Landesarbeitsgericht Hamburg:
Beschluss vom 26. Juli 2010
Aktenzeichen: 7 Ta 13/10

(LAG Hamburg: Beschluss v. 26.07.2010, Az.: 7 Ta 13/10)

Tenor

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 2) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 25. Mai 2010 € 15 BV 1/10 € abgeändert:

Der Gegenstandswert für das Beschlussverfahren 15 BV 1/10 wird auf € 41.934,06 festgesetzt.

Eine Gebühr für das Beschwerdeverfahren ist nicht zu erheben.

Gegen diesen Beschluss findet kein Rechtsmittel statt.

Gründe

I.

Gegenstand des zu Grunde liegenden Beschlussverfahrens waren die Anträge der Beteiligten zu 1) (Arbeitgeberin), die Zustimmung des Beteiligten zu 2) (Betriebsrats) zur befristeten Einstellung der Zeitarbeitnehmer B.T. und I.N. zu ersetzen und festzustellen, dass deren vorläufige Einstellung ab dem 1.1.2010 bzw. 18.1.2010 aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war. Ferner hat die Beteiligte zu 1) die Ersetzung der Zustimmung des Beteiligten zu 2) zur unbefristeten Einstellung der Zeitarbeitnehmer B.R., A.G., A.K. und S.H. sowie die Feststellung beantragt, dass deren vorläufige Einstellung ab dem 1.1.2010 bzw. dem 18.1.2010 aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war (§§ 99 Abs. 4,100 Abs. 2 S.3 BetrVG). Die monatlich durch den Entleiher an den Verleiher zu entrichtenden Beträge betrugen:

- B.T. € 2.195,47- I.N. € 2.993,84- B.R. € 2.088,19- A.G. € 2.216,89- A.K. € 2.280,08- S.H. € 2.203,55.Das Arbeitsgericht hat den Gegenstandswert nach Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 25. Mai 2010 auf € 29.358,26 festgesetzt. Gegen diesen ihm am 1. Juni 2010 zugestellten Beschluss hat der Beteiligte zu 2) am 15. Juni 2010 Beschwerde eingelegt. Der Beschwerdeführer sieht eine Herabsetzung des Gegenstandswerts allein wegen der Anzahl der betroffenen (Leih-)Arbeitnehmer bzw. der lediglich befristet vorgenommenen Einstellungen für nicht gerechtfertigt an. Das Arbeitsgericht hat durch Beschluss vom 25. Juni 2010 der Beschwerde des Beteiligten zu 2) nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Es hat ausgeführt, es werde daran festgehalten, dass insbesondere bei wie hier nur kurzzeitig befristeten Einstellungen der Gegenstandswert für die Anträge mit einem Gehalt insgesamt angemessen berücksichtigt sei. Außerdem sei von einem einheitlichen Einstellungsvorgang auszugehen.

II.

1. Die Beschwerde des Beteiligten zu 2) gegen den Gegenstandswertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts ist statthaft gemäß §§ 33 Abs. 3 Satz 1 RVG und auch im Übrigen zulässig, insbesondere gemäß § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG fristgemäß eingelegt. Die Beschwer übersteigt € 200,00.

