Bundespatentgericht:
Beschluss vom 13. Oktober 2005
Aktenzeichen: 25 W (pat) 152/03

(BPatG: Beschluss v. 13.10.2005, Az.: 25 W (pat) 152/03)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Bezeichnung Blue Marlinist für

"Brillen, Compact-Disc, CD-ROM, Computerprogramme, Datenträger, Filme, Video- und Musikkassetten; Armbänder, Uhren, Chronographen, Etuis, Halsketten, Juwelier- und Schmuckwaren, Ketten, Krawattenhalter, Manschettenknöpfe, Ohrringe, Schlüsselanhänger; Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen, Halstücher, T-Shirts, Sweatshirts, Hemden, Krawatten, Pullover, Jacken, Mäntel, Regencapes, Hüte, Baseballkappen, Hosen, Gürtel, Handschuhe, Schals, Socken, Unterwäsche; Verpflegung von Gästen des Restaurants"

am 16. Dezember 1999 unter der Nummer 399 51 806 in das Markenregister eingetragen worden. Die Eintragung wurde am 20. Januar 2000 veröffentlicht.

Hiergegen hat die Inhaberin der älteren international registrierten Marke IR 495 369 BLUMARINE die seit dem 13. Februar 1992 ua in der Bundesrepublik Deutschland Schutz für

"Appareils et instruments scientifiques, nautiques, geodesiques, photografiques, cinematografiques, optiques, de pesage,de mesurage, de signalisation, de contr™le (inspection), de secours (sauvetage) et d'enseignement; lunettes, lunettes de soleil; appareils automatiques declenches par l'introduction d'une pièce de monnaie ou d'un jeton; machines parlantes; caisses d'enregistreuses, machines à calculer; appareils extincteurs ;Metaux precieux et leurs alliages; joallerie, pierres precieuses; bijouterie d'ornement; horlogerie et autres instruments chronome- triques; Vetements, y compris les bottes, les souliers et les pantouffles; prêtàporter; habillement, bonneterie, tricots; pelleteries et forrures"

beansprucht, Widerspruch erhoben.

Der Inhaber der angegriffenen Marke hat im Verfahren vor der Markenstelle die Benutzung der älteren Marke unbeschränkt bestritten. Nach Vorlage entsprechender Unterlagen, die die Jahre 1996/1997 bis 1999 betreffen, hat er die Benutzung der Widerspruchsmarke für "genähte Damenoberbekleidung" anerkannt und die Nichtbenutzungseinrede im übrigen aufrecht erhalten.

Mit Beschluss der Markenstelle für Klasse 42 vom 5. Mai 2003 wurde die Verwechslungsgefahr durch einen Prüfer des höheren Dienstes verneint und der Widerspruch zurückgewiesen. Die wegen der Anerkennung der Benutzung der Widerspruchsmarke für "genähte Damenoberbekleidungsstücke" zugrunde zu legenden "Damenoberbekleidungsstücke" seien mit den Waren "Bekleidungsstücke" der angegriffenen Marke teilweise identisch. Diese Ausgangslage erfordere in Verbindung mit den angesprochenen allgemeinen Verkehrskreisen einen strengen Maßstab, dem die angegriffene Marke jedoch gerecht werde. Trotz der Übereinstimmung am Wortanfang in der Lautfolge "BLU-" bestünden hinreichend deutliche Unterschiede in den Endungen im Hinblick auf die Laute "L"/"R". Bei Berücksichtigung einer deutschen Aussprache werde der Endungslaut "E" der älteren Marke ebenfalls ausgesprochen, wodurch diese eine zusätzlich Sprechsilbe enthalte. Auch enthalte die angegriffene Marke durch den Namen des so benannten Speisefisches eine deutliche Merkhilfe, während die Widerspruchsmarke insgesamt an die Farbe Marineblau erinnere. Schriftbildlich wie begrifflich bestehe ein ebenso ausreichender Abstand.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden mit dem Antrag, den angegriffenen Beschluss vom 5. Mai 2003 aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke 399 52 806 anzuordnen.

Die von der Markenstelle verneinte Gefahr von Verwechslungen sei fehlerhaft beurteilt worden. Auszugehen sei von einer teilweisen Identität der Waren der Klasse 25, im übrigen bestehe für die in diese Waren-Klasse fallenden Produkte eine hochgradige Ähnlichkeit. Dies müsse zu strengen Anforderungen an den markenrechtlichen Abstand führen, den die angegriffene Marke nicht einhalte. Maßgeblich werde der Gesamteindruck beider Marken von der übereinstimmenden Vokalfolge "uai" geprägt; weder das "e" in der angegriffenen Marke noch die Endung "E" in der Widerspruchsmarke träten klanglich in Erscheinung. Auch verfügten die Verbraucher zunehmend über Fremdsprachenkenntnisse, die dazu führten, dass die Widerspruchsmarke wie "BLUHMARIHN" und die angegriffene Marke wie "BLUH MARLIHN" ausgesprochen würden. Da der Gesamteindruck maßgeblich vom Wortanfang bestimmt werde, der hier übereinstimme, sei mit Verwechslungen zu rechnen, wobei begriffliche Unterschiede angesichts der klanglichen Übereinstimmungen nicht hervorträten. So sei die Bedeutung der angegriffenen Marke im Deutschen unbekannt. Auch der Sinngehalt der Widerspruchsmarke erschließe sich erst nach einigem Nachdenken. Da es sich hier um Waren des täglichen Bedarfs handele, denen der Verkehr mit einer bestimmten Flüchtigkeit begegne, seien Verwechslungen unausweichlich.

