Oberlandesgericht Köln:
Beschluss vom 15. November 2011
Aktenzeichen: 19 U 124/12

(OLG Köln: Beschluss v. 15.11.2011, Az.: 19 U 124/12)

Tenor

1. Der Senat weist die Parteien darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das am 11.07.2012 verkündete Urteil der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 85 O 103/09 - gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.

2. Die Beklagte erhält Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

Gründe

I.

Die Berufung der Beklagten hat keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO), noch rechtfertigen die gemäß § 529 ZPO zu Grunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO). Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Ebenso wenig ist eine Entscheidung des Senats durch Urteil zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO) oder aus anderen Gründen eine mündliche Verhandlung geboten (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO).

Das angegriffene Urteil ist nicht zu beanstanden.

1. Das Landgericht hat zu Recht der Klage auf Ausgleich des Restbetrages aus den Rechnungen März und April 2009 stattgegeben.

a) Die Klage ist nicht bereits unbegründet, weil die Beklagte die Klageforderung nebst Zinsen auf das erste Urteil des Landgerichts vom 08.10.2009 hin ausgeglichen hat. Denn es ist unstreitig, dass die Zahlung nur zur Abwendung der Zwangsvollstreckung erfolgte und ihr daher keine Erfüllungswirkung zukommt.

b) Die Forderung ist auch fällig, wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat. Der mit den Schreiben vom 10.05.2009 (Anlage K 6 Anlageband) und 17.05.2009 (Anlage B 11, Bl. 84 d.A.) seitens der Beklagten gegen die Rechnungen aus März und April 2009 erhobene Einspruch stellt schon keine "Beanstandung" im Sinne des § 45 i TKG dar. Zwar enthält das Gesetz in § 45 i TKG keinen ausdrücklichen Begründungszwang für die Beanstandung. Es ergibt sich aber aus der Gesamtschau mit den Vorschriften der §§ 45 h Abs. 3 TKG und § 45 k Abs. 2 Satz 2 TKG, die jeweils eine (schlüssige) Begründung der Beanstandung fordern, sowie aus den vertraglichen Mitwirkungspflichten (die Beanstandung soll den Anbieter in die Lage versetzen seiner Überprüfungspflicht möglichst schnell nachzukommen), nachvollziehbare Hinweise zu den festgestellten oder vermuteten Abrechnungsfehlern zu geben (vgl. Dahlke in Beck‘scher TKG-Kommentar, 3. Aufl. 2006, § 45 i, Rz. 15; Pohle/Dorschel, Entgeltnachweise und technische Prüfung, CR 2007, S. 154; Säcker-Schlotter, Berliner Kommentar zum TKG, 2. Aufl. 2009, § 45 i , Rz. 9). Entsprechend sieht auch § 5 (6) des zwischen den Parteien geschlossene Vertrages R (Anlage K 1) vor, dass unverzüglich, spätestens aber innerhalb von 8 Wochen nach Zugang der Rechnung "detaillierte Einwendungen gegen die mit der Rechnung geltend gemachten nutzungsabhängigen Entgelte für Verbindungsaufkommen" schriftlich zu erheben sind. Diesen Anforderungen hat die Beklagte nicht genügt. Da ihr unstreitig die Einzelverbindungsdatensätze (EVN Daten oder Call Detail Reports/CDRs) von der Klägerin täglich aktualisiert über einen SFTP-Server zur Verfügung gestellt worden sind, wäre es erforderlich gewesen aufzuzeigen, worin die behaupteten Differenz zwischen den in den Rechnungen aus März und April 2009 berechneten Verbindungsminuten und den EVN-Daten besteht. Zu Recht verweist die Klägerin zudem darauf, dass die Beklagte als "Reseller" die Verbindungszeiten den jeweiligen Endkunden weiterberechnet hat. Die von der Beklagten zur Abrechnung eingeschaltete Fa. B hat ausweislich der von der Beklagten selbst vorgelegten Reports (Bl. 91 ff.) beispielsweise für April 2009 genauso viele Minuten weiterberechnet wie die Klägerin in ihrer Rechnung von April 2009 ausweist, nämlich 8.388.536 Minuten (vgl. Anlage K 4 und Bl. 100/101 d.A). Für März 2009 weist der B-Report sogar mehr Minuten aus, als von der Klägerin berechnet (Klägerin Anlage K 3: 29.840.847 Min.; Aufstellung B Bl. 98/99 d.A.: 29.855.519 Min). Eine Differenz, die die Beanstandung der Rechnungen der Klägerin nachvollziehbar machen würde, ist demnach nicht ersichtlich. Ferner hat die Klägerin mit Schreiben vom 27.05.2009 (Bl. 21 d.A.) mitgeteilt, dass sie die CDRs mit ihren Rechnungen abgeglichen habe und keine Differenz habe feststellen können. Möglicherweise habe die Beklagte nicht alle Verbindungsdaten vom Server abgerufen. Die Klägerin bietet insoweit Hilfestellung an. Darauf hat die Beklagte nicht reagiert und auch im Prozess zu der von ihr behaupteten Differenz nicht näher vorgetragen. Insofern bestand auch keine Veranlassung für die Klägerin, von sich aus die Verbindungsdatensätze vorzulegen oder eine technische Prüfung vorzunehmen. Die Ankündigung im Schreiben vom 27.05.2009, zu den Abrechnungsdaten im anstehenden Prozess detailliert vorzutragen, steht ersichtlich unter dem Vorbehalt, dass die Beklagte in diesem Prozess ihre Einwendungen hinsichtlich der Differenzen konkretisiert. Dies ist, wie ausgeführt, nicht geschehen. Es ist auch nicht nachvollziehbar, wieso die Beklagte - die die Verbindungszeiten gegenüber ihren Kunden weiterberechnet hat - zu einer weiteren Spezifizierung der angeblich (zu ihren Ungunsten) ermittelten Differenzen nicht in der Lage sein soll.

