Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. Dezember 2003
Aktenzeichen: 28 W (pat) 131/01

(BPatG: Beschluss v. 10.12.2003, Az.: 28 W (pat) 131/01)

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Beim Deutschen Patent- und Markenamt ist am 22. Februar 1980 der unter der Nummer IR 430 836 international registrierten Bildmarkesiehe Abb. 1 am Endefür die Waren

"Appareils à raser; tondeuses; parties et accessoires des articles precites, non compris dans d'autres classes"

der Schutz für die Bundesrepublik Deutschland bewilligt worden.

Gegen die Eintragung der Marke ist am 6. Dezember 2000 Antrag auf Schutzentziehung nach §§ 115, 107, 50 Abs 1 Nr 1 in Verbindung mit § 3 Abs 2 Nr 2 MarkenG gestellt und im wesentlichen damit begründet worden, der angegriffenen Marke fehle als bloßer Wiedergabe des Kopfes eines elektrischen Rasierapparates bereits die Markenfähigkeit.

Die Markeninhaberin hat dem Schutzentziehungsantrag rechtzeitig widersprochen. Sie beruft sich auf tellequelle-Schutz sowie darauf, dass § 3 Abs 2 Nr 2 ohnehin nicht auf eine Bildmarke anwendbar sei, wenn diese wie vorliegend keine Warenform beinhalte, sondern sich als piktogrammartige Wiedergabe kombinierter geometrischer Formen darstelle. Der Löschungsantrag sei daher kostenpflichtig zurückzuweisen.

Die Markenabteilung 3.4. des Deutschen Patent- und Markenamtes ist dem Vorbringen der Markeninhaberin mit der Begründung gefolgt, dass unter Berücksichtigung der Meistbegünstigungsklausel nach § 162 Abs 2 MarkenG der IR-Marke zumindest nach altem Recht des Warenzeichengesetzes wegen des tellequelle-Privilegs der Schutz allein wegen fehlenden Markenfähigkeit aufgrund technischer Formbedingtheit nicht hätte verweigert werden können, da § 3 Abs 2 Nr 2 keine Entsprechung in Art 6 quinquies B PVÜ habe. Sie hat daher den Antrag zurückgewiesen, von einer auf Kostenauferlegung zu Lasten der Antragstellerin aber abgesehen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin. Sie ist der Ansicht, dass die tellequelle-Klausel nur dann Anwendung finden könne, wenn der Streitgegenstand seinem Wesen nach keine Marke sei. Das sei indes bei dreidimensionalen Marken mit ausschließlich technisch bedingten Merkmalen nicht der Fall, so dass eine Berufung auf den tellequelle-Schutz nicht möglich sei, da insoweit die in Art 6 quinquies B PVÜ genannten Schutzverweigerungsgründe nicht erschöpfend seien. Wie sich aus der zwischen den Beteiligten getroffenen Entscheidung des EuGH (GRUR 2002, 804 - Philips) ergebe, sei eine Produktform dem Markenschutz nicht zugänglich, wenn ihre wesentlichen funktionellen Merkmale lediglich einer technischen Wirkung zuzuschreiben seien. Das gleiche gelte für die vorliegende Bildmarke, denn sie sei nur die naturgetreue grafische Darstellung des Scherkopfes des mit der Marke geschützten Produktes (Rasierapparate), der zur Erreichung der technischen Wirkung erforderlich sei. Darüber hinaus macht die Antragstellerin erstmals geltend, dass der IR-Marke auch die erforderliche Unterscheidungskraft fehle und ein Verstoß gegen die öffentliche Ordnung gemäß Art 6 quinquies B Abs 2 Nr 3 PVÜ vorliege, da die vorliegenden Gestaltung nicht mit der Herkunftsfunktion zu vereinbaren sei.

Die Antragstellerin beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Löschung des deutschen Teils der IR-Marke 430 836 zu beschließen.

Die IR-Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie schließt sich den Ausführungen des angefochtenen Beschlusses an und hält weiterhin die Anwendung des § 3 Abs 2 MarkenG für ausgeschlossen, zumal auch insoweit der tellequelle-Schutz durchgreife und darüber hinaus die Schutzfähigkeit nach dem Warenzeichengesetz bejaht werden müsste. Im übrigen handele es sich bei der angegriffenen reinen Bildmarke um eine fantasievolle, nicht freihaltungsbedürftige Darstellung, hinsichtlich derer absolute Versagungsgründe wegen der abgelaufenen 10-Jahres-Ausschlussfrist nicht mehr geltend gemacht werden könnten.

Beide Beteiligten regen hilfsweise die Zulassung der Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof an.

II.

Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig, aber nicht begründet, denn die Voraussetzungen für eine Schutzentziehung der angegriffenen Marke liegen nicht vor. Es fehlt an ausreichenden Anhaltspunkten dafür, dass der angegriffenen Bildmarke sowohl im Zeitpunkt der Eintragung als Marke wie im Zeitpunkt der Entscheidung über den Schutzentziehungsantrag ein Schutzhindernis nach dem WZG bzw MarkenG entgegenstand und noch entgegensteht (§§ 115 Abs 1 iVm 50 Abs 1 Nr 1 u 3, Abs 2 S 1 MarkenG).

