Bundespatentgericht:
Beschluss vom 13. Juni 2002
Aktenzeichen: 25 W (pat) 209/01

(BPatG: Beschluss v. 13.06.2002, Az.: 25 W (pat) 209/01)

Tenor

Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 9. April 2001 aufgehoben.

Gründe

I.

Die Bezeichnung VIRTUAL PLANET ist am 30. Juni 2000 für eine Vielzahl von Waren der Klassen 9, 16 wie zB "Datenverarbeitungsgeräte und Computer; Joysticks; Computerprogramme und mit diesen versehene Datenträger; Video-, Computer- und andere elektronische Spiele zum Anschluss an Fernsehgeräte, bespielte und unbespielte Bild-, Ton- und Datenträger; Druckereierzeugnisse, Kalender" sowie für eine Vielzahl von Dienstleistungen der Klassen 41 und 42 wie zB "Produktion von Werbespots (soweit in Klasse 41 enthalten), Radio- und Fernsehsendungen, Filmen und Kinofilmen; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; Betrieb von elektronischen Märkten durch Online-Vermittlung von Waren und Dienstleistungen (Online-Shopping)" zur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden.

Der Anmelder hat im Beschwerdeverfahren das Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen dadurch beschränkt, dass am Ende der Aufzählung der Waren der Klassen 9 und 16 jeweils der Zusatz "sämtliche vorstehend genannten Waren, ausgenommen solche, die einen thematischen Bezug zu Himmelskörpern aufweisen" sowie jeweils am Ende der Dienstleistungen der Klassen 41 und 42 der Zusatz "sämtliche vorstehend genannten Dienstleistungen, ausgenommen solche, die einen thematischen Bezug zu Himmelskörpern aufweisen" aufgenommen wird.

Die Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts hat - noch ausgehend von dem nicht beschränkten Verzeichnis - nach Beanstandung mit Beschluss vom 9. April 2001 die Anmeldung wegen bestehender Schutzhindernisse nach § 8 Abs 2 Nr 1 und Nr 2 MarkenG zurückgewiesen. Die Bezeichnung "VIRTUAL PLANET" stelle für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen eine unmittelbar beschreibende, freihaltebedürftige Angabe im Sinne von "virtueller Planet" dar, die in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistung nur deren Gegenstand bzw Thema oder Bestimmung beschreibe und der auch jegliche betriebskennzeichnende Unterscheidungskraft fehle, zumal in der heutigen Welt des Internets sowie sonstiger elektronischer Datenverarbeitung virtuelle Welten und ihre Inhalte von immer größerer Bedeutung seien.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders mit dem (sinngemäßen) Antrag, den Beschluss der Markenstelle des DPMA vom 9. April 2001 aufzuheben.

Die angemeldete Bezeichnung stelle eine Wortneuschöpfung dar, die auch in der deutschen Übersetzung im Sinne von "künstlich erzeugter Planet" für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen keine beschreibende Sachangabe darstelle und auch Unterscheidungskraft aufweise. Auch die mit der übersandten Internet-Recherche des Senats belegbaren Treffer der Wortkombination "Virtual Planet" beträfen überwiegend Websides des Anmelders selbst oder bezögen sich auf einen virtuellen Planeten im originären Sinn und stünden deshalb einer Eintragung der angemeldeten Bezeichnung jedenfalls nach Beschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses nicht entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle sowie auf die Schriftsätze des Anmelders und den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde des Anmelders ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.

1) Auch der Senat ist der Auffassung, dass die angemeldete Bezeichnung nach dem ursprünglich beanspruchten Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen für eine Vielzahl von Waren und Dienstleistungen absolute Schutzhindernisse im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 1 und Nr 2 MarkenG entgegengestanden haben. Wie der Anmelder nicht in Abrede stellt und die ihm im Beschwerdeverfahren übersandte Internet-Recherche belegt, wird der dem deutschen Begriff "virtueller Planet" gleichstehende und im Verkehr gleichermaßen gebrauchte englischsprachige Ausdruck "VIRTUAL PLANET" bereits gegenwärtig beschreibend in seinem originären Sinn verwendet. Hierbei ist ferner zu berücksichtigen, dass bei einem Waren- und Dienstleistungsverzeichnis, welches wie vorliegend wegen der weiten Oberbegriffe eine Vielzahl einzelner Waren und Dienstleistungen umfasst, das angemeldete Zeichen bereits dann von der Eintragung für den jeweilig beanspruchten Oberbegriff ausgeschlossen ist, wenn sich auch nur für eine spezielle hierunter fallende Ware bzw Dienstleistung ein Eintragungshindernis ergibt (vgl BGH WRP 2002, 91, 93-94 - AC - unter Hinweis auf BGH GRUR 1997, 634, 635 - Turbo II - zum Löschungsverfahren).