Zu Recht hat das Landgericht auch darauf abgestellt, dass dem Schreiben vom 17.05.2009, Bl. 84 d.A., kein Verlangen der Beklagten gem. § 45 i Abs. 2 Satz 2 TKG zu entnehmen ist, das Ergebnis der technischen Prüfung vorzulegen. Vielmehr ist die Forderung nach einem "Nachweis" angesichts der Tatsache, dass Einzelverbindungdaten der Beklagten bereits vorlagen, nicht verständlich. Insbesondere nach dem Schreiben der Klägerin vom 27.05.2009, Bl. 21 d.A., in dem diese mitteilt, keine Differenzen zwischen CDRs und Rechnung ausmachen zu können, konnte die Beklagte nicht erwarten, dass die Klägerin ohne weitere Konkretisierung der Einwendungen zu den Verbindungsdaten eine technische Überprüfung vornimmt, erst recht nicht, dass sie diese unaufgefordert vorlegt.

Soweit die Beklagte in der Berufung darauf verweist, man habe die Diskrepanzen auch ausführlich mit der Klägerin telefonisch erörtert, so ist auch dieser Vortrag hinsichtlich des Grundes der Beanstandung nicht ausreichend konkret und daher einem Beweis nicht zugänglich. Im Übrigen sieht § 5 (6) des Vertrages R vor, dass Einwendungen gegen Rechnungen schriftlich zu erheben sind.

Es ist auch nicht zu beanstanden, dass das Landgericht als zusätzliches Argument dafür, dass die Beklagte gehalten war, substanzielle Einwendungen gegen die Rechnung zu erheben, das Geschehen im Zusammenhang mit der unter dem 27.04./06.05.2009 getroffenen Aufhebungsvereinbarung (Anlage K5) angeführt hat. Denn die Regelung in § 1 der Aufhebungsvereinbarung zeigt, dass die Freigabe der Sicherheiten (Bürgschaften) seitens der Klägerin von der Bezahlung der Rechnungen für die Monate März und April 2009 abhängig gemacht wurde. Darauf hat sich die Beklagte durch ihre Unterschrift eingelassen. Da die März-Rechnung im Zeitpunkt der Vereinbarung der Beklagten schon mehr als 4 Wochen vorlag - und auch der Marketingreport der Fa. B für März 2009 vom 15.04.2009 (Bl. 98 ff.d.A) - , konnte die Klägerin sich nach Treu und Glauben darauf verlassen, dass die Beklagte den in etwa der größeren Bürgschaft entsprechenden Rechnungsbetrag aus März 2009 in Höhe von 166.898,31 € nicht ohne Angabe detaillierter Gründe und schon gar nicht vollständig zurückbucht. Allenfalls ein Widerspruch der Beklagten in der Größenordnung einer etwaigen nachträglich zu ihren Lasten festgestellten Differenz wäre mit Treu und Glauben zu vereinbaren gewesen. Zu dieser Größenordnung trägt die Beklagte aber nichts vor.

