Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Beschluss vom 22. April 2013
Aktenzeichen: 21 W 90/12

(OLG Frankfurt am Main: Beschluss v. 22.04.2013, Az.: 21 W 90/12)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Geschäftswert wird für die Beschwerdeinstanz auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsgegner ist Gesellschafter der Antragstellerin, einer GmbH. Die Beteiligten streiten seit mehreren Jahren in diversen gerichtlichen Verfahren über die Frage, inwiefern die Antragstellerin dem Antragsgegner Einsicht in ihre Bücher und Schriften gewähren muss. Im Rahmen eines Vollstreckungsabwehrantrages der Antragstellerin vom 22. Februar 2012, der das bereits titulierte Einsichtsrecht des Antragsgegners hinsichtlich der Geschäftsunterlagen der Antragstellerin für die Zeit ab dem 1. Januar 2006 betrifft, begehrt der Antragsgegner mit seinem der Antragstellerin am 16. April 2012 zugestellten Gegenantrag, ihr aufzugeben, ihm auch Einsicht in die Unterlagen der Geschäftsjahre 2005 und 2011 zu gewähren.

Auf den Gegenantrag hat das Landgericht Frankfurt am Main der Antragstellerin mit Teilbeschluss vom 25. Juni 2012 aufgegeben, dem Antragsgegner Einsicht in ihre vollständigen Handelsbücher und Geschäftsunterlagen einschließlich der Korrespondenz und Buchungsbelege für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 31. Dezember 2005 im Beistand eines der beruflichen Schweigepflicht unterliegenden Rechtsanwalts, Steuerberaters, vereidigten Buchprüfers oder Wirtschaftsprüfers zu gewähren, wobei der Antragsgegner nach eigenem Ermessen mit eigenen Mitteln Fotokopien anfertigen dürfe. Die Kostenentscheidung und die Festsetzung des Geschäftswertes hat das Landgericht der Schlussentscheidung vorbehalten und die Beschwerde zugelassen.

Zur Begründung des Teilbeschlusses hat das Landgericht ausgeführt, der Gegenantrag sei zwar im Hinblick auf ein Einsichtsrecht für Unterlagen aus dem Jahr 2011 noch nicht entscheidungsreif, er sei jedoch begründet, soweit er auf die Einsicht von Unterlagen aus dem Jahr 2005 gerichtet sei. Der Antragsgegner könne von der Antragstellerin Einsicht in die Unterlagen des Jahres 2005 verlangen. Die Kammer habe bereits in dem Verfahren .../11 zum Einsichtsrecht des Antragsgegners für die Jahre 2006 bis 2010 dargelegt, dass sich für den Antragsgegner aus § 51a GmbHG ein umfassendes Auskunfts- und Einsichtnahmerecht ergebe, bei dem Einschränkungen nur unter den in § 51a Abs. 2 GmbHG genannten engen Voraussetzungen zulässig seien. Das in diesem Umfang bestehende Einsichtsrecht des Antragsgegners sei nicht durch Erfüllung erloschen. Dabei könne dahinstehen, ob dem Wirtschaftsprüfer Z1 bei dessen früherer Einsichtnahme in die Geschäftsunterlagen der Antragstellerin, die er für den Antragsgegner wahrgenommen habe, Unterlagen aus dem Jahr 2005 vorgelegt worden seien. Denn der Bericht des Wirtschaftsprüfers Z1 gebe Satzungs- und Gesetzesverstöße zu erkennen und führe aus, dass nicht alle angeforderten Unterlagen zur Verfügung gestellt worden seien. Damit sei eine weitere Prüfung durch den Antragsgegner unentbehrlich, um seine Mitgliedschaftsrechte sachgerecht ausüben zu können. An dieser Rechtsansicht, die vom Beschwerdegericht in seiner Entscheidung vom 24. November 2011 - 21 W 34/11 - geteilt werde, halte die Kammer fest. Dem Einsichtsrecht des Antragsgegners in die Unterlagen des Jahres 2005 stehe auch nicht entgegen, dass ein Gesellschafterbeschluss über die Versagung des Einsichtsrechts für diesen Zeitraum noch nicht vorliege. Die Antragstellerin habe seit Zustellung des Gegenantrags am 16. April 2012 genügend Zeit gehabt, eine Gesellschafterversammlung einzuberufen und über die Gewährung des Einsichtsrechts in die Unterlagen des Jahres 2005 einen - gegebenenfalls ablehnenden - Gesellschafterbeschluss zu fassen. Dass sie dies unterlassen habe, könne nicht zu Lasten des Einsicht begehrenden Gesellschafters gehen. Vielmehr sei mangels eines entsprechenden versagenden Gesellschafterbeschlusses ohne weiteres festzustellen, dass ein Einsichtsrecht bestehe. Eine Beschränkung des Einsichtsrechts bedürfe eines Gesellschafterbeschlusses. Dies gelte auch dann, wenn Erfüllung des Auskunftsbegehrens, Rechtsmissbrauch oder Kenntnis eingewandt werde.