2. In der Sache selbst hatte die Beschwerde auch Erfolg.

Der Erfolg der Beschwerde resultiert zusammengefasst daraus, dass nach ständiger Rechtsprechung der angerufenen Beschwerdekammer der Gegenstandswert für den auf § 99 Abs. 4 BetrVG gestützten Antrag des Arbeitgebers, die Zustimmung zu einer beabsichtigten Einstellung eines Zeitarbeitnehmers zu ersetzen, regelmäßig mit zwei Monatsbeträgen, die der Arbeitgeber (Entleiher) an das Zeitarbeitsunternehmen für den betroffenen Arbeitnehmer gezahlt hat, zu bewerten ist und der Feststellungsantrag nach § 100 Abs. 2 Satz 3 mit einem entsprechenden Monatsbetrag (vgl. LAG Hamburg, Beschl. Vom 8.6.2007, 7 Ta 8/07). Eine Herabsetzung des Gegenstandswerts im Hinblick darauf, dass die Arbeitgeberin (Beteiligte zu 1) in sechs Fällen die Ersetzung der Zustimmung zur Einstellung und die Feststellung beantragt hat, dass die vorläufige Durchführung der Einstellungen aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war und dass es sich in zwei Fällen lediglich um befristete Einstellungen für die Dauer von drei Monaten gehandelt hat, kommt nicht in Betracht. Im Einzelnen gelten folgende Rechtsgrundsätze:

a) Nach der ständigen Rechtsprechung der angerufenen Beschwerdekammer und des Landesarbeitsgerichts Hamburg ist der Gegenstandswert für den Antrag nach § 99 Abs. 4 BetrVG regelmäßig mit zwei Monatsgehältern und derjenige für den Antrag nach § 100 Abs. 2 S. 3 BetrVG regelmäßig mit einem weiteren Monatsentgelt anzusetzen (so LAG Hamburg vom 18. Juni 2007 € 7 Ta 18/07 € n.v.; vom 30. Mai 2007 € 7 Ta 9/07; vom 15. Januar 2009 - 4 Ta 29/08 € und vom 17. Juni 2008 - 4 Ta 6/08 - nv; vom 18. April 2007 - 4 Ta 4/07 - nv; LAG Hamburg vom 27. September 2007 € 8 Ta 10/07 € EzAÜG RVG Nr. 5 und vom 20. November 2006 - 8 Ta 14/06 € nv ; vom 23. Mai 2002 - 3 Ta BV 2/01 € nv; vergl. auch LAG Düsseldorf Beschluss vom 11. Mai 1999 - 7 Ta 143/99 - LAGE Nr. 41 zu § 8 BRAGO, LAG Düsseldorf Beschluss vom 18. Juli 2006 - 6 Ta 386/06 € sowie LAG Hamm Beschluss vom 28. Januar 2008 - 13 Ta 748/07 -, letztere jeweils zit. nach juris und m.w.N.).

Für die Bewertung der betriebsverfassungsrechtlichen Verfahren nach §§ 99, 100 BetrVG wegen einer Einstellung, Versetzung bzw. einer Eingruppierung oder bei Anträgen auf Aufhebung einer personellen Maßnahme gemäß § 101 BetrVG sind unter Berücksichtigung der konkreten wirtschaftlichen Interessen von Betriebsrat und Arbeitgeber an der jeweiligen Maßnahme grundsätzlich die Streitwertregelungen des § 42 Abs. 4 GKG entsprechend anzuwenden, wobei in der Regel der volle Streitwertrahmen nicht auszuschöpfen sein dürfte (Germelmann u.a., ArbGG, 7. Aufl., § 12 Rz 145). Zu berücksichtigen ist, dass Mitwirkungsrechte des Betriebsrats nicht um ihrer selbst willen bestehen, sondern dazu dienen, den Arbeitgeber zur Beachtung nicht nur der eigenen Interessen, sondern auch der Belange der durch den Betriebsrat repräsentierten Arbeitnehmer zu veranlassen (vgl. LAG Hamburg Beschluss vom 20. November 2006 - 8 Ta 14/06 - nv). Bei Einstellungen ist zu beachten, dass im Bestandsschutzstreit mit Rechtskraftwirkung über das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses mit einem bestimmten Arbeitnehmer mit den sich hieraus ergebenden Vergütungs- und Beschäftigungspflichten entschieden wird, während bei einer positiven Entscheidung in einem Verfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG der Arbeitgeber immer noch entscheiden kann, ob er den entsprechenden Arbeitnehmer tatsächlich einstellen will. Hieraus folgt für die Bewertung eines Ersetzungsantrages auf Zustimmung des Betriebsrats zu einer Einstellung nach § 99 BetrVG grundsätzlich ein Gegenstandswert von zwei Monatsentgelten, sofern nicht besondere Fallgestaltungen und Umstände eine andere Festsetzung als richtig erscheinen lassen, und für den Antrag des Arbeitgebers nach § 100 Abs. 2 Satz 2 BetrVG auf Feststellung, dass die Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war, ein Monatsentgelt (vgl. nur LAG Hamburg Beschluss vom 11. Januar 2010 € 4 Ta 18/09 € zitiert nach juris).