Die den Rechnungsforderungen gegenüberstehende Schadensersatzforderung der Beklagten sollte gem. § 2 der Aufhebungsvereinbarung wegen des Streits um die Verantwortlichkeit für den Ausfall des Analogkundengeschäft nach dem "Change" gerade unabhängig von der Bezahlung der Rechnungen und der Bürgschaftsfreigaben sein, d.h. eine Verrechnung sollte gerade nicht erfolgen. Die von der Beklagten reklamierte Auslegung, die März-Rechnung sei im Zeitpunkt der Aufhebungsvereinbarung nicht unbeanstandet gewesen, weil man sie ansonsten als unstreitig aufgeführt hätte, ist mit den Auslegungsgrundsätzen der §§ 133, 157 BGB nicht zu vereinbaren. Vielmehr konnte die Klägerin angesichts der erklärten Bereitschaft, die größere Sicherheit unverzüglich freizugeben, wenn die kleinere zur Sicherung der April-Rechnung ausreicht, die Annahme dieser Erklärung durch die Beklagte nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte so verstehen, dass die Beklagte ihr Sicherungsbedürfnis in Bezug auf die März-Rechnung akzeptiert und den bereits eingezogenen Rechnungsbetrag nicht nachträglich zurückbucht.

2. Die somit schlüssig dargelegte Klageforderung in Höhe von 163.816,11 € ist auch nicht durch Aufrechnung mit der überschießenden Schadensersatzforderung der Beklagten erloschen. Unabhängig vom Bestehen einer solchen Gegenforderung ist der Beklagten die Aufrechnung gegenüber der Klageforderung gem. § 14 (2) des Remote Vertrages verwehrt. Eine Aufhebung des Aufrechnungsverbots ist in der Vereinbarung vom 27.04./06.05.2009 nicht zu sehen. Zur näheren Begründung wird auf die Ausführungen des Senats im Urteil vom 21.05.2010, Seite 11, Bl. 197 d.A. verwiesen.

3. Zu Recht hat das Landgericht folglich auch die Widerklage auf Rückzahlung des mit Urteil des Landgerichts vom 08.10.2009 ausgeurteilten und von der Beklagten zur Abwendung der Zwangsvollstreckung an die Klägerin gezahlten Betrages in Höhe von 171.499,43 € abgewiesen. Denn die Voraussetzungen des § 812 Abs. 1 BGB liegen nicht vor. Vielmehr erfolgte die Zahlung - wie unter oben 1. ausgeführt - mit Rechtsgrund. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Begleichung der offenen Rechnungen aus März und April 2009. Substantiierte Einwendungen gegen die Höhe der Klageforderung hat sie nicht vorgebracht. Soweit der Beklagten Schadensersatzansprüche zustehen, sind diese von der erhobenen Hilfswiderklage umfasst.

4. Das landgerichtliche Urteil ist auch nicht zu beanstanden, soweit es auf die Hilfswiderklage nur einen Betrag von 15.000,- € zugesprochen hat. Denn die für die Pflichtverletzung der Klägerin im Zuge des "Change" und für das Schadensausmaß darlegungs- und beweispflichtige Beklagte hat eine grob fahrlässige oder gar vorsätzliche Pflichtverletzung der Klägerin im Rahmen des durchgeführten "Change" nicht bewiesen. Auch sind keine Gründe für eine Unwirksamkeit der Haftungsbeschränkung bei einfacher Fahrlässigkeit auf 15.000,- € gem. § 11 (3) und (4) des Vertrages R gegeben:

a) Entgegen den Ausführungen in der Berufung ist dem Gutachten und dem Ergänzungsgutachten des Sachverständigen S kein grobes Fehlverhalten der Klägerin zu entnehmen.