Gegen diesen Teilbeschluss, der der Antragstellerin am 26. Juni 2012 zugestellt worden ist und für den ergänzend auf Bl. 231-242 d.A. verwiesen wird, wendet sich die Antragstellerin mit ihrer am 26. Juli 2012 bei Gericht eingegangenen Beschwerde. Mit ihrem Rechtsmittel beantragt sie, den Teilbeschluss des Landgerichts Frankfurt am Main vom 25. Juni 2012 insoweit aufzuheben, wie dem Widerantrag des Antragsgegners auf Einsichtnahme in die Geschäftsunterlagen aus dem Jahr 2005 stattgegeben wurde, den Widerantrag zurückzuweisen und für den Fall der Zurückweisung ihrer Beschwerde die Rechtsbeschwerde zuzulassen.

Zur Begründung ihres Rechtsmittels trägt sie im Wesentlichen vor, ihr Geschäfts-führer habe mit Schreiben vom 2. Juli 2012 eine Gesellschafterversammlung für den 27. Juli 2012 einberufen, die unter anderem den Antrag des Antragsgegners auf Einsicht in der Unterlagen der Gesellschaft für die Jahre 2005 und 2011 zum Gegenstand habe. Diesen Beschluss habe die Kammer nicht vorwegnehmen dürfen. Allein die Gesellschafterversammlung sei berechtigt, über das Informationsbegehren des Antragsgegners zu entscheiden. Die Einsichtnahme in die Geschäftsunterlagen aus dem Jahr 2005 dürfe verwehrt werden, wenn die Gesellschafter mehrheitlich den Antrag ablehnten. Der Gesellschafterbeschluss müsse dementsprechend abgewartet werden.