Der Inhaber der angegriffenen Marke beantragt sinngemäß, die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Widerspruchsmarke werde nur noch für "Damenoberbekleidung" benutzt. Die vom Inhaber der angegriffenen Marke beanspruchten Waren "Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen, Halstücher, T-Shirts, Sweatshirts, Hemden, Krawatten, Pullover, Jacken, Mäntel, Regencapes, Hüte, Baseballkappen, Hosen, Gürtel, Handschuhe, Schals, Socken, Unterwäsche" seien mit den mit der Widerspruchsmarke versehenen Waren nicht ähnlich, weil die Waren der jüngeren Marke "Schuhwaren, Kopfbedeckungen, Halstücher, Krawatten, Schals, Hüte, Baseballkappen, Hosen, Gürtel, Handschuhe, Socken, Unterwäsche" nicht unter dem Begriff "Damenoberbekleidung" angeboten würden, so dass ganz unterschiedliche Konsumenten angesprochen seien. Die sich insoweit gegenüberstehenden Waren würden auch nicht im Zusammenhang mit Damenoberbekleidung präsentiert, sondern zB in Kaufhäusern auf unterschiedlichen Verkaufsebenen angeboten. Auch bei "T-Shirts, Sweatshirts, Hemden, Pullover, Jacken, Mäntel, Regencapes" handele es sich nicht ausschließlich nur um Waren, die unter den Gattungsbegriff "Damenoberbekleidung" fielen, weil sie auch für Herren und Kinder angeboten würden. Damit sei der Verkehrskreis der angegriffenen Marke weitaus größer als der der Widerspruchsmarke. Zwischen den Marken bestehe auch keine Ähnlichkeit. Gegenüber beschreibenden Angaben seien Phantasiebestandteile einer Marke meist prägend, so dass sich hier nicht "BLUMARINE" bzw "Blue Marlin", sondern allenfalls "BLU-" bzw "Marlin" oder "Blue Marlin" gegenüber stünden. Der Bestandteil "-MARINE" der Widerspruchsmarke sei für Damenoberbekleidung als Hinweis auf Seefahrt und entsprechend gestalteter Bekleidung beschreibend. Aber auch in ihrer Gesamtheit seien die Marken ausreichend unterschiedlich, was durch die unterschiedliche Betonung der Silbe "-MAR-" in der Widerspruchsmarke und der Silbe "-lin" der angegriffenen Marke hervorgerufen werde. Diese Unterschiede würden durch die deutsche Aussprache der älteren Marke und der englischen Aussprache der jüngeren Marke verstärkt. "BLU" habe im Deutschen keine Bedeutung, während "MARINE" auf das deutsche Wort für Seewesen, Flotte hindeute, was insgesamt für eine Aussprache nach deutschen Regeln spreche. Demgegenüber bestehe die angegriffene Marke aus einem auch im Inland bekannten englischsprachigen Wort "Blue" = blau und einem Phantasiebestandteil "Marlin", was eine insgesamt englische Aussprache nahe lege.

II.

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg, denn auch nach Auffassung des Senats besteht zwischen den Marken keine Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.

Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr richtet sich nach der Ähnlichkeit der Waren bzw Dienstleistungen, nach der Ähnlichkeit der Marken sowie nach der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, wobei der Gesamteindruck der Marken eine maßgebliche Rolle spielt.

Nachdem der Inhaber der angegriffenen Marke mit Schriftsatz vom 16. Mai 2001 im Verfahren vor der Markenstelle die Benutzung der Widerspruchsmarke für "genähte Damenoberbekleidung" anerkannt hat, ist nach den Grundsätzen der sog erweiterten Minimallösung von einer Benutzung der älteren Marke für "Damenoberbekleidung" insgesamt auszugehen (vgl Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl, § 26, Rdnr 212 mwN). Insoweit besteht gegenüber den vom Inhaber der angegriffenen Marke beanspruchten "Bekleidungsstücken" die Möglichkeit einer Warenidentität. Im Verhältnis zu den übrigen Waren der jüngeren Marke, soweit sie für Bekleidungsstücke im weiteren Sinn registriert ist, ist zumindest von einer eher engen Ähnlichkeit auszugehen.

Als Verbraucher sind die allgemeinen Verkehrskreise angesprochen. Der Senat legt seiner Beurteilung das vom EuGH entwickelte Verbraucherleitbild zugrunde, das auf den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher abstellt und dessen Aufmerksamkeit je nach Warenart oder Dienstleistung unterschiedlich hoch ausfallen kann (vgl zum veränderten Verbraucherleitbild BGH MarkenR 2002, 124 - Warsteiner III; EuGH MarkenR 2002, 231 - Phillips / Remington; Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl, § 9, Rdnr 156 mwN).

