Sozialgericht Duisburg:
Urteil vom 7. Februar 2012
Aktenzeichen: S 37 R 1451/10

(SG Duisburg: Urteil v. 07.02.2012, Az.: S 37 R 1451/10)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung.

Die Klägerin ist seit dem 01.02.2000 bei der Beigeladenen, die damals noch unter dem Namen A. J. & H. C. GmbH firmierte, im Bereich Legal Services tätig. Seit dem 18.09.2009 ist die Klägerin bei der Rechtsanwaltskammer Düsseldorf als Rechtsanwältin zugelassen und Mitglied des Versorgungswerkes.

Am 19.11.2009 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. In dem Antragsformular gab sie unter Punkt 2 an, dass sie berufsspezifisch beschäftigt als Rechtsanwältin angestellt sei. Dem Antrag war eine Stellenbeschreibung der Beigeladenen vom 07.04.2009 beigefügt. Darin hieß es, zu den Aufgaben der Klägerin gehöre die Betreuung und unterstützende rechtliche Beratung zu versicherungsrechtlichen Fragestellungen bei der Einrichtung, Durchführung und Änderung von Versorgungswerken und Vergütungssystemen. Die Klägerin müsse in diesem Zusammenhang steuer-, arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Fragestellungen beantworten sowie selbständig Vertrags- und Einigungsverhandlungen mit Geschäftspartnern führen. Sie vertrete das Unternehmen als Referentin zu abstrakten Regelungskomplexen bei diversen Vorträgen und sei auch für die schriftliche Aufarbeitung anspruchsvoller rechtlicher Grundsatzarbeit sowie deren Bekanntgabe und Erläuterung zuständig. Im Rahmen ihrer Tätigkeit sei die Klägerin außerdem befugt, an wesentlichen Abstimmungs- und Entscheidungsprozessen in Bezug auf die Beantwortung steuer-, arbeits- und sozialversicherungsrechtlicher Fragestellungen teilzuhaben.

Die Beklagte forderte daraufhin von der Klägerin eine Kopie des Arbeitsvertrages, einer Freistellungserklärung nach § 14 BRAO, einer Kopie der Stellenausschreibung und des Stellenanforderungsprofils, welche die Klägerin unter dem 08.02.2010 übersandte. Mit der vorgelegten Stellenausschreibung der Beigeladenen wurde ein/e Jurist/in in dem Bereich der betrieblichen Altersversorgung gesucht. Darin hieß es u.a.: "Wir wenden uns vor allem an Juristen, die erste Berufserfahrung bei einem BAV-Berater, einer WP-Gesellschaft oder einem Lebensversicherungsunternehmen erworben haben". Außerdem wurde eine weitere Anzeige übersandt, mit der unter Angabe der Hauptaufgaben und des Anforderungsprofils für die Zeit ab dem 01.12.2007 ein/e "Volljurist/in betriebliche Altersversorgung (VZ/TZ)" gesucht wurde. Ferner hieß es in dem übersandten Anstellungsvertrag vom 26.01.2000 unter §1 Tätigkeit: "1. Sie werden für unser Haus ab dem 01.02.2000 als juristische Mitarbeiterin tätig werden." Unter § 6 Nebenbeschäftigung hieß es zudem unter Ziffer 1: "Sie werden A. Ihre volle Arbeitskraft widmen und unsere Interessen fördern. Irgendeine weitere entgeltliche oder unentgeltliche Beschäftigung bedarf der vorherigen schriftlichen Zustimmung von A. [ ]".

Mit Schreiben vom 24.02.2010 wandte sich die Beklagte an die Beigeladene und bat um Prüfung der Stellenbeschreibung vom 07.04.2009, um eine ausführliche Beschreibung des Tätigkeitsfeldes der Rechtsentscheidung und um Mitteilung, ob nebenberufliche Beschäftigungen der vorherigen schriftlichen Zustimmung bedürfen. Zudem wies die Beklagte daraufhin, dass eine anwaltliche Tätigkeit erst ab dem Zeitpunkt der Zulassung als Anwältin zum 18.09.2009 möglich wäre. An die Erledigung der Anfrage wurde unter dem 06.04.2010 und 05.05.2010 erinnert.