Das Einsichtsverlangen des Antragsgegners sei außerdem rechtsmissbräuchlich. Zum einen sei das Recht des Antragsgegners auf Einsicht in die Unterlagen aus dem Jahr 2005 nach nunmehr sieben Jahren verwirkt. Der Antragsgegner habe bislang nie die persönliche Einsicht in diese Unterlagen beantragt, obwohl ihm dies möglich gewesen wäre. In einem früheren Verfahren habe der Antragsgegner Einsicht in die vollständigen Handelsbücher und Geschäftsunterlagen durch den Wirtschaftsprüfer Z1 begehrt und auch erhalten. Persönliche Einsicht habe der Antragsgegner sodann in dem Verfahren .../11 erst für die Zeit ab dem 1. Januar 2006 verlangt. Es sei daher rechtsmissbräuchlich, nunmehr auch Einsicht in die Unterlagen aus dem Jahr 2005 zu verlangen, zumal diese Unterlagen bereits dem Wirtschaftsprüfer Z1 vollständig vorgelegt worden seien und der Anspruch auf Einsichtnahme damit erfüllt worden sei. Zum anderen fehle dem Antragsgegner das Rechtsschutzbedürfnis für die Einsichtnahme in die Unterlagen aus dem Jahr 2005. Da im November 2006 ihr Jahresabschluss zum 31. Dezember 2005 genehmigt worden sei und ihrem Geschäftsführer Entlastung für das Geschäftsjahr 2005 erteilt worden sei, habe der Antragsgegner keine Entscheidungen mehr als Gesellschafter zu treffen, für die Unterlagen aus dem Jahr 2005 in irgendeiner Weise von Bedeutung wären. Ansprüche aufgrund von Vorgängen im Jahr 2005 wären überdies längst verjährt. Der Antragsgegner kenne außerdem bereits alle Geschäftsunterlagen des Jahres 2005, da ihm diese durch den Wirtschaftsprüfer Z1 vorgelegt worden seien. Vorgänge, aus denen keine Konsequenzen mehr gezogen werden könnten, weil organisatorische Maßnahmen zwecklos seien und Ersatzansprüche nicht bestünden oder verjährt seien, unterlägen nicht mehr dem Informationsrecht nach § 51a GmbHG. Demzufolge handele der Antragsgegner aus reiner Schikanierungs- und Schädigungsabsicht, wenn er gleichwohl alle Geschäftsunterlagen aus dem Jahr 2005 einsehen wolle. Außerdem habe es der Antragsgegner, obwohl er hierzu verpflichtet gewesen wäre, versäumt, unter substantiierter Beschreibung seines Informationsbegehrens und Bezeichnung der konkreten Vorgänge bzw. Sachverhaltskomplexe die Art und den Umfang der offen zu legenden Dokumente einzuschränken und die Unterlagen genau zu benennen. Mit ihrer Replik auf die Beschwerdeerwiderung des Antragsgegners trägt die Antragstellerin ergänzend vor, ausweislich Ziffer 6 des Protokolls der Gesellschafterversammlung vom 27. Juli 2012 (Anlage K 16, Bl. 379 d.A.) habe ihr Geschäftsführer die Ablehnung der Einsichtnahme hinreichend begründet. So habe ihr Geschäftsführer dort erklärt, der Antragsgegner habe bislang nur eine Einsichtnahme in Unterlagen der Jahre 2006 bis 2011 begehrt, die Bilanz für das Geschäftsjahr 2005 sei bereits vor sechs Jahren genehmigt worden, der Antragsgegner sei nach wie vor für ein Konkurrenzunternehmen tätig und es gehe ihm offensichtlich nur darum, die Gesellschaft zu schädigen.

Der Antragsgegner verteidigt demgegenüber im Wesentlichen unter Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags die angefochtene Entscheidung.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf die erstinstanzlich und im Beschwerdeverfahren wechselseitig eingereichten Schriftsätze sowie die ihnen beigefügten Anlagen Bezug genommen.

Die Gesellschafterversammlung der Antragstellerin vom 27. Juli 2012 hat den Antrag des Antragsgegners auf Einsicht in die Geschäftsunterlagen des Jahres 2005 mehrheitlich abgelehnt (Bl. 294, 390 f. d.A.).

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 14. August 2012, auf den ebenfalls Bezug genommen wird (Bl. 332-334 d.A.), der Beschwerde der Antragstellerin nicht abgeholfen. Mit Schlussbeschluss vom 18. September 2012 (Bl. 343-350 d.A.) hat es dem Gegenantrag des Antragsgegners auch hinsichtlich der Unterlagen des Jahres 2011 stattgegeben und insoweit die Beschwerde nicht zugelassen.

II.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin, die das Landgericht Frankfurt am Main im angefochtenen Teilbeschluss vom 25. Juni 2012 zugelassen hat, ist gemäß § 51b GmbHG, §§ 132 Abs. 3 Satz 1, 99 Abs. 1 und 3 AktG, §§ 58 ff. FamFG zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung der Antragstellerin aufgegeben, dem Antragsgegner Einsicht in ihre vollständigen Handelsbücher und Geschäftsunterlagen einschließlich der Korrespondenz und Buchungsbelege für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 31. Dezember 2005 im Beistand eines der beruflichen Schweigepflicht unterliegenden Rechtsanwalts, Steuerberaters, vereidigten Buchprüfers oder Wirtschaftsprüfers zu gewähren, und dem Antragsgegner die Anfertigung von Fotokopien nach eigenem Ermessen und mit eigenen Mitteln gestattet.