Unstreitig bzw. aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen bewiesen ist lediglich, dass vor dem "Change", also vor dem Wechsel der BRAS (Breitband Remote Access Server)-Plattform durch die Klägerin ein Datenaustausch auch bei analogen Einwahlkunden der Beklagten funktionierte, obwohl vom Kunden-PC standardmäßig - auch wenn nur ein Kanal zur Verfügung stand - eine Kanalbündelungsanfrage gestartet, diese Anfragen von der Klägerin zugelassen und eine maximale, eigentlich für eine Analog-Leitung zu große Paketgröße von 1500 byte (MRU) verhandelt wurde. Nach dem Wechsel des BRAS wurden Datenpakete von der BRAS-Plattform der Klägerin verworfen, wenn die Datenmenge (PPP-Datenpakete) den maximal verhandelten Wert von 1500 byte überschritten (siehe Ausgangsgutachten S. 20, 21 , Bl. 419, 420 d.A., sowie die Beantwortung des Fragenkatalogs des Sachverständigen durch die Klägerin, Seite 6, Bl. 255 d.A., den der Sachverständige in diesen Punkten nachvollzogen und für zutreffend erachtet hat).

Der Sachverständige hat aber entgegen der Auffassung der Beklagten keine Aussage dahingehend getroffen, dass die Klägerin vor dem Change vertragskonform gearbeitet hat und danach nicht mehr. Nach Auffassung der Beklagten soll der Fehler darin liegen, dass der neue Server der Klägerin nicht erkannt hat, dass die Multilink-Anfrage von Kunden mit einer analogen Leitung gestartet wurden und daher die verhandelte Paketgröße gar nicht verarbeitet werden konnte. Sie ist der Auffassung, die Klägerin hätte diese Anfrage in diesem Fall ablehnen müssen. Dazu behauptet sie, dies habe das alte System getan (Ablehnung Kanalbündelung). Nach den Feststellungen des Sachverständigen wurden solche Anfragen aber auch vor dem Change zugelassen; die Klägerin nutze allerdings "andere Mechanismen", um eine störungsfreien Betrieb zu gewährleisten (vgl. Seite 20 Ausgangsgutachten, Bl. 419 Hinweis). Damit hat der Sachverständige die Beweisfrage 1 "Hat der von der Klägerin im März 2009 durchgeführte Change dazu geführt, dass Kanalbündelungsanfragen nunmehr auch bei analogen Leitungen zugelassen wurden€" nicht im Sinne der Beklagten beantwortet, denn Kanalbündelungsanfragen wurden bei analogen Leitungen vor und nach dem Change zugelassen.

Feststellungen dazu, dass der neue BRAS fehlerhaft arbeitet, also im Rahmen der Multilink PPP Protokolls seitens des BRAS falsche Parameter ausgehandelt wurden, hat der Sachverständige, der sich insoweit in seinem Ergänzungsgutachten korrigiert hat, nicht getroffen. Vielmehr hält er die Einwendungen der Klägerin gegen sein Ausgangsgutachten insoweit für berechtigt und führt aus, dass der neue BRAS die Telekommunikationsstandards für das Multilink-PPP-Protokoll einhält und entgegen seiner vorherigen Annahme die Multikink-Fragmentierung unterstützt wird (Seite 9 Ergänzungsgutachten, Bl. 507 d.A.).

Aus der Tatsache allein, dass vorher etwas funktionierte, die Klägerin etwas veränderte und nachher der Datenaustausch bei Analog-Kunden nicht oder nicht mehr störungsfrei lief, kann entgegen der Auffassung der Beklagten nicht auf eine Verantwortlichkeit der Klägerin geschlossen werden. Dazu bedarf es der Feststellung, dass der Klägerin bei der Implementierung des neuen BRAS ein Fehler unterlaufen ist. Da aber die allgemeinen Telekommunikationsstandards von ihr eingehalten wurden und die Parteien darüber hinaus keine besonderen Standards vereinbart haben, kann eine solche Feststellung gerade nicht getroffen werden.

