steht der Auswahlentscheidung des Antragsgegners auch nicht das Prinzip der Bestenauslese entgegen, soweit dieses vorliegend in eingeschränktem Umfang als Entscheidungskriterium zum Tragen kommt (siehe oben zu a). Ein Beurteilungsfehler des Antragsgegners ist nicht festzustellen.

(1) Bei der Prüfung, ob der Antragsteller nach den für die Bestenauslese maßgeblichen Kriterien einen auffälligen, erheblichen Vorsprung gegenüber dem weiteren Beteiligten hat, war nicht entscheidend auf den Gesichtspunkt der Berufserfahrung abzustellen; dies würde den Vergleich zwischen Notarassessor und amtierendem Notar stets zugunsten des Letzteren ausgehen lassen und dem Assessor damit jede Chance auf die Bestellung nehmen (Senatsbeschlüsse vom 14. Juli 2003 aaO und vom 14. April 2008 aaO, Rn. 21).

Soweit der Antragsteller im Zusammenhang mit den Erfahrungen des weiteren Beteiligten geltend macht, dieser habe wegen seiner Tätigkeit bei der Ländernotarkasse keine "vollwertige" Notarassessorenzeit durchlaufen, ist dem entgegenzuhalten, dass nach § 4 Abs. 3 der brandenburgischen Verordnung über die Ausbildung der Notarassessoren vom 17. Februar 1999 (GVBl. Bbg II S. 122) die Tätigkeit bei der Ländernotarkasse in vollem Umfang auf die Dauer des Anwärterdienstes angerechnet wird. Die Verordnung setzt damit voraus, dass die Beschäftigungen eines Assessors an dieser Stelle und bei einem Ausbildungsnotar gleichwertig sind (vgl. auch BVerfG NJW-RR 2005, 998, 1000).

Hinzu tritt, dass, worauf das Oberlandesgericht mit Recht hingewiesen hat, der weitere Beteiligte seine geringere berufsbezogene Erfahrung durch seine Tätigkeiten als Geschäftsführer der Ländernotarkasse und als Schriftleiter der Zeitschrift für notarielle Beratungs- und Beurkundungspraxis zumindest teilweise ausgleichen konnte. Aufgrund dieser Betätigungen erlangte er breite und vertiefte Kenntnisse in einer Vielzahl von für das Notaramt bedeutsamen Rechtsbereichen. Die hiergegen in der Beschwerdebegründung erhobenen Bedenken des Antragstellers vermag der Senat nicht zu teilen. Im Rahmen seiner Beschäftigung als Geschäftsführer der Ländernotarkasse war der weitere Beteiligte, wie dem Senat aus einer größeren Anzahl von Verfahren aus eigener Anschauung bekannt ist, mit vielfältigen Fragen des notariellen Berufs- und Kostenrechts befasst. Die vom weiteren Beteiligten betreute Zeitschrift erfasst mit der Veröffentlichung von Rechtsprechungsentscheidungen, Aufsätzen, Kurzbeiträgen und dergleichen das gesamte Spektrum der von einem Notar zu betreuenden Rechtsgebiete. Da sich der Schriftleiter mit den eingereichten Beiträgen und Entscheidungen vertieft inhaltlich zu befassen hat, liegt es auf der Hand, dass diese Tätigkeit geeignet ist, profunde Kenntnisse auf den maßgeblichen Rechtsgebieten zu verschaffen. Dementsprechend hat der Notar J. in seinem Beurteilungsbeitrag ausgeführt, der weitere Beteiligte habe in der praktischen notariellen Tätigkeit von seinen Kenntnissen, die er bei seiner Arbeit als Schriftleiter der NotBZ gewonnen habe, erheblich profitiert.

Für seinen Rechtsstandpunkt unbehelflich ist ferner der Hinweis des Antragstellers, der Antragsgegner habe dem weiteren Beteiligten im Zusammenhang mit der Bewerbung auf eine andere Stelle in K. noch 2007 attestiert, er verfüge nur über geringe notarielle Erfahrungen und sei deshalb noch nicht "besetzungsgeeignet". Diese Feststellung bezog sich, wie der Antragsgegner - vom Antragsteller nicht bestritten - in seiner Antragserwiderung vom 1. August 2008 ausgeführt hat, auf den Zeitpunkt des Endes der Ausschreibungsfrist für die Stelle in K. im April 2004. Seither hatte der weitere Beteiligte bis zu dem im vorliegenden Verfahren nach § 6b Abs. 4 Satz 1 BNotO maßgeblichen Zeitpunkt fast vier Jahre Zeit, zusätzliche Erfahrungen in der notariellen Praxis zu gewinnen.

