Bundespatentgericht:
Beschluss vom 26. Oktober 2004
Aktenzeichen: 27 W (pat) 388/03

(BPatG: Beschluss v. 26.10.2004, Az.: 27 W (pat) 388/03)

Tenor

1. Auf die Beschwerde werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 16. August 2001 und vom 22. Oktober 2003 aufgehoben, soweit der Widerspruch aus der Gemeinschaftsmarke 662.528 zurückgewiesen worden ist.

2. Die Löschung der Marke 398.60.252 wird aufgrund des Widerspruchs aus der Gemeinschaftsmarke 662.528 hinsichtlich aller Waren mit Ausnahme der Waren "Parfümerien; ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege" angeordnet.

Gründe

I Gegen die Eintragung der Bildmarke Grafik der Marke 39860252.2 für "Bekleidungsstücke einschließlich Bekleidungsstücke aus Leder, Lederimitationen oder aus Pelz; Sportbekleidung, Sportschuhe, Schuhwaren, Gürtel für Bekleidungsstücke, Kopfbedeckungen, Handschuhe, Schals; Leder und Lederimitationen sowie Waren aus Leder, soweit in Klasse 18 enthalten, insbesondere Damen- und Herrentaschen, Reisetaschen, Schultaschen, Aktentaschen, Reise- und Handkoffer, Reisenecessaire, Brieftaschen, Schlüsseltaschen, Schlüsselanhänger, Beutel für Kleinteile, Rucksäcke, Einkaufstaschen; Parfümerien, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege" hat die Widersprechende Widerspruch eingelegt aus ihrer prioritätsälteren Gemeinschaftsmarkeeingetragen unter der Nr. 662 528 für "Putz-, Polier-, Fettentfernungs- und Schleifmittel; Schuh- und Lederpflegemittel; Leder und Lederimitationen und Waren aus diesen Materialien; Reise- und Handkoffer; Schuhwaren, Bekleidungsstücke, Kopfbedeckungen".

Die Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat mit zwei Beschlüssen vom 16. August 2001 und 22. Oktober 2003, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, den Widerspruch zurückgewiesen. Trotz teilweiser Warenidentität und unter Zugrundelegung einer erhöhten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke halte die jüngere Marke noch einen ausreichenden Zeichenabstand zur rangälteren Marke ein. Während die Widerspruchsmarke bei klanglicher Wiedergabe wohl in ihrer Form beschrieben und aufgrund der auffallenden Zeichnung des Tierkörpers vermutlich regelmässig mit "Salamander" benannt werde, werde der Verkehr die aus der grafischen Darstellung einer Amphibie mit den darauf befindlichen Initialen "JP" der Markeninhaberin gebildete jüngere Marke mehrheitlich mit letzteren wiedergeben. Zudem wiesen die Bildelemente gravierende Unterschiede insbesondere dadurch auf, dass der Körper bei der Widerspruchsmarke auffallend gezeichnet sei und eine Umrahmung aufweise sowie dass beide Marken jeweils andere Fußformen enthielten. Da mangels eigenständigen Motivschutzes eine Marke, welche ein Motiv verkörpere, nur gegen die Verwendung desselben Motivs Schutz genieße, wobei gerade bei wirklichkeitsgetreuen Tierdarstellungen, welche sich auf typische markante Merkmale beschränkten, der Schutzumfang eng zu bemessen sei, reichten diese Unterschiede für den erforderlichen Markenabstand aus. Da sich eine Markenähnlichkeit auch nicht aus sonstigen Umständen ergebe, sei der Widerspruch zurückzuweisen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Ihrer Auffassung nach weisen beide Bildmarken - was insbesondere bei Drehung der Widerspruchsmarke um 90 Grad nach rechts deutlich erkennbar sei - so erhebliche Übereinstimmungen in der Körperform, der Anordnung des Kopfes, der Beine und des Schwanzes auf, dass ein Verbraucher bei Begegnung mit der jüngeren Marke nicht in der Lage sei, diese von der Widerspruchsmarke, die ungeachtet der Frage des Motivschutzes eine besondere Bildwirkung aufweise, zu unterscheiden. Die jüngere Marke werde auch nicht von den Initialen "JP" geprägt, weil diese schon aufgrund ihrer Grösse kaum erkennbar seien. Wegen der vorhandenen Unterschiede könne angesichts der Warenidentität und -ähnlichkeit sowie aufgrund der gesteigerten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke eine Verwechslungsgefahr nicht verneint werden.

Die Widersprechende beantragt nach Rücknahme des Widerspruchs hinsichtlich der Waren "Parfümerien, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege", die Bildmarke 398 60 252 unter Aufhebung der Beschlüsse des Deutschen Patentamts für alle übrigen Waren aus dem Markenregister zu löschen.

Die Markeninhaberin hat keinen Antrag gestellt, sich zur Beschwerde nicht geäußert und an der mündlichen Verhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht teilgenommen.

II Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Nach Ansicht des Senats kann eine Gefahr von Verwechslungen der Vergleichsmarken nach § 43 Abs. 2 Satz 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG hinsichtlich der sich nach der Beschränkung des Widerspruchs noch gegenüberstehenden Waren nicht verneint werden.

Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr sind die miteinander in Wechselbeziehung stehenden Komponenten der Waren- und Markenähnlichkeit sowie der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke zu berücksichtigen (vgl. EuGH GRUR 1998, 922, 923 - Canon; MarkenR 1999, 236, 239 - Lloyd/Loints), wobei ein geringer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen größeren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. EuGH GRUR 1998, 387, 389 Tz. 23 f. - Sabèl/Puma; EuGH GRUR 1998, 922, 923 Tz. 16 f. - Canon; BGH GRUR 1999, 241, 243). Nach diesen Grundsätzen hält die jüngere Marke angesichts der bestehenden Warenidentität in den Klassen 18 und 25 und selbst bei einer - mangels substantiierter Darlegung der behaupteten starken Bekanntheit der Widerspruchsmarke - nur als normal einzustufenden Kennzeichnungskraft des deutlich stilisierten Tiermotivs den erforderlichen Abstand zu der älteren Marke nicht mehr ein.

Entgegen der Ansicht der Markenstelle wird die jüngere Marke nicht von der Buchstabenfolge "JP" maßgeblich oder gar allein geprägt. Wie die Widersprechende zutreffend vorgetragen hat, ist schon aufgrund der geringen Größe der beiden Buchstaben im Verhältnis zu der Gesamtdarstellung und ihrer Plazierung an einer eher unscheinbaren Stelle kaum zu erwarten, dass diese von dem unbefangenen Betrachter bewusst wahrgenommen werden. Für ihn stellt sich die angegriffene Marke überwiegend als reines Bildzeichen dar.

Unter Zugrundelegung des Erfahrungssatzes, dass die angesprochenen Verkehrskreise regelmäßig nicht den einander gegenüberstehenden Zeichen gleichzeitig begegnen, sondern ihre Auffassung nur aufgrund einer undeutlichen Erinnerung an eine der beiden Marken gewinnen (vgl. EuGH GRUR Int 1999, 734, 736 [Rn. 26] - Lloyd; BGH GRUR 1993, 972, 974 f. - Sana/Schosana), wobei die übereinstimmenden Merkmale stärker ins Gewicht fallen als die Unterschiede (vgl. BGH GRUR 1999, 587, 569 - Cefallone), kann eine starke visuelle Ähnlichkeit der gegenüberstehenden Bildmarken nicht verneint werden. Denn beide Darstellungen zeigen eine Amphibie in einer stark einander angenäherten typischen S-förmigen Ausgestaltung, wobei die vorhandenen Unterschiede, die sich im wesentlichen auf eine etwas gröbere Darstellung der Fußpartien und ein leicht abgewandeltes Schwanzende bei der jüngeren Marke sowie den in ihr nicht enthaltenen Rahmen um die Tierfigur in der Widerspruchsmarke beschränken, in der ungenauen Erinnerung der angesprochenen Verbraucher kaum so stark haften bleiben, dass sie zur Abgrenzung von der jeweils anderen Marke geeignet wären. Die unterschiedliche horizontale und vertikale Ausrichtung beider Figuren hat dabei keine maßgebliche Bedeutung, da nach der Lebenserfahrung im geschäftlichen Verkehr die Marken den angesprochenen Verbrauchern nicht immer in derselben Ausrichtung begegnen (vgl. BGH GRUR 2002, 171, 174 - Marlboro-Dach).

Angesichts der visuellen Ähnlichkeit kann auch dahinstehen, ob die Verbraucher in den beiden Tierfiguren möglicherweise unterschiedliche Tierarten erkennen oder diese verschieden benennen. Dabei wird es für die angesprochenen Verbraucher allerdings ungeachtet der Frage, welche konkrete Tierart sie bei Wahrnehmung eines der beiden Zeichen zu erkennen glauben, jedenfalls schon angesichts der starken visuellen Übereinstimmungen beider Marken naheliegen, in den Darstellungen dasselbe Tier wiederzuerkennen und somit beide Marken jeweils gleich zu benennen. Die Frage, ob damit eine begriffliche oder klangliche Ähnlichkeit der Marken vorliegt, kann aber auf sich beruhen, da bereits eine visuelle Ähnlichkeit zu bejahen ist, was für sich genommen schon die Annahme der Verwechslungsgefahr begründet (vgl. BGH GRUR 1999, 241, 243 - Lions).

Aus demselben Grund steht der Annahme der Verwechslungsgefahr der Marken auch nicht entgegen, dass es einen sogenannten Motivschutz nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nur in eingeschränktem Umfang gibt (vgl. EuGH GRUR 1998, 387, 390 [Rz. 24 f.] - Springende Raubkatze). Denn diese Frage stellt sich nur im Rahmen der begrifflichen Zeichenähnlichkeit, die vorliegend aber angesichts der zu bejahenden visuellen Ähnlichkeit auf sich beruhen kann.

Da somit eine hochgradige visuelle Ähnlichkeit beider Marken nicht verneint werden kann, die im Umfang des im Beschwerdeverfahren beschränkten Widerspruchs für weitgehend identische, jedenfalls aber hochgradig ähnliche Waren beansprucht werden, waren auf die Beschwerde der Widersprechenden die anderslautenden Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben und die teilweise Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Es sind keine Gründe ersichtlich, von dem Grundsatz des § 71 Abs 1 Satz 2 MarkenG abzuweichen, dass jeder Beteiligte seine Kosten selbst trägt.

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BPatG:
Beschluss v. 26.10.2004
Az: 27 W (pat) 388/03


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