Ein Versäumnis der Klägerin könnte allenfalls darin liegen, dass sie die Funktionsweise des alten BRAS in Bezug auf den jeweiligen Endkunden der Beklagten schuldhaft nicht nachvollzogen hat und sie nicht erkannt hat, dass die Umstellung des Servers mit Nachteilen für ihren Kunden verbunden ist. Die Klägerin hat dazu ausgeführt, dass sie nicht erkannt hat und aufgrund einer "undokumentierten Funktion der alten BRAS" auch nicht erkennen konnte, dass Multilink-Anfragen von analogen Kunden unterstützt und so verarbeitet wurden, dass ein Datenaustausch möglich war. Im Einzelnen führt sie dazu aus (Bl. 255 d.A.):

Dies ... ist zwei Ursachen geschuldet:

Zunächst einer undokumentierten Funktion der alten BRAS-Plattform, nach der Pakete nur dann mit einem Multlink-Header versehen wurden, wenn mehr als eine physische Verbindung (Link) genutzt wurde, ...

Zudem hat die alte BRAS Plattform Datenpakete auch dann akzeptiert, wenn diese in Empfangsrichtung den maximal zulässigen weil verhandelten Wert der MRU überschritten haben".

Diese Ausführungen hat der Sachverständige für technisch plausibel gehalten (Ergänzungsgutachten S. 12, Bl. 510 d.A. "Bewertung"). Die Einlassung der Klägerin ist folglich nicht widerlegt und die Beklagte hat den Beweis nicht geführt, dass es ein von der Klägerin geschuldeter Standard war, dass der Datenaustausch bei Analogkunden trotz Mulilink-Header funktionierte. Dies wird bestärkt dadurch, dass laut Vertrag die Kanalbündelung nur bei ISDN unterstützt wird, die Klägerin demnach jedenfalls aufgrund der Vertragsgestaltung keinen Anlass hatte zu hinterfragen, ob der Datenaustausch auch funktioniert, wenn von Analogkunden eine Multilink-Anfrage gestartet wird.

Die Frage, ob der Klägerin im Zuge der Durchführung des Change eine mangelnde Abstimmung mit den betroffenen Kunden, respektive der Beklagten, vorzuwerfen ist, wie dies das Landgericht in Bezug auf die Ausführungen des Sachverständigen in seinem Ergänzungsgutachten auf Seite 13, Bl. 511 d.A., annimmt, kann im Hinblick darauf, dass nur die Beklagte Berufung eingelegt hat, dahinstehen. Denn jedenfalls ist - eine solche Pflichtverletzung unterstellt - die Bewertung des Landgerichts, dass nur ein leicht fahrlässiges Verhalten der Klägerin vorliegt und insoweit die Haftung gem. § 11 (4) des Vertrages R auf 15.000,- € beschränkt ist, nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat nach ihren unbestrittenen Angaben mit dem neuen BRAS ein gängiges System implementiert, wobei in den Gerätekonfigurationen im Wesentlichen mit werkseitigen Standardeinstellungen hinsichtlich MLPPP gearbeitet wurde. Es ist daher nicht ersichtlich, dass sich mögliche Probleme und das Erfordernis einer Abstimmung bei Wechsel des BRAS mit ihren Kunden in besonderem Maße hätten aufdrängen müssen. Auch im Rahmen der Problembehandlung ist der Klägerin jedenfalls kein größeres Versäumnis nachgewiesen; denn immerhin hat sie sich an der Fehlersuche beteiligt und ebenfalls unwidersprochen und vom Sachverständigen nachvollzogen dargelegt, dass sie ein "TCP MSS Replacement" eingesetzt habe, was die vom Client zu hoch ausgewählte Paketgröße mit einem geringeren Wert überschrieben habe, sie also das Problem letztlich habe lösen können (Bl. 255, Ergänzungsgutachten Seite 12, Bl. 519 d.A). Anhaltspunkte dafür, dass sie sich bewusst unkooperativ gezeigt hätte, um die Beklagte zur Lösung vom Vertrag zu zwingen, sind weder substantiiert vorgetragen noch sonst aus der schriftlichen Kommunikation zwischen den Parteien ersichtlich.

