Bundespatentgericht:
Beschluss vom 21. Januar 2002
Aktenzeichen: 11 W (pat) 23/01

(BPatG: Beschluss v. 21.01.2002, Az.: 11 W (pat) 23/01)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat in diesem Beschluss über eine Beschwerde gegen eine Patententscheidung entschieden. Es geht um eine Patentanmeldung für einen Lösemittelverdampfer. Die Patentabteilung des Deutschen Patent- und Markenamtes hatte das Patent trotz Einspruchs aufrechterhalten, da die vorgelegten Dokumente zur behaupteten Vorbenutzung nachvollziehbar und glaubhaft waren. Die Beschwerde der Einsprechenden wird nun vom Bundespatentgericht zurückgewiesen, da der Einspruch unzulässig ist. Die Einsprechende hat nicht ausreichend konkrete Angaben zur Offenkundigkeit der Vorbenutzung gemacht. Obwohl Dokumente über die Lieferung einer Destillationsanlage vorgelegt wurden, konnte nicht nachgewiesen werden, dass diese Anlage tatsächlich offenkundig verwendet wurde. Daher ist die Beschwerde unzulässig und die Entscheidung des Patentamtes wird aufrechterhalten.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 21.01.2002, Az: 11 W (pat) 23/01


Tenor

Die Beschwerde der Einsprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die zugrunde liegende Patentanmeldung DE 197 06 599 ist am 20. Februar 1997 beim Deutschen Patentamt eingereicht worden. Die darauf nach Prüfung erfolgte Erteilung des Patents mit der Bezeichnung "Lösemittelverdampfer" wurde am 17. September 1998 veröffentlicht. Nach Prüfung des Einspruchs der vormaligen G... GmbH in D... hat die Patentabteilung 44 des Deutschen Patent- und Markenamtes mit Beschluß vom 21. März 2001 das Patent aufrechterhalten. Der Einspruch sei zulässig, weil ein Zusammenhang der vorgelegten Dokumente zur geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung nachvollziehbar dargelegt sei. Auch die Offenkundigkeit der behaupteten Vorbenutzung sei mit den angebotenen Zeugen substantiiert und glaubhaft. Die Neuheit des Patentgegenstands sei gegeben, da der vorbenutzte Verdampfer nicht alle Merkmale des Patentanspruchs 1 besitze. Erfinderische Tätigkeit sei ebenfalls vorhanden, da die Vorbenutzung keine Hinweise auf einen gas- und druckdichten Verschluß des Entnahmerohres mittels des darin befindlichen Restgemisches gebe. Auch die DE 24 38 290 C3 (2) gebe keine Anregung in diese Richtung.

Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Einsprechenden. Sie verweist zur Begründung auf ihr Vorbringen im Einspruchsverfahren. Hiernach sei ein Verdampfer gemäß Anspruch 1 der DE 197 06 599 C1 vor dem 20. Februar 1997 in mindestens einem Fall offenkundig vorbenutzt worden. Als Beleg hierfür dienten folgende Unterlagen A Zeichnung, C45-6067 Y1-1, MG-DISTILLATIONSPLANT, vom 13. Mai 1996, GEA Canzler GmbH B Zeichnung, C45.6067-Y2-1, GENERAL ARRANGEMENT SHORT PATH DISTILLATION PLANT, vom 12.07.96, GEA Canzler GmbH C Provisional Order vom 13. März 1996 D Order Acknowledgement vom 19. März 1996 E Transportauftrag vom 10. Dezember 1996 F Versandsanzeige Nr. C-45.6067 vom 13. Dezember 1996 G Rechnung vom 13. Dezember 1996.

Die Einsprechende führt hierzu wörtlich aus (Schriftsatz vom 14. Dezember 1998, S 3 le Abs bis S 4 Abs 2):

"Als Zeugen dafür, daß die auf den Anlagen A und B veranschaulichte DISTILLATIONSPLANT vor dem Anmeldetag der (DE-C1) geheimhaltungsfrei an die P... A/S geliefert wurde, werden die Herren B..., B1... von der P... A/S und Mix von der Einsprechenden genannt, beide zu laden über die Einsprechende.

Durch die Unterlagen über die Bestellung, Lieferung und Rechnung in Verbindung mit den die gelieferte Anlage veranschaulichenden Zeichnungen ist damit die offenkundige Vorbenutzungshandlung zweifelsfrei nachgewiesen worden."

Die Einsprechende stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Die Einsprechende teilte mit Schriftsatz vom 8. Januar 2002 mit, daß sie keine weitere Begründung der Beschwerde vornehmen und zur anberaumten mündlichen Verhandlung nicht erscheinen werde. Sie ersuchte zudem um Entscheidung nach Lage der Akten.