Nach den vorstehenden Ausführungen ist es ferner grundsätzlich sachgerecht, bei der Bewertung einer personellen Maßnahme gemäß § 99 BetrVG an die Höhe der Vergütung des Arbeitnehmers anzuknüpfen, weil sich das wirtschaftliche Interesse regelmäßig in dem zu zahlenden Arbeitsverdienst im Sinne des § 42 Abs. 4 GKG ausdrückt. Die Höhe des Einkommens des Arbeitnehmers spiegelt regelmäßig den Wert seiner Beschäftigung für den Arbeitgeber wider und ist deshalb ein sachgerechter Maßstab für die Bedeutung des Verfahrens für den Arbeitgeber. An dieser Rechtsprechung hält die Beschwerdekammer nach erneuter Prüfung fest. Allerdings fehlt es bei einem Leiharbeitnehmer an einem solchen Monatsverdienst i.S. des § 42 Abs. 4 S. 1 GKG, da der Leiharbeitnehmer nicht in einem Arbeitsverhältnis zur Entleiherin, d.h. vorliegend zur Beteiligten zu 1) steht und von dieser naturgemäß auch keine Vergütung bezieht.

Nach Auffassung des Beschwerdegerichts drückt sich in diesen Fällen die wirtschaftliche Bedeutung der Angelegenheit am sinnfälligsten in dem Entgelt aus, welches die Entleiherin dem Verleiher für den Leiharbeitnehmer zahlt (vgl. dazu nur mit ausführlicher Begründung: LAG Hamburg vom 18.6.2007 - 7 Ta 8/07).

Danach war der Gegenstandswert auf jeweils drei Monatsbeträge, die die Beteiligte zu 1 für die betroffenen sechs Leiharbeitnehmer an den Verleiher entrichtet hat, festzusetzen (B.T. € 2.195,47x3= € 6.586,41; I.N. € 2.993,84x3= € 8.981,52; B.R. € 2.088,19x3= € 6.264,57; A.G. € 2.216,89x3= € 6.650,67; A.K. € 2.280,08x3= € 6.840,24; S.H. € 2.203,55x3= € 6.610,65), insgesamt auf € 41.934,06.

b) Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts war eine Herabsetzung des vorgenannten Gegenstandswerts im Hinblick darauf, dass die Beteiligte zu 1) in zwei Fällen die Zustimmungsersetzung zur befristeten Einstellung des Herrn B.T. und des Herrn I.N. für die Dauer von drei Monaten beantragt und diese Maßnahme befristet vorläufig durchgeführt hat, nach Auffassung der Beschwerdekammer nicht geboten. Auch wenn der wirtschaftliche Wert der personellen Maßnahme infolge der Befristung geringer ist als bei einer dauerhaften Einstellung, bleibt im Übrigen zu berücksichtigen, dass der Arbeitsaufwand der Verfahrensbevollmächtigten unabhängig vom Zeitraum der (vorläufigen) Einstellung ist. Die Tatsache der Befristung wirkt sich nur bedingt auf die Anforderungen an die Prüfung des Mitbestimmungsrechts aus und hat auch nicht per se Auswirkungen auf den Schwierigkeitsgrad und den Umfang einer Rechtsangelegenheit.

c) Soweit die Beteiligte zu 1) in vier weiteren Fällen die Ersetzung der Zustimmung zur unbefristeten Einstellung begehrt und die Feststellung beantragt hat, dass die vorläufige Einstellung des jeweiligen Zeitarbeitnehmers aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war, kommt eine Herabsetzung des Gegenstandswerts vorliegend ebenfalls nicht in Betracht.