b) Die Haftungsbeschränkung für den Fall leichter Fahrlässigkeit ist auch nicht AGB-Rechts widrig. Denn die Beklagte hat für den Fall leichter Fahrlässigkeit in Bezug auf die sog. Kardinalpflichten (die sie der Entscheidung des BGH vom 20.07.2005 - VIII ZR 121/04, juris Rz. 85 folgend definiert) ihre Haftung nicht ausgeschlossen, sondern auf die bei Vertragsschluss voraussehbaren vertragstypischen Pflichten begrenzt. Damit trägt sie der Forderung Rechnung, dass die Haftungsbeschränkung nicht dazu führen darf, dass der Klauselverwender von Verpflichtungen befreit wird, deren Erfüllung die ordnungsgemäße Durchführung des Vertrages überhaupt erst ermöglicht und auf deren Einhaltung der Vertragspartner regelmäßig vertraut oder vertrauen darf (BGH, a.a.O., Rz. 83, OLG Köln, Urteil vom 22.07.2011, 6 U 45/11, zitiert nach juris Rz. 6).

Auch eine summenmäßige Beschränkung auf 15.000,- € je Schadensfall erscheint vor dem Hintergrund, dass es sich um ein Massengeschäft handelt, die Beklagte nicht Verbraucher ist, sondern als Reseller am unternehmerischen Verkehr teilnimmt, Einwahlprobleme bei den Endkunden des Resellers vielfältig sein können und die Beklagte dafür gem. § 7 (5) des Vertrages erkennbar nicht einstehen will und andere Netzbetreiber die Leistung der Klägerin übernehmen können, nicht unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB. Dies gilt auch angesichts der von der Beklagte dargelegten hohen Gewinneinbußen in den Monaten April, Mai und Juni 2009 von zusammen 238.494,83 € und weiteren Einkaufsnachteilen, zumal der generierte monatliche "Traffic" stark schwankend und aufgrund des Einsatzes von Least Cost Routern nur schwer kalkulierbar ist und daher ein Interesse an einer Begrenzung der Haftung auf einen Maximalbetrag verständlich ist.

Dass das Landgericht von einem einheitlichen Schadensfall ausgegangen ist, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Soweit die Beklagte vorträgt, der Fehler der Klägerin habe sich bei mehreren zehntausend Endkunden einen ganzen Monat lang ausgewirkt, so kommt es darauf nicht an. Für die rechtliche Einordnung, ob ein Schadensfall im Sinne von § 11 (4) des Vertrages vorliegt, ist vielmehr auf die Ursache abzustellen, die hier seitens der Klägerin allenfalls einmalig durch eine mangelnde Kommunikation bei Austausch des Servers gesetzt wurde.

5. Die Einwände gegen die Kostenentscheidung tragen nicht. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Kosten des Rechtsstreits trotz des Teilobliegens der Beklagten mit der Widerklage ihr vollständig auferlegt wurden. Im Rahmen des § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO kann ein Quotenanteil von 4,47 % als geringfügig angesehen werden. Dies ist jedenfalls für Quoten unter 5 % unstreitig und wird teilweise bis zu einem Unterliegen von 10 % so gehandhabt (vgl. Zöller-Herget, § 92 Rz. 10). Die Kosten des Berufungsverfahrens 19 U 156/09 sind Kosten des Rechtsstreits und folgen - trotz Obsiegens in diesem Zwischenstadium - der Entscheidung in der Hauptsache.

II.

Ausführungen zur möglichen Begründetheit der Anschlussberufung sind im Hinblick auf die Regelung in § 524 Abs. 4 ZPO und die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung im Beschlusswege entbehrlich, da die Anschlussberufung dann kraft Gesetzes ihre Wirkung verliert.

III.

Für die Beklagte besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 3 Wochen ab Zustellung. Auf die Möglichkeit der kostenmindernden Rücknahme der Berufung wird verwiesen.






OLG Köln:
Beschluss v. 15.11.2011
Az: 19 U 124/12


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