Die Patentinhaberin hat sich im Beschwerdeverfahren mit Eingabe vom 23. Januar 2002 nur insoweit geäußert, als auch sie an der mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen werde und die Zurückweisung der Beschwerde beantrage. Sie hat jedoch im Einspruchsverfahren geltend gemacht, daß der Einspruch unzulässig sei, da die Einsprechende weder lückenlos dargelegt habe, daß die vorgelegten Dokumente ein- und dieselbe Anlage beträfen, noch daß die behauptete Vorbenutzung offenkundig gewesen sei (Schriftsatz vom 22. Februar 1999, S 3 unter c)).

Der erteilte Anspruch 1 lautet:

"Verdampfer zur vollständigen oder teilweisen Abtrennung der flüchtigen Inhaltsstoffe eines Gemisches, enthaltend eine Verdampferkolonne (1) mit einer Zuleitung (2) für das zu trennende Gemisch und mit einem Auslaß (3) für das mit Rückständen angereicherte Restgemisch, dadurch gekennzeichnet, daß

a) der Auslaß (3) in ein Entnahmerohr (4) übergeht, welches so dimensioniert ist, daß es während des Betriebs des Verdampfers gas- und druckdicht mit Restgemisch gefüllt ist, undb) eine Pumpe (5) zur Förderung des Restgemisches im Entnahmerohr (4) angeordnet ist."

Der nebengeordnete Anspruch 8 lautet:

"Verfahren zur vollständigen oder teilweisen Abtrennung der flüchtigen Inhaltsstoffe eines Gemisches, bei welchema) die flüchtigen Inhaltsstoffe in einer Verdampferkolonne (1) unter Unterdruck und ggfs. unter Wärmezufuhr von dem Gemisch getrennt werden, undb) daß mit Rückständen angereicherte Restgemisch am Fuße der Verdampferkolonne (1) angesammelt und über einen Auslaß (3) entnommen wird, dadurch gekennzeichnet, daß

c) das Restgemisch von dem Auslaß (3) in ein Entnahmerohr (4) geleitet wird, wobei das Restgemisch während seiner Entnahme das Entnahmerohr (4) zur Verdampferkolonne(1) hin gas- und druckdicht verschließt, undd) das Restgemisch während seiner Entnahme im Entnahmerohr (4) durch eine Pumpe (5) gefördert wird."

Für den Wortlaut der auf diese Ansprüche rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 7 bzw 9 bis 23 und der auf eine Verwendung der Vorrichtung gerichteten Ansprüche 24 und 25 wird auf die Patentschrift verwiesen.

Es liegt die Aufgabe zugrunde, eine Vorrichtung und ein Verfahren zur Verdampfung zur Verfügung zu stellen, welche die geschilderten Nachteile (gesundheitliche und ökologische Beeinträchtigungen durch austretende Lösungsmitteldämpfe) des Standes der Technik nicht mehr aufweisen. Insbesondere soll die Destillation von Gemischen möglich sein, vorzugsweise von lösemittelhaltigen Waschlösungen, wie sie zB in der Lackindustrie anfallen, wobei zum einen die Rückgewinnungsrate verbessert ist, und es zum anderen nicht zu den beschriebenen Emissionen während der Entnahme der Rückstände aus der Verdampfungskolonne kommt. Ferner ist es ein Ziel, einen unterbrechungsfreien Betrieb der Verdampferkolonne zu ermöglichen, da jede Unterbrechung mit einem Aufwand an Arbeit, Energie und Kosten verbunden ist.

II.

Die zulässige Beschwerde der Einsprechenden hat keinen Erfolg, da der Einspruch unzulässig ist.

Der Einspruch ist unzulässig, weil er innerhalb der Einspruchsfrist nicht in einer den gesetzlichen Anforderungen genügenden Weise substantiiert und mit Gründen versehen worden ist. Nach § 59 Abs 1 Satz 2 bis 5 PatG müssen die den Einspruch rechtfertigenden Tatsachen innerhalb der Einspruchsfrist "im einzelnen" angegeben werden.

Die Begründung eines Einspruchs genügt diesen gesetzlichen Anforderungen nach Substantiierung nur dann, wenn die für die Beurteilung des behaupteten Widerrufsgrunds maßgeblichen Umstände so vollständig dargelegt sind, daß Patentinhaber und Patentamt daraus zweckdienliche und abschließende Folgerungen in Bezug auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Widerrufsgrunds ziehen können (vgl BGH BlPMZ 1995, 438 - Aluminium Trihydroxid, 1998, 201, 203 - Tabakdose; GRUR 1993, 651, 653 - Tetraploide Kamille).