Der Bundesgerichtshof hat ferner auch Wortfolgen als nicht schutzfähig angesehen, die zwar nicht eine angemeldete Ware oder Dienstleistung selbst beschreiben, aber einen thematischen Bezug aufweisen, der den Verkehr ohne weitere Überlegungen dazu veranlasst, in der Wortfolge nur eine titelartig zusammengefasste Sachaussage in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zu sehen (BGH MarkenR 2001, 363, 365 - REICH UND SCHOEN; BGH MarkenR 2001, 368, 370 - Gute Zeiten - Schlechte Zeiten). Dies entspricht auch der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs Erster Instanz (vgl EuG GRUR Int. 2001, 864, 866 - CINE COMEDY; GRUR Int. 2001, 556 - CINE ACTION). In Bezug auf Waren und Dienstleistungen, welche einen thematischen Bezug zu Himmelskörpern aufweisen, erweist sich angemeldete Bezeichnung deshalb auch bei Anlegung des gebotenen großzügigen Maßstabes als nicht schutzfähig.

2) Diese Bedenken sind jedoch aufgrund der im Beschwerdeverfahren erklärten Beschränkung des Verzeichnisses der Waren und Dienstleistungen beseitigt. Denn "VIRTUAL PLANET" erweist sich in Bezug auf die nunmehr noch beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht als eine beschreibende Sachangabe im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG noch sind Umstände dafür ersichtlich sind, dass der Verkehr dennoch allein aufgrund eines sonstigen Zusammenhangs in der angemeldeten Wortfolge keinen betrieblichen Hinweis auf die jeweilige Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen sehen wird.

3) Dies gilt auch dann, wenn man einbezieht, dass der Verkehr in Bezug auf einzelne Waren oder Dienstleistungen - insbesondere im Hinblick auf die virtuelle Welt des Internets und die Vielfalt des darin enthaltenen virtuellen Waren- und Dienstleistungsangebots - die Bedeutung von "VIRTUAL PLANET" im übertragenden Sinn als sachbezogene Bedeutung verstehen könnte. So ist der Auffassung der Markenstelle zwar zuzustimmen, dass die heutige virtuelle Welt des Internets von immer größerer Bedeutung ist, wie auch die Internetrecherche belegt, dass bereits gegenwärtig von einem "virtuellen Einkaufs-Planeten" die Rede ist und "virtuelle Marktplätze, Plattenläden oder Kioske" ihre Waren und Dienstleistungen (zB virtueller Reiseführer) anbieten. Hierbei kann "virtual" durchaus eine reale Präsentation ausdrücken und wird nicht nur im Zusammenhang mit nicht existierenden Scheinbildern verwendet (vgl hierzu auch PAVIS PROMA, Kliems, BPatG 30 W (pat) 063/96 - VIRTUAL PHONE).

Es ist aber zu berücksichtigen, dass die angemeldete Bezeichnung auch in Bezug auf derartige Waren oder Dienstleistungen, welche - wie beispielsweise die im Zusammenhang mit einem virtuellen Kaufhaus stehende Dienstleistung "Online-Vermittlung von Waren und Dienstleistungen (Online-Shopping)" - wegen des von ihrem originären und üblichen Bedeutungsgehalt abweichenden Sinngehalts und ihres ungewöhnlichen Verwendungszusammenhangs eher eine originelle - "sprechende" Wortbildung darstellt. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Verkehr selbst in Bezug auf derartige Waren und Dienstleistungen "VIRTUAL PLANET" mit eine bloßen Sachangabe gleichsetzen wird, konnte der Senat nicht finden, zumal grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen ist und es zur Begründung von Unterscheidungskraft keiner eigentümlichen oder originellen Zeichenbildung oder eines Phantasieüberschusses bedarf (vgl BGH GRUR 2002, 64 - INDIVIDUELLE; EuG GRUR Int. 2001, 756, 759 Tz 39 - EASYBANK - zu Art 7 Abs 1 Buchst b und c GMV).

Auf die Beschwerde des Anmelders war deshalb der angefochtene Beschluss aufzuheben.

Brandt Bayer Engels Fa






BPatG:
Beschluss v. 13.06.2002
Az: 25 W (pat) 209/01


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