Hessisches Landesarbeitsgericht:
Beschluss vom 6. Dezember 2006
Aktenzeichen: 2 Ta 584/06

(Hessisches LAG: Beschluss v. 06.12.2006, Az.: 2 Ta 584/06)

Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ohne Ausschluss der Erstattungs-fähigkeit von Abwesenheitsgeld und Fahrtkosten kann nicht erfolgen, wenn es der Partei zuzumuten war, einen am Gerichtsort ansässigen Rechtsanwalt aufzusuchen.

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen denBeschluss des Arbeitsgerichts Offenbach am Main vom 28. Oktober2006 - 6 Ca 347/06 - wird auf Kosten der Beschwerdeführerinzurückgewiesen.

Gründe

I.

Der in ... wohnende Klägerin steht gegen den Streitverkündeten A ein durch Versäumnisurteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main titulierte Zahlungsforderung nebst entstandener und festgesetzter Kosten wegen Unterhaltsansprüchen zu. Der Streitverkündete war Arbeitnehmer des Beklagten, der seinen Betrieb in ... führt. Die Klägerin hat über ihren Prozessbevollmächtigten vor dem für den Sitz des Beklagten zuständigen Arbeitsgericht Offenbach am Main Drittschuldnerklage am 4. September 2006 erhoben und Zahlung von € 166,96 nebst Zinsen sowie zukünftige Zahlung von monatlich € 41,74 nebst Zinsen für die Dauer der Beschäftigung des Streitverkündeten bei dem Beklagten verlangt und für diese Klage Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Prozessbevollmächtigten begehrt. Die Klägerin hat unter dem 29. August 2006 eine Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Anlagen beim Arbeitsgericht eingereicht (BI. (B) 4-15 d.A.). Das Arbeitsgericht hat durch Beschluss vom 28. Oktober 2006 der Klägerin Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin B beigeordnet - jedoch unter Ausschluss der Erstattungsfähigkeit von Tages- und Abwesenheitsgeldern sowie etwaiger Reisekosten vom Ort der Kanzlei zum Gerichtsort (auch Ort des Gerichtstags). Der Prozesskostenhilfebeschluss wurde ausweislich des Abvermerks am 2. November 2006 an die Klägerin sowie ihre Prozessbevollmächtigte übersandt.

Die Klägerinvertreterin hat mit Schriftsatz vom 7. November 2006, beim Arbeitsgericht eingegangen am 9. November 2006, sofortige Beschwerde gegen den Beschluss vom 28. Oktober 2006 im Hinblick auf die in ihm enthaltenen Beschränkungen eingelegt, der das Arbeitsgericht durch Beschluss vom 13. November 2006 nicht abgeholfen hat. Wegen der Begründung der Beschwerde wird auf (BI. (B) 17 d.A.) Bezug genommen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO statthaft und insbesondere auch binnen der gesetzlichen Frist von einem Monat (§ 127 Abs. 2 S. 3 ZPO) eingelegt worden.

Gegen die Zulässigkeit der von der Beschwerdeführerin eingelegten Beschwerde bestehen keine Bedenken. Ist ein Prozesskostenhilfebeschluss - wie hier - mit Einschränkungen versehen, steht dem beigeordneten Rechtsanwalt das Recht der Beschwerde zu. Das folgt daraus, dass der Umfang der Beiordnung für den dem Rechtsanwalt zustehenden Vergütungsanspruch maßgeblich ist (vgl. BAG vom 18. Juli 2005 - 3 AZB 65/03, DB 2005, 2032).

Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe kann nicht ohne Einschränkung verlangt werden.