Der Widerspruchsmarke kommt nur eine eingeschränkte Kennzeichnungskraft zu, denn die Bezeichnung "BLUMARINE" enthält einen deutlichen Anklang an den Begriff "marineblau", der im Italienischen grammatikalisch korrekt "blu marino" lautet (vgl Langenscheidts Millenium-Wörterbuch Deutsch - Italienisch, 2000). Der Teil der Abnehmer, der über italienische Sprachkenntnisse verfügt, mag in dieser Bezeichnung auch die weibliche Pluralform erkennen. Soweit dem Verkehr die beschreibende Bedeutung der älteren Marke nicht geläufig ist, kann einem kennzeichnungsschwachen oder schutzunfähigen Markenwort nicht ohne weiteres eine entscheidende Bedeutung für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr zukommen. Der BGH hat in diesem Zusammenhang in der Entscheidung "AntiVir / Anti-Virus" (GRUR 2003, 963) ausgeführt, dass bei der Prüfung der markenrechtlichen Übereinstimmung nicht entscheidend auf Übereinstimmungen allein mit einer beschreibenden Angabe zu entscheiden sei, sondern dass vielmehr der Eindruck der Marke in der den Schutz dieses Zeichens begründenden Eigenprägung und Unterscheidungskraft maßgebend sei, die dem Zeichen trotz seiner Anlehnung an die freizuhaltende Angabe die Eintragungsfähigkeit verleihe. Ein darüber hinaus gehender Schutz kommt einer derart gebildeten Marke nicht zu, da dies einem Schutz der beschreibenden Angabe selbst gleichkomme. Als Abwandlung einer insbesondere für Bekleidung beschreibenden Farbangabe ist die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke gering und ihr Schutzumfang aus Rechtsgründen nach Art ihrer Eigenprägung daher eng zu bemessen Ob die ältere Marke im Hinblick auf die jüngere Rechtsprechung des BGH zur Schutzfähigkeit von Bezeichnungen, die an beschreibende Angaben angelehnt sind, die Eintragungsvoraussetzungen erfüllt, (vgl BGH BGH GRUR 2005, 258 - Roximycin; GRUR 2002, 540 - OMEPRAZOK), kann letztlich dahingestellt bleiben.

Nach dem maßgeblichen Gesamteindruck unterscheiden sich die Marken unter diesen Umständen in klanglicher Hinsicht ausreichend voneinander, auch wenn eine teilweise mögliche Warenidentität angenommen wird. Der Senat geht dabei von einer deutschen Aussprache aus, denn Anhaltspunkte für eine englische Aussprache sind entgegen der Ansicht der Widersprechenden nicht ersichtlich. Dementsprechend besteht die Bezeichnung "BLUMARINE" aus vier Silben, wobei die Endung "-NE" nicht in dem Ausmaß verschliffen wiedergegeben wird, dass sie für den Gesamteindruck der älteren Marke jegliche Bedeutung verliert. Die Betonung liegt bei einer ungezwungenen Sprechweise auf der dritten Silbe, die den hellen Vokal "i" heraushebt. Die angegriffene Marke dagegen enthält drei Sprechsilben, die zu einem anderen Sprechrhythmus führen, denn betont wird hier eher die zweite Silbe "-Ma-".

Soweit zugunsten der Widersprechenden eine englische Aussprache angenommen würde, bestünde auch hier ein wahrnehmbarer Unterschied in der Sprechweise insbesondere der Laute "A" und "R". Wird zudem auch die angegriffene Marke dem englischen Sprachbereich zugeordnet, wofür die korrekte Schreibweise "Blue" spricht, wird der Verkehr auch das weitere Wort "Marlin" dementsprechend aussprechen. Die dann auf der zweiten Silbe liegende Betonung verändert allerdings den Klangeindruck deutlich und spricht gegen ein entscheidungserhebliche klangliche Verwechslungsgefahr. In diesem Zusammenhang kommt hinzu, dass bei einer englischen Aussprache der Begriffsgehalt der jüngeren Marke, die einen großen Speisefisch (Blauer Marlin oder Blauer Fächerfisch) bezeichnet, deutlicher in Erscheinung tritt und insoweit ein weiteres - begriffliches - Unterscheidungsmerkmal darstellen kann.

Auch im Schriftbild bestehen im Hinblick auf die aus zwei Wörtern bestehende angegriffene Marke ausreichend Unterschiede gegenüber der älteren Einwort-Marke. Im vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, dass Bekleidungsstücke häufig auf Sicht gekauft werden. Eine Betrachtung der Marken gestattet eine wiederholbare und ruhigere Wahrnehmung als das gesprochene Wort, wobei die bildliche Betrachtung und die Erinnerung des Verbrauchers kognitive Prozesse sind, die beim Lesen des Wortes ein gleichzeitiges Erfassen des klanglichen Charakters zulassen.

Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.

Zu einer Kostenauferlegung bot der Streitfall keinen Anlass, § 71 Abs 1 MarkenG.

Kliems Merzbach Sredl Na






BPatG:
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Az: 25 W (pat) 152/03


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