Bundespatentgericht:
Beschluss vom 30. August 2005
Aktenzeichen: 27 W (pat) 11/04

(BPatG: Beschluss v. 30.08.2005, Az.: 27 W (pat) 11/04)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I Gegen die am 26. Oktober 2001 erfolgte Eintragung der Wort-/Bildmarke 301 12 755 Grafik der Marke 30112775.1 für die Waren

"Damen-, Herren-, Kinder-, Ober- wie Unterbekleidung aller Art; Damen-, Herren- wie auch Kinderschuhwerk inkl. sportlichen Schuhwerks, insbesondere Turnschuhe; Waren aus Papier, Pappe, Kunststoff, Verpackungsmaterialien hieraus, soweit in Klasse 16 enthalten"

hat die Widersprechende aus ihrer am 6. März 2000 eingetragenen Gemeinschaftswortmarke 299 578 UNDERGROUND, eingetragen für:

"Waren aus Papier, Waren aus Pappe (Karton), Druckereierzeugnisse, Plakate, Karten, Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate), Photographien, Spielkarten; Bekleidungsstücke, ausgenommen Schuhwaren; Spiele, Spielzeug und Sportartikel", Widerspruch eingelegt. Aufgrund dieses Widerspruchs hat die Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamts die angegriffene Marke gelöscht. Angesichts der klanglichen Identität der für identische bis ähnliche Waren beanspruchten Marken sei die Gefahr von Verwechslungen gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG gegeben. Den Widerspruch aus einer weiteren Marke der Widersprechenden hat sie dagegen zurückgewiesen, weil die Widersprechende auf die Nichtbenutzungseinrede des Markeninhabers die rechtserhaltende Benutzung nicht nachweisen konnte.

Gegen die Löschung seiner Marke wendet sich der Markeninhaber mit seinem Widerspruch, mit dem er die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses begehrt. Er bestreitet die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke 299 578.

Die Widersprechende, der die Zurückweisung der Beschwerde beantragt, hat daraufhin zur Glaubhaftmachung der Benutzung eine eidesstattliche Versicherung sowie verschiedene Kopien von Bekleidungsstücken und deren Verpackungen und Veröffentlichungen und Broschüren vorgelegt. Danach werde die Widerspruchsmarke seit Jahren ununterbrochen für verschiedene Merchandising-Artikel der Widersprechenden benutzt, nämlich für Bekleidungsstücke wie T-Shirts, Socken, Unterwäsche, sowie für unterschiedlichste Druckwerke wie Poster, Briefpapier, Mousepads, Telefonkarten etc. Die Umsätze allein im Bekleidungsbereich hätten in den Jahren 1999 bis 2004 jährlich zwischen ... und ... GBP betragen, und zwar im Museumsshop des L... Transport Museum, im Inter- net und über Vertragshändler unter anderem in L... und in I.... Wegen des Inhalts der vorgelegten Erklärungen und Dokumente, die auch in der mündlichen Verhandlung ausführlich erläutert worden sind, wird auf die bei den Akten befindlichen Unterlagen Bezug genommen. In der mündlichen Verhandlung hat der Vertreter der Widersprechenden Originalexemplare von Bekleidungsstücken vorgelegt, die nach Inaugenscheinnahme und Erörterung wieder zurückgegeben worden sind.

Der Inhaber der angegriffenen Marke hält eine Benutzung der Widerspruchsmarke nicht für glaubhaft gemacht. In den vorgelegten Unterlagen, gegen die er ansonsten ebenso wenig einwendet wie gegen die von der Markenstelle festgestellte Warenähnlichkeit bis Identität und die klangliche Identität der Wortelemente der Vergleichsmarken, findet sich die nachfolgende Benutzungsform:

Roundel, © LUL

. Dies sei keine rechtserhaltende Benutzung der reinen Wortmarke "UNDERGROUND". Die hinzugetretenen grafischen Merkmale veränderten den kennzeichnenden Charakter der Widerspruchsmarke, denn in der verwendeten Form sei eindeutig ein Hinweis auf das Unternehmen "L... Untergrundbahn" zu sehen, was bei dem für sich genommen vielfältigen "UNDERGROUND" mit seinen Assoziationen zu Untergrund-Literatur, Untergrund-Bewegung und sonstigen Untergrund-Aktivitäten nicht der Fall sei. Demgegenüber ist die Widersprechende der Ansicht, die Benutzungsform der Marke sei rechtserhaltend; es stehe ihr frei, die Marke grafisch auszugestalten.