Unter dem 11.06.2010 teilte die Beigeladene mit, die Klägerin sei mit der Auslegung von rechtlichen Vorschriften zum Zwecke der Erarbeitung unternehmerischer Leitlinien, z.B. für die Kundenberatung zur Bildung einheitlicher Hausmeinungen, befasst und habe diesbezüglich Entscheidungskompetenz. Sie fertige auch rechtliche Stellungnahmen und Gutachten als Entscheidungsvorlagen für die Geschäftsführung und andere Abteilungen an und sei am Abstimmungsprozess für die zu treffenden Entscheidungen beteiligt. Außerdem erklärte der Arbeitgeber in diesem Schreiben unwiderruflich das Einverständnis damit, dass die Klägerin neben ihrer Tätigkeit als Angestellte eine Anwaltspraxis ausüben darf, sie sich auch während der Arbeitszeit zur Wahrnehmung anwaltlicher Termine und Besprechungen jederzeit vom Dienstplatz entfernen darf, ohne eine Erlaubnis einzuholen und dies auch gilt, wenn für die Firma wahrzunehmende Termine mit denen der Anwaltspraxis kollidieren, dass sie nicht gehalten ist, Belegschaftsmitglieder nach der Gebührenordnung oder unentgeltlich zu beraten oder zu vertreten, und dass außerhalb dieser Erklärung keine mündlichen oder schriftlichen Vereinbarungen existieren, die eine anwaltliche Tätigkeit einschränken.

Mit Bescheid vom 20.07.2010 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung ab. Zur Begründung führte sie aus, bei Rechtsanwälten sei Voraussetzung für eine Befreiung nach § 6 Abs.1 S.1 Nr.1 SGB VI, dass sie eine dem Kammerberuf entsprechende berufsspezifische Tätigkeit ausüben. Das Befreiungsrecht könne aber auch Rechtsanwälten zustehen, die bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber beschäftigt sind, wenn sie dort eine für einen Rechtsanwalt typische anwaltliche Tätigkeit ausüben. In diesem Zusammenhang müssten die Tätigkeitsfelder Rechtsberatung, Rechtsentscheidung, Rechtsgestaltung und Rechtsvermittlung kumulativ abgedeckt werden. Die Tätigkeit müsse weisungsfrei wie bei einem Rechtsanwalt ausgeübt werden können. Die Klägerin sei zwar Pflichtmitglied der Rechtsanwaltskammer, jedoch ergebe sich aus dem Gesamtbild der Tätigkeit für die Beigeladene, dass sie keine anwaltliche Tätigkeit ausübe. Sie habe keine leitende Funktion mit ausgeprägter Entscheidungskompetenz; dies erfordere eine Vollmacht des Arbeitgebers, dass sie die Tätigkeit gleichermaßen weisungsfrei wie ein bei einem Rechtsanwalt angestellter Rechtsanwalt ausüben könne. Die Klägerin werde aber ausweislich des Anstellungsvertrages als wissenschaftliche Mitarbeiterin eingesetzt und sei somit der Leitung des Bereichs unterstellt. Auch aus den vorgelegten Unterlagen gehe nicht hervor, dass sie eine von allen Weisungen unabhängige Alleinentscheidungsbefugnis habe oder eine wesentliche Teilhabe an Abstimmungs- oder Entscheidungsprozessen bestehe. Vielmehr beschränke sich ihre rechtsgestaltende Tätigkeit auf die Beteiligung an vorgenanntem und die Fertigung von Entscheidungsvorlagen, so dass sich die Tätigkeit insgesamt als weisungsgebunden darstelle.