Soll eine Marke gelöscht werden, so sind die Anforderungen, die an den Nachweis von Schutzhindernissen zu stellen sind, mindestens ebenso hoch wie im Eintragungsverfahren, das heißt, solange keine unzweideutigen, den Schutz einer Marke entgegenstehende Erkenntnisse vorliegen, ist die Marke nach § 33 Abs 2 MarkenG einzutragen, bzw es ist ihr der Schutz zu belassen. Je weiter der Eintragungszeitpunkt zurückliegt, umso sorgfältiger sind die Verwendungsbeispiele zu überprüfen, denn die rückblickende Beurteilung eines Verkehrsverständnisses oder eines Verkehrsbedürfnisses ist in der Regel schwierig, wenn nicht sogar unmöglich.

Im vorliegenden Fall kann es - anders als in den Parallelverfahren zwischen den Beteiligten - dahingestellt bleiben, ob zugunsten der angegriffenen IR-Marke der tellequelle-Schutz auch hinsichtlich der bildhaften Wiedergabe einer lediglich technisch bedingten Produktform eingreift. Denn selbst wenn eine solche Marke im Löschungsverfahren insoweit unbeschränkt nachprüfbar wäre, scheitert eine Schutzentziehung jedenfalls daran, dass erkennbar die tatbestandlichen Voraussetzungen nach neuem Recht, also vor allem des § 3 Abs 2 Nr 2 MarkenG, auf den sich die Antragstellerin in erster Linie stützt, nicht gegeben sind. Zwar können, wie der Europäische Gerichtshof in seiner vorgenannten Entscheidung zu Philips-Remington ausgeführt hat, auch zweidimensionale Marken dem in dieser Vorschrift normierten gesetzlichen Freihaltebedürfnis an bestimmten Produktformen unterfallen; das setzt aber voraus, dass sich die bildliche Gestaltung in der - zumeist naturgetreuen - Widergabe ausschließlich technischer Formelemente erschöpft, wovon vorliegend keine Rede sein kann. Die betroffenen Verkehrskreise werden, selbst wenn sie die von der angegriffenen Marke geschützten Produkte vor Augen haben, diese nicht als Wiedergabe einer lediglich technisch bedingten Form auffassen, da die Darstellung rein flächenhaft gehalten und dermaßen stilisiert ist, dass darin nur über mehrere analytische Gedankenschritte eine Produktform ermittelt werden könnte. Es handelt sich jedenfalls nicht um eine naturgetreue Wiedergabe der geschützten Waren, und zwar auch nicht eines Teils derselben in Form eines Rasierscherkopfes. Allein die bloße Verwendung von drei Ringen in einem Dreieck mit abgerundeten Ecken lässt nicht zwingend eine technisch bedingte Form oder Gestaltung erkennen, vielmehr wären dazu mehr oder minder genaue fotografische Abbildungen oder technische Zeichnungen erforderlich.

Die weiteren, erstmals mit der Beschwerde vorgebrachten Einwände gegen die Schutzfähigkeit der angegriffenen Marke insbesondere nach § 50 Abs 1 Nr 3 sind von vornherein schon deshalb zum Scheitern verurteilt, weil insoweit die Ausschlussfrist des § 50 Abs 2 S 2 MarkenG entgegensteht, denn zwischen Schutzerstreckung der Marke und dem Löschungsantrag liegen mehr als 10 Jahre. Die grundsätzliche Anwendung dieser Vorschrift auch für Altmarken entspricht gefestigter Rechtsprechung (vgl BPatG GRUR 98, 66, 67 - PROPACK; ebenso 26 W (pat) 47/01 vom 26. Februar 2003 - Budweiser - PAVIS CD-ROM) und Literatur (Althammer/Ströbele, MarkenG, 7. Aufl 2003, § 162 Rdn 9; Ingerl/Rohnke, MarkenG, 2. Aufl 2003, § 162 Rdn 3), so dass eine Berufung auf fehlende Unterscheidungskraft oder das Bestehen eines Freihaltesbedürfnisses nach § 8 Abs 2 Nr 1 u. 2 MarkenG nicht mehr möglich ist. Was den angeblichen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung nach Art 6 quinquies B Abs 2 Nr 3 PVÜ betrifft, fehlt es an jeglichem substantiierten Vortrag zu diesem Punkt, abgesehen davon, dass diese Vorschrift hinter der speziellen Regelung des § 50 MarkenG zurücktritt.

Die Beschwerde der Antragstellerin musste damit erfolglos bleiben.

Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst (§ 71 Abs 1 MarkenG), zumal die IR-Markeninhaberin ihren Kostenantrag im Verfahren vor der Markenabteilung nicht mehr weiterverfolgt hat.

Für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde bestand kein Anlass, da die Entscheidung weder auf einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung beruht noch eine höchstrichterliche Entscheidung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert.

Stoppel Schwarz-Angele Paetzold Pü

Abb. 1 http://agora/bpatg2/docs/D13459.3.gif






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Beschluss v. 10.12.2003
Az: 28 W (pat) 131/01


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