Der Markeninhaber, der die Vorlage der seiner Ansicht nach zu unübersichtlichen Benutzungsunterlagen erst wenige Tage vor der mündlichen Verhandlung beanstandet, hat die Gewährung einer Schriftsatzfrist von drei Wochen zu weiterem Vortrag beantragt. Dem ist die Widersprechende entgegen getreten. Alle Sachfragen seien erörtert, zu Rechtsfragen könne jederzeit Stellung genommen werden. Eine frühere Vorlage der Unterlagen sei nicht möglich gewesen, da der Markeninhaber selbst erst einige Wochen nach Erhalt der Ladung zur mündlichen Verhandlung die Einrede der Nichtbenutzung erhoben habe, obgleich dies bereits seit Anfang März 2005 möglich gewesen sei.

In einem nachgereichten Schriftsatz vom 25. August 2008 führt der Markeninhaber aus: Wie bereits in der mündlichen Verhandlung dargelegt, habe der Inhaber der angegriffenen Marke durch die Übermittlung der Benutzungsunterlagen der Widersprechenden erst mit Schriftsatz vom 19. August 2005 nicht ausreichend Zeit gehabt, sich mit den Unterlagen auseinander zu setzen. Er ist der Ansicht, sein rechtliches Gehör sei dadurch verletzt. In der Sache erkennt er die Benutzung des Logos der L... Untergrundbahn für die Waren "Bekleidungsstücke" an, nicht aber für die "Waren aus Papier, Pappe, Kunststoff". Die eidesstattliche Versicherung enthalte keinerlei Angaben über Umsätze und/oder Stückzahlen derartiger Produkte; im übrigen sieht er in den vorgelegten Benutzungsunterlagen keinen Beleg für eine markenmäßige Benutzung, sondern vielmehr als auf das Logo verkürzte, aber jedermann verständliche Adressenangabe, wie sie Verkehrsbetriebe üblicherweise auf Fahrplänen, allgemeinen Mitteilungen etc. aufdruckten. Er regt die Zulassung der Rechtsbeschwerde an.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, weil die angegriffene Marke - bei der gegebenen Warennähe - klanglich mit der Widerspruchsmarke identisch ist, so dass eine Gefahr von Verwechslungen im Sinne von § 9 Abs. 1 MarkenG besteht.

Die Einrede mangelnder Benutzung der Widerspruchsmarke durch den Inhaber der angegriffenen Marke ist zulässig (§ 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG), denn die Widerspruchsmarke war am 6. März 2005 fünf Jahre im Register eingetragen. Somit hatte die Widersprechende glaubhaft zu machen, dass die Widerspruchsmarke innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren vor dieser Entscheidung benutzt wurde.

Die glaubhaft gemachte Benutzungsform erscheint dem Senat rechtserhaltend. Die zum Wort hinzugefügten grafischen Elemente, der rote Kreis sowie das den Schriftzug unterlegende blaue Rechteck, verändern den kennzeichnenden Charakter der Wortmarke "UNDERGROUND" nicht. Nach § 26 Abs. 3 Satz 1 MarkenG sind Abweichungen von der eingetragenen Markenform unschädlich, wenn der angesprochene Verkehr, sofern er die Widerspruchsmarke in der eingetragenen Form kennt, in der benutzten Form noch dieselbe Marke sieht (vgl. BGH GRUR 1986, 892 - Gaucho; BGH 2000, 1038 -Kornkammer) und den zugefügten Bestandteilen keine eigene maßgebende kennzeichnende Wirkung beimisst (vgl. BGH GRUR 1999, 54 - Holtkamp; vgl. BGH GRUR 2002, 167, 168 - Bit/BUD).

