Bundespatentgericht:
Beschluss vom 7. Dezember 2010
Aktenzeichen: 23 W (pat) 353/04

(BPatG: Beschluss v. 07.12.2010, Az.: 23 W (pat) 353/04)

Tenor

Das Patent wird widerrufen.

Gründe

I 1. Tatbestand Das Patent DE 103 00 877 B3 (Streitpatent) wurde am 10. Januar 2003 beim Deutschen Patentund Markenamt mit der Bezeichnung "Elektrische Versorgungseinheit" angemeldet.

Die Prüfungsstelle für Klasse H 05 K des Deutschen Patentund Markenamts hat unter Berücksichtigung des Standes der Technik gemäß den Druckschriften 1) DE 9319849U1und 2) DE 8904073U1 das Streitpatent mit Beschluss vom 6. Februar 2004 mit 3 Patentansprüchen erteilt. Die Patenterteilung wurde am 8. Juli 2004 veröffentlicht.

Die Einsprechende hat mit Schriftsatz (FAX) vom 7. Oktober 2004 Einspruch erhoben.

Sie stützt sich u. a. auf nachfolgende Dokumente E1 DE 196 09 855 C1, E2 EP 0 752 809 A1, E3 FR 2 278 148 und E4 EP 0 805 253 A2.

Die Einsprechende führt in ihrem Einspruchsschriftsatz insbesondere aus, der Patentgegenstand beruhe gegenüber den Druckschriften E1 und E2 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Die weiteren Druckschriften E3 und E4 wurden lediglich zu den Patentansprüchen 2 und 3 genannt.

In der mündlichen Verhandlung vom 7. Dezember 2010 beantragt die Einsprechende, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin verteidigt ihr Patent in der erteilten Fassung und beantragt, das Patent in der erteilten Fassung aufrechtzuerhalten.

Der erteilte Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

a.

"Elektrische Versorgungseinheit für einen Türflügelantriebb.

mit einem Gehäuse (2), dadurch gekennzeichnet, c.

dass das Gehäuse (2) aus zwei U-förmig gebogenen Blechzuschnitten (3, 4) zusammensetzbar ist, d. wobei die Blechzuschnitte (3, 4) die in dem Gehäuse (2) befindlichen Bauteile elektromagnetisch abschirmen, e. dass an einem Blechzuschnitt (3) Auflagen (7) in zwei Ebenen angeordnet sind, f. in die Leiterplatten (11, 12) einschiebbar sind undg. dass die Auflagen (7) durch gehäuseeinwärts gebogene Blechstreifen (9) und (10) gebildet sind, h. wobei zwischen den Blechstreifen (9) und (10) ein Einschubspalt (8) verbleibt."

Bezüglich der Unteransprüche wird auf das Patent und hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II 2. Zuständigkeit des Bundespatentgerichts Das anhängige Einspruchsverfahren wurde gemäß § 147 Abs. 3, 1. Alternative PatG i. d. F. v. 1.1.2002 an das Bundespatentgericht abgegeben. Diese zeitlich bis zum 30.6.2006 begrenzte Verlagerung der Zuständigkeit hat der BGH als nicht verfassungswidrig beurteilt (BGH GRUR 2009, 184 -"Ventilsteuerung" m. w. N.).

Demnach besteht eine vor dem 1.7.2006 begründete Zuständigkeit des Bundespatentgerichts für die Entscheidung über den Einspruch auch nach der Aufhebung des § 147 Abs. 3 PatG fort.

3. Die Zulässigkeit des Einspruchs Die Zulässigkeit des Einspruchs ist zwar nicht angegriffen worden, jedoch ist diese von Amts wegen zu prüfen, vgl. Schulte PatG, 8. Auflage, § 59 Rdn. 56 und 160 bis 162.

Der formund fristgerecht erhobene Einspruch ist zulässig, weil der Widerrufsgrund des § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG, insbesondere der mangelnden erfinderischen Tätigkeit angegeben ist (§ 59 Abs. 1 Satz 3 PatG) und die Tatsachen, die den Einspruch rechtfertigen, im Einzelnen angegeben sind (§ 59 Abs. 1 Satz 4 PatG), weil in der zugehörigen Begründung ein konkreter Bezug der einzelnen Merkmale a. bis h. des erteilten Patentanspruchs 1 zum Stand der Technik nach der Druckschrift E1 i. V. m. E2 gebracht werden, um mangelnde erfinderische Tätigkeit zu belegen.

4. Patentgegenstand Ausweislich der geltenden Beschreibungseinleitung betrifft das vorliegende Patent eine elektrische Versorgungseinheit für einen Türflügelantrieb mit einem Gehäuse.

Türflügelantriebe werden für den Antrieb u. a. von Drehtüren verwendet. Sie weisen eine Montageplatte auf, auf der die einzelnen Komponenten, wie Antrieb, Pumpe, Türschließer, Netzteil usw. angeordnet sind. Wenn elektrische Bauteile defekt oder beschädigt sind, ist ein Austausch in der Regel erst möglich, wenn ein Großteil des Türflügelantriebes auseinander gebaut ist. Dies ist zeitaufwendig und kostenintensiv, weil die elektrischen Komponenten dezentral und entsprechend platzaufwendig angeordnet sind (vgl. Abschnitt [0002] des Streitpatents).