Die hiergegen von der Antragstellerin mit ihrer Beschwerde erhobenen Einwendungen vermögen nicht durchzudringen. Dies gilt zunächst mit Blick auf ihre Beanstandung, das Landgericht hätte vor seiner Entscheidung einen Beschluss der Gesellschafterversammlung über den Antrag des Antragsgegners auf Einsicht in die Geschäftsunterlagen des Jahres 2005 abwarten müssen. Die Ansicht der Antragstellerin, dass eine gerichtliche Entscheidung immer erst nach einem die begehrte Einsichtnahme ablehnenden Beschluss der Gesellschafterversammlung erfolgen könne, trifft nicht zu. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt das gerichtliche Verfahren der Informationserzwingung nach § 51b GmbHG keine Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung über die Verweigerung der begehrten Einsichtnahme voraus. Vielmehr ist der durch § 51b GmbH dem Gesellschafter zur Verfügung gestellte direkte Weg zur Durchsetzung seines Informationsrechts von der Herbeiführung eines Beschlusses mit gegenteiligem Inhalt unabhängig (BGH, Urt. v. 7. Dezember 1987 - II ZR 86/87, Juris Rn. 9; Beschl. v. 6. März 1997 - II ZB 4/96, BGHZ 135, 48 Juris Rn. 4).

Im Übrigen lag hier, worauf das Landgericht in seinem Nichtabhilfebeschluss vom 14. August 2012 zutreffend hingewiesen hat, jedenfalls zum Zeitpunkt der Nichtabhilfeentscheidung ohnehin ein Beschluss der Gesellschafterversammlung der Antragstellerin vor. Denn die Gesellschafterversammlung vom 27. Juli 2012 hat unstreitig über den Antrag des Antragsgegners auf Einsichtnahme in die Geschäftsunterlagen des Jahres 2005 abgestimmt und den Antrag mehrheitlich abgelehnt.

Auch im Übrigen vermögen die Einwendungen der Antragstellerin gegen den Teilbeschluss nicht durchzudringen. Das Einsichtsbegehren des Antragsgegners in die Geschäftsunterlagen der Antragstellerin für das Jahr 2005 ist insbesondere nicht rechtsmissbräuchlich.

Soweit die Antragstellerin das behauptete rechtsmissbräuchliche Verhalten des Antragsgegners zunächst auf eine angebliche Verwirkung seines Einsichtsrechts in die Geschäftsunterlagen des Jahres 2005 stützt und hierfür zur Begründung anführt, der Antragsgegner habe bislang lediglich Einsicht in die Unterlagen der Jahre ab 2006 begehrt und der Inhalt der Geschäftsunterlagen des Jahres 2005 sei ihm bereits durch den Wirtschaftsprüfer Z1 mitgeteilt worden, vermag sie damit nicht durchzudringen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gewährt § 51a Abs. 1 GmbHG dem Gesellschafter einer GmbH ein umfassendes Informationsrecht. Dieses ist, vom Sonderfall des § 51a Abs. 2 GmbHG - ein solcher liegt vor, wenn zu besorgen ist, dass der Gesellschafter die Auskunft oder Einsicht zu gesellschaftsfremden Zwecken verwenden und dadurch der Gesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen einen nicht unerheblichen Nachteil zufügen wird - abgesehen, grundsätzlich unbeschränkt und findet seine Grenze erst bei einer nicht zweckentsprechenden Wahrnehmung (BGHZ 152, 339; 135, 48, 54). Damit bleibt es dem Gesellschafter einer GmbH unbenommen, auch für länger zurückliegende Geschäftsjahre die Unterlagen der Antragstellerin einzusehen, sofern kein Fall des § 51a Abs. 2 GmbHG oder eine nicht zweckentsprechende Wahrnehmung des Informationsrechts vorliegt.

Beides ist hier nicht der Fall. Weder aus dem Vorbringen der Antragstellerin noch sonst ergibt sich ein Anhaltspunkt dafür, dass der Antragsgegner mit der begehrten Einsicht in die Geschäftsunterlagen der Antragstellerin für das Jahr 2005 gesellschaftsfremde Zwecke im Sinne des § 51a Abs. 2 GmbHG verfolgen könnte. Insbesondere ergibt sich eine zweckwidrige Wahrnehmung des Informationsrechts durch den Antragsgegner nicht daraus, dass er seine Einsichtnahme zuvor auf die Unterlagen ab dem 1. Januar 2006 beschränkt hatte und erst im Zuge der Einsichtnahme in die Unterlagen dieser Jahre festgestellt hat, dass sich sein Informationsinteresse auch auf das unmittelbar vorangehende Jahr 2005 erstreckt.