Gemäß § 121 Abs. 3 ZPO ist im Rahmen der Prozesskostenhilfebewilligung zu beachten, dass durch die Beiordnung eines nicht beim Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalts keine Mehrkosten entstehen dürfen. Zwar gibt und gab es bei den Arbeitsgerichten keine Zulassung, und im Übrigen gelten die Änderungen der Zulassungsregeln für Anwälte seit dem 1. Oktober 2000. Allerdings finden nach § 11a Abs. 3 ArbGG jedoch die Vorschriften der ZPO über die Prozesskostenhilfe in Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen entsprechende Anwendung. Damit ist auch § 121 Abs. 3 ZPO, wonach durch die Beiordnung eines nicht beim Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalts keine Mehrkosten entstehen dürfen, entsprechend anzuwenden (vgl. Hess. LAG vom 15. September 2006 € 16 Ta 412/06, veröffentlicht in der Hessischen Landesrechtsprechungsdatenbank; LAG Sachsen-Anhalt 1. Oktober 2003 € 5 Ta 260/03, NZA-RR 2004,210). Daraus wiederum folgt, dass im arbeitsgerichtlichen Verfahren statt auf die Zulassung des Rechtsanwalts bei einem bestimmten Gericht auf seine Ansässigkeit am Ort des Gerichts abzustellen ist. Damit kann die Beiordnung eines auswärtigen Rechtsanwalts in arbeitsgerichtlichen Verfahren lediglich dann erfolgen, wenn keine zusätzlichen Kosten entstehen (vgl. BAG 18. Juli 2005 a.a.O.; Hess. LAG vom 15. September 2006 a.a.O.; LAG Rheinland-Pfalz 11. November 2005 NZA-RR 2006, 213; Hess. LAG vom 17. August 2005 € 2 Ta 447/05, veröffentlicht in der Hessischen Landesrechtsprechungsdatenbank).

Deshalb hat das Gericht, wenn es sich für die Beiordnung eines auswärtigen Prozessbevollmächtigten entscheidet, durch die Beiordnung zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts sicherzustellen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen der Beiordnung tatsächlich vorliegen. Das folgt aus der Verknüpfung des Erstattungsanspruchs mit dem Beiordnungsbeschluss nach dem Gebührenrecht. Denn die Vergütung des beigeordneten Rechtsanwalts bestimmt sich nach den Beschlüssen, durch die die Prozesskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet worden ist (§ 122 Abs. 1 BRAGO = § 48 Abs. 1 RVG) (vgl. BAG vom 18. Juli 2005 a.a.O.).

Grundsätzlich kann ein nicht bei dem Prozessgericht niedergelassener Rechtsanwalt nur dann beigeordnet werden, wenn dadurch keine weiteren Kosten entstehen (vgl. BAG vom 18. Juli 2005 a.a.O.). Hierdurch wird der aus § 121 Abs. 4 ZPO folgende Rechtsgedanke beachtet. Nach dieser Vorschrift kann ausnahmsweise ein weiterer Rechtsanwalt zur Wahrnehmung eines Termins zur Beweisaufnahme vor dem ersuchten Richter oder zur Vermittlung des Verkehrs mit dem Prozessbevollmächtigten beigeordnet werden, wenn besondere Umstände dies rechtfertigen. Es ist denkbar, dass einer Partei - der wie es dem Regelfall des § 121 Abs. 1 und 3 ZPO entspricht - ein Rechtsanwalt am Ort des Prozessgerichts beigeordnet wurde, aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls zusätzlichen ein Rechtsanwalt zur Vermittlung des Verkehrs mit dem Hauptbevollmächtigten beizuordnen ist.

Hat das Gericht einer Partei im Rahmen der bewilligten Prozesskostenhilfe ausnahmsweise einen nicht in seinem Bezirk niedergelassenen Rechtsanwalt beigeordnet und ihr damit die Möglichkeit genommen, die Beiordnung eines weiteren Verkehrsanwalts nach § 121 Abs. 4 ZPO zu erlangen, kann es diesem Prozessbevollmächtigten deswegen nicht stets durch die beschränkte Beiordnung €zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts" zugleich die Möglichkeit der Erstattung von Reisekosten nehmen. Eine solche Beiordnung ist vielmehr nur dann möglich, wenn auch sonst nur Kosten eines am Prozessgericht niedergelassenen Rechtsanwalts entstehen konnten, weil €besondere Umstände" im Sinne von § 121 Abs. 4 ZPO nicht vorliegen (vgl. BAG vom 18. Juli 2005 a.a.O.; BGH vom 23. Juni 2004 a.a.O.; Hess. LAG vom 15. September 2006 a.a.O.;).