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 18.08.2010 Widerspruch ein, den sie u.a. damit begründete, sie decke alle vier geforderten Tätigkeitsfelder ab. Sie sei nicht als Abteilungsleiterin eingestellt und habe somit keine ausschließliche Alleinentscheidungskompetenz; diese habe aber auch der Abteilungsleiter nicht, da er den Weisungen der Geschäftsführung unterliege. Sie sei auch regelmäßig an Abstimmungs- und Entscheidungsprozessen sowie an internen Projekten beteiligt, bei denen sie die juristischen Aspekte von fächerübergreifenden Arbeiten zu begutachten, zu bewerten und über Zweifelsfragen zu entscheiden habe. Bei ihrem Arbeitgeber komme das "Vier-Augen-Prinzip" zum Einsatz, welches der Qualitätssicherung diene. Dieses Prinzip werde auch in Anwaltskanzleien angewandt.

Mit Bescheid vom 24.11.2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie ergänzend aus, zur Plausibilitätsprüfung, ob eine Beschäftigung als Syndikusanwalt ausgeübt werde können neben der Stellen- und Funktionsbeschreibung auch die Funktionsbezeichnung im Anstellungs- bzw. Dienstvertrag, die Tarifgruppe oder sonstige Umstände herangezogen werden. Ein Indiz für eine nichtanwaltliche Tätigkeit sei der Umstand, dass die Zulassung als Anwalt erst am 18.09.2009 erfolgte, die Tätigkeit aber schon zum 01.02.2000 aufgenommen worden ist. Durch die Aufnahme der anwaltlichen Tätigkeit als juristische Mitarbeiterin aber nicht als anwaltliche Tätigkeit zu qualifizieren. Auch die wöchentliche Arbeitszeit sei trotz Freistellungserklärung mit dem Anwaltsberuf unvereinbar. Die Klägerin sei zudem vertraglich verpflichtet, ihre volle Arbeitskraft in den Dienst ihres Arbeitgebers zu stellen und müsse bei Nebentätigkeiten die Begrenzungen des Arbeitszeitgesetztes zu beachten.

Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 16.12.2010 Klage erhoben.

Sie ist weiterhin der Ansicht, dass im Rahmen ihrer Tätigkeit für die Beigeladene auch rechtsentscheidend tätig wird. Sie sei zwar innerhalb des Arbeitsverhältnisses weisungsgebunden, jedoch bestehe in fachlicher Hinsicht keinerlei Weisungsgebundenheit.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20.07.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.11.2010 zu verurteilen, sie von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 6 Abs.1 S.1 Nr.1 SGB VI mit Wirkung ab dem 18.09.2009 zu befreien.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist weiterhin der Ansicht, dass die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht erfüllt sind und beruft sich im Übrigen auf ihre Ausführungen in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und der die Klägerin betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber nicht begrünet.

Der Bescheid der Beklagten vom 20.07.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.11.2010 ist nicht rechtswidrig und beschwert die Klägerin nicht im Sinne des § 54 Abs.2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in ihren Rechten. Die Beklagte hat darin die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für die von der Klägerin bei der Beigeladenen ausgeübte Tätigkeit zu Recht abgelehnt.

Gemäß § 6 Abs.1 S.1 Nr. 1 i.V.m. Abs.2 SGB VI werden Beschäftigte und selbständig Tätige für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlichrechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit, wenn (a) am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder der selbständigen Tätigkeit für ihre Berufsgruppe bereits vor dem 01.01.1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat, (b) für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sind und (c) auf Grund der Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist.

Die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für die von der Klägerin bei der Beigeladenen ausgeübte Tätigkeit sind nicht erfüllt.