Eine zweckwidrige Wahrnehmung des Informationsrechts durch den Antragsgegner ergibt sich ebenfalls nicht aus den Behauptungen der Antragstellerin, die Unterlagen des Jahres 2005 hätten dem Wirtschaftsprüfer Z1 vorgelegen und ihr Inhalt sei durch ihn dem Antragsgegner mitgeteilt worden. Zu Recht hat das Landgericht in dem angefochtenen Beschluss bereits dahinstehen lassen, ob dem Wirtschaftsprüfer Z1 überhaupt die Unterlagen des Jahres 2005 vorgelegen haben. Denn selbst bei unterstellter Richtigkeit der Behauptungen der Antragstellerin folgt daraus nicht, dass die begehrte Einsicht in die Unterlagen des Jahres 2005 als eine nicht zweckentsprechende Wahrnehmung des Informationsinteresses anzusehen wäre. Eine solche käme hier allenfalls in Betracht, wenn der sich aus § 51a Abs. 1 GmbHG ergebende Informationsanspruch des Antragsgegners bereits erfüllt wäre. Dies ist jedoch schon deshalb nicht der Fall, weil dem Antragsgegner jedenfalls die begehrte persönliche Einsichtnahme in die Unterlagen des Jahres 2005 bislang nicht gewährt wurde. Die persönliche Einsichtnahme steht dem Antragsgegner jedoch zu. Denn 51a Abs. 1 GmbHG gewährt dem Gesellschafter einer GmbH grundsätzlich einen Anspruch auf persönliche Einsichtnahme (s. etwa Lutter/ Hommelhoff, § 51a Rn. 3 f.; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, § 51a Rn. 5, 25), und hier ist auch kein Fall gegeben, bei dem ausnahmsweise - etwa wegen einer früheren Verletzung der Vertraulichkeit durch den Gesellschafter oder dessen Betrieb eines Konkurrenzunternehmens - die Beauftragung eines zur Verschwiegenheit verpflichteten Dritten durch den Gesellschafter geboten wäre (s. OLG Frankfurt am Main WM 1995, 1719, 1721; OLG München GmbHR 2008, 104, 105; Lutter/Hommelhoff, § 51a Rn. 27 mwN.; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, § 51a Rn. 35).

Soweit die Antragstellerin das behauptete rechtsmissbräuchliche Verhalten des Antragsgegners des Weiteren darauf stützt, der Antragsgegner könne keinerlei beachtliches Interesse an einer erneuten Einsichtnahme haben, da er keine Entscheidungen mehr als Gesellschafter zu treffen habe, für die Unterlagen aus dem Jahr 2005 bedeutsam wären, dringt dieser Einwand ebenfalls nicht durch. Wie bereits ausgeführt, ist der dem Gesellschafter durch § 51a Abs. 1 GmbHG gewährte Informationsanspruch grundsätzlich unbeschränkt und findet seine Grenze außer in dem Fall des § 51a Abs. 2 GmbHG erst bei einer nicht zweckentsprechenden Wahrnehmung. Angesichts dieses grundsätzlich unbeschränkten Informationsanspruchs des Antragsgegners obliegt die Beurteilung, für welche Unterlagen der Gesellschaft sich dieser interessieren dürfe und ob er ein €beachtliches€ Interesse an bestimmten Unterlagen der Gesellschaft haben könne, nicht der Antragstellerin. Diese kann gegen das Auskunftsinteresse des Gesellschafters lediglich einwenden, dass ein Fall des § 51a Abs. 2 GmbHG vorliege oder das Informationsrecht nicht zweckentsprechend wahrgenommen werde. Indes ist hier, wie bereits erörtert, im Hinblick auf das Einsichtsbegehren des Antragsgegners in die Unterlagen des Jahres 2005 das Vorliegen einer dieser Ausnahmefälle nicht ersichtlich. Im Übrigen ergibt sich die Relevanz der Geschäftsunterlagen des Jahres 2005 für den Antragsteller bereits daraus, dass unstreitig der Geschäftsbetrieb der Antragstellerin im Jahr 2005 zumindest teilweise auf die Firma A GmbH verlagert worden ist und in den Folgejahren damit in Zusammenhang stehende Buchungsvorgänge aufgetreten sind, auch wenn deren Umfang zwischen den Beteiligten streitig ist. Es liegt auf der Hand, dass zur Plausibilisierung von Buchungsvorgängen im Zusammenhang mit der (zumindest teilweisen) Verlagerung des Geschäftsbetriebs der Antragstellerin auf die A GmbH ein Informationsinteresse des Antragsgegners etwa hinsichtlich der für die Verlagerung maßgeblichen Unterlagen der Antragstellerin aus dem Jahr 2005 besteht.