Diesen Anforderungen wird das innerhalb der Einspruchsfrist eingegangene Vorbringen nicht gerecht. Es fehlen die konkreten Angaben zu einer Offenkundigkeit der geltend gemachten Vorbenutzung, die durch eine gelieferte Anlage entstanden sei, zu deren Nachweis Dokumente vorgelegt wurden. Die Dokumente selbst sind nicht als Vorbenutzung benannt.

Für die Beurteilung der Offenkundigkeit der Vorbenutzung der Anlage kann es dahinstehen, ob die von der Einsprechenden vorgelegten Unterlagen A bis G tatsächlich ein- und dieselbe Destillationsanlage betreffen, wie es die Einsprechende behauptet, da diese Unterlagen nur den Gegenstand der Vorbenutzung festlegen können, nicht jedoch dessen Offenkundigkeit belegen. Unterstellt, daß die Unterlagen alle dieselbe Anlage zum Gegenstand haben, so ist ihnen die Lieferung (Anlagen E und F) einer großen und komplizierten Destillationsanlage (Anlagen A und B) in zerlegter Form, die auf 29 getrennt verpackte Kolli aufgeteilt ist (Anlage F und zugehörige Kolli-Liste), zum 16. Dezember 1996 an die P... A/S in D... zu entnehmen. Für diese Lieferung und dafür, daß sie ohne Geheimhaltungsverpflichtung erfolgte, hat die Einsprechende Zeugenbeweis angeboten.

Diese Behauptungen stehen nicht in Zweifel, so daß davon auszugehen ist, daß die Lieferung der Destillationsanlage in der o.g. Form zum genannten Zeitpunkt, Mitte Dezember 1996, und damit vor dem Anmeldetag des Streitpatents (20. Februar 1997), erfolgte. Hiermit ist die Vorbenutzung der Anlage vor dem Anmeldetag belegt.

Der Nachweis der Offenkundigkeit der Vorbenutzung ist damit jedoch nicht verbunden. Die Destillationsanlage wurde in Einzelteilen geliefert. Folglich waren danach weder deren Anordnung und Zusammengehörigkeit, noch ihre Funktion und Wirkung erkennbar. Dazu, daß beliebige Dritte, trotz des Geheimhaltungsvermerks auf den Zeichnungen gemäß Anlagen A und B, Zugang zu diesen Zeichnungen gehabt haben könnten, um daraus den Aufbau und die Funktion der in Teilen vorliegenden Anlage zu erkennen, hat die Einsprechende nichts vorgetragen. Auch zum zeitlichen Verlauf des Aufbaus der Destillationsanlage und zum Zeitpunkt ihrer Inbetriebnahme fehlen jegliche Angaben. Die Möglichkeit einer Kenntnisnahme durch Dritte ist von der Einsprechende nicht substantiiert vorgetragen worden und wäre frühestens nach Erstellung der Anlage möglich gewesen. Zudem hat es die Einsprechende versäumt, darzulegen, wie solche Dritte an der Anlage zu den in Frage stehenden Erkenntnissen gelangt sein könnten, da sich weder die Art der in der Destillationsanlage vorliegenden Betriebsstoffe noch deren Konsistenz oder die hierauf abgestimmten inneren Dimensionen von Rohren von außen erkennen lassen. Dabei ist ohnehin fraglich, ob ein Fachmann, hier ein Dipl.-Ing. (TU, TH, univ) der Verfahrenstechnik mit Berufserfahrung auf dem Gebiet der Konzeption von Verdampfern, bei einer derart komplizierten Destillationsanlage, wie sie aus den Anlagen A und B hervorgeht, gerade die dem Gegenstand des Streitpatents entsprechenden Einzelheiten und deren Funktion bzw. Wirkung erkennen konnte. Auch hierzu finden sich im Einspruch keine Darlegungen.

Eine Überprüfung, ob der behauptete Widerrufsgrund vorliegt, war somit auf Grund der Angaben im Einspruchsschriftsatz nicht ohne weitere Ermittlungen möglich.

Mangels konkreten Sachvortrags zur Offenkundigkeit der Vorbenutzung wäre eine Zeugenbefragung dazu eine unzulässige Ausforschung. Der von der Einsprechenden angebotene Zeugenbeweis gilt der Lieferung der Anlage, nicht dem Nachweis deren Offenkundigkeit.

Der Auffassung der Patentabteilung zur Zulässigkeit des Einspruchs war daher nicht zu folgen.

Die Beschwerde der Einsprechenden ist somit wegen Unzulässigkeit des Einspruchs zurückzuweisen.

Dr. Henkel Hotz Skribanowitz Schmitzprö






BPatG:
Beschluss v. 21.01.2002
Az: 11 W (pat) 23/01


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