Als technisches Problem liegt der vorliegenden Erfindung die Aufgabe zugrunde, die vorstehend genannten Nachteile zu beseitigen und eine zentrale elektrische Versorgungseinheit für einen Türflügelantrieb zu schaffen, die einfach aufgebaut und wartungsfreundlich ist und trotzdem nur geringe Abmessungen aufweist (vgl. Abschnitt [0005] des Streitpatents).

Das Problem wird gelöst durch die im erteilten Patentanspruch 1 angegebenen Merkmale.

5. Patentfähigkeit Als zuständiger Fachmann zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit der patentgemäßen Lösung ist ein mit der Entwicklung von Abschirmungsgehäusen für elektrische Versorgungseinheiten eines Türflügelantriebs betrauter, berufserfahrener Diplom-Ingenieur mit Fachhochschulabschluss zu definieren.

Die Fragen der Zulässigkeit und Neuheit der Lehre des erteilten Patentanspruchs 1 kann dahinstehen, weil dessen Lehre im Hinblick auf die Druckschriften E2 und E4 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit des zuständigen Fachmanns beruht, vgl. BGH GRUR 1991, 120, 121 Abschnitt II. 1. -"Elastische Bandage".

Die Druckschrift E2 offenbart in der Terminologie des Patentanspruchs 1 eine Somit unterscheidet sich der Gegenstand des Streitpatents von der elektrischen Schaltungseinheit gemäß der Druckschrift E2 nur dadurch, dass beim Streitpatent eine elektrische Versorgungseinheit für einen Türflügelantrieb (Merkmal a.) unter Schutz gestellt werden soll.

- Elektrische Schaltungseinheit mit Leiterplatten (an improvedstructure for an enclosure for a printed circuit board / vgl. dortdie Beschreibung Spalte 1, 1. Abs. -zu Merkmal a.)

- mit einem Gehäuse (enclosure 10 includes a first part ... 12 and a second part ... 14 / vgl. dort die Beschreibung Spalte 3, Z. 18 und 7 bis 9 -zu Merkmal b.), dadurch gekennzeichnet,

- dass das Gehäuse (enclosure 10) aus zwei U-förmiggebogenen Blechzuschnitten zusammensetzbar ist (The firstpart 12 includes an end portion 16 and two side portions 18;

the second part 14 includes an end portion 36 and two sideportions 38; the end portion 36 and side portion 38 are formed from a single sheet of rigid metallic material which isbent to the desired shape / vgl. dort die Figuren 1 bis 8 mitzugehöriger Beschreibung, insbesondere in Spalte 3, Abs. 1 und in Spalte 4, Abs. 3 -zu Merkmal c.).

- wobei die Blechzuschnitte (first and second part 12, 14) diein dem Gehäuse (enclosure 10) befindlichen Bauteile elektromagnetisch abschirmen (Diese Eigenschaft liest der Fachmann daraus mit, dass die Blechzuschnitte 12, 14 ausmetallischen Material bestehen -zu Merkmal d.).

- dass an einem Blechzuschnitt (first part 12) Auflagen (a pairof flanges 20 are formed integrally with each of the sideportions 18; a slot 22 ist formed through each of thelongitudinal ends 21 of the flanges 20) in zwei Ebenenangeordnet sind / vgl. dort die Figur 1 mit zugehöriger Beschreibung, insbesondere Spalte 3, 2. Abs. -zu Merkmale.),

- in die Leiterplatten (PCB 50) einschiebbar sind (vgl. Erläuterungen zu vorangehendem Merkmal -zu Merkmal f.) und - dass die Auflagen (longitudinal ends 21, slots 22, flanges 20)

durch gehäuseeinwärts gebogene Blechstreifen (longitudinalends 21, slots 22, two flanges 20) gebildet sind (a. a. O. -zu Merkmal e.),

- wobei zwischen den Blechstreifen (longitudinal ends 21, slots 22, two flanges 20) ein Einschubspalt (slot 22) verbleibt

(a. a. O. -zu Merkmal e.).

Dieses Unterschiedsmerkmal vermag jedoch nicht eine erfinderische Tätigkeit des Fachmanns zu begründen, weil es für diesen Fachmann wegen der besonders einfachen Konstruktion des Gehäuses nach der Druckschrift E2 naheliegend ist, diese Lehre auf die elektrische Versorgungseinheit für einen Türflügelantrieb gemäß Druckschrift E4 zu übertragen, insbesondere da das in der Druckschrift E2 offenbarte Gehäuse auch dafür ausgebildet ist, hängend angebracht zu werden (vgl. in E2 Spalte 4, 2. Abs.).

Daher beruht die Lehre des erteilten Patentanspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit des zuständigen Fachmanns.

Die Unteransprüche fallen wegen der Antragsbindung mit dem Patentanspruch 1, vgl. BGH GRUR 2007, 862, 863, Tz 18, 21 -Informationsübermittlungsverfahren II.

Somit musste das Streitpatent widerrufen werden.

Dr. Strößner Lokys Richterin Dr. Hock ist wegen Abordnung an das DPMA verhindert, ihre Unterschrift beizufügen. Dr. Friedrich Dr. Strößner Cl






BPatG:
Beschluss v. 07.12.2010
Az: 23 W (pat) 353/04


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