Eine solche Herabsetzung ist regelmäßig nicht sachgerecht (vgl. LAG Hamburg Beschluss vom 27. September 2007 € 8 Ta 10/07 € EzAÜG RVG Nr. 5 und Beschluss vom 18. April 2007 - 4 Ta 4/07 € aaO.). Die Orientierung der anwaltlichen Vergütung am Gegenstandswert eines Verfahrens nach dem RVG bedeutet, dass es auf den Arbeitsaufwand, den ein Mandat verursacht, gerade nicht entscheidend ankommen soll. Der Gesetzgeber hat in Kauf genommen, dass es Mandate mit hohem Gegenstandswert gibt, die keinen besonderen Aufwand erfordern, und dass es arbeitsintensive Mandate mit geringem Gegenstandswert gibt. In beiden Fällen könnte die Vergütung des Anwalts, wenn man auf den Arbeitsaufwand abstellte, als unangemessen bezeichnet werden. Das am Gegenstandswert orientierte Vergütungssystem geht jedoch davon aus, dass über die Summe der Mandate im Laufe der Zeit ein Ausgleich erfolgt (so zutreffend LAG Hamburg, Beschl. vom 19. Juli 2010 € 4 Ta 11/10). Diesem Grundprinzip widerspräche es, in Fällen, in denen ein Anwalt wegen einer Reihe gleich oder ähnlich gelagerter Fälle einen - gemessen am Arbeitsaufwand - überdurchschnittlich hohen Verdienst erzielt, allein deshalb eine Kürzung vorzunehmen. Allenfalls unter sehr engen Voraussetzungen kann die Festsetzung eines geringeren Gegenstandswerts angezeigt sein, um die anwaltliche Vergütung im Bereich des Angemessenen zu halten. Im Regelfall wird dies nur bei einersehr hohenAnzahl von Fällen eines Anwalts in Betracht kommen, wenn diese keine wesentlichen Unterschiede aufweisen. Davon ist vorliegend noch nicht auszugehen. Ohne diese engen Voraussetzungen kommt eine Herabsetzung des Gegenstandswertes in Betracht, wenn Anträge gestellt werden, ohne dass damit ein über das Führen der Verfahren als solches hinausgehender schutzwürdiger Zweck verfolgt wird. Grund für eine Herabsetzung des Gegenstandswertes ist in solchen Fällen aber nicht der vermutete Arbeitsaufwand der Prozessbevollmächtigten, sondern das wirtschaftliche Interesse am Ausgang des Verfahrens.

Mit der vorgenommenen Wertfestsetzung sind nach allem sowohl Bedeutung und Folgen der Angelegenheit für die Beteiligten als auch die wirtschaftlichen Auswirkungen der streitgegenständlichen Maßnahmen hinreichend und angemessen erfasst. Während einerseits eine besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeit, die eine höhere Wertfestsetzung erforderte, dem Akteninhalt nicht zu entnehmen ist, ist andererseits ebenfalls nicht erkennbar, dass es sich um eine besonders einfach gelagerte Fallgestaltung gehandelt hätte. Dass die anwaltliche Vergütung sich außerhalb des Bereichs des Angemessenen verhält, kann ebenfalls nicht festgestellt werden.

3. Auf die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 2) war der angefochtene Beschluss des Arbeitsgerichts demgemäß entsprechend abzuändern.

III.

Eine Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten war nicht veranlasst (§ 33 Abs. 9 Satz 2 RVG; vgl. auch Hartmann, Kostengesetze, 38. Aufl., § 33 RVG Rz. 26).






LAG Hamburg:
Beschluss v. 26.07.2010
Az: 7 Ta 13/10


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