Der Verbraucher ist heutzutage an graphische Ausgestaltungen gewöhnt. Der Bildbestandteil mag zwar auffällig sein, doch ist er nicht geeignet, bei einer mündlichen Wiedergabe der Widerspruchsmarke selbständig benannt zu werden, und entfaltet auch ansonsten gegenüber dem Wortbestandteil keine eigenständige Wirkung, die der Marke in ihrer ausgestalteten Gesamtheit einen anderen Hinweis- oder Kennzeichnungscharakter verleihen könnte. Dass, wie der Inhaber der jüngeren Marke vermutet, die grafische Ausgestaltung der Widerspruchsmarke in den konkreten Verwendungsbeispielen besonders an die L... Untergrund- bahn erinnern mag, ist demgegenüber nicht von Bedeutung. Selbst wenn der Inhaber der angegriffenen Marke, die zum Wortbestandteil "UNDERGROUND" ähnliche grafische Elemente hinzufügt wie die Widersprechende in den konkreten Fällen, ihrerseits diese Assoziation bei Teilen des angesprochenen Publikums als werbewirksamen Hinweis auf das Unternehmen der Widersprechenden vielleicht sogar bezwecken wollte, wäre doch aus der Sicht eben dieses Publikums aus der grafischen Gestaltung kein relevanter Unterschied abzuleiten. Denn es ist nicht ersichtlich, dass der Verkehr den hinzugefügten grafischen Elementen eine maßgebende eigene kennzeichnende Wirkung beimessen wird. Die Grafik ist vielmehr für den Charakter des Wortelements als Kennzeichnung für die beanspruchten Waren nicht von Bedeutung, denn der Begriff "UNDERGROUND" bzw. "Untergrund" hat keinen sachlichen Bezug zu den Waren oder zu Merkmalen oder Eigenschaften derselben, so dass er in jedem Fall eine kennzeichnende Eigenständigkeit aufweist (vgl. dazu BGH GRUR 1999, 498 ff. - Achterdiek). Er steht vielmehr für sich und wird von jenen, die die L... Untergrundbahn kennen, mit und ohne Grafik als Hinweis auf dieses Unternehmen bezogen werden, denn ungeachtet der volkstümlichen Bezeichnung als "tube" tritt dieses Unternehmen im Verkehr stets als "Underground" auf, was sich nicht zuletzt aus den in der mündlichen Verhandlung erörterten Belegen und Ausführungen in der eidesstattlichen Versicherung zur Geschichte des Unternehmens und seiner Marken ersehen lässt. Die übrigen Verkehrskreise, die in der Marke keinen irgendwie gearteten Bezug erkennen, werden, da ihnen die Grafik keinen über die Funktion als Gestaltungselement hinausgehenden Inhalt vermittelt, ebenso die Marke mit oder ohne Grafik als ein und dasselbe Zeichen ansehen. Dass in der eidesstattlichen Versicherung ebenso wie in den vorgelegten Unterlagen die Widerspruchsmarke stets nur in der bestimmten, in der Versicherung als "Underground and Roundel" bezeichneten Weise verwendet wird, schließt im Gegensatz zur Ansicht des Inhabers der angegriffenen Marke eine darin liegende Benutzung der ohne den als "Roundel" bezeichneten roten Kreis eingetragenen Wortmarke nicht aus. Es kommt nicht darauf an, wie ein Markeninhaber selbst seine Marke konkret verwendet und benennt, sondern ausschließlich darauf, wie diese vom angesprochenen Verkehr verstanden wird, ob dieser also - auch soweit er das eingetragenen Zeichen kennt - den hinzugefügten Bestandteilen die eigene Kennzeichnungswirkung beimisst (vgl. BGH a.a.O. - Kornkammer; GRUR 2001, 54 ff. - SUBWAY/Subwear). Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass Verbraucher, die die eingetragene Wortmarke der Widersprechenden bereits kennen, in der verwendeten Form durch die Hinzufügung der Grafikelemente eine andere Kennzeichnung für die betreffenden Artikel sehen würden. Damit ist von einer Benutzung im Sinne des § 26 Abs. 3 MarkenG auszugehen.