Deshalb hat das Gericht bei der Entscheidung über die Beiordnung eines nicht am Prozessgericht niedergelassenen Rechtsanwalts immer auch zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 121 Abs. 4 ZPO vorliegen. Nur wenn dieses nicht der Fall ist, darf es einen von der Partei nach § 121 Abs. 1 ZPO gewählten auswärtigen Prozessbevollmächtigten €zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts" mit der Folge beiordnen, dass Reisekosten nicht erstattet werden (BAG vom 18. Juli 2005 a.a.O., BGH vom 23. Juni 2004 a.a.O.; Hess. LAG vom 17. August 2005 a.a.O.).

Im Rahmen der hierbei vorzunehmenden Prüfung ist nicht nur auf die rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten des Rechtsstreits und die subjektiven Fähigkeiten der Parteien abzustellen. Besonderen Umstände im vorgenannten Sinne können auch vorliegen, wenn eine Partei schreibungewandt ist und ihr auch eine Informationsreise zu einem Rechtsanwalt am Sitz des Prozessgerichts nicht zugemutet werden kann oder ihr eine schriftliche Information wegen des Umfangs, der Schwierigkeit oder der Bedeutung der Sache nicht abverlangt werden kann und eine mündliche Information unverhältnismäßigen Aufwand verursachen würde (vgl. BGH vom 23. Juni 2004 a.a.O. m.w.H.; Zöller/Philippi, ZPO, 24. Aufl., § 121 Rn. 18). Diese Voraussetzungen sind z.B. gegeben, wenn eine Partei von ihrem Wohnort aus eine mehrstündige Fahrt zu einem am Gerichtsort ansässigen Rechtsanwalt hätte unternehmen müssen (vgl. BAG vom 18. Juli 2005 a.a.O.; Hess. LAG vom 15. September 2006 a.a.O.). Dann sind die durch die Beiordnung eines auswärtigen Anwalts entstehenden Reisekosten erstattbar (BAG vom 18. Juli 2005 a.a.O.).

In Ansehung dieser Grundsätze sind die Voraussetzungen für die Erstattung von Reisekosten der Klägerinvertreterin in Höhe der Kosten eines Verkehrsanwalts nicht zu erstatten. Der Klägerin war es zuzumuten, einen am Gerichtsort ansässigen Rechtsanwalt aufzusuchen und zu beauftragen. Die Klägerin hätte hierfür von ihrem Wohnort ... nach ... fahren müssen, was mit öffentlichen Verkehrsmitteln unter Aufwendung von weniger als € 10,00 für die Hin- und Rückfahrt möglich gewesen wäre, soweit die Klägerin nicht über sonstige Fahrvergünstigungen verfügt und die Fahrt hätte auch mit Umsteigen nur ca. 60 Minuten gedauert. Das dies die subjektiven Fähigkeiten oder die finanziellen Möglichkeiten der Klägerin überstiegen hätte, vermag auch das Beschwerdegericht auch unter Anerkennung der angespannten finanziellen Situation der Klägerin nicht zu erkennen. Die Beiordnung eines Verkehrsanwalts war auch im Übrigen, insbesondere auch im Hinblick auf die Problematik des Rechtsstreits, nicht notwendig machen. Sowohl die Sach- als auch die dem Rechtsstreit zugrunde liegende Rechtslage war einfach und anhand der vorliegenden Unterlagen ohne weiteres auch für eine rechtsunkundige Person leicht handhabbar, so dass die Klägerin sich auch telefonisch mit einem am Gerichtsort ansässigen Rechtsanwalt hätte in Verbindung setzten und ihn mit der Wahrnehmung ihrer Rechte betrauen können.

Von daher ist es der Klägerin aufgrund der Entfernung zwischen ihrem Wohn- und dem Gerichtsort ohne weiteres zuzumuten gewesen, entweder dort persönlich einen Rechtsanwalt zu beauftragen und sich mit ihm zu besprechen bzw. dies auf telefonischem Wege vorzunehmen, so dass vorliegend die besonderen Umstände eine Beiordnung eines Verkehrsanwalts nicht gerechtfertigt hätten und somit auch in dieser Höhe keine Reisekosten zu erstatten sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO. Die Höhe der Beschwerdegebühr ergibt sich aus Nr. 8613 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG).

Dieser Beschluss ist mangels einer gesetzlich begründeten Veranlassung zur Zulassung der Rechtsbeschwerde unanfechtbar (§§ 78, 72 Abs. 2 ArbGG).






Hessisches LAG:
Beschluss v. 06.12.2006
Az: 2 Ta 584/06


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