(2) Weiter können die besondere Qualität der Amtsführung auf Seiten des Notars und herausragende Leistungen des Assessors im Einzelfall in den Vergleich einfließen (Senatsbeschluss vom 14. Juli 2003 aaO). Auch unter diesem Gesichtspunkt hat der Antragsteller keinen entscheidenden Vorsprung gegenüber dem weiteren Beteiligten. Zwar ist dem Antragsteller in Geschäftsprüfungsberichten attestiert worden, er führe sein Amt, von geringfügigen Beanstandungen abgesehen, vorbildlich. Andererseits handelt es sich bei dem weiteren Beteiligten ausweislich der über ihn im Dezember 2003 und Dezember 2007 erstellten Beurteilungen ebenfalls um einen auf den Gebieten der notariellen Tätigkeit besonders leistungsstarken Juristen. Damit ist eine bedeutsame, den "Regelvorrang" für Notarassessoren überwindende Leistungsdifferenz zugunsten des Antragstellers nicht festzustellen.

Ob und aus welchen Gründen der weitere Beteiligte später als gewöhnlich die Eignung als Notar attestiert erhalten hat, wie der Antragsteller behauptet, ist für die Auswahlentscheidung nicht ausschlaggebend. Vielmehr ist hierfür in erster Linie der aktuelle Leistungsstand zu dem nach § 6b Abs. 4 Satz 1 BNotO maßgeblichen Zeitpunkt von Bedeutung (vgl. Senatsbeschlüsse vom 9. Dezember 2008 - NotZ 25/07 - juris Rn. 24 und - NotZ 49/07 - juris Rn. 18 jew. m.w.N.).

(3) Bestehen solche besonderen Qualitätsunterschiede nicht, können schließlich stark divergierende Ergebnisse der Staatsprüfungen bei der Stellenbesetzung zugunsten des Notarbewerbers den Ausschlag geben (Senatsbeschlüsse vom 14. Juli 2003 aaO). Auch insofern ist die Auswahlentscheidung nicht zu beanstanden. Zwar hat der Antragsteller in beiden Staatsexamina jeweils ein um eine Notenstufe besseres Prädikat erzielt als der weitere Beteiligte. Hieraus ergibt sich jedoch ebenfalls kein derart signifikanter Unterschied, dass der Antragsteller den grundsätzlichen Vorrang des weiteren Beteiligten als Notarassessor überwinden könnte. Es ist bereits zweifelhaft, ob die rechnerische Differenz als solche die Annahme eines solchen Qualifikationsunterschieds rechtfertigen könnte. Vor allem aber ist zu berücksichtigen, dass mit zunehmender beruflicher Tätigkeit und fortschreitendem zeitlichen Abstand die Aussagekraft der Staatsexamensergebnisse über den für die Stellenbesetzung maßgeblichen aktuellen Leistungsstand immer weiter nachlässt (Senatsbeschluss vom 9. Dezember 2008 - NotZ 25/07 aaO; vgl. auch BVerfGE 110, 304, 333 ff). Der Antragsteller hat seine zweite juristische Staatsprüfung im Mai 1997 abgelegt. Der weitere Beteiligte hat sein zweites Staatsexamen im November 1994 absolviert. Damit lag der Abschluss der juristischen Ausbildung der beiden Bewerber am 15. Februar 2008 (§ 6b Abs. 4 Satz 1 BNotO) knapp elf beziehungsweise 13 Jahre zurück. Dies sind derart lange Zeitabstände, dass sich die Unterschiede der Staatsprüfungen bereits relativiert haben und die aktuellen Erkenntnisse über den Leistungsstand der Bewerber bei der Abwägung demgegenüber ein stärkeres Gewicht erlangen. Insofern besteht aber, wie bereits ausgeführt, kein auffälliger, erheblicher Vorsprung des Antragstellers.

dd) Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist es für die Auswahlentscheidung ohne Bedeutung, ob und wie oft sich ein Mitbewerber bereits - vergeblich - auf andere Notarstellen beworben hat.

ee) Soweit der Antragsteller den Verdacht äußert, die, wie er meint, lukrative Stelle in F. sei gezielt für den weiteren Beteiligten freigehalten worden, hat sich das Oberlandesgericht hiermit in dem angefochtenen Beschluss eingehend auseinander gesetzt. Diese Ausführungen, denen der Antragsteller nicht entgegen getreten ist, sind nicht zu beanstanden, weshalb der Senat auf sie vollinhaltlich Bezug nimmt.

2. Mit der Zurückweisung der Beschwerde in der Hauptsache hat sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erledigt.

Schlick Wendt Herrmann Doye Eule Vorinstanz:

OLG Brandenburg, Entscheidung vom 02.03.2009 - Not W 2/08 -






BGH:
Beschluss v. 11.08.2009
Az: NotZ 4/09


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