Nach den von der Widersprechenden vorgelegten Unterlagen wurde die Widerspruchsmarke auch in erheblichem Umfang benutzt. Die seit 1999 erzielten Umsätze mit Bekleidungsstücken sind beträchtlich, was der Inhaber der angegriffenen Marke auch in seinem nachgereichten Schriftsatz nicht in Abrede stellt. Der Senat sieht auch den in der mündlichen Verhandlung anhand der Unterlagen zu DE 11 im Anlagenkonvolut I erörterten Vertrieb von mit Postern und anderen Papierwaren, Spielwaren, Mousepads und sonstigen Merchandising-Artikeln, die mit der Widerspruchsmarke in der angegebenen Form versehen sind, als hinreichend glaubhaft gemacht. Anders als bei reinen Informationsmedien wie Fahrplänen, Fahrkarten etc., bei denen eine markenmäßige Benutzung fraglich sein mag, weil hier das Logo als verkürzte Adressenangabe angesehen werden könnte (so der Markeninhaber in seinem nachgereichten Schriftsatz vom 25. August 2005), kann aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise die Anbringung des Logos auf Mousepads, Postkarten, Postern und ähnlichen Gegenständen, die nicht der Unterrichtung der Fahrgäste dienen, sondern als Souvenir angeboten werden, nur so verstanden werden, dass auf die Widersprechende als Anbieterin der betreffenden Waren hingewiesen werden soll, was Ziel und Zweck einer Marke ist.

Selbst wenn der überwiegende Teil dieser Umsätze in L... selbst erzielt wor- den sein sollte, so würde doch diese Benutzung in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union ausreichen, um sie als rechtserhaltend im Sinne des § 26 MarkenG anzusehen. Der durch die eidesstattliche Versicherung und die diesbezüglich vorgelegten Unterlagen (Anlagenkonvolut III; Anlagenkonvolut !, DE 12) glaubhaft gemachte Vertrieb im Internet und per postalischer Bestellung ist darüber hinaus auch ohne weiteres dem Vertrieb im relevanten Territorium zuzuordnen.

Damit hat die Widersprechende eine Benutzung für die Vergleichswaren insgesamt glaubhaft gemacht. Gegen die weiteren Voraussetzungen der Verwechslungsgefahr, die die Markenstelle zutreffend dargelegt und gewürdigt hat, hat der Inhaber der angegriffenen Marke keine Einwendungen erhoben. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen insoweit auf die Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss Bezug, denen er sich anschließt.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde war nicht angezeigt, da keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu klären waren und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erforderte (§ 83 Abs. 2 MarkenG). Vielmehr konnte der Senat aufgrund der festgestellten Tatsachen den Fall unter Beachtung der geltenden Grundsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung entscheiden.

Der nachgereichte Schriftsatz des Markeninhabers vom 25. August 2005 gibt keine Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§§ 296 a, 156 ZPO), da er weder neue Tatsachen enthält noch Rechtsfragen anspricht, die in der mündlichen Verhandlung nicht erörtert wurden. Denn in dieser sind alle Fragen, die Gegenstand der Entscheidung sind, ausführlich erörtert worden, und im Termin ist kein Anhaltspunkt dafür vorgetragen oder sonst ersichtlich geworden, dass seitens des Markeninhabers noch neue Tatsachen oder Rechtsansichten vorzutragen sein könnten. Nach ausführlicher Erörterung der Benutzungsunterlagen, bei denen alle für die Entscheidung relevanten Dokumente und Unterlagen in Augenschein genommen und diskutiert wurden, hat sich die Verhandlung allein auf die Rechtsfragen der rechtserhaltenden Widerspruchsmarke konzentriert, wozu der Vertreter des Markeninhabers umfänglich seine Rechtsansicht vorgetragen hat, die er in dem nachgereichten Schriftsatz lediglich wiederholt.

Gründe, hinsichtlich der Kosten von dem Grundsatz des § 71 Abs. 1 Satz 2 abzuweichen, waren nicht ersichtlich.

van Raden Reker Schwarz Ju






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Az: 27 W (pat) 11/04


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