Dem Antragsgegner kann ebenfalls nicht die Behauptung entgegen gehalten werden, er habe bereits durch den Wirtschaftsprüfer Z1 Kenntnis vom Inhalt dieser Unterlagen erhalten. Denn wie bereits erörtert, gewährt § 51a Abs. 1 dem Antragsgegner einen Anspruch auf persönliche Einsichtnahme in die Unterlagen, auf die sich sein Informationsinteresse als Gesellschafter bezieht.

Das Einsichtsbegehren des Antragsgegners in die Geschäftsunterlagen der Antragstellerin für das Jahr 2005 ist auch nicht deshalb rechtsmissbräuchlich, weil der Antragsgegner - wie die Antragstellerin meint - es versäumt habe, unter substantiierter Beschreibung seines Informationsbegehrens und Bezeichnung der konkreten Vorgänge bzw. Sachverhaltskomplexe die Art und den Umfang der offen zu legenden Dokumente einzuschränken und die Unterlagen genau zu benennen. Eine solche Verpflichtung besteht entgegen der Ansicht der Antragstellerin nicht. Vielmehr entspricht es ständiger Rechtsprechung der Oberlandesgerichte, dass das Informationsrecht des Gesellschafters jedenfalls in der Form des Einsichtsrechts auch global und ohne Bezug auf bestimmte Sachverhalte geltend gemacht werden kann (OLG Frankfurt am Main WM 1995, 1719, 1720 mwN.; KG GmbHR 1988, 221, 223; OLG Köln WM 1986, 761, 762; Lutter/Hommelhoff, § 51a Rn. 22; a.A. Zöllner, in: Baumbach/Hueck, § 51a Rn. 27). Einer näheren Konkretisierung seines Einsichtsverlangens in die Geschäftsunterlagen der Antragstellerin für das Jahr 2005 durch den Antragsgegner bedurfte es daher nicht.

Schließlich vermag auch das Vorbringen der Antragstellerin in der Replik, ihr Geschäftsführer habe in der Gesellschafterversammlung vom 27. Juli 2012 als weitere Gründe für die Verweigerung der Einsichtnahme in die Unterlagen des Jahres 2005 angegeben, der Antragsgegner sei nach wie vor für ein Konkurrenzunternehmen tätig und es gehe ihm offensichtlich nur darum, die Gesellschaft zu schädigen, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen.

Entgegen der Darstellung der Antragstellerin ergibt sich aus Ziffer 6 des Protokolls der Gesellschafterversammlung vom 27. Juli 2012 gerade nicht, dass ihr Geschäftsführer dort die Verweigerung der Einsichtnahme in die Unterlagen des Jahres 2005 auch auf eine angebliche Tätigkeit des Antragsgegners für ein Konkurrenzunternehmen gestützt hätte. Eine angebliche Tätigkeit des Antragsgegners für ein Konkurrenzunternehmen führt der Geschäftsführer der Antragstellerin dort lediglich im Zusammenhang mit dem weiteren Antrag auf Einsicht in die Unterlagen des Jahres 2011 an (Ziff. 7 des Protokolls, Bl. 391 d.A.), nicht hingegen mit Blick auf den Antrag auf Einsichtnahme in die Unterlagen des Jahres 2005 (Ziff. 6 des Protokolls, Bl. 390 d.A.).