Die Klägerin ist unstreitig im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses für die Beigeladene tätig. Sie ist zudem seit dem 18.09.2009 Pflichtmitglied der Rechtsanwaltskammer Düsseldorf. Die Pflichtmitgliedschaft ergibt sich aus § 12 Abs.3 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO), wonach ein Rechtsanwalt mit der Zulassung Mitglied der zulassenden Rechtsanwaltskammer wird. Diese gesetzliche Pflichtmitgliedschaft der Rechtsanwälte in der Rechtsanwaltskammer Düsseldorf bestand auch schon vor dem 01.01.1995. Die Klägerin ist zudem als bei der Rechtsanwaltskammer Düsseldorf zugelassene Rechtsanwältin Mitglied des Versorgungswerks der Rechtsanwälte in Nordrhein-Westfalen.

Voraussetzung für eine Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung ist jedoch gemäß § 6 Abs.1 S.1 Nr. 1 SGB VI darüber hinaus, dass die Klägerin gerade wegen ihrer Tätigkeit für die Beigeladene Pflichtmitglied der Rechtsanwaltskammer und des Versorgungswerks ist. Die Befreiungsmöglichkeit ist insoweit tätigkeits- und nicht personenbezogen. Bei der Tätigkeit für die Beigeladene seit dem 01.02.2000 müsste es sich somit um eine dem anwaltlichen Berufsbild entsprechende Tätigkeit handeln. Wann eine Tätigkeit anwaltlich ist, ist gesetzlich nicht abschließend geregelt. § 1 BRAO definiert den Rechtsanwalt als unabhängiges Organ der Rechtspflege. Er übt gemäß § 2 Abs.1 BRAO einen freien Beruf aus und ist gemäß § 3 Abs.1 BRAO der unabhängige Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten. Der Beruf eines Rechtsanwaltes ist somit geprägt durch eine auf das Recht bezogene Tätigkeit sowie durch Unabhängigkeit und Freiheit.

Die Aufnahme einer Volljuristin in die Rechtsanwaltskammer und das ihr zugeordnete Versorgungswerk hat grundsätzlich eine erhebliche Indizwirkung. Der Rentenversicherungsträger darf und muss angesichts solcher Aufnahmeentscheidungen zunächst durchaus annehmen, dass es sich bei der entsprechenden Person um eine Rechtsanwältin handelt. Gleichwohl ist vom Gesetz gedeckt und von der Rechtsprechung anerkannt, dass durch den Rentenversicherungsträger geprüft werden muss, ob die Mitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung auf genau jener Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit beruht, für die eine Befreiung von der Versicherungspflicht begehrt wird.

Die Kammer ist jedoch nicht vollends davon überzeugt, dass die Klägerin tatsächlich für ihre Tätigkeit bei der Beigeladenen Pflichtmitglied der Rechtsanwaltskammer geworden ist. Diesbezügliche Zweifel ergeben sich insbesondere aus dem Umstand, dass die Klägerin nicht den üblichen einkommensbezogenen Beitrag an das Versorgungswerk entrichtet, sondern lediglich den Mindestbeitrag. Der an die berufsständische Versorgungseinrichtung zu zahlende Beitrag müsste indes vom Einkommen des Mitglieds bezogen auf die die Mitgliedschaft begründende Tätigkeit abhängig sein (vgl. Gürtner in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 6 SGB VI Rn.15). Dies erfordert einen einheitlichen Beitragssatz und die weitere Abhängigkeit des Beitrags allein vom Einkommen, nicht jedoch von anderen, das Versicherungsrisiko bestimmenden Faktoren wie Eintritts- und Lebensalter, eingebrachte Gesundheitsrisiken, Familienstand und Dauer der Zugehörigkeit (vgl. Gürtner in: Kasseler Kommentar aaO). Da die Klägerin im Rahmen einer 38-Stunden-Woche, d.h. in Vollzeit, für die Beigeladene tätig wird, ist für die Kammer nicht nachvollziehbar, wie für diese Tätigkeit lediglich der Mindestbeitrag erhoben werden kann. Wenn die Mitgliedschaft der Klägerin in der Rechtsanwaltskammer sowie dem Versorgungswerk tatsächlich aufgrund ihrer Tätigkeit für die Beigeladene besteht, so wäre vielmehr zu erwarten, dass bei der Ermittlung der Beitragshöhe das bei der Beigeladenen erzielte Einkommen, welches schon bei Einstellung der Klägerin im Jahr 2000 bei 5385,00 DM lag, zugrundegelegt wird. Infolgedessen wäre ein jedenfalls über dem Mindestbeitrag liegender einkommensgerechter Beitrag zu zahlen.

