Bundespatentgericht:
Beschluss vom 22. November 2006
Aktenzeichen: 9 W (pat) 328/04

(BPatG: Beschluss v. 22.11.2006, Az.: 9 W (pat) 328/04)

Tenor

Das Patent wird aufrechterhalten.

Gründe

I.

Gegen das am 19. Juli 2001 angemeldete und am 6. Februar 2003 veröffentlichte Patent 101 34 439 mit der Bezeichnung

"Schwenkbares Gestänge für ein öffnungsfähiges Fahrzeugdach sowie Verfahren zum Herstellen desselben"

ist von der A... Einspruch erhoben worden.

Zur Begründung weist die Einsprechende auf folgende Druckschriften hin:

- DE 200 05 180 U1

- US 6 241 310 B1

- US 6 216 509 B1

- EP 0 836 960 A1

- DE 196 46 035 C2

- DE 38 18 616 C1

- DE 37 33 842 C1

- DE 37 24 532 C1

- DE-PS 943 747.

Sie führt aus, dass die beanspruchten Gegenstände nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhten.

Die Einsprechende beantragt, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.

Die Patentinhaberin hat keinen Antrag gestellt. Sie hat sich auf den Einspruch nicht geäußert.

Der erteilte Patentanspruch 1 lautet:

Schwenkbares Gestänge (10) für ein öffnungsfähiges Fahrzeugdach, insbesondere ein Cabrio, wobei das Gestänge oder zumindest ein Gestängeteil als mittels eines Innenhochdruck-Umformverfahrens aus hohlem Halbzeug geformtes Hohlelement (10) ausgebildet ist und eine beim Innenhochdruckumform-Verfahren ausgebildete seitliche Öffnung (20, 164) sowie ein in die Öffnung (20) eingebrachtes Lagerelement (30, 130, 230) aufweist.

Rückbezogene Patentansprüche 1 bis 31 sind dem Patentanspruch 1 nachgeordnet.

Ein nebengeordneter Patentanspruch 32 ist auf ein entsprechendes Verfahren zur Herstellung des Gestänges gerichtet. Er lautet:

Verfahren zum Herstellen eines schwenkbaren Gestänges (10) für ein öffnungsfähiges Fahrzeugdach, insbesondere ein Cabrio, wobei das Gestänge oder zumindest ein Gestängeteil mittels eines Innenhochdruckumform-Schritts aus hohlem Halbzeug als geformtes Hohlelement (10) ausgebildet wird und beim Innenhochdruckumform-Verfahren eine seitliche Öffnung (20, 164) zur Aufnahme eines Lagerelements (30, 130, 230) gebildet wird und ein solches Lagerelement (30, 130, 230) darin eingebracht wird.

II.

Die Zuständigkeit des Bundespatentgerichts ist durch § 147 Abs. 3 Nr. 1 PatG a. F. begründet.

Der Einspruch ist zulässig; in der Sache hat er allerdings keinen Erfolg.

Die erteilten Patentansprüche sind zulässig.

Patentanspruch 1 ergibt sich aus einer Zusammenfassung der ursprünglichen Patentansprüche 1, 5 und 8; Patentanspruch 32 folgt aus der Zusammenfassung der ursprünglichen Patentansprüche 34 und 35 unter Zufügung von Angaben aus der Beschreibung (S. 6, Z. 11, 12). Die Patentansprüche 2 bis 31 entsprechen inhaltlich den Patentansprüchen 2 bis 4, 6, 7 und 9 bis 33.

Die Gegenstände der erteilten Patentansprüche 1 und 32 sind gewerblich anwendbar. Sie sind auch neu, denn aus keiner der genannten Druckschriften ist ein schwenkbares Gestänge für ein öffnungsfähiges Fahrzeugdach bzw. ein Verfahren zur Herstellung eines entsprechenden Gestänges bekannt, bei dem das Gestänge oder zumindest ein Gestängeteil mittels eines Innenhochdruck-Umformverfahrens aus hohlem Halbzeug geformt ist bzw. wird, dabei eine seitliche Öffnung in das hohle Halbzeug ausgebildet ist bzw. wird und in die Öffnung ein Lagerelement eingebracht ist bzw. wird. Gegenteiliges hat die Einsprechende nicht vorgetragen.

Die Gegenstände der Patentansprüche 1 und 32 werden dem zuständigen Fachmann durch den im Verfahren befindlichen Stand der Technik auch nicht nahegelegt. Als Fachmann zuständig sieht der Senat einen Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau an, der über mehrjährige Erfahrung in Entwicklung und Konstruktion von umwandelbaren Fahrzeugdächern verfügt.

Die DE 196 46 035 C2 (vgl. Sp. 5, Z. 56-60), DE 38 18 616 C1 (vgl. Sp. 4, Z. 29), DE 37 33 842 C1 (vgl. Sp. 3, Z. 35-37), DE 37 24 532 C1 (vgl. Sp. 12, Z. 36) und DE-PS 943 747 (vgl. Fig. 7, Pos. 170, 176) zeigen und beschreiben jeweils ein schwenkbares Gestänge für ein öffnungsfähiges Fahrzeugdach, wobei das Gestänge oder zumindest ein Gestängeteil als Hohlelement (Rohr) ausgebildet ist.