Auch im Übrigen kann die Antragstellerin dem Anspruch des Antragsgegners auf Einsichtnahme in die Unterlagen des Jahre 2005 dessen angebliche Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen nicht entgegen halten. Die Antragstellerin verweist für eine Konkurrenztätigkeit des Antragsgegners lediglich auf ihr Vorbringen in dem Verfahren .../11 des Landgerichts Frankfurt am Main, welches das Einsichtsrecht des Antragsgegners in ihre Geschäftsunterlagen der Jahre 2006 bis 2010 betraf. Insofern kann dahinstehen, ob ein solcher Verweis auf eigenes Vorbringen in einem anderen Rechtsstreit einen ordnungsgemäßen Sachvortrag im vorliegenden Verfahren zu ersetzen vermag, da diese Bezugnahme der Antragstellerin jedenfalls auch inhaltlich nicht weiter führt. Denn auch in dem Verfahren .../11 lagen die Voraussetzungen des Einsichtsverweigerungsgrundes nach § 51a Abs. 2 GmbHG nicht vor. Die Antragstellerin, der es oblag, die konkrete Gefahr einer zweckwidrigen Verwendung durch konkrete Tatsachen zu belegen (vgl. BayObLG WM 1988, 1789; OLG Düsseldorf WM 1990, 1823; OLG München GmbHR 2008, 819, 820; OLG Stuttgart BB 1983, 677, 678; Lutter/Hommelhoff, § 51a Rn. 26; Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl., § 51a Rn. 29; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl., § 51a Rn. 34), hat im Zusammenhang mit der in jenem Verfahren behaupteten Tätigkeit des Antragsgegners für ein Konkurrenzunternehmen trotz eines entsprechenden Hinweises des Senates eine etwaige Wettbewerbssituation nicht mit konkreten Tatsachen nachvollziehbar dargelegt. Wegen der Einzelheiten nimmt der Senat insoweit auf seine das Verfahren .../11 betreffende Beschwerdeentscheidung vom 24. November 2011 - 21 W 34/11 Bezug.

Überdies verhält sich die Antragstellerin widersprüchlich, wenn sie zur Begründung ihrer Beschwerde einerseits vorträgt, der Antragsgegner könne €schlichtweg keinerlei beachtliches Interesse an einer erneuten Einsichtnahme haben€, insbesondere weil ihm der Inhalt der Unterlagen für das Jahr 2005 bereits bekannt sei, sie aber gleichwohl geltend macht, dem Antragsteller müsste wegen dessen Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen die begehrte Einsichtnahme in diese Unterlagen versagt werden.

Der Beschwerde verhilft schließlich auch nicht die Bezugnahme der Antragstellerin auf die Erklärung ihres Geschäftsführers in der Gesellschafterversammlung vom 27. Juli 2012 zum Erfolg, es gehe dem Antragsgegner mit der begehrten Einsichtnahme offensichtlich nur darum, die Gesellschaft zu schädigen. Der Geschäftsführer hat die angebliche Schädigungsabsicht des Antragsgegners ebenso wenig wie dessen vermeintliche Konkurrenztätigkeit im Zusammenhang mit den Unterlagen des Jahres 2005 erwähnt (s. Ziff. 6 des Protokolls, Bl. 390 d.A.), sondern allein im Zusammenhang mit dessen Antrag auf Einsichtnahme in die Unterlagen des Jahres 2011 (Ziff. 7 des Protokolls, Bl. 391 d.A.). Im Übrigen reicht der pauschale Hinweis auf eine angebliche Schädigungsabsicht ohnehin nicht aus, um einem Gesellschafter die begehrte Einsicht in Unterlagen der Gesellschaft zu verweigern. Dafür, dass der Antragsgegner in der Vergangenheit geheimhaltungsbedürftige Informationen der Antragstellerin an Dritte weitergegeben oder sich sonst zielgerichtet gesellschaftswidrig verhalten hätte, ist nichts ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 51b Satz 1 GmbHG iVm. § 132 Abs. 5 Satz 7 AktG, §§ 81, 84 FamFG.

Den Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens setzt der Senat auf 5.000 € fest, § 51b Satz 1 GmbHG iVm. § 132 Abs. 5 Satz 6 AktG, § 30 Abs. 2 KostO.

Die Entscheidung ist rechtskräftig; eine Zulassung der Rechtsbeschwerde war mangels Zulassungsgrund im Sinne von § 70 Abs. 2 FamFG nicht veranlasst.






OLG Frankfurt am Main:
Beschluss v. 22.04.2013
Az: 21 W 90/12


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