Darüber hinaus hat die Kammer auch Zweifel daran, dass die Klägerin bei der Beigeladenen eine spezifisch anwaltliche Tätigkeit ausübt. Gegen eine anwaltliche Tätigkeit spricht dabei nicht, wie von der Beklagten vertreten, dass die Klägerin im Rahmen einer 38-Stunden-Woche weisungsgebunden für die Beigeladene Tätig wird und ihr ihre gesamte Arbeitskraft schuldet. Die Klägerin ist bei der Beigeladenen abhängig beschäftigt und somit selbstverständlich weisungsgebunden. Die vorgegebene Arbeitszeit ist als solche nicht per se mit dem Anwaltsberuf unvereinbar. Auch in Sozietäten angestellte Rechtsanwälte unterliegen Weisungen, haben weitestgehend vertraglich festgelegte Arbeitszeiten und stellen ihre volle Arbeitskraft in den Dienst des Arbeitsgebers. Zudem sieht auch § 6 Abs.1 S.1 Nr. 1SGB VI eine Befreiungsmöglichkeit nicht nur für selbständig Tätige, sondern auch für abhängig Beschäftigte vor.

Bei der Beurteilung, ob eine spezifisch anwaltliche Tätigkeit vorliegt, können indes noch weitere Gesichtspunkte herangezogen werden. Für den dem Rentenversicherungsträger erlaubten Beweis einer nichtanwaltlichen Tätigkeit hat die Beklagte selbst die von der Rechtsprechung bestätigten Merkmale erarbeitet, die für eine anwaltliche Tätigkeit bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber die Merkmale rechtsberatender, rechtsentscheidender, rechtsgestaltender und rechtsvermittelnder Funktionen verlangen. Die in der Rechtsprechung mitunter formulierten verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. SG Düsseldorf, Urteil vom 02.11.2010, Az. S. 52 R 230/09) gegen eine solche Typisierung teilt die Kammer nicht. Die Anwendung des Sozialgesetzbuchs durch Verwaltung und Gerichte geschieht in vieler Hinsicht anhand von verselbstständigten Regelungswerken, die nur noch sehr schwer vom Gesetzeswortlaut herleitbar sind, diesem jedoch auch nicht widersprechen und von daher bei einheitlicher Anwendung unbedenklich sind. Das beste Beispiel ist das System zur Prüfung einer Berufsunfähigkeit nach § 240 Abs. 2 SGB VI. Das hierzu verwendete "Vierstufenschema" wird mit einer Selbstverständlichkeit angewendet, die eigentlich nur der geschriebene Gesetzestext für sich in Anspruch nehmen könnte.

Bei der Prüfung der vier Merkmale zur anwaltlichen Qualität juristischer Arbeit hat die Beklagte nach Auffassung der Kammer das Vorbringen der Klägerin ausreichend gewürdigt. Es muss sich nach diesen Merkmalen um eine Arbeit handeln, die insbesondere auf konkrete Rechtsfälle bezogen ist, den beratenden und streitigen Dialog in schriftlicher und mündlicher Form umfasst, mit Entscheidungskompetenzen versehen ist, sich auf die Formulierung von Regelwerken wie Verträgen oder Satzungen erstreckt und ein ansatzweise didaktisches Element enthält. Im Sinne einer Negativabgrenzung vom klassischen Anwaltsberuf darf also lediglich das Auftreten vor Gericht, insbesondere im Rahmen einer mündlichen Verhandlung, fehlen. Eine solche Bandbreite der juristischen Arbeit hat die Klägerin indes nicht zur Überzeugung der Kammer dargelegt.

Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Klägerin bei der Beigeladenen rechtsgestaltend, rechtsvermittelnd und rechtsberatend tätig wird. Hieran zweifelt auch die Kammer nicht. Dass die Klägerin auch rechtsentscheidend tätig wird, ist dagegen nicht nachgewiesen worden.

Nach persönlicher Befragung der Klägerin im Erörterungstermin am 19.07.2011 sowie deren Abteilungsleiter bei der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung hat die Kammer Zweifel daran, dass die Klägerin tatsächlich rechtsentscheidend tätig wird. Diese Zweifel ergeben sich aber nicht allein aufgrund des bei der Beigeladenen praktizierten "Vier-Augen-Prinzips", da es in größeren Unternehmen, wie im Übrigen auch in großen Sozietäten, durchaus üblich und auch erforderlich ist, Arbeitsergebnisse noch einmal von einem erfahrenen Mitarbeiter bzw. Vorgesetzten prüfen und gegenzeichnen zu lassen. Insoweit kann grundsätzlich auch bei einem angewandten "Vier-Augen-Prinzip" eine wesentliche Teilhabe an Entscheidungsprozessen vorliegen. Dies ist im Falle der Klägerin jedoch nicht der Fall, da weder die Klägerin noch die übrigen Mitarbeiter der Rechtsabteilung noch deren Abteilungsleiter wesentlich an Entscheidungsprozessen beteiligt sind. Die Rechtsabteilung mit insgesamt vier juristischen Mitarbeitern und einem Abteilungsleiter nimmt innerhalb des Betriebs der Beigeladenen nur eine beratende Funktion ein. Selbst der Leiter der Rechtsabteilung, der seinerseits die Arbeit der Klägerin im Rahmen des "Vier-Augen-Prinzips" zu kontrollieren hat, hat keinen wesentlichen Anteil an den Entscheidungsprozessen der Beigeladenen. So wurde in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass die Arbeitsergebnisse der Geschäftsführung vorgelegt werden, und diese dann selbständig Entscheidungen trifft. Ein konstruktiver Dialog mit der Geschäftsführung oder die Beteiligung an der eigentlichen Entscheidungsfindung finden dagegen nicht statt. Dies wird bestätigt durch den Vortrag der Klägerin im Rahmen des Erörterungstermins. Die Klägerin hatte in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass sie selbst innerhalb der Unternehmenshierarchie über keine eigene Entscheidungsbefugnis verfügt und auch ihr Vorgesetzter keine Stellungnahmen etc. herausgeben darf, ohne dass sich eine weitere Person mit der Angelegenheit befasst hat. Außerdem hat auch die Klägerin deutlich hervorgehoben, dass die Rechtsabteilung gegenüber der Geschäftsführung eine beratende Funktion einnimmt. Wenn aber die Rechtsabteilung insgesamt nicht an Entscheidungsprozessen der Beigeladenen beteiligt ist, sondern eine rein beratende Funktion einnimmt, so kann auch die Klägerin als Mitglied der Rechtsabteilung erst recht nicht im Wesentlichen an deren Entscheidungsprozessen teilhaben. Unbeachtlich ist dabei, ob der Geschäftsführer selbst Jurist, oder wie im Falle der Beigeladenen, ein juristischer Laie ist. Ausschlaggebend ist vielmehr, dass die Entscheidungen auf höherer Ebene getroffen werden, ohne dass die Klägerin bzw. die Rechtsabteilung hierauf einen wesentlichen und unmittelbaren Einfluss hätten.

Da die Klägerin weder über eine eigene Entscheidungskompetenz verfügt, noch eine wesentliche Teilhabe an Abstimmungs- und Entscheidungsprozessen besteht, übt sie Klägerin keine spezifische anwaltliche Tätigkeit aus, aufgrund derer eine Befreiung von der Versicherungspflicht erfolgen könnte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.






SG Duisburg:
Urteil v. 07.02.2012
Az: S 37 R 1451/10


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