Beim Faltverdeck nach der DE 196 46 035 C2 sind die Spriegelrohre 18 und 19 (Stützspriegel 18 und Eckspriegel 19) an einer Traverse 22 drehbar gelagert. In Fig. 6 ist die Lagerung des Eckspriegels 19 näher dargestellt. Das Spriegelende mit der Lagerstelle weist einen Vollquerschnitt auf. Am hohlen Eckspriegel 19 ist für den schwenkbaren Stützspriegel 20 eine seitlich vorspringende Lagerstelle (Drehachse) 21 ausgebildet (vgl. Fig. 1 und 2). Angaben zur Vorgehensweise bei der Ausbildung der Lagerstelle sind nicht gemacht.

Aus der DE 37 24 532 C1 ist ein Verdeckgestell bekannt, bei dem die Befestigung/Lagerung eines Spriegelrohres 17 mittels eines endseitig angeschweißten Verbindungsflansches 16c erfolgt (vgl. Sp. 6, Z. 61-66 i. V. m. Fig. 2a).

Bei einer ähnlichen Dachkonstruktion nach der DE 38 18 616 C1 ist das Spriegelrohr 11 mit quer zu seiner Längserstreckung gerichteten Spanngurten 21 verbunden. Die Beschaffenheit der Verbindungsstellen ist nicht angegeben.

Bei einem hohlen, dreieckförmigen, durch Strangpressen hergestellten Bügelprofil 6b (vgl. Fig. 4 und 5) sind zur Seite vorstehende Verbindungseinrichtungen 27 an der Unterseite des Bügelprofils verschraubt oder auf andere Weise befestigt (Sp. 7, Z. 46-48).

Die einen Rohrquerschnitt aufweisenden Zwischenspriegel 7 und Eckspriegel 8 nach der DE 37 33 842 C1 sind an seitlichen Dachrahmenlenkern 9 bzw. über ein Schwenklager 10 an einem Dachhauthaltebügel 2 angelenkt. Die Lager- und Verbindungsstellen sind jeweils am Ende der Spriegelflanken 7a bzw. 8b angeordnet. Fig. 2 zeigt, dass im Bereich der Lagerstelle (Lagerelement), der Eckspriegel keinen Hohlquerschnitt mehr aufweist.

Bei einem Kraftfahrzeugverdeck nach der DE-PS 943 747 erfolgt die Lagerung eines Zwischenbügels mit einem Mittelstück 170 über ein Kugelgelenk, das über einen Einsatz 232 in das Endstück 172 des Zwischenbügels eingesetzt ist (vgl. Fig. 11).

Die von der Einsprechenden genannten, bereits im Prüfungsverfahren berücksichtigten Druckschriften DE 200 05 180 U1 und EP 0 836 960 A1 zeigen öffnungsfähige Fahrzeugdächer mit schwenkbaren Gestängen. Die Beschaffenheit von Anschlussstellen an Hohlelementen ist nicht Gegenstand dieser Druckschriften. Anregungen, die bekannten Gestänge mittels eines Innenhochdruck-Umformverfahrens herzustellen, am hohlen Gestänge beim Innenhochdruckumform-Verfahren seitliche Öffnungen auszubilden und am hohlen Gestänge in der (seitlichen) Öffnung ein Lagerelement einzubringen, gehen aus diesem Stand der Technik nicht hervor.

Das Innenhochdruckumformen im Automobilbau ist dem Fachmann allerdings bekannt ist. So wird in der US 6 216 509 B1 ein Verfahren zur Herstellung von (Rahmen)Strukturteilen aus hohlem Halbzeug beschrieben, wobei die Umfangsabmessung der Teile sich in Längsrichtung gesehen deutlich ändert. Auch das Ausbilden seitlicher Ausformungen an Hohlelementen mittels Innenhochdruckumformen ist bekannt und wird in der US 6 241 310 B1 beschrieben (vgl. Fig. 2, 11 i. V. m. Sp. 4, Z. 54-60). Dabei handelt es sich um tragende Rahmenstrukturteile wie A-, B- C-Säulen oder Dachlängsholme mit ausgeformten Stutzen zum Verbinden mit einem Gegenstück. Aber auch mit diesem Stand der Technik gelangt der Fachmann nicht zu den beanspruchten Gegenständen. Die bekannten, als Hohlelemente ausgebildeten Gestänge weisen nämlich keine seitlichen Öffnungen zur Bildung von Anschlussstellen auf. Nach Überzeugung des Senats bieten die vorhergehend genannten US-Patentschriften dem Fachmann auch keine Veranlassung, die aus den übrigen Druckschriften bekannten Verfahren zur Ausbildung von schwenkbaren Gestängen aus hohlem Halbzeug (z. B. Rohren) bei Fahrzeugdächern durch ein auf Innenhochdruckumformung gerichtetes Verfahren zu ersetzen, zumal ihm die vorteilhafte Herstellung von Gestängen aus Strangpressprofilen oder Druckgussteilen wegen niedrigem Gewicht und geringer Nacharbeit (vgl. EP 0 836 960 A1, Sp. 1, Z. 44-54) vorgeschlagen ist und Innenhochdruckumformung dagegen ein aufwändiges Verfahren darstellt.

Demzufolge haben die Patentansprüche 1 und 32 Bestand und mit ihnen die rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 31.






BPatG:
Beschluss v. 22.11.2006
Az: 9 